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OF
COMPARATIVE ZOÖLOGY,
AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS.
jFountie"ö h^ jcfijate suöscrfptfon, fn 1861.
The gift of LOUIS AGASSIZ.
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it.
JAHRESHEFTE
des
Vereins für vaterländische Natiirkuncfe
in
WÜRTTEMBERG.
Herausgegeben von dessen Redactionscommission
Prof. Dr. H. v. Mohl in Tübingen; Prof. Dr. H. v. Fehllnff, Prof. Dr.
O. Fraas, Prof. Dr. T. Krauss, Dr. W. Menzel in Stuttgart.
ACHTZEHNTER JAHRGANG,
(Mit fünf Steiutafelu. ,
STUTTGART.
Verlag von Ebner & Seiibert.
' 1862.
Druck von E. Grein er in Stiittgiu
Inhalt.
I. Angelegenheiten des Vereins. Seite
ßerielit über die sechszehnte Generalversammlung in Stuttgart
den 24. Juni 18G1. Von Prof. Dr. Krauss 1
Kechenschaftsbericbt für 1860—61. Von Prof. Dv. Krauss. . 2
Zuwachs der Vereinssammlung 4
Zuwachs der Vereinsbibliothek 10
Rechnungsabschluss. Von Hospital-Verw. Seyffardt. ... 16
Wahl der Beamten 10
Wahl des Versammlungsorts für 1862 20
Nekrolog des Herzogs Paul Wilhelm von Württemberg. Von
Oberstudienrath Dr. v. Kurr 20
Nekrolog des Oberfinanzraths v. Nördlinger. Von Finanz-
rath Dr. Zell er 24
11. Aulsätze und Vorträge.
1) Zoologie und Anatomie.
Ueber einige für Württemberg neue Säugethiere und über die
in Württemberg erlegte Gemse. Von Prof. Dr. Krauss . 32
Ueber einen weissen Dachs und andere Varietäten württemb.
Säugethiere. Von Prof. Dr. Krauss 36
Ueber einen Rehbock mit monströsem Geweih. Von Prof.
Dr. Krauss 43
Ueber Papagaien-Zucht in Württemberg. Von W. Neubert 49
Ueber das Gift des Erdsalamanders. Von Oberamtsarzt Dr.
Finckh in Urach • 132
2) B 0 t a n i k.
Ueber das Wachsthuin der Weliingtonia gigantea. Von Kunst-
gärtner A. Hvass 30
Ueber rankende Gewächse. Von Obermedicinalrath Dr. v. Jäger. 62
Die württemb. Oscillatorien. Von Finanzrath Dr. Zell er . . 71
Die Laubmoose Württembergs. Von Georg von Martens . 76
Seite
Beiträge zur württemb. Flora. Von Oberamtsarzt Dr. Finkli
in Urach 189
Die Farben der Pflanzen. Von Georg von Martens. (Hiezu
Farbentafel V.) 239
3} Mineralogie und Geognosie.
Ueber die geologischen Verhältnisse des Tunnels zwischen
Heilbronn u. Weinsberg. Von Bauinspektor Binder . . 45
Ueber den Lehm. Von Prof. Dr. Fr aas 59
Ueber die Verunreinigung der Kohlenstadelquelle zu Ulm und
die Entfernimg des Uebelstandes. Von Dr. B ruckmann 135
4) Paläontologie.
Ueber ein Schädelstück eines Keupersauriers. Von Finanzrath
Eser 47
Die tertiären Hirsche von Steinheim. Von Prof. Dr. Fr aas.
(Hiezu Taf. I und II) 113
Der Hohlenstein und der Höhlenbär. Von Prof. Dr. Fr aas . 156
Die Streitberger Schwammlager und ihre Foraminiferen-Ein-
schliisse. Von Bergmeister Gümbel in München. (Hiezu
Taf. III u. IV) 192
5) Physik und Chemie,
Ueber den sogenannten Muskelkalk zum Betelkauen. Von
Oberstudienrath Dr. v. Kurr 30
Ueber die Erscheinungen der Spectral-Analyse. Von Prof. Dr.
Zech 59
I. Angelegenheiten des Vereins.
Bericht über die secliszelinte Generalversammlung*
den 24. Juni 1861 in Stuttgart.
Von Prof. Dr. Krauss.
Die Versammlung -wurde wie bisher in den Sälen des Mu-
seums gehalten. Herr A. Hvass hatte die Gefälligkeit, daselbst
eine kleine Ausstellung schöner und interessanter Gewächshaus-
pflanzen in best kultivirten Exemplaren zu machen. Unter diesen
sind hervorzuheben : Araucaria Cimninghami glauca , Crescentia
nohilis, schöne Palmen, wie Chamaedorea Ernesti Augusti, Tri-
thrinax mauritiaeformis Martius , prachtvolle Musaceen : 3Iusa
glauca, M. zebrina, ferner eine Sammlung brasilianischer Coni-
feren und mehrere seltene Farnkräuter.
Ausser dieser -und andern Pflanzen waren einige seltene
Säugethiere aus Württemberg aufgestellt, unter welchen insbe-
sondere der im vorigen Jahr beim Schloss Wartstein, OA. Mün-
singen erlegte Gemsbock, ein Geschenk Sr. Majestät des
Königs, unseres gnädigsten Protectors, ferner ein Rehbock mit
abnormer Bildung des Geweihs, welchen Herr Oberförster Ploch-
mann in Blaubeuren dem Verein geschenkt hat , und zwei weisse
Spielarten vom Dachs, die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf
sich zogen. Auch die Paläontologen hatten Gelegenheit, einige
interessante FossiUen zu sehen; sehr merkwürdig waren die von
Kriegsrath Kap ff meisterhaft herausgemeiselten Schädelbruch-
stücke von Belodon Kapffii und Teratosaurus suevicus H. v. Meyer
aus dem Stubensandstein.
Württemb. naturw. Jahreshcftc. 1862. Is Heft. 1
— 2 —
Die Verhandlungen, wozu sich die Mitglieder aus allen Theilen
des Landes zahlreich eingefunden hatten, begannen nach 9 Uhr.
Der Geschäftsführer, Oberstudienrath Dr. v. Kurr eröffnete
die Versammlung und übernahm dann auf den allgemeinen Wunsch
der Mitglieder das Amt des Vorsitzenden.
Der Vereinssecretär Prof. Dr. Krauss trug folgenden
Rechenschaftsbericht für das Jahr 1860 — 61
Yor:
Meine Herren!
Von Ihrem Ausschuss habe ich den ehrenvollen Auftrag er-
halten, über die Thätigkeit des Vereins im verflossenen Jahr
Bericht zu erstatten.
Der Verein hat nun sein siebenzehntes Jahr zurückgelegt.
Es gereicht mir zum Vergnügen den Mitgliedern mittheilen zu
können, dass auch im abgelaufenen Jahr die Verhältnisse dessel-
ben in erfreulicher Weise vorwärts geschritten sind und dass die
Theilnahme an unserem gemeinnützigen Institut fortwährend im
Wachsen begriffen ist.
Die Jahreshefte konnten diessmal, obwohl die J. (j. Spran-
del'sche Buchdruckerei zur Herausgabe derselben nicht sehr för-
dernd mitwirkte, dennoch zu Anfang dieses Monats vollständig
in die Hände der Mitglieder abgeUefert werden. Die darin ent-
haltenen Aufsätze behandeln fast ausschliesslich die vaterländische
Naturgeschichte oder beziehen sich darauf. Sie liefern aufs Neue
den Beweis, dass unser engeres Vaterland immer noch Stoff genug
zur Bearbeitung der verschiedenen Zweige der Naturgeschichte dar-
bietet. Ihr Ausschuss hat desshalb geglaubt, ein Circular an die
württembergischen Naturforscher und insbesondere an diejenigen
Mitglieder, welche sich mit einem Theil der speciellen Naturge-
schichte beschäftigen , mit der Bitte ergehen lassen zu sollen, sie
möchten die Resultate ihrer Beobachtungen und Untersuchungen
in unseren Jahresheften niederlegen.
Die vaterländische Naturalien-Sammlung hat im ver-
gangenen Jahr einen Zuwachs von 46 Säugethieren in 19 Arten,
von 53 Vögeln in 37 Arten, von 2 Arten Keptilien, 3 Fischen,
— 3 —
11 wirbellosen Thiereii, 124 Arten Pflanzen und 217 Stück Bohrpro-
ben erhalten. Ich habe das Vergnügen, Ihnen auch diessmal wieder
die Mittheilung machen zu können, dass die Vereinssammlung unter
diesem Zuwachs mit einigen Thieren deren Vorkommen in der
württembergischen Fauna bisher nicht bekannt war, ferner mit eini-
gen seltenen Spielarten, welche auch für die allgemeine Naturge-
schichte von Interesse sind, und mit 28 für Württemberg neuen
Pflanzen bereichert worden ist. Das Nähere hierüber "werden Sie
in dem Verzeichniss über den Zuwachs der Vereinssammlung und
heute noch in einem Vortrag über die zum Theil hier ausgestellten
Gegenstände erfahren. Der Verein verdankt diese Beiträge den
unverdrossenen und uneigennützigen Bemühungen mehrerer Mit-
glieder und Gönner, deren Namen in dem Jahresbericht und an den
Gegenständen selbst aufgezeichnet sind, und welchen Ihr Ausschuss
hiefür den Dank öffentlich auszudrücken sich gedrungen fühlt. Aus
den öffentlichen Blättern werden Sie vernommen haben, dass die
vaterländische Naturalien - Sammlung den Sommer über viermal
wöchentlich des Nachmittags von 2 — 4 Uhr zur Besichtigung ge-
öffnet ist.
Die Vereinsbibliothek hat sich durch Geschenke und durch
den Austausch der Jahreshefte im verflossenen Jahr um 73 Bände
und Jahresberichte und fast ebenso viele Hefte und Brochüren ver-
mehrt; auch hat Ihr Ausschuss einen neuen Tausch mit
dem Verein für Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse
in Kiel,
der k. physikalisch-ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg und
der zoologischen Gesellschaft in Frankfurt a. M.
eingeleitet. Im Ganzen steht der Verein gegenwärtig mit 3 inlän-
dischen und 59 auswärtigen Instituten, Akademien und Gesellschaf-
ten in Verbindung. Die Bibliothek ist den Vereiusmitgliedern jeder
Zeit zur Benützung zugänglich.
In den Winter-Versammlungen wurden wie bisher auch im ver-
flossenen Winter die üblichen belehrenden Vorträge gehalten,
und zwar für die Vereinsmitglieder von
Oberreallehrer Dr. Blum über die mechanische Wärmetheorie,
für die Mitglieder mit ihren Frauen und Töchtern von
— 4 —
Prof. Dr. Fraas über das Mammiitlifeld bei Cannstatt,
Prof. Dr. Köstlin über den Schlaf der Menschen und Thiere,
Dr. Zech über die Fixsternwelt.
Endlich bleibt mir noch die traurige Pflicht übrig, die Mitglie-
der aufzuzählen, welche der Verein im letzten Jahr durch den Tod
verloren hat. Vor allen haben wir den Verlust des ersten Ehren-
mitglieds des Vereins, des Herzogs Paul Wilhelm von Württem-
berg Hoheit tief zu beklagen. Ein Verlust, der für die Wissenschaft
um so empfindlicher ist, als er mitten in der Thätigkeit im Ordnen
der auf seinen vielen Reisen gesammelten Beobachtungen und na-
turhistorischen Sammlungen hinweggerafft wurde.
Die verstorbenen Mitglieder sind :
Mechanikus Seeger in Stuttgart,
Oberjägermeister V. Hiller in Gürtringen,
Apotheker Roser in Hall,
Revierförster Riegel in Adelmannsfelden,
Apotheker Hahn in Grüglingen,
Prof. Dr. Schlossbergerin Tübingen,
Oberfinanzrath v. Nördlingerin Stuttgart.
lieber das letzgenannte Mitglied sowie über das erste Ehren-
mitglied des Vereins, werden Sie heute noch beredte Worte der
Erinnerung vernehmen. Der Nekrolog über Prof. Schlossberger
wird später nachfolgen.
Die Vereins- Sammlung hat vom 24. Juni 1360 bis 1861
folgenden Zuwachs erhalten :
I. Säuge thiere.
a) Als Geschenke:
Ves])eriiuo mystacinus Leisler^ Weibchen,
Mus Baiius L., in beiden Geschlechtern, alt und jung,
3fus decunianus L,, altes Männchen ,
yon Herrn Schulmeister Ackermann in Sershelm;
Vesperugo discolor Keys, u. Jjlas,, Männchen,
von Herrn Reviertorster Stützen berger in Mochenthal;
Vesperiilio Dauhentonü Leisler, altes Männchen,
— 5 —
Vesperiilio mysiaciniis Leisler, Männcten und Weibchen,
Vespertilio murinus Schreh., Männeben,
Flecotus aiü'itus Keys, u. Blas., Männeben,
Schirus vulgaris L., Männeben, grauliche Varietät,
Yen Herrn Kaufmann Hermann Reichert in Nagold;
Crocidura (Sorex Sdireh.J Araneus Wagler ,
Ton Herrn Oberförster Paulus in Zwiefalten ;
3£us musculus Z., Männchen, isabellgelbe Varietät,
von Herrn H. Ploucquet;
JJijpudc&us terreslris i., Weibchen, weiss auf dem Kopf,
von Herrn Apotheker Mayer in Heilbronn;
Tespertilio mystacinus Leisler, Männchen und Weibchen,
von Herrn Forstwarts-Verweser Gawatz in Pflummern;
Tesperugo Nathusii Keys, u. Blas,, Männchen und Weibchen ,
Crocidura leucodon Wagler, Männchen und Weibchen,
Arvicola arvalis S. Longch., Männchen und Weibchen,
Mus syhaticus L., Männchen und Weibchen,
von Herrn Prof. Dr. Krauss.
b) Durch Kauf:
2feles Taxus Fall, jun. , acht Monate altes Männchen von Eglos-
heim,
Meles Taxus Fall, var, alba., Männchen, weisse Varietät, bei Hossingen,
Talpa europaea L,, altes Männchen und Junge, von Stuttgart,
Synotus Barbastellus ICeys, u. Blas., Männchen von Sersheim,
Mustela Erminea L., im Uebergangskleid, von Sersheim,
IL Vögel,
a) Als Geschenke:
Fratincola (Saxicola Bechst.) ruhetra Koch, junges und altes Weibchen,
Cortus C'orone L,, junges Männchen,
Sylvia hortensis Lath., altes Weibchen,
Sylvia cinerea Bechst., altes Männchen,
Sylvia Ilypolais Lath., altes Männchen,
von Herrn Schulmeister Ackermann in Sersheim;
Garridus glandarius Briss., junges Männchen,
von Herrn Seifensieder W. Gärttner in Sersheim;
Mypoiriorchis subbuteo Boie, altes Männchen.
Bonasia sylvestris Brehm, altes Männchen,
von Herrn Dr. Emil Schüz in Calw;
Ästur palumharius Bechst., Weibchen im Jugendkleid,
von Herrn Revierförster Blattmacber in Steineck;
Pierocyanea circia Bonap., altes Weibchen mit einem Jungen,
Syrnium ÄIucoBoie, dreiwöchige Junge,
FuJica aira L., einwöchige Junge,
Corvtis monedula L., achttägige Nesthocker,
Piciis major L., Nesthocker,
Yon Herrn Apotheker Val et in Schussenried;
Mareca (Anas L.) Penelope Gould , Mannchen und Weibchen,
Mergus alhellus i., Weibchen,
Milcus regalis Briss., Junges ,
von Herrn Revierförster Probst in Heiligkreuzthal j
CoJymbus sejptemtrionalis L., junges Weibchen,
von Herrn Schreiber in üeberlingen;
Colymbus arcticus L., junges Weibchen,
Ayiser arvensis Brehm, alt,
Bonasia sylvestris Brehm. , 1, 4 und 6 Tage alte Junge, (die Eier wur.
den durch Unterlegen einer Bruthenne ausgebrütet).
von Herrn Hermann Reichert in Nagold;
Dryocopus fPicus L.) marihis Boie , altes Männchen,
von Herrn August Reichert in Nagold;
Oiis ietrax L., altes Weibchen, am Böckinger See geschossen,
Ton Herrn Fabrikant Richard Schäuffelen in Heilbronn
Ajiser arvensis BreJim , altes Männchen ,
Podiceps cristatus Baili,^ junges Männchen ,
Mergus merganser X., vier Junge mit der Alten ,
von Herrn Fabrikant LaNicca in Langenargen;
Mergus merganser L., zweijähriges Männchen,
von Herrn Revierförster Gönner in Neufra ,
Mareca (Anas L.) Penelo'pe Gould, junges Männchen,
von Herrn Baron von Gültlingen;
Corvus frugilegus L., altes Weibchen,
Buticilla iithys Brehm, altes Weibchen,
von Herrn Prof. Dr. Krauss.
b) Durch Kauf:
Mareca (Anas L.J Penelope Goidd , Männchen von Heiligkreuzthal ,
Ardea cinerea L., junges Männchen aus Friedrichshafen,
Mareca Penelope Goidd, altes Weibchen bei Riedlingen,
Clangida Glaucion Boie, altes Weibchen von Neufra,
Cygnus musicus Bechst., altes Männchen in Spaltbach , OA. Crailsheim,
Mergus serrator L,, altes Weibchen von Friedrichshafen,
Ardea minuia L., altes Weibchen,
Athene noctua Goidd, junges Männchen und Weibchen,
— 7 —
JErythacus rubecida Cuv,, altes Mannclien,
PyrrhuJa Ruhieilla Fall., Männchen, sämmtlich von Sersheim»
III. Reptilien.
Als Geschenke:
Coroyiella laevis Laur., Weibchen mit Embryonen ,
Ton Fabrikant Carl Deffner;
J3ufo tulyaris Laur., Jun^e bei Beimerstetten ,
von Prof. Dr. Krauss.
lY.. Fische.
AlsGesc henke:
Leuciscus rutilus Tal., mittleren Alters, aus dem Neckar ,
von Herrn Kaufmann Fr. Drautz in Heilbronn;
Eine Reihenfolge der mit Sachkenntniss und Pünktlichkeit gesammelten
Jugendzustände unserer Bachforelle, vom eintägigen bis zu einem
Jahre alten Jungen in 10 verschiedenen Altersstufen, theils^ aus dem
Zuchtkasten, theils aus dem Albbach, ferner
Fetromyzon fluviaiilis X., aus dem Albbach ,
von Herrn Dr. Kleinertz in Herrenalb,
Y. Insekten.
Als Geschenke:
Larven von IlyrmeUoyi formicarium L.^ vom "Wildbad,
von Herrn Apotheker Völter in Bonnigheim ;
Sechs Species Dyiiscus u. Ilydrophilus aus Schussenried,
von Herrn Apotheker Valet daselbst;
Larve von Cossus ligniperda Schaeff.^ aus Stuttgart,
von Herrn Prof. Dr. Krauss.
YI, Annulaten.
Als Gesche nk:
Tubifex rivulorum Lamlc,, aus Wassergräben,
von Herrn Apotheker Yalet in Schussenried.
YII. Helminthen.
Als Geschenk:
Oxyuris veinnicularis Bud,, aus dem Mastdarm eines Knaben ,
von Herrn Prof. Dr. Krauss.
VIII. Mollusken.
Als Geschenk: ^
Fisidium fontinale Pfeiff,^ aus Sümpfen von Winnenden ,
von Herrn Präparator Bauer.
IX. Gebirgsarten.
Als Geschenke:
50 Stücke Bohrproben yon Bulbach,
48 Stücke Bohrproben von Teinach,
119 Stücke Bohrproben yom Elsenthal bei Stuttgart und von Berg,
Ton Herrn Oberfinanzrath v. Nördlinger.
X. Pflanzen.
(Zusammengestellt von G. \, Martens.)
Vor zwei Jahren wurde ein Grundstück in der Nähe von Waiblingen
mit Abfällen von ausländischer Wolle gedüngt, in demselben Jahre noch
erschienen zwei Arten der Spitzklette, die gemeine, Xanthium struma-
rium L,, und die stachlige, Xanthium spinosum i., auf demselben Grund-
stück und erhielten sich auch im folgenden Jahre, doch in geringerer
Anzahl , ein merkwürdiges Beispiel der Verbreitung dieser im südlichen
Europa häufigen einjährigen Gewächse, deren Früchte sich durch zahl-
reiche Hacken fest an die Wolle der vorbeigehenden Schafe hängen, da-
her die Pflanze in Italien den Namen Strappa lana , Wollrupfer , er-
halten hat. Herr Apotheker Dieterich in Waiblingen hat die Güte
gehabt, uns schöne Exemplare von beiden für das Vereinsherbar zu
übersenden.
Von Herrn Oberamtsarzt Dr. ß. Finckh in Urach erhielten w^ir
sieben Arten, von denen drei uns noch fehlten, darunter Oarex hinervis
Sinith, von Herrn Apotheker Frickhinger in Nördlingen an trockenen
— 9 —
Eainen bei Thannhausen, Oberarats Ellwangen, entdeckt, dem südlichsten
Standorte dieser Segge.
Herr Regimentsarzt Dr. Hegelmaier theilte zwei Ton ihm bei Ulm
aufgefundene für unsere Flora neue Pflanzen mit, Erigeron droebachien-
sis MilUer, eine der von der Hier herabgeführten Alpenpflanzen, und
eine von ihm neuentdeckte Bastarddistel Cirsium lanceolatum-eriophorum
Hegelmaier ^ das erste Beispiel einer Bastarderzeugung durch die woll-
köpfige Distel.
Herr Bergrathsregistrator Krauser gab uns Melittis 2IelissophyUum L,
und Centaurea maculosa Lam,
Von Herrn Professor Dr. Kraus s erhielten wir drei bei Stuttgart
gefundene Pilze , wovon zwei , Spumaria alba Dec, die wie ein Schaum
Erdbeerstiele überzog, und Hydnum spadiceum F,, in Württemberg noch
nicht beobachtet worden waren.
Herr Apotheker Valet in Schussenried erfreute uns durch Ueber-
sendung \on 43 Arten und Abarten, wovon 8 im Herbar fehlten und
weitere 7 noch nicht als in Württemberg einheimisch bekannt waren.
Die interessanteste unter den letzteren ist Coccochloris Pila Suhr , zuerst
von dem dänischen Hauptmann v. Suhr in der Eider entdeckt, dann
Yon Lenor'mand bei Vire in der Normandie, und jetzt von Valet im
Schweigfurtweiher bei Schussenried , im November 1860 und weniger gut
erhalten im März 1861 aufgefischt; es sind runde Kugeln von der Grösse
einer Nuss bis zu der eines Apfels, in der Jugend angewachsen, später
frei auf den Wellen tanzend, getrocknet bleibt wie bei Ilydrurus nur 2
Procent der Masse als Bild der lebenden Pflanze auf dem Papier zurück.
Aehnliche Kugeln , Coccochloris stagnitia Spr. , sind in den Ebenen des
nördlichen Europas nicht selten, aber nie südlicher, als bei Darmstadt
im Springbrunnen des Hofgartens zu Bessungen gesehen W'Orden, ein
Versuch , sie von dort in einen ähnlichen Springbrunnen in Stuttgart zu
versetzen, hatte keinen Erfolg.
Herr Finanzrath Zell er entdeckte diesen Frühling im oberen See
des Schlossgartens in Stuttgart eine Alge aus der bei uns sparsam ver-
tretenen Familie der Desmidieen, Closteriuni lineatum Ehrenberg, in zahl-
loser Menge und theilte sie uns mit, nebst einer in Gräben bei Canstatt
entdeckten neuen Diatornee, Surirella suevica Zeller,
Bei weitem unsere meisten Pilze erscheinen mit den ersten Herbst-
nebeln und scheiden wieder bei dem ersten Frost, diese oft sehr kurze
Frist und die Schwierigkeit ihrer Erhaltung sind Ursache, dass noch
nicht der vierte Theil der in Württemberg wahrscheinlich vorkommenden
bisher wirklich beobachtet worden ist , so hat der Gustos des Vereins^»
herbars die Pilzzeit im Herbst 1860 vom 21. September bis 28. October
benützt und in den Wäldern um Stuttgart 61 Pilzarten gesammelt, wo-
von 15 noch nicht als württembergisch bekannt waren und 14 weitere'
— 10 —
dem Vereinsherbar noch fehlten. Auch lieferte ihm in diesem Herbst
der vor dem Neckarthor aufgehäufte Schutt den nur in einzelnen Jahren
mit langen Intervallen bei Stuttgart erscheinenden Stadtgänsefuss , Cheno-
jpodium urhicuin L, , und der Garten eines Freundes als verhasstes Un-
kraut den Himmelthau, Panicum sanguinale i. , der den Slaven eine
angenehme und nahrhafte Grütze liefert.
Das Vereinsherbar ist sonach seit dem letzten Rechenschaftsbericht
um 124 Gewächse bereichert worden, wovon 54 in demselben noch fehl-
ten und 23 neu für Württemberg sind.
Die Yereinsbibliothek hat folgenden Zuwachs er-
halten:
a) Durch Geschenke:
Ueber die Krystallfornien des zweifach chromsauren Ammoniak -Queck-
silberchlorids. Von Ritter v. Zepharovich. (Separatabdruck
von den Wiener Sitzungsberichten). Wien 1860. 80.
Geschenk vom Verfasser.
Address delivered at the Anniversary Meeting of the geological Society
of London on the 17. Febr. 18G0; etc. by J. Phillips President
of the Society. "London 1860. 8^. (Separatabdruck. Quat. Journ.
Vol. XVI.)
Geschenk vom Verfasser.
Die Klassen und Ordnungen des Thierreichs , wissenschaftlich dargestellt
in Wort und Bild. Von Dr. H, G. Bronn. Bd. IL Lief. 9—13.
1860. 8<J.
Vom Verleger zur Anzeige in den Jahresheften.
Die nutzbaren Mineralien Württembergs , zusammengestellt von Prof.
Dr. O. Fr aas. Stuttgart 1860. 8».
Geschenk vom Verfasser.
Württembergische naturwissenschaftliche Jahreshefie. Jahrgang XVI.
Heft % 3. 1860. 80. Jahrgang XVII. Heft 2, 3. 186L 8<>.
Geschenk vom Verleger.
Observations on the Genus Unio etc. by Isaac Lea. With 25 Plates.
Vol. VIL Philad. 1860. fol.
Geschenk vom Verfasser.
Verhandlungen des naturhistorisch-medicinischen Vereins zu Heidelberg.
Bd. IL Nr. 2, 3.
Geschenk vom Verein.
Ueber die Krystallformen des essigsalpetersauren Strontian und des wein-
— 11 —
steiusauren Kali-Litliion von Y. Ritter v. Zepharovich. Wien 1860,
8^. (Separatabdruck. ^Yiene^ Sitzungsberichte).
Geschenk vom Verfasser.
Der zoologische Garten. Organ für die zoologische Gesellschaft in Frank-
furt, herausgegeben von Dr. AVeinland. Jahrgang I. etc. 7 — 12
sammt Index.
Yom Verleger zur Anzeige.
Illustrazione della Mumia peruviana esistente nel civico Museo di Milano
letta dal Dottore Emilio Cornalia. Milano 1860. (Separatab-
druck.)
Vom Verfasser zur Anzeige in den Jahresheften.
Denkschriften der k. Bayer, botanischen Gesellschaft zu Regensburg.
Bd. IV. Abth. 1, Mit 9 Taf. Regensb. 1859. 40.
Von der Gesellschaft.
Dritter Jahresbericht des naturhistorischen Vereins in Pas sau für 1859.
Passau 1860. 8«.
Yom Verein.
Bericht über Gründung und Thätigkeit des landwirthschaftlichen Vereins
zu Nossen in Sachsen, zur Feier des 25jährigen Bestehens des
Vereins. 1860. 4^
Vom Verein.
Erster Bericht des Offenbacher Vereins für Naturkunde über seine
Thätigkeit von seiner Gründung am 10. März 1859 bis zum 13. Mai
1860. OfTenbach 1860. 8«.
Vom Verein.
Denkschriften der naturwissenschaftlichen Gesellschaft Isis zu Dresden.
Festgabe zur Feier ihres 25jährigen Bestehens. Dresden 1860. 8^.
Von der Gesellschaft.
Jahresbericht der naturwissenschaftlichen Section der KK. mälirisch-
schlesischen Gesellschaft für Ackerbau, Katur- und Landes-
kunde für 1858 und 1859. Brunn 1859. 8«.
Von der Gesellschaft.
Siluria. The history of the oldest Known Rocks containing organic
remains , with a brief sketch of the distribution of gold over the
earth by Sir R. J. Murchison. London 1854. 8.
Geschenk von Med. Dr. Theod. Günther in Stuttgart.
H. Crosse, Kotice sur les Bulimes de la Nouvelle Caledonie et des-
cription de deux especes nouvelles.
H. Crosse, Observations sur le genreCone et description de 3 especes
nouvelles.
n. Crosse, Kote sur le genre Dibap hus et description d"une nouvelle
espece de Capulus. (Extraits Mag. Zool.)
12
H. Crosse, Descriptions de Coquilles nouvelles (Extr. Journ. Conchyl.)
Geschenke vom Verfasser.
Zehnter Jahresbericht der naturhistorischen Gesellschaft zu Hannover
von Michaelis 1859 bis dahin ISGO. Hannover 186Ö. 8^,
Geschenk von der Gesellschaft.
Zwanzigster Bericht über das Museum Francisco-Carolinum nebst 15. Lie-
ferung der Beiträge zur Landeskunde von Oesterreich ob Enns..
Linz 18G0. 80.
Geschenk von Carl Ehrlich.
Das Denkmal L. v. Buchs im oberösterreichischen Alpengebiete von Carl
Ehrlich. 80.
Geschenk des Verfassers.
Die Trinkwasser von Frankfurt a. M. in chemischer, physiologischer und
hygieinischer Beziehung untersucht u. beleuchtet v. Dr. G. Kern er»
Geschenk von Apotheker Kern er.
Bericht über die Thätigkeit der St. Gallischen naturwissenschaftlichen
Gesellschaft während der Vereinsjahre 1858 —60. St. Gallen.,
1860. 8^
Geschenk von der Gesellschaft.
b) Durch Austausch unser er Jahr esh efte, als F ortsetzung:
Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft, Bd. XL Heft
3. 4. Bd. XH. Heft 1. 2. Berlin 1859—60. 8.
Neunter und zehnter Jahresbericht über die Wirksamkeit des Werner-
Vereins zur geologischen Durchforschung von Mähren und Schle-
sien im Vereinsjahr 1859 und 1860. Brunn 1860—61. 40.
Jahresbericht der naturforschenden Gesellschaft Graubündens. Iseue
Folge. Jahrgang V. 1858—59. Chur 1860. 8«.
Verhandlungen der KK, zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wie n.
Jahrgang 1859. 1860. Bd. IX. X. Wien 1860. 80.
The Quaterly Journal of the geological Society.
Vol. XVL P. 2. 3. 4.
„ XVIL P. 1. Nro. 62—65. London 1860—61. 80.
Natuurkundig Tijdschrift voor Nederlandsch Indie, uitgegeven door
de natuurk. Vereeniging in Nederlandsch Indie onder Hoofdre-
daktie van Dr. P. Bleeker.
- Deel XX. Vierde Serie Deel VL Aflevering 1—6.
„ XXI. XXII. 5 „ „ I. II, „ 1. 2. Batftvift
1859—60. 80.
— 13 —
Bulletin de la Societe geologique de France.
XYI. P^euill. 65—73.
2feme Serie. Tome XYII. „ 21—52.
„ XYIII. „ 1—21. Paris 1859 —
1861. 80.
Bulletins de TAcademie Koyale des Sciences, des Lettres et des Beaux
Arts de Belgique. 28e Annee. 2e serie. T. VII. YIII. 1859.
Bruxelles. 8«.
Annuaire de l'Acad. Royale etc. de Belgique. 1860. 26e Annee.
Bruxelles 1860. 8».
Rymbybel yan Jacob van Maerlant, met Yorrede, Varianten van Hss.,
Aenteekeningen en Glossarium , ob Last van het Gouvernement en
in Naem der k. Akademie van Wetenschappen , Lettern en fraeije
Künsten, voor de eerste mael uitgegeven door J. David. Deel
L— III. Brüssel 1858—59. 8«.
Der Naturen Bloeme van Jacob van Maerlant, met Inleiding, Varianten
van Hss. etc. voor de eerste mael uitgegeven door J. H. Bormans.
Deel L Brüssel 1857. 80.
9r, lOr und 19r über das Museum Francisco-Carolinum. Linz 1847. 48.
59. 4P.
8r Bericht der .Oberhessischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde.
Gi essen 1860. 8«.
13r Bericht des naturhistorischen Vereins in Augsburg. Veröffentlicht
im Jahre 1860. 8«.
26r Jahresbericht des Mannheimer Vereines für Naturkunde. Mann-
heim 1860. 80.
Annales des Sciences physiques et naturelles d'Agriculture et d'Industrie
publiees par la Soc. imper. d'Agriculture etc. de Lyon. 3e ser.
T. II. III. 1858—59. 80.
Memoires de TAcademie imper. des sciences, belles-lettres et arts de Lyon.
Classe des Sciences. T. VIII. IX.
„ „ Lettres. Nouv. ser. T. VIL Lyon 1858—59. 80,
YVürttembergische Jahrbücher für vaterländische Geschichte, Geographie,
Statistik und Topographie , herausg. v. k. stat. topogr. Bureau.
Jahrg. 1858. Heft 1. 2. 1860. 80.
Memoires de la Societe Linneenne de Normandie. Annees 1856 — 59.
Vol. XI. Paris 1860. 40.
Memoires de la Soc. imp. des sciences naturelles de Cherbourg. T. VI.
VU. 1858. 59. Paris 1859—60. 80.
37r Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur.
Enthält Arbeiten und Veränderungen der Gesellschaft im J. 1859.
Breslau. 40.
14
Smithsonian Contributions of Knowledge. Vol, XI. "Wasliingt. 1860. foJ,
Report of the Commissoner of Patents for the Year 1858. 59. Agricul-
ture. Wash. 1859—60. 8».
Chek Lists of the Shells of North America. Prepared for the Srnithso-
nian Institution by J. Lea etc. Wash. 1860. 80.
Instructions in referrence to coUecting Nests und Eggs of N. american
Birds. 1860. 80.
Proeeedings of the American Association for the Ad\ancement of Science.
XIII. Meeting. Aug. 1859. Cambridge 1860. 8«.
Boston Journal of natural history. Yol. V. Boston 1847.
„ YII, 1. „ 1859. 80.
Proeeedings of the Boston Society of nat. bist. Yol. YII. Bog. 13. 14. 15.
Proeeedings of the Acad. of nat. Sciences of Philadelphia for 1859.
p. 271—355. 1860. p. 1—96. Phil. 8«.
Jaarboek van de k. Akademie van Wetenschappen te Amsterdam Yoor
1859. 80.
Yerslagen en Mededeelingen der k. Akademie van "SYetenschappen. Afdeel.
Natuurkunde Deel X. Amsterd. 1860. 80.
Catalogus van de Boekerij der k, Akad. v. \Yetensch. te Amsterdam»
Deel I. Stuck 2. Amsterd. 1860. 80.
Yerslag over den Paalworm , nitgegeven door de natuurk. Afdeeling der
k. Akad. v. Wetensch. Amsterd. 1860. 80.
Abhandlungen der naturforschenden Gesellschaft zu Halle. Bd. Y, Heft
2—4. Halle 1860. 40.
Jahrbuch der kk. geologischen Reichsanstalt. Jahrg. XI, 1. 1860. AYien
1860. 80.
Bulletin de la Soc. imp^r. des Naturalistes de Moscou. 1859, 2 — 4»
1860, 1. Moscou 1859—60. 80.
Nouveaux Memoires de la Soc. imper. des Natural* de Moscou. T. XL
XII. XIII. (— T. XYII. XYIII. XIX, de la Collection) Moscou
1859—60. 40.
Yerhandlungen der naturforschenden Gesellschaft in Basel. Bd. H,
Heft 4. Basel 1860. 80.
Annales de l'Observatoire physique central de Russie etc. par Kupfer,
Annee 1857. nr. 1. 2. St. Petersb. 1860. 40.
Compte-Rendu aimuel etc. par Kupfer, Annee 1858. St. Petersburg
1860. 40,
Recherches experimentales sur Telasticite des metaux faites a Tobserva-
toire physique central de Russie par Kupfer. T. I. St. Petersb,
1860, 4P,
Abhandlungen der naturforschenden Gesellschaft zu Görlitz. Band X.
Görlitz 1860. 8.
— 15 —
Jahresberichte über die Fortschritte der Chemie, Physik, Mineralogie und
Geologie. Bericht über die Fortschritte der Chemie und verwand.
ter Theile anderer Wissenschaften. Für 1859. Giesscn 1860. 8»
Sitzungsberichte der kais. Akademie der "Wissenschaften. Math, natur-
wissensch. Klasse. Bd. 38—42. Wien 1859-60. 8^.
Mathematische, desgl. Physikalische Abhandlungen der k. Akademie der
Wissenschaften in Berlin. Aus dem Jahre 1859. 4P.
Memoires de la Societe Royale des sciences de Liege. T. XV. Liege.
1860. 80.
Bulletin de la Soc. d'hist. natur. du Depart. de la Moselle, Cah. 9.
Metz 1860. 80.
Verhandlungen des naturhist. Vereins der preussischen Rheinlande
und Westphalens. Jahrg. XVIL Heft 1. 2. Bonn 1860. 80.
W^ürzburger naturwiss. Zeitschrift. Herausg. v. d. physik. -medicini-
schen Gesellschaft. Bd. I. Heft 2—4. Würzburg 1860. 80.
Bulletin de la Societe Vau dois e des sciences naturelles. T. VL Nr. 47.
Laus. 1860. 80.
Correspondenzblatt des zoologisch-mineralogischen Vereins in Regens-
burg. Jahrg. 14. Regensburg 1860. SO.
Jahresbericht der Wetterauer Gesellschaft für die gesammte Naturkunde
in Hanau pro 1858—60. Hanau 1861. 80.
Memoires de la Societe des sciences naturelles de Neuchatel. T* L
n. HI. Neuch. 1835-46. 4o.
Monatsberichte der k. preuss. Akademie der Wissensch. zu Berlin. 1857.
Jan. — Aug. 1860. Berlin 1861. 80.
Register vom J. 1836—1858. Berlin 1860. 80.
Uebersicht der Witterung im nördl. Deutschland nach den Beobachtungen
des meteorologischen Instituts zu Berlin. Jahrg. 1859 u. 1860. 40.
Bulletin de la Societe Linneenne deNormandie. Vol. V. Annee 1859 — 60.
Caen 1861.
Tübinger Universitätsschriften aus dem Jahre 1860. Tübingen 1861. 40.
VII. Zuwachsverzeichniss der k. Univ. Bibliothek zu Tübingen 1859
-60. 40.
7 Medicinische Dissertationen 80 und 40.
Die Metamorphose des Caryoborus (Bruchus) gonagra Fabr. mit Abb. von
H. L. Elditt. (Von der k. phys.-öcon. Gesellsch. in Königsberg
dem Prof, Dr. Rathke zum 25jährigen Jubiläum gewidmet.) Kö-
nigsberg 1860. 40.
c) Durch erst in diesem Jahre eingeleiteten Tauschverkehr:
Mittheilungen des Vereins nördlich der Elbe zur Verbreitung naturwissen-
schaftlicher Kenntnisse. Heft 1—4, Kiel 1857—60. 8«.
— 16 —
Schriften der k. physikalisch -öconomisclien Gesellschaft zu Königsberg,
Jahrg. I. Abth. 1. Königsberg 1860. 40.
Der zoologische Garten. Organ für die zoologische Gesellschaft zu Frank-
furt. Herausg. von Dr. D. F. Weinland. Jahrg. II. Nr. 1—6.
1861. 80.
Hospitalverwalter Seyffardt übergab als Kassier des Ver-
eins folgenden
Kechnungs-Abschluss für das Jahr 1860 — 61
der in seiner Abwesenheit von Prof. Dr. Krauss vorgelesen wurde.
Meine Herren!
Nach der revidirten und abgehörten 17. Rechnimg pro 1. July
1860 — 61 betragen
die Einnahmen
A. Reste.
1) Rechners Kassenbestand auf
30. Juni 1860 17 fl. 38 kr.
2) Activ-Ausstände .... 2 fl. 42 kr.
20 fl. 20 kr.
B. Grundstock.
Heiiibezahlte Kapitalien 1000 fl. — kr.
C. Laufendes.
1) Activ-Kapital-Zinse . . . 156 fl. 14 kr,
2) Beiträge von den Mitgliedern 1066 fl. 30 kr.
3) Staats-Beitrag 75 fl. — kr.
4) Ausserordentl. Einnahmen . 46 fl. 32 kr.
1344 fl. 16 kr.
Haupt-Surame der Einnahmen
— :• 2364 fl. 36 kr.
Ausgaben.
A. Reste. — fl. — kr.
B. Grundstock.
Kapitalien gegen Verzinsung hiugeliehen . . 1100 fl. — kr.
— 17 —
C. Laufendes.
1) Für Vermehrung der Samm-
lungen 173 fl. 59 kr,
2) Buchdrucker- und Buchbin-
derkosten 870 fl. S kr.
3) fürMobilien 11 fl. 48 kr.
4) für Schreibmaterialien, Ko-
pialien, Porti etc 42 fl. 31 kr.
5) Bedienung , Reinigungsko-
sten, Saalmiethe etc. . . 155 fl. 38 kr.
6) Steuern etc 11 fl. 2G kr.
7) Ausserordentliche Ausgaben 3 fl. 20 kr.
1268 fl. 50 kr.
Haupt-Summe der Ausgaben
— :• 2368 fl. 50 kr.
Werden von den Ausgaben im Betrage von 2368 fl. 50 kr.
die Einnahmen 2364 fl. 36 kr.
abgezogen, so erscheint am Schlüsse des Rech-
nungsjahrs ein Guthaben des Rechners von
4 fl. 14 kr.
Vermögens - Berechnung.
Kapitalien 4036 fl. — kr.
Hie von ab Guthaben des Rechners .... 4 fl. 14 kr.
Rest, Vermögensstand auf 1. July 1861 . . 4031 fl. 46 kr.
Da derselbe vom l.July 1860 3956 fl. 20 kr.
betrug, so stellt sich gegenüber dem Vorjahre
eine
Vermögens -Zunahme
von — :• 75 fl. 26 kr.
heraus.
Nach der vorigen Rechnung war die Zahl der Mitglieder und
Actien 388. Iliezu die neu eingetretenen Mitglieder, nämüch die
Herren :
Wiirttemb. naturw. Jahresheftc. 1862. Is Heft. ^
— 18 —
Professor Dr. Strecker von Tübingen ,
Graf Otto v. SalmHoogstraeten,
Oekonom Chr. Hai dien auf dem Schaichliof,
Revierförster Pfitzenmaier von Bebenhausen,
Forstassistent P r e s eh e r von Bebenhausen ,
Apotheker K e r n e r in Besigheim ,
Oberförster Paulus von Zwiefalten ,
Revierförster Tritschler von Schussenried,
Binkhorst van den B i n k h or s t von Mastricht ,
Chemiker H a 1 b r e i t e r von Heilbronn,
Director F ü r e r ,
Collegienrath Dr, v. Buch holz,
Dr. Kleinertz von Herrenalb,
Director Leidenfrost,
Apotheker S u c r o von Langenburg ,
Georg Heinrich S ch ö t tl e,
Oberregierungsrath B i t z e r ,
Dr. Th. Günther,
Werkmeister Arnold,
Dr. Dulk,
Oberjustitzrath Köstlin,
Richard Schaeuffelen von H e i 1 b r o n n ,
Apotheker Walter,
Reallehrer Albert Fischer,
Salineninspector Schlönbach in Salzgitter,
van Carp aus Holland,
Apotheker Finckh,
Inspector Schub 1er von Esslingen,
Zusammen 28
— :• 416
Hievon ab die ausgetretenen Mitglieder , und zwar die Herren :
Oberförster v. Fromm von Esslingen,
Fabrikant Dr. Weidenbusch von Darmstadt,
Holzverwalter W a 1 c h e r von Wolfegg ,
Hofrath v. Sauce rotte von Strasburg,
Flossinspector K u 1 1 r o f f von Calmbach ,
19
Freiherr Ferd. v. Hörnst ein von Weiterdingen,
Revierfürster J a e g c r von Lichtenstern , -
Stadtbaumeister Fritz,
Repetent Wagner von Schönthal,
Posamentirer W, A. B r u n n a r i u s ,
Apotheker Fr. N e i d h a r d t ,
Dr, Hall wachs, 12
die gestorbenen Mitglieder, nämlich die Herren:
Professor H o c h s t e 1 1 e r von Esslingen ,
Kaufmann Weiler,
Mechanikus S e e g e r ,
Professor Dr. Schlossberger von Tübingen ,
Oberfinanzrath von Nördlinger,
Apotheker G. R o s e r von Hall,
Oberjägermeister v. Hill er von Gärtringen,
Apotheker Hahn v. Güglingen ,
Revierförster Riegel von Adelmannsfelden, 9
21
über deren Abzug die Zahl der Mitglieder und Actien am Rech-
nungsschluss beträgt 395 , somit Zunahme gegen fernd 7 Mitglieder
und Actien.
Wahl der Beamten.
Der erste Vorstand, Professor Dr. v. R a p p in Tübingen,
der zweite Vorstand, Oberstudienrafth Dr. v. Kurr in Stuttgart,
sowie die statutengemäss austretenden Ausschussmitglieder
wurden durch Acclamation wieder gewählt.
DerAusschuss besteht somit aus folgenden Mitgliedern:
Zurückgebliebene:
Oberreallehrer Dr. Blum in Stuttgart,
Finanzrath Eser in Stuttgart,
Professor Dr. Fleischer in Hohenheim,
Professor Dr. Fr aas in Stuttgart,
Obermedicinalrath Dr. v. Jäger in Stuttgart,
Professor Dr. Köstlin in Stuttgart,
- — 20 —
Oberstudienratli Dr. v. Kurr in Stuttgart,
Finanzrath Dr. Zell er in Stuttgart,
Wiedergewählte :
Professor Dr. v. Fehl in g,
Medicinalrath Dr. Hering,
Generalstabsarzt Dr. v. Klein,
Professor Dr. Krauss,
Kanzleirath v. M a r t e n s ,
Dr. W.Menzel,
Bergrath Dr. v. S ch ü b 1 e r ,
Hospitalverwalter Seyffardt, sämmtlich in Stuttgart.
Zu Ergänzungs-Mitglieclern des Ausschusses wur-
den in der Sitzung des Ausschusses vom 5. September gewählt :
Professor C. W. Baur,
Oberjustizrath Gmelin,
Chemiker Haas,
Chemiker Dr. M a r x ,
Dr. Paul Zech, sämmtlich in Stuttgart.
In eben derselben Sitzung des Ausschusses wurden die bishe-
rigen Secretäre, Generalstabsarzt Dr. v. Klein und Professor
Dr. Krauss, sowie der bisherige Kassier, Hospitalverwalter
Seyffardt ersucht, ihre Aemter beizubehalten.
Die Versammlung schritt alsdann zur Wahl des Ortes für die
nächste Generalversammlung. Es wurde Esslingen und
Fabrikant Karl D e f f n e r zum Geschäftsführer erwählt.
Nekrologe.
Nekrolog des Herzogs Paul Wilhelm Friedrich v o n W ü r t-
t e m b e r g , vorgetragen von Oberstudienrath Dr. v. Kur r.
IcLi erfülle heute eine ebenso schmerzliche als ehrenvolle
Pflicht , wenn ich es versuche , ein gedrängtes Bild von dem lieben
und Wirken eines Mannes zu entwerfen, dessen Namen seitdem
Entstehen unseres Vereins unter der kleinen Zahl seiner Ehren-
mitglieder geglänzt, wie er in der Reihe reisender Naturforscher
von jeher eine ehrenvolle Stelle eingenommen hat. Wenn Fürsten
Kunst und Wissenschaft fördern und beschützen, so hat es immer
21
die Mit- und Nachwelt mit gebührendem Dank erkannt, wenn
sie aber selbstlhätig sich dabei erweisen , ja Gut und Bhit dafür
einsetzen und den schönsten Theil ihres Lebens der "Wissenschaft
aufopfern, so verdient diess gewiss in noch höherem Grad unsere
Anerkennung, denn dadurch wird die Wissenschaft nicht nur ge-
ehrt, sondern auch wesentlich erweitert und gefördert.
S. Höh. Herzog Paul Wilhelm Friedrich von Württemberg war
der zweite Sohn des verewigten Herzogs Eugen Friedrich Hein-
rich von Württemberg aus dessen dritter Ehe mit der verewigten
Frau Herzogin Louise, gebornen Prinzessin von Stolberg-Godern
und wurde geboren den 25. Juni 1797.
Er erhielt seine Erziehung in Stuttgart unter der Vorsorge
des verewigten Königs Friederich, welcher es sich zur Pflicht
machte, ihm die besten Lehrer zu verschaffen. Ausser den Spra-
chen zog ihn besonders der Unterricht des Professor Lebret, eines
in der Schule Cuvier's, Jussieu's, Hauy's und Gay-Lussac's heran-
gebildeten Mannes, an, welcher ihm eine gründliche Anleitung zum
Studium der Naturwissenschaften gab und die Seele des Schülers für
die Naturgeschichte insbesondere zu begeistern verstand. Schon im
Mai 1S06 ernannte ihn sein königlicher Oheim zum Hauptmann
ä la suite in seiner Garde. Ob und wie lange er in dem activen
Dienststand, wissen wir nicht. Am 20. Mai 1817 trat er, bereits
zum Generalmajor befördert, aus und widmete sich von nun an
ausschliesslich dem Studium der Naturgeschichte , so dass er schon
im October 1822 seine erste Reise nach dem nördlichen Amerika
antreten konnte; dieselbe dauerte bis Dezember 1824 und wurde
in Begleitung eines der Jagd kundigen Dieners ausgeführt. Sie
erstreckte sich über die Länder am Mississippi , Ohio und Missouri
und wurde zu naturhistorischen und ethnographischen Beobachtun-
gen aller xVrt, sowie zum Einsammeln von Mineralien, Pflanzen
und Tliiercn aus allen Classen, besonders aber von Vögeln, ver-
wendet, welche ihn immer ganz besonders anzogen. Die Ergeb-
nisse dieser mit grossen Strapazen und mancherlei Fährlichkciteu
verbundenen Reise wurden in einer Schrift : „Erste Reise nach dem
nördlichen Amerika in den Jahren 1822—24, Stuttgart Cotta 1835"
niedergelegt, welche, in Form eines Tagebuchs abgefasst und von
— 22 —
einer schonen Karte begleitet , den Beweis liefert , dass der Rei-
sende niclit nur zu beobachten und zu sammeln , sondern auch zu
schildern verstand, und dass sein menschenfreundliches Betragen
ihm überall Eingang und Anerkennung verschaffte. Am 17. April
1827 vermählte er sich mit der Prinzessin Sophie Dorothea
Caroline von Thurn und Taxis , und erhielt das vormals deutsch-
meistersche Schloss Mergentheim zur Residenz angewiesen , wo er
hinlänglich Raum fand , seine ersammelten Naturalien aufzustellen
und zu ordnen. Aus dieser Ehe ist ihm ein Sohn, Herzog Maxi-
milian, geblieben, welcher den 3. September 1828 geboren wurde.
Im Jahre 1829 unternahm er seine zweite Reise nach Amerika
und durchforschte bis 1832 die nördlichen Provinzen von Mexico,
die angrenzenden Theile der Vereinigten Staaten und die noch
wenig bekannten Inseln und Küsten des mexicanischen Meerbusens.
Als im J-ahre 1834 die deutschen Naturforscher undAerzte in Stutt-
gart ihre Versammlung hielten und er selbst persönlich zu erschei-
nen verhindert war, wurde in seinem Auftrag ein Theil seiner
Zeichnungen und Beobachtungen denselben vorgelegt, welche all-
gemeine Anerkennung fanden. Im September 1839 unternahm er
eine Reise in die theilweise noch unerforschten Länder des obern
Nil, indem er sich an eine militärische Expedition anschloss, welche
der Vizekönig von Egypten, Mehemed Ali, unternehmen Hess, von
dessen Seite ihm auch die freundlichste Unterstützung zu Theil
wurde. Dieselbe erstreckte sich über Oberegypten , Nubien und
einen Theil von Fazogl, und bot dem erlauchten Reisenden viel-
fachen Stoff dar, geographische, physikalisch-meteorologische und
naturhistorische Beobachtungen anzustellen und seine Sammlungen
zu erweitern. Im August 1840 kehrte er vielfach befriedigt zurück
und nun galt es die reichen Schätze näher zu untersuchen und zu
ordnen. Dazwischen folgten kleinere Reisen nach Algerien , Eng-
land, Frankreich und Oesterreich; auch nahmen ihn Arbeiten bei
der Kammer der Standesherren , deren Mitglied er war , vielfach
in Anspruch. Im Frühjahr 1849 wurde eine dritte Reise nach
Nordamerika gemacht, welche sich bis zum Herbst 1856 verlän-
gerte; er reiste über Bremen nach New-Orleans, Texas, Durango
und Mazatlan, sodann über den Isthmus von Panama, durch-
23
kreuzte die östlichen und nördlichsten Theile der Vereinigten
Staaten, die Felsengebirge , später auch Südcarolina, und wollte
auch noch nach Australien abgehen , allein das Schiff, welches er
zu diesem Behufe in Xew-York bestiegen hatte , musste in Brasilien
landen, und er sah sich nun veranlasst, von Bahia aus Rio Janeiro,
Montevideo und Uruguaj" zu besuchen. Als ihm hierauf von dem
Befehlshaber der französischen Station im Laplata Gelegenheit ge-
boten wurde, durch die Maghellanische Meerenge an die Westküste
von Südamerika zu gelangen, benützte er dieselbe, um der Reihe
nach Chile, Bolivia, Peru und Ecuador zu besuchen. Abermals
durchzog er die Landenge von Panama, durchforschte das Ufer-
gebiet der südlichen vereinigten Staaten , einen Theil von Canada
und das Oregon-Gebiet, zuletzt noch Florida, bis er im Herbst
1S56 glücklich und reichlich beladen mit Schätzen zurückkehrte.
Sein Aufenthalt in Europa wurde theils in Bremen , theils zu Carls-
ruhe in Schlesien zugebracht und dann eine abermalige Reise nach
dem untern Mississippi unternommen , um weitere Untersuchungen
über das Delta anzustellen. Im Jahr 1S58 sehen wir ihn im Begriff
das Endziel seiner ^Yünsche , Australien zu besuchen, so dass er
am 10. August 1858 von Melbourne aus berichten konnte, er sei
nach einer glücklichen Fahrt von 94 Tagen glücklich in der Phi-
lippsbay auf Xeuholland angekommen. Von hier aus gedachte er
der Reihe nach Adelaide, New-Sidney, Neu-Seeland, Tasmanien,
die Sundainseln, Ceylon und China zu besuchen und dann über
Egypten zurückzukehren, was auch zu Anfang des Jahrs 1859 ge-
schah. Nach seiner Rückkehr wurde eifrig an dem Ordnen seiner
umfassenden Manuscripte und Sammlungen gearbeitet. Im Novem-
ber 1860 kehrte er aus Carlsruhe in Schlesien nach Mergentheim
zurück, am 21. November erkrankte er und erlag am 25. desselben
einer kurzen , aber schmerzlichen Krankheit , ohne die Freude er-
lebt zu haben , die Ergebnisse seiner vielfachen Mühen und Stra-
pazen in gewünschter Ordnung aufgestellt zu sehen und zum Ge-
meingut der Wissenschaft gemacht zu haben. Seine Sammlungen
erstrecken sich nicht nur auf geographische , ethnographische und
antiquarische Gegenstände , sondern auch auf alle Zweige der Mi-
neralogie, Geognosie, Botanik und Zoologie und bieten daher den
— 24 —
Besuchern des Schlosses. Mergentheim, wo sie aufbewahrt sind,
vielfaches Interesse dar. Seine hinterlassene Bibliothek und viele
Mappen mit den werthvollsten Zeichnungen ausgestattet, sowie
die zahlreichen Manuscripte des Verewigten verdienen sicher auch
in weiteren Kreisen bekannt zu werden. Hoffen wir, dass alle
diese Schätze unserem engeren Vaterland erhalten werden!
Herzog Paul war ein stattlicher, eben so liebenswürdiger als
vielseitig gebildeter und kenntnissreicher Mann, dessen Freundlich-
keit und Wohlvvollen nicht allein näherstehende Freunde und Be-
kannte , sondern auch Fremde und Nothleidende zu gemessen
hatten. So traf er z. B, auf seiner letzten Reise über den Isthmus
einen jungen Landsmann , welcher aus Californien zurückkehrend,
nicht nur alle seine Habseligkeiten, sondern auch seine Gesundheit
eingebüsst hatte. Kaum war der Herzog davon in Kenntniss ge-
setzt, so suchte er den Kranken auf, verschaffte demselben die
nöthige Pflege und verliess ihn nicht eher, bis er ihn hergestellt
sah und mit Mitteln für seine Weiterreise versehen hatte. Sein
Name wird in den Jahrbüchern der Naturwissenschaften und der
Länder- und Völkerkunde stets unvergessen bleiben.
Nekrolog des Oberfinanzraths v. Nördlinger, vorgetragen
von Finanzrath Dr. Zell er.
Meine Herren ! Bald ist ein Jahr vorüber seit aus unserer Mitte
der Nestor dieses Vereins geschieden ist, ein Mann , der wie jener
alte Grieche nicht bloss drei Menschenalter durchlebte, sondern
auch bis tief in das dritte hinein eine körperliche und geistige
Frische bewahrt hat, um die manche Jüngeren ihn beneiden moch-
ten. Die eigenthümliche Art , wie sein Talent unter gedrückten
äusseren Verhältnissen sich Bahn gebrochen und die vielseitige
Thätigkeit , womit er viele Jahre lang in verschiedenen Berufszwei-
gen gewirkt hat , werden es rechtfertigen , wenn ich mir erlaube,
Ihnen aus seinem Lebenslauf nach den veröffentlichten Nekrologen
und seinen von der Familie des Entschlafenen mir freundlich mitge-
theilten eigenen Aufzeichnungen Einiges vorzutragen.
Am 28. September 1771 wurde dem Bortenmacher Christoph
Friedrich Nördlinger in Pfullingen sein erstes Kind , Julius Simon,
geboren, mit dem er im folgenden Jahr, um besseren Fortkommens
willen, nach Tübingen übersiedelte. Der Knabe, durch Fleiss und
Talent ausgezeichnet, war in allen Klassen der lateinischen Schule,
die er besuchte, fast immer der Erste und konnte als eine Selten-
heit von sich rühmen, dass er ganze Jahreskurse ohne Anwendung
des damals vorherrschenden hölzernen Zuchtmittels durchlaufen
habe. Der dem hervorragenden Schüler sehr gewogene Rector
Schmid suchte zu bewirken, dass sein Vater ihn studir^n lasse; in-
dessen hatte der Junge selbst keine Lust dazu, weil ihm bei den
beschränkten Mitteln seiner Eltern nur das durch die unentgelt-
liche Yerpfiegung in den Seminarien erleichterte Studium der Theo-
logie , das ihm nicht zusagte, in Aussicht stand. Er wurde nun im
Alter von 14 Jahren als Bortenmacher-Lehrling bei seinem Vater
eingeschrieben. Allein das Handvrerk , obgleich er es mit Fleiss
und Gründlichkeit erlernte, befriedigte ihn nicht. Er hatte be-
sondere Anlage zum Zeichnen und zur Mathematik. In jenem
bildete er sich weniger durch den dürftigen Unterricht, den er um
2 — 3 kr. für die Stunde erhielt, als durch gemeinschaftliche Ue-
bung mit einigen strebsamen Freunden aus, zu denen gewöhnlich
die Sonntags-Xachmittage verwendet wurden , während A'ormittags
anstrengende Spaziergänge den Grund zu der kräftigen Körperbe-
schaffenheit legten, durch welche der in den Knabenjahren eher
schwächliche und viel von Kinderkrankheiten heimgesuchte Mann
später sich auszeichnete. Mathematische Studien trieb Nördlinger
theils in seiner Dachkammer bei Mondschein, theils während er am
Stulil arbeitete; denn er hatte sich angewöhnt, neben der Web-
arbeit Bücher zu lesen. Treulich stand ihm hiebei sein Freund
Buzengeiger, nachher Professor der Mathematik in Freiburg , zur
Seite. Der Hang zur Malerei veranlasste in Nördlinger den Wunsch,
in die hohe Karlsschule aufgenommen zu werden; als er aber einst
seinen Vater wie zufällig fragte, was wohl geschehen könnte, wenn
ein junger Mensch persönlich den Herzog um Aufnahme bäte und
ihm die Antwort wurde: „wenn er so gross wäre, wie du, könnte
er wohl in die Legion (die damalige Leibgarde) gesteckt werden,"
vergingen ihm alle derartige Gedanken.
Vom 17. Jahr an wurde Nördlinger von seinem Vater von Zeit
26
zu Zeit auf Reisen geschickt , um Seidehandel zu treiben ; im Jahr
1792 ging er als Geselle auf die Wanderschaft und arbeitete in
Frankfurt, Mainz und Strassburg, wohin er, statt der National-
kokarde ein Sträusschen von blauen , rothen und weissen Blumen
am Hut , unangefochten kam. Als Anhänger der Grundsätze der
französischen Revolution besuchte er in Strassburg Abends fleissig
den Jakobinerklubb , zog auch für seinen Meister in dessen National-
gardisten-Uniform auf die Wache. Aber bald empörte sich sein
sittliches Gefühl und sein Verstand gegen die immer zügellosere
Richtung der zur Herrschaft gelangten Jakobiner , und als nach der
Absetzung des allgemein geachteten Maire Dieterich unwürdige
Menschen in die Munizipalität gelangten , unter Anderen ein Schu-
ster, über den ihm im Beiseyn von dessen Gesellen der Spott ent-
fiel: ,,der Schusterkneipen werde sich schön neben der dreifarbigen
Schärpe ausnehmen," fühlte er sich in Strassburg nicht mehr sicher
und gelangte nicht ohne Gefahr, durch die Schweiz, 1793 wieder in
die Heimath. Auf dieser Reise wurde ihm von einem Lieutenant,
mit dem er zusammen reiste, und der seine durch den Zustand der
Kasse begründete Vorliebe für frische Milch bemerkte, vergeblich
zugeredet, Melker bei dessen Vater zu werden.
Durch Buzengeiger mit dem kirchenräthlichen Forstgeometer
Zais bekannt gemacht, trat Nördhnger, der seine Lieblingsstudien,
Zeichnen und Mathematik neben dem Handwerk nie vernachlässigt
hatte, bald darauf bei diesem als Gehülfe ein, musste jedoch 1796
Soldat werden, wobei er aber auf Verwendung des Kirchenraths
bedeutende Erleichterung im Dienst und endlich seinen Abschied
erhielt. Von nun an arbeitete er 8 Jahre lang selbstständig und
mit grossem Erfolg an der Vermessung und Kartirung der kirchen-
räthlichen Waldungen in verschiedenen Theilen des Landes, beson-
ders in der Gegend von Heidenheim, wo er, längere Zeit in Königs-
bronn sich aufhaltend, sich mit den dortigen Hüttenwerken bekannt
machte und daneben eifrig Mineralogie , Botanik, Entomologie und
Chemie studirte. Durch eine für die Hüttenverwaltung gefertigte
Arbeit über ein neues Cyhndergebläse erregte er die Aufmerksam-
keit des nachmaligen Ministers von Otto ; eine Abhandlung über die
Basaltfindlinge in der Gegend von Offenhausen veranlasste die na-
— 27 — -
turforschende Gesellschaft in Schwaben, ihn zum correspondirenden
Mitglied zu ernennen. Hauptsächlich aber bewirkten im Jahr 1804
eine nach der damals neuen Lehmann'schen Manier ausgeführte
Terrainkarte der Gegend von Heidenheim, welche auf Befehl des
Kurfürsten den Genieoffizieren zur Nachahmung zugestellt wurde
und ein spcäter in den Verhandlungen der Forstacademie zu Dreis-
sigacker, welche den Verfasser zum Mitglied ernannte, 'gedruckter
Aufsatz über Waldwerthsberechnung, dass ihm auf Antrag des
Kirchenraths die Mittel zu einer wissenschaftlichen Reise auf Staats-
kosten gewährt wurden.
Auf dieser meistens zu Fuss und unter manchen Abenteuern
und Entbehrungen ausgeführten Reise, welche vom August ISO 4
bis October ISOG dauerte, besuchte Xördlinger alle bedeutenderen
Berg- und Hüttenwerke Deutschlands und Ungarns, hielt sich län-
gere Zeit in den Forst-Instituten zu Tharand, Dreissigaclvcr und
Dillenburg, auch in Berlin und Göttingeu auf, machte die Bekannt-
schaft der ausgezeichnetsten Gelehrten der damaligen Zeit und
wurde als ein Mann , dessen Arbeiten bereits Aufmersamkeit erregt
hatten, überall mit einer Freundlichkeit aufgenommen , die er in
seiner Bescheidenheit kaum gehörig zu benutzen verstand. Zu
schüchtern z. B. um Humboldts Einladung zu einem Abschiedsbe-
such zu folgen, erfuhr er erst später, dass derselbe bereits eine
Anzahl Empfehlungsbriefe, mit denen er ihn verschen wollte, ge-
schrieben hatte. Desto eifriger benützte er seine Reise zu minera-
logischen, chemischen und botanischen Studien, machte mit seiner
grossen Rüstigkeit und Ausdauer Excursionen nach allen Richtun-
gen und brachte werthvolle Sammlungen und Notizen aller Art zu-
sammen, wovon einige an die Regierung eingesandte und mit Bei-
fall aufgenommene Abhandlungen zeugen. Doch fehlte es auch
nicht an anderen Genüssen; z. B. während eines mehr\föchigen
Aufenthalts in Eisenstadt in Ungarn, wo Nördlinger die unter Haydns
Direction stehende Kapelle des Fürsten Esterhazy bewunderte
und mit dem Componisten Hummel gewöhnlich zusammen speiste.
Während der Reise wurde er durch die Ernennung zum Professor
der Kameralwissenschuften in Tübingen überrascht, welche aus
Veranlassunf? eines Antrags des Kirchenraths auf weitere Reiseun-
— 28 —
terstützung am 6. August 1805 erfolgte. Bei der holieii Vorstellung,
welche er als Autoclidact sich von den wissenschaftlichen Erforder-
nissen zu einer solchen Stelle machte, glaubte er derselben nicht
gewachsen zu sein, auch befürchtete er, sein früherer Beruf konnte
seinem Wirken in Tübingen hinderlich sein und bat um Enthebung
von der Professur , welcher anfangs abgewiesenen Bitte durch seine
Ernennung zum Forst- und Bergrath den 17. März 1806 ent-
sprochen wurde.
Im Jahr 1809, nach Ablehnung eines aus Eisenstadt erhal-
tenen Antrags in die Dienste des Fürsten Esterhazy zu treten,
wurde er zum Oberöconomierath im landwirthschaftlichen De-
partement ernannt , behielt sich jedoch seine bisherige Stelle
vor und wurde, nachdem er die Gestütswaiden zu Offenhausen
und Marbach eingerichtet hatte, 1S12 von der landwirthschaft-
lichen Stelle wieder enthoben. Yfährend dieser drei Jahre war
er gleichzeitig Oberöconomie -, Forst-, Berg-, Salinen- und
Münzrath und hatte in fünf verschiedenen Collegien Dienste zu
leisten. 1818 zum Oberiinanzrath ernannt, war er alleiniger Refe-
rent der Oberfinanzkanmier in allen Forst-, Berg-, Hütten- und
Salmen-Angelegenheiten und versah , nur in Forstsachen vom Jahr
1840 an durch einen zweiten Rath unterstützt, diese umfangreiche
Stelle bis zu seinem 80. Jahre, indem er 1850 bei Auflösung der
Obernnanzkammer mit der Eigenschaft als Ehren- Vorsitzender der
neu gebildeten Forstdirection in den Ruhestand trat. Doch nahm
er auch nachher an den Sitzungen dieser Behörde sowohl, als auch
der Centralstelle für die Landwirthschaft , deren Mitglied er seit
1847 war, häufig Theil und selbst, nachdem im Mai 1857 ein
Schlaganfall seine Kräfte geschwächt hatte, erschien er noch von
Zeit zu Zeit in den Sitzungen, bis zunehmende Altersschwäche ihm
das Ausgehen verbot und er nach wiederholten apoplectischen An-
fällen am 28. Juni 1S60, fast 89 Jahre alt, sanft entschlief.
Von seiner vielseitigen Berufsthätigkeit sei es nur gestattet, die
vielen durch ihn besorgten Waldankäufe, forstlichen Wirthschafts-
plane , die Einrichtung der Scheiterholzflösserei auf dem Kocher,
die nach seiner Anleitung ausgeführte Erbohrung des Steinsalzwerks
Wilhelmsglück, Bohrungen in den Bädern zu Wildbad und Teinach,
— 29 —
die Einriclitimg der Köhlereien im Elhvanger Forst, die im Ster-
nenfelser Stiibeiisandstein 1818 nicht ohne Erfolg vorgenommene
Goldwascherei, anzuführen. Er bewirkte die Bildung einer Actien-
gesellschaft zur Bodenseedampfschifffahrt und besorgte 30 Jahre
lang unentgeltlich alle technischen Geschäfte derselben; ihr 1824 in
Betrieb gesetztes Dampfboot Wilhelm war das erste Dampfschiff in
Deutschland. Er war Mitbegründer und bis zum Jahre 1840 Vor-
stand des hiesigen Kirchengesang-Vereins, Mitglied des Lieder-
kranzes, des Kunstvereins, der Weinverbesserungsgesellschaft, des
Griechenvereins etc. Auch unser Verein für vaterländische Natur-
kunde verdankt ihm, wenigstens indirect, die Auffindung mancher
interessanter Pflanzen und Thiere, hauptsächlich aber die Aufbe-
wahrung der Ergebnisse der unter seiner Leitung vorgenommenen
Bohrungen, welche, nebst vielen interessanten naturwissenschaft-
lichen Notizen, von der Familie des Entschlafenen für unsere Samm-
lungen bestimmt sind.
Nördlinger erfreute sich nicht bloss einer guten Gesundheit,
sondern er war auch gegen Strapazen ungewöhnlich abgehärtet.
Noch im Alter von mehr als 70 Jahren konnte er Wochen und Mo-
nate lang Tag für Tag und bei jeder Witterung die anstrengendsten
Märsche ausführen, angelaufene Flüsschen halbentkleidet überschrei-
tend und zu jeder Jahreszeit bei offenem Fenster schlafend. Bei den
Forstvisitationen hatte mancher jüngere Förster nicht über das per-
sönlich humane Benehmen des bejahrten Visitators, wohl aber über
das Maass von körperlicher Anstrengung und Enthaltsamkeit, das
er bei seinen Begleitern in Anspruch nahm, zu klagen. Wie sein
Körper, so war auch sein Charakter zäh und fest, unbeugsam an
dem für richtig Erkannten festhaltend, rückhaltslos und scharf ent-
gegenstehende Meinungen bekämpfend. Neue Projecte eignete er
sich nur nach der sorgfältigsten Prüfung an. Grosse Sorge machte
ihm die unter den jüngeren Forstmännern nach und nach zur Gel-
tung gekommene Ansicht über die Zulässigkeit von stärkeren Holz-
fälluugen und liberalerer Behandlung der Wald-Ausstockungs-Ge-
suche , der er mit Entschiedenheit entgegentrat. „Ich würde mich
gerne in den Pvuhestand zurückziehen," sagte er mir vor etwa 15
Jahren, ,,aber es ist mir um meine Bäume." „Auf vorübergehend
— 30 —
wohlfeilere Holzpreise," prophezeite er zu Anfang des letzten
Jahrzehends, „werde eine um so grössere Theurung folgen," und
diese Yorhersagung ist allerdings noch bei seinem Leben in Erfül-
lung gegangen.
Nördlinger war zweimal verheirathet. Aus der ersten Ehe
überleben ihn eine verheirathete Tochter und drei Söhne, aus der
zweiten eine Tochter. Die hervorragenden Eigenschaften des Va-
ters haben sich auf die Söhne gleichsam vertheilt, indem der Eine
im Gebiet der bildenden Kunst, der Zweite im Forstfach, der
Dritte als Eisenbahn-Techniker, dem Namen ihres Vaters Ehre
machen.
Vorträge.
I. Kunstgärtner A. Hvass theilte seine Erfahrungen über
das Wachsthum der Wellingtonia gigantea mit und zeigte an schönen
Exemplaren, wie die aus Samen gezogenen Pflanzen einen stärkeren
und regelmässigeren Wuchs haben, als die , welche durch Stecklinge
vermehrt werden. Diese Pflanze verdient nach seiner Ueberzeu-
gung die grösste Aufmerksamkeit von Seiten der Forstwirthschaft,
da es ausser Zweifel sei , dass sie in unserm Klima im Freien aus-
dauere. Die Kultur ist äusserst einfach und ganz den übrigen Co-
niferen analog; nur ist zu bezweifeln, ob der Samen im Freien
keimen wird. Allein selbst wenn die erste Anzucht in Frühbeeten
geschehen müsste , w^ie diess bis heute der Fall war , so lohnt es
doch , dieselbe im grösseren Massstabe vorzunehmen , weil für die
Bestockung einer bedeutenden Fläche verhältnissmässig sehr wenige
Pflanzen erforderlich sind und man so lange bis sie gehörig erstarkt
den übrigen Raum für andere Kulturen benützen kann. Ausserdem
wächst der Baum rascher als alle übrigen Coniferen und muss dem-
zufolge auch bald einen Ertrag gewähren. — Er richtet die drin-
gende Aufforderung an sämmtliche Förster des Landes, unverweilt
diesen für die künftigen Generationen so nützlichen Baum in unsern
Wäldern zu pflanzen.
IL Oberstudienrath Dr. v. K u r r sprach über den sogenann-
ten Muschelkalk, welcher in Ostindien beim Betelkauen
verwendet wird.
o 1
Ol —
Bekanntlich ist in Indien der Gebrauch des Betels unter dem
Volk so allgemein wie in manchen Gegenden Deutschlands derjenige
des Tabaks, und zwar ist es das Kauen der Blätter vom Piper
Betle L., welches unter Zusatz von zerriebener Arekanuss und etwas
Kalk allgemein getrieben wird. Die Betelblätter sind scharf und
gewürzhaft und erregen beim Kauen eine vermehrte Speichel- und
Schleimabsonderung im Hunde, welche, wie es scheint, durch
die eben erwähnten Zusätze gesteigert wird, ^yie weit das Betel-
kauen erregend auf das Nervensystem und vielleicht schützend ge-
gen nachtheilige klimatische Einflüsse wirke, und wie w^eit es Hun-
ger und Durst stille oder sonst Befriedigung gewähre , vermag ich
nicht anzugeben , es scheint aber hierin eine ähnliche Wirkung wie
der Tabak zu äussern, und jedenfalls ist so viel gewiss, dass durch
frühen und anhaltenden Gebrauch desselben die Zähne dermassen
leiden, dass mau häufig junge Männer von kauiff*25 Jahren sehen
kann, welche dadurch um alle Zähne gekommen sind. Dieser Ue-
belstand scheint hauptsächUch dem Zusatz des Kalkes zugeschrieben
werden zu müssen, welcher wie Betel unch Arekanuss sammt Reib-
apparat in besonderen oft zierlichen Büchsen in der Tasche getragen
wird. Dieser Kalk (wovon ich hier ein Muster zur Einsicht vor-
lege) stellt ein schneeweisses Pulver dar , und hat einen alkalischen
Geschmack. Nach der Angabe eines glaubwürdigen schon lange in
Indien ansässigen Bekannten wird er aus einer Baumrinde durch
Einäscherung gew^onnen und sehr theuer verkauft. Die Rinde, wovoa
ich ebenfalls ein Stück vorlege, stammt vom Kalappenbaum (Termi-
nalia coriacea Migh.) einem stattlichen, zu der Familie der Comhre-
taceen gehörigen Baume , welcher in Ostindien häufig ist. Ich war
begierig zu erfahren, ob es wahr sei, dass die Asche derselben
, wirkhch so kalkreich sei, und äscherte daher ein Stück davon ein.
Wirklich lieferten dieselben durchs Verbrennen eine schneeweisse
kalkreiche Asche, welche mit dem aus Indien erhaltenen Kalkmehl
äusserlich übereinstimmte. Sie ist besonders in der verhältniss-
mässig sehr dicken Bastschichte in solcher Menge enthalten , dass
man nach dem Verbrennen ein förmliches Faserskelett erhält , das
vor dem Lötlirohr wie Kreide leuchtet und die vom Kalk be-
kannte Röthung der Flamme verursacht. Mit destillirtem Wasser
— 32 —
*
übergrossen löst sich etwas kohlensaures Kali daraus auf und
die Lösung bläut das geröthete Lakmuspapier stark; der weisse
Rückstand löst sich unter lebhaftem Aufbrausen völlig in verdünnter
Salzsäure. Der weisse staubartige Kalk aus Ostindien dagegen
gibt in reinen Wasser eine nur geringe Menge Kali ab , so dass es
scheint, die Asche sei mit Wasser ausgelaugt worden ehe sie als
Kalk in den Handel gebracht wurde. Ob nun das vorliegende
Kalkmehl allein aus der angeführten Rinde stammt oder vielleicht
mit gebranntem gewöhnlichem Kalk oder gebrannten Muschel-
schalen vermischt wird, vermag ich nicht anzugeben; jedenfalls
scheint es mir der Beachtung werth zu sein, dass die Rinde des
Kalappenbaums eine so erhebliche Menge kohlensauren Kalkes
durch Einäscherung liefert.
in. Professltr Dr. Krauss sprach über einige für Württem-
berg neue Säuge thiere und über die in Württemberg erlegte
Gemse.
Es ist eine der Aufg'aben, die sich der Verein gestellt hat, zur
Kenntniss der geographischen Verbreitung der Thiere genaue Ver-
zeichnisse über die in Württemberg vorkommenden Arten zu geben.
Schon in früheren Jahrgängen der Vereinsjahreshefte sind desshalb
Verzeichnisse über die Arten einzelner Thierklassen bekannt ge-
macht worden. Indessen sind durch die dankenswerthen Bemü-
hungen mehrerer Mitglieder und Freunde des Vereins wieder einige
Säugethiere eingeschickt worden , welche bisher in der Zusammen-
stellung von Obermedizinalrath Dr. v. Jäger (Jahrg. I. p. 236) und
in den Beiträgen zur Fauna W^ürttembergs von Landbeck (Jahr-
gang IV. p. 88), Dr. A. Günther (Jahrg. IX. p. 224), Baron R. Kö-
nig-Warthausen (Jahrg. XII. p. 72) und von mir (Jahrg. XII. p. 117,
XIV. p. 53, XV. p. 44) als in Württemberg vorkommend nicht an-
geführt worden sind.
Als einheimische Fledermäuse sind bis jetzt 8 Arten:
Rhinolophus hipposideros Herm.y Rh. ferrum equinum Leach, Pleco-
tus aurltus Keys, et Blas., Synotus Barhastellus Keys, et ISlas., Ves-
perugo Noctula K et BL, V. Pipistrellus K. et BL, V. discolor K. et Bl.
und VespertiUo murinus ßchreh., angeführt worden. Hiezu kommen :
— 33 —
Vesj^erugo Nathusii Keys, et Blas.
Blasius, Säugethiere Deutschlands pag. 58.
Diese Zwergfledermaus ist von der sehr verwandten V. Pipi-
strellus nur durch die Grösse und durch kleine Abweichungen in der
Form der Zähne verschieden und desshalb bis jetzt übersehen wor-
den. Icli habe sie in vorigem Herbst in Stuttgart gefangen.
Vespertilio mystacinus Leisler.
Blasius, 1. c. pag. 96.
Die Bartfledermaus scheint bei uns nicht selten vorzukom-
men, denn ich habe sie im vorigen Jahre vom Mai bis Septem-
ber in mehreren Exemplaren von unseren für die Vermehrung
der vaterländischen Sammlung sehr thätigen VereinsmitgUedern
Hermann Reichert aus Nagold, Schulmeister Ackermann aus Sers-
heim und von Forstwart Gawatz in Pfummern efhalten.
Vespertilio Dauhentonii Leisler.
Blasius, 1. c. pag. 96.
Von der seltenen Wasserfledermaus hat die Sammlung ein
Männchen im Mai 1860 u. April 1861 ebenfalls durch Kaufmann
Hermann Reichert aus Nagold erhalten.
Zu den früher verzeichneten den Insektenfressern angehöri-
gen Spitzmäusen: Crossopus [Sorex Fall.) fodiens Wglr und
Sorex vulgaris L., (Araneus L.J habe ich zwei weitere Arten hin-
zuzufügen :
Grocidura (Sorex Herrn.) leucodon Wagler.
Blasius, 1. c. pag. 140.
Die Feldspitzmaus ist durch die weissen Zähne und von der
folgenden Art durch den sehr kleinen dritten einspitzigen Backen-
zahn des Oberkiefers leicht zu unterscheiden. Sie ist im Stutt-
garter Thal häufig und von mir mehremal in Gärten gefangen
worden. Schulmeister Ackermann hat im März auch ein Exem-
plar von Sersheim eingeschickt, das in einem Garten durch Ab-
nagen der Nelken grossen Schaden verursacht hat. Die Spitz-
maus soll die Blätter nicht angenagt, dagegen die ausserhalb
AVürtteinb. iiatarw. Jalii'osliefto. 18C2. Is Hoft. ^
— 34 —
der Erde liegenden holzigen Ranken und Wurzeln verzehrt
haben, was sich auch bei der Section bestätigt habe.
Grocidura (Sorex Schreh.) Arayieus.
Blasius, 1. c. pag. 144.
Die Hausspitzmaus, obwohl sicherlich ebenso verbreitet als
die vorhergehende Art, habe ich aus Zwiefalten durch Oberför-
ster Paulus und aus Nagold durch H. Reichert erhalten.
Unter den Spitzmäusen sind der Vereinssamlung am häufig-
ten die Wasserspitzmaus (C. fodiens) und die Feldspitzmaus
(C. leucodon) eingeschickt worden; es ist zu erwarten, dass die
weit verbreitete Zwergspitzmaus (Sorex i^ygmczus Pallas) auch
noch bei uns aufgefunden werde.*
Diesen eben verzeichneten , nunmehr Württemberg als ein-
heimisch angehörigen Säugethieren füge ich noch ein weiteres
bei, das jedoch keinen Anspruch auf das Bürgerrecht in unserem
engeren Vaterland machen kann. Ich meine nemlich die
Gr e m s e
welche den 22. September 1859 bei dem alten Schloss Wartstein
auf der Markung Erbstetten OA. Münsingen durch den Jagd-
pächter S ti e h 1 e in Erbstetten geschossen worden ist. Seine Maje-
stät der König hat das frische Thier von Landjäger Reutter in
Hayingen zum Geschenk erhalten und die Haut in die vaterlän-
dische Naturaliensammlung gestiftet.
In den alten würt. Chroniken ist nirgends eine Notiz zu
finden, nach welcher jemals eine Gemse in Württemberg vorge-
kommen sein soll. Auch ist anzunehmen, dass dieser Gemsbock
aus den bayerischen Alpen oder dem Voralberg auf irgend eine
Weise verjagt wurde oder sich verirrt hat. Immerhin bleibt es
auffallend, dass das Thier eine so weite Strecke durchlaufen und
so lange in dieser Gegend sich aufhalten konnte, ohne erkannt
und getödtet worden zid sein.
* Die yerehrlichen Mitglieder des Vereins werden ersucht, ihre Auf-
merksamkeit auch unsern kleinen Thieren, insbesondere den Fleder- und
Spitzmäusen zuzuwenden und die Thiere sogleich nach dem Tode an
mich zu schicken, Kraus.s.
35
Landjäger Reutter hat mir über ihren Aufenthalt bei uns
mitgetheilt, dass die Gemse schon etwa ein Vierteljahr, ehe sie
erlegt wurde, durch Jagdpächter Krauss in den Gemeindewal-
dungen Ehestetten im obern Lauterthal bemerkt, aber für einen
jungen Hirsch gehalten worden sei. Uügefähr 14 Tage nachher
sei sie auch durch Förster Federle in den Fürstenberg'schen Wal-
dungen Reisach und 5—6 Wochen vor ihrem Tod dreimal durch
Waldschütz Maier in den Freiherrn v. Späth'schen W^aldungen
in der Nähe von Anhausen und zu gleicher Zeit durch Hirten-
knaben, die sie für ein schwarzes Scliaaf hielten, auf den höch-
sten Felsen des Lauterthals gesehen worden. Stichle, der sie
für einen Bastard-Gaisbock gehalten hat, hat sie schon am 19.
Sept. gesehen und längere Zeit auf sie gelauert.
Der Gemsbock, der 48 Pfd. gewogen hat, ist, nach den
Hörnern zu schliessen, etwa 2 Jahre alt und im Sommerkleid mit
Haaren im Uebergang ins Herbstkleid.
Die graue Rostfarbe des Leibes und der hell rostgelbliche Bauch
der Gemsen im vollständigen Sommerkleid ist bei unserem Bock
matt und abgeschossen Der Fleck vor den Augen, zwischen den
Nasenlöchern und der Oberlippe, sowie der Nasenrücken ist matt
fahlgelblich. Die Stirne, Backen, Lippen und das Kinn sind
gelblichweiss. Der Vorderhals, die Brust und die Vorderseite
der Oberarme ist schwärzlich mit Braungrau gemischt. An der
Seite des Leibs unmittelbar hinter den Vorderbeinen ist ein drei-
eckiger grauschwarzer Fleck. Am ganzen Thier ist nur die Stelle zwi-
schen den Hinterbeinen und zwischen den Hoden und dem Schwanz
weiss. Die Vorderbeine sind vorn braunschwarz, hinten mit fahl-
gelblichen Haarspitzen, die Hinterbeine vorn und hinten sowie
über den Fersen braunschwarz, aussen auf dem Unterschenkel, so-
wie vorn und hinten am Mittelfuss mit fahlgelblichen Haarspitzen.
Länge des Kopfs von dem Rand der Oberlippe über den
Nasenrücken bis zwischen die Hörner 18 C.M., Länge des Ko-
pfes an der Seite, von der Nasenkuppe bis zur Mitte des Ohrs
gemessen 20 CM,, Breite der Stirn, von dem Innern Rand des
einen Auges bis zum andern gemessen, 9 CM. , Höhe des Thie-
res an der Schulter 70 CM., Höhe des Thieres am Kreuz 74 CM.,
36
Länge des ganzen Thieres, von der Oberlippe über die Stirne und
den Rücken bis zur Schwanzspitze 105 CM.
lY. Prof. Dr. Krau ss sprach ferner über einen:
weissen Dachs und andere Varietäten w^ürttemberg i-
scher Säugethiere.
Das Vorkommen der von dem gewöhnlichen Kleid abweichen-
der Färbungen mancher Thiere bleibt immerhin eine noch nicht
gehörig erklärte Erscheinung und ist für die Specialfauna eines
Landes ebenso interessant als für die Naturgeschichte der Thiere
im Allgemeinen. Aus diesen Gründen sind alle Varietäten
unserer Thiere, ob sie sich nur auf einzelne Körpertheile be-
schränken oder über den ganzen Körper erstrecken, für die
vaterländische Naturalien-Sammlung stets erwünscht, daher die
Mitglieder und Gönner des Vereins wiederholt um gefällige Ein-
sendung aller Farben-Abweichungen auch der der gemeinsten
Thiere ersucht werden.
Schon im 12. Jahrgang unserer Vereinsschrift hat Freiherr
R. König- Warthausen interessante Spielarten von Feldmäusen
(Arvicola arvensis S. Longch.) und eine weissgraue Varietät eines
Feldhasen bekannt gemacht, auch sind von mir im 14. und 15.
Jahrgang mehrere Varietäten, unter anderm das seltene Vorkom-
men eines vollkommen weissen Steinmarders, Feldhasen und Eich-
hörnchens, beschrieben worden.
Es ist- auffallend, dass der Sammlung von manchen württem-
bergischen Thieren nicht selten Abweichungen in der Färbung
eingeschickt werden und dass solche überhaupt auch in andern
Ländern zuweilen vorkommen, wie z. B. die vom Maulwurf,
Fuchs, Marder, Eichhörnchen, Hasen, Reh, von den Mäusen und
Ratten, während Varietäten bei mehreren andern Thieren: den
Fleder-, Spitz- und Haselmäusen, dem Igel, Dachs, Fischotter,
Iltis, Wildschwein gar nicht oder höchst selten vorzukommen
scheinen. Andere, bei uns regelmässig das Hermelin und zu-
weilen auch der Wiesel, wechseln mit der Jahreszeit ihre Farbe
und legen im Winter ein w^eisses Kleid an.
— 37 —
Zu den seltensten Vorkommnissen gehört die
weisse Varietät vom Dachs.
Schreber führt im 3. Theil seiner Säugethiere an, dass 1724 in
Sachsen ein weisser Dachs mit gelbröthlichen und duukelkastanien-
farbigen Flecken erlegt worden sei. Blasius gibt in seiner Natur-
geschichte der Säugethiere Deutschlands keine Varietät vom Dachs
an und kennt nach mündlichen IMittheilungen auch nicht eine solche.
S6ltsamer^Yeise wurden in Württemberg in einem Zeitraum
von einem Jahr zwei weisse Dachse und zwar in ganz entgegenge-
setzten Theilen des Landes erlegt. Beide kamen leider erst, nach-
dem sie durch unkundige Hände als Schwarte zum Verkauf an den
Kürschner abgezogen waren, zu unserer Kenntniss. Es war daher
nicht mehr zu ermitteln, ob sie die rothen Augen der Kakerlaken
hatten und welchem Alter sie angehörten.
Das eine Thier, wahrscheinlich ein Weibchen, wurde im Lem-
bergwald bei Poppenweiler, OA. Ludwigsburg im Oktober 1859
geschossen und befindet sich durch die Bemühungen des Herrn
Theodor Lindauer in der Sammlung des Vereins. Es ist weiss
und an einigen Stellen ganz unsymetrisch graulich gefärbt, ähnlich,
aber heller, wie an den Seiten des gewöhnlichen Dachs. Es hat
zwischen den Augen und Ohren und zwar auf der linken Seite viel
deutlicher als auf der rechten, einen graulichen Streifen, der das
schwarze Band beim gewöhnlichen Dachs andeutet; hinter dem
linken Ohr wird dieser Streifen fast Handbreit und reicht bis fost
an die Schulter, hinter dem rechten Ohr verschmälert er sich
ohne soweit rückwärts zu verlaufen. Die Ohren sind inn wendig
und an der Basis des Aussenrandes ebenfalls graulich gefärbt.
Die grösste Ausdehnung erhält die grauliche Färbung auf dem
Rücken und zwar wiederum vorzugsweise auf der linken Seite.
Sie beginnt oben hinter der linken Schulter mit einer Spitze,
breitet sich nach hinten und links immer mehr aus und erstreckt
sich bis zum Schwanz, linken Hintertheil und bis herab zum linken
Fuss, der am Fersen einen grauen Flecken hat, der der dunkelste
am ganzen übrigen Körper ist und an den schwarzen Fuss des
gewöhnlichen Dachs erinnert. Auf der rechten Seite dagegen sind
38
nur am Kreuz und in der Nähe des Schwanzes einzelne dunkler-
gefärbte Haare wahrzunehmen. Die beiden Vorderfüsse und der
rechte Hinterfuss sind vollständig weiss. Der Schwanz ist etwas
blasser als beim gewöhnlichen Dachs. Die Krallen sind weisslich.
Das andere Thier, ein altes Männchen, w^urde im Herbst 1858
bei Hossingen, OA. Balingen geschossen und Herrn H. Ploucquet
überbracht, der es später der Vereins-Sammlung zu überlassen so
freundlich war. Es ist grösser und noch weisser als unser Exem-
plar und zeigt ebenfalls einige unsymetrische grauHche Flecken,
aber sie sind noch heller als bei diesem, rundlich, fast gleich
gross, von der Grösse einer Hand. Sie sind in der Weise ver-
theilt, dass je einer auf der rechten Schulter, mitten auf dem
Rücken, oberhalb des linken Schenkels und vor dem Schwanz
sich befindet. Ausserdem sind nur noch die Ohren inwendig und
an der Basis des Aussenrandes einfarbig blassgraulich, an allen
übrigen Theilen ist das Thier einfarbig weiss. Die Krallen sind
w^eisshch.
Die grauliche Färbung, die übrigens bei beiden Thieren
schwächer ist als beim gewöhnlichen Dachs, wird durch die Farbe
der steiferen Haare hervorgebracht, die an der Spitze weiss, etwa
fingerbreit unter dieser bräunlich oder graulich gefärbt und an
ihrer Basis immer weiss sind. Aber bemerkenswerth ist es, dass
gerade die reiuschwarze Färbung des gewöhnlichen Dachs, am
Kopf, Bauch, an der Brust und allen Füssen, von der weissen voll-
ständiger verdrängt ist als die hellere , graumelirte auf dem
Rücken, w^o die Haare auch beim gewöhnlichen Dachs an der
Basis weiss sind.
Ein ähnliches Verhältniss der Färbung habe ich auch an dem
surinamischen Tayra (Galictis barbara L.) beobachtet, wovon
Kappler ausser mehreren gewöhnlichen auch zwei Exemplare
einer gelblichweissen Varietät geschickt hat. Hier hat gerade der
Vorderkopf dieselbe hellbraune Farbe, also auch wieder den hell-
sten Theil der Färbung, wie beim gewöhnlichen Tayra beibehalten,
während die übrigen Theile des Körpers und alle Füsse, die sonst
dunkelschwarz, bei der Varietät rein einfarbig gelblichweiss ge-
färbt sind.
39
Grauliclnveisse Varietät vom Fuchs.
In der Sammlung von Sr. Durchlaucht dem Fürsten Hohen-
lohe-Langenburg in Weikersheim befindet sich eine interessante
Varietät eines Fuchses von gewöhnlicher Grösse, der im Januar
1859 bei Weikersheim geschossen wurde und etwa 2 — 3 Jahre alt,
also nicht wegen hohen Alters grau gefärbt war.
Die Farbe des Körpers ist graulich weiss, und zeigt nur auf
dem Rücken wegen der blassgelblichen Haarspitzen einen röth-
lichen Schimmer. Die Wollhaare sind bläulich grau. Zwischen
der Nase und den Augen ist er graulich mit gelblichem Anflug,
zwischen den kohlschwarzen Schnurrhaaren und dem Auge hat
er einen schwärzlich grauen Fleck. Hinter den Ohren ist er
schwarz und auf der Brust weiss wie der gewöhnliche Fuchs. Die
schwarze Färbung der Füsse erstreckt sich etwas höher herauf
als beim gewöhnlichen, und durch einige weisse Haarspitzen er-
scheint die Färbung wie melirt, was an den Hinterfüssen am deut-
lichsten ist. Am Schwanz sind die Haare oben röthlich grau mit
schwarzen Spitzen.
Schw^ärzliche Varietäten vom Fuchs.
Solche Spielarten kommen häufiger vor als die graulich-
weisse. Die vaterländische Naturalien-Sammlung besitzt zwei
Exemplare.
Ein schönes Männchen wurde von Seiner Kön. Hoheit dem
Kronprinzen in dem Staatswald von Böbhngen im Januar 1858
geschossen und von Seiner Hoheit dem Prinzen Hermann zu
Sachsen Weimar dem Verein zum Geschenk gemacht.
Dieser Fuchs hat einen schwärzlichen Fleck zwiscken dem
Auge und den Bartborsten, ist am Kinn, an der Kehle, Brust und
mit scharfer Abgränzung am Bauch mattschwarz und hat in der
Mitte der Brust und zwischen den Hinterbeinen einen weissen Fleck,
Der übrige Theil des Körpers ist graulich mit leichtem rothgelbem
Anflug. Der Schwanz, an der Spitze weiss, und die Füsse, vorn
schwarz, hinten rothgelb, sind wie beim gewöhnlichen Fuchs.
Ein altes Weibchen von Donzdorf, im Januar 1853 erlegt
40
und von dem verstorbenen Revierförster Haussier dem Verein
geschenkt, hat eine ähnliche Färbung, aber es ist am übrigen Theil
des Körpers mehr rothgelb und dadurch der Färbung des gemeinen
Fuchsen ähnlicher.
Ein drittes Exemplar, das sich im K. Naturalien-Kabinet be-
findet und 1832 bei Feuerbach geschossen wurde, ist noch dunkler
als die beiden oben beschriebenen. Der Fleck vor dem Auge,
die Kehle und der Bauch sind braunschwarz, der übrige Theil des
Kopfes und die Brust, die ebenfalls einen weissen Fleck hat, ist
schwärzlich mit Weiss gemischt. Die Beine sind, was am auffallend-
sten ist, ganz schwarz, mit einzelnen rothbraunen und weisslichen
Haarspitzen am obern Theil der Beine. Der übrige Theil des
Körpers ist etwas dunkler gefärbt als beim gemeinen Fuchs.
Unter den meisten Nagethieren Württembergs sind Spiel-
arten nicht selten. Eine grosse Farbenabv>'eichung zeigt das
Eichhörnchen.
Die Vereins-Sammlung besitzt 6 schwarze Eichhörnchen,
welche in den Monaten September bis März erlegt worden sind.
Sie haben all.) rein schwarze Schwänze, dagegen am Körper bald
eine ins Graue oder Braune übergehende schwarze Färbung mit
weissem Bauch, bald haben sie zwischen dem weissen Bauch und
der schwärzlichen Färbung des Körpers eine mehr oder weniger
deuthche grau und braunroth gemischte Einfassung. Bei den
graulichen Spielarten habe ich dieses rothe Saalband bis jetzt nicht
gesehen.
Die halbgewachsenen Eichhörnchen haben schwarze Ohren-
pinsel, einen dunkelbraunrothen Schwanz , weissen Bauch und sind
am übrigen Theil des Körpers dunkelbraunroth, mit Grau gemischt.
Das Vorkommen eines rein weissen Eichhörnchens wurde
schon im 15. Jahrgang pag. 44 angeführt.
Unter den Mäusen habe ich diessmal nur eine in Stuttgart
gefangene Wanderratte, ein Geschenk von Herrn Ploucquet,
zu erwähnen, welche an der Schnauze, den Füssen und dem
Schwanz weiss, sonst aber wie die gewöhnliche gefärbt ist. Ferner
hat Herr Apotheker Mayer in Heilbronn eine Sc herrmaus
— 41 —
(Hypudaeus terrestris L.) dem Vereine geschenkt, welche auf dem
Kopf einen ^Yeisscn Fleck hat.
Auch die Hasen zeigen eine grosse Mannigfaltigkeit in der
Färbung.
Weissgraue Varietät des Feldhasen.
Dieser Hase ist auf der Stirn und dem Rücken schwarz und
weiss melirt, was ihm eine silbergraue Färbung gibt, die an den
Seiten des Kopfs und Körpers sowie an der vordem und äussern
Seite der Beine verblasst, manchmal einen röthlichbräunlichen An-
flug erhält und an der Kehle und am Bauch in "Weiss übergeht.
Die Brust ist graulich weiss. Die Ohren sind weiss eingefasst,
inwendig weisslich, am äussern Rand der iimern Fläche und am
Innern der Aussenfläche ebenfalls schwarz und weiss melirt, an der
Spitze schwarz. Der Schwanz ist v.ie beim gemeinen Hasen oben
schwarz, unten weiss. Die Schnurrhaare sind weiss. Der Pelz
ist folgendermassen beschaffen. Auf dem Rücken sind die Woll-
haare an der Basis weiss atlasglänzend, an der Spitze schwarz, die
Steifhaare schwarz, in der Nähe der Spitze blendend weiss ge-
ringelt; an den Seiten der Hinterbeine geht die schwarze Farbe
der Woll- und Steifhaare in Grau über und der Grund der Woll-
haare ist matt weiss. Am Hals, an den Seiten des Körpers und
am Bauch sind die Haare an der Basis grau, an der Spitze bald
weiss, bald ins Röthlichbräunliche oder Grauliche übergehend.
Dieser Hase, ein Ivlännchen, wurde bei Ulm im Februar
1860 geschossen und befindet sich in der Vereinssammlung.
Ein anderes Männchen, das etwa um dieselbe Zeit bei Mössin-
gen OA. Tübingen erlegt wurde und sich im zoologischen Museum
von H. Ploucquet befindet, ist blasser als das obenbeschriebene
und hat ausser einem Streifen über den Augen keinen röthlich
bräunlichen Anflug.
Eine ähnliche aber noch hellere Spielart, ganz weiss an Kehle,
Brust und Bauch, mit graulich weissen Füssen und braun und
weissgefleckten Schnurrhaaren befindet sich im K- Katuralien-
Kabinet und wurde 1824 in Württemberg gescliossen.
Die Fusssohlen sind bei allen 3 Varietäten wie beim gemeinen
Hasen schmutzig gelblichgrau. Von gleicher Farbe sind auch die
— 42 —
der ganz weissen Spielart, welche ich schon im 14. Jahrgang
S. 53 angeführt habe und überall, selbst an der Spitze der Ohren
weiss ist.
Merkwürdig ist eine w eissgescheckte Hasenspielart aus
Württemberg vom Jahr 1833, ebenfalls im K. Naturahenkabinet
aufgestellt. Der Kopf ist mit Ausnahme eines weissen Flecks
(Sterns) auf dem Scheitel sonst wie beim gemeinen Hasen. Die
Oberseite des Körpers ist fahlgelblich grau, auf dem Rücken mit
Weiss vermischt, die Brust, die Seiten des Körpers, der Bauch
und die Vorderfüsse sind rein weiss, nur an der Schulter und
am Vorderlauf der linken Seite sind einige röthlichgelbe Flecken.
Die Hinterbeine sind weiss und fahlgelb gefleckt, die Zehen
ganz weiss. Die Schnurrhaare weiss und dunkelbraun.
Ausser diesen ist im K. Nat.-Kabinet aus Württemberg ein
Feldhase vom Jahr 1833, der einen weissen Streifen von dem
Scheitel bis zur Nasenspitze hat, ferner eine leicht rothgelbe
Spielart, weiss an der Kehle und am Bauch, bei welcher die
dunkle oder schwarze Farbe des gemeinen Hasen gänzlich in
Kothgelb umgewandelt ist und daher selbst die Unterhaare, der
Fleck aussen an der Spitze der Ohren und die Oberseite des
Schwanzes die rothgelbe Farbe haben.
Unter unsern wildlebenden Wiederkäuern kommen weisse
Spielarten hin und wieder vor. Ein junger einfarbig schmutzig
weisser
R e h b 0 c k
von 22 Pfund Schwere hat Herr Fr. Mauchert in den letzten
Tagen Januars dieses Jahrs bei Eberstadt, OA. Weinsberg ge-
schossen.
Das Thier hatte noch vollständig die zerbrechlichen Winter-
haare. Es war aber merkwürdig, dass alle Haare auf der Ober-
seite des Thiers, wenn der Pelz auseinandergeblasen wurde, voll-
ständig weiss, dagegen die auf der ganzen Unterseite, nemlich
vorn am Hals, an der Brust, an den Seiten und unten am Bauch
sowie an den Seiten der Beine mehr oder weniger rosenroth
gefärbt waren. Betrachtete man nemlich ein einzelnes Haar unter
der Lupe, so war es mit Ausnahme -der schmutzigweissen Spitze
— 43 —
seiner ganzen Länge nach durchscheinend und von schöner ro-
renrother Farbe, die aber wieder verschwand, sobald das aus-
gestopfte Thier völlig trocken war. Die Geweihe waren so klein,
dass sie nicht über die Haare hinausragten.
Schliesslich habe ich noch den einzigen Insektenfresser zu
erwähnen , der seine Farbe sehr oft zu wechseln scheint , nem-
lich den
M a u 1 w u r f.
Herrn Dr. Schüz in Calw verdanken wir vom Oktober
1859 zwei interessante Farben-Abweichungen, welche die im 14.
Jahrgang p. 33 beschriebeneu vervollständigen.
Beide sind Männchen aus einem Nest. Das eine ist silber-
grau mit röthlichgelbem Untergrund und hat in der Schulter-
gegend einen grossen Fleck, wo die Haare au der Spitze und
am Grunde einfarbig grau §ind. Das andere ist schmutzig röth-
lichgelb und von gleicher Färbung am Grunde der Haare, zeigt
aber einige graue Fleken an der Schulter und am Kreuz, wo
die Haare entweder ganz einfarbig grau oder an der Spitze grau
und an der Basis schmutzig röthlichgelb sind; an der Seite des
Kopfs und an der Kehle ist es rothgelb. Die graue Form schliesst
sich an die von Hohenheim, die andere an die weissgelbliche
von Degerloch und Schussenried an.
V. Prof. Dr. Krauss zeigte einen Rehbock mit mon-
strösem Geweih vor.
Herr Oberförster PI och mann in Blaubeuren hat den 1.
Juni 1860 einen Kehbock mit abnormem Geweih der Sammlung
zum Geschenk überschickt und dazu bemerkt, dass er im Staats-
wald Siesserhalde, Reviers Bermaringen im O.A. Blaubeuren ver-
endet gefunden wurde, und dass auf dem Platze, auf dem er
lag, der Boden vom Laub ganz befreit und in einem Umkreis
von der doppelten Grösse des Bocks ganz abgerutscht, bez. fest-
gedrückt war.
Es ist wohl anzunehmen, dass der Bock durch den Druck
des abnormen Geweihs auf das Gehirn zu Grunde gegangen ist,
oder dass der zu Boden gefallene Bock wegen des Gewichts des
— 44 —
schweren Geweihs nicht mehr aufstehen konnte und verhungern
musste. Auch beweist der Umstand, dass die Haare auf seiner
ganzen linken Seite und auf der innern der rechten Beine be-
schädigt, an manchen Stellen gänzlich abgerieben waren, dass das
Thier auf der linken Seite, auf die es umgefallen war, liegen
bleiben und dass ein längerer Todeskampf Statt gefunden ha-
ben musste.
Der Bock, der zu den grossen und alten zu rechnen ist,
hatte am Kopf, Hals, auf dem Rücken und der ganzen rechten
Seite des Leibs, wo er unverletzt ist, fast vollständig noch seine
"VVinterhaare , nur an wenigen kleinen Stellen brachen die rost-
rothen Sommerhaare durch. Im Fleisch war das Thier nicht
gerade abgemagert.
Beide Geweihe sind mit zahlreichen häutigen Auswüchsen
von ziemlich fester Consistenz überzogen, und durch diese zu
einem nur an der Spitze in zwei Zapfen getheiiten Klumpen
von 26 CM. Höhe und 15 CM. Breite verwachsen. Die Aus-
wüchse stellen längliche, rundliche Lappen und Knollen von
1/2 — 2 Zoll Grösse dar, die dicht und traubenförmig an einander
gereiht sind und überall mit röthlichgrauen Haaren überzogen
sind. Sie sind mit einer Art Stiel auf dem Geweih selbst ange-
heftet, und auf der vordem Seite des Klumpens kleiner, mehr
zusammengedrängt, kürzer gestielt und gleichförmiger als auf
der hintern Seite, wo einige sogar bis zwischen die Ohren herab-
hängen, jedoch bei weitem nicht in dem Maasse, als bei einer
ähnlichen Abnonnität des Rehbockes, die Oslander in seinen
Epigramata in diver sas res musei sui anatomici, Gott. 1814 auf
Tafel 6 abgebilrlet hat und bei welchem sie über das Gesicht
und am Halse herunterhängen.
Von welchem Gewicht und von welcher Grösse diese Abnor-
mität ist, erhellt daraus, dass sie mit dem Schädel, nachdem
die Kopfliaut, das Gehirn und alles Fleisch entfernt war, noch
9 Pfd. und 6 Loth gewogen hat. Zu ihrer Conservation w^urde
sie längere Zeit in eine Auflösung von arseniksaurem Natron ge-
legt und dann getrocknet.
Nach einer Mittheiiung des Herrn Oberförsters Plochmann
45
waren die Hoden bei diesem Bock ^.ehr klein nnd äusseiiich kaum
sichtbar. Aelmliclie Beobachtungen haben auch Andere gemacht.
Bei einem llehbock mit einem viele zapfenförmige Auswüchse
bildenden Geweih, welches im Mai 1809 dem K. Naturali en-Ka-
binet eingeliefert wurde, fand sich bei Eröffnung des Thicrs so-
gar, dass der Hodensack sammt den Hoden fehlte und die Ruthe
sehr dünn war. Mau nimmt daher an, dass die Verkümmerung
der Geschlechtstheiie während der Neubildung des Geweihs die
Ursache dieser hixurirenden Entwicklung des Geweihs sei.
Werden die häutigen und mit vielen Gefässen durchzogenen
Knollen und Lappen durch Maceration entfernt, so erscheint das
Geweih als eine gewissen Madreporen nicht unähnliche poröse
Knochenmasse, die mit zahlreichen dicht aneinander gedrängten
und verschiedenartig gestalteten Zacken und Verästelungen
überzogen ist und ein grösseres Volumen zeigt, als das Geweih
in seinem normalen Zustand haben würde. Die Nebensprossen
sind entweder von der Hauptstauge deutlich getrennt oder mit
dieser zu einer knorrigen Masse verwachsen. In dem K. Natu-
ralien-Kabinet befinden sich mehrere solcher Geweihe in mace-
rirtem Zustande, von welchen das kleinste nur 4 CM. hoch und
ebenso dick ist und aus mehreren Zacken besteht. Das grösste
Paar hat eine Stange von 4 CM. Durchmesser an der Basis und
eine Länge von 21 CM. und zeigt an der rechten Stange 2, an
der hnken 3 Sprossen. Bei Andern sind die Stangen eines
Paars unsymetrisch, bald ungleich in der Länge, bald nach ver-
schiedenen Seiten gerichtet. Bei einem unsymetrischen Geweih,
das wir der Güte des Hrn. Oberförster v. Scheitel verdanken,
sind die Stangen so stark in madreporenähnhche Masse umge-
wuchert, dass die Stange an der Basis 5, am E-osenstock sogar
8 CM. Durchmesser hat.
VI. Bauinspector Binder aus Heilbronn sprach über die geo-
logischen Verhältnisse des 3110 Fuss langen Tunnels, welcher
gegenwärtig zwischen Heilbronn und Weinsberg durch die Gyps-
mergel des untern Keupers getrieben wird.
Die Gypsmergel zwischen der Lettenkohle und den Schilf-
— 46 —
Sandsteinen liegend, sind überall wo sie auftreten als bunte,
rothe, blaue, grüne mehr oder weniger feste, jedoch stets brüchige
und schüttige Mergel bekannt, um so mehr als sie in Weinge-
genden zur Verbesserung des Bodens sehr gesucht und häufig
aufgedeckt sind.
Solche Mergel stehen an dem Hügel , welcher mit dem
Tunnel durchbrochen wird, in einer Mächtigkeit von ca. 400 Fuss
an; zur sicheren Orientirung in ihnen dient auf der Heilbronner
Seite eine Schichte aus mehreren Kalkbänken bestehend, welche
sehr zahlreiche kleine Muscheln und häufig eingesprengten Blei-
glanz enthält.
Es war nun in hohem Grade auffallend, dass beim Fortgang
des Baues, im Innern des Berges ein ganz anderes Gestein an-
gebrochen wurde, ein sehr fester schwarzer Thon, durchzogen
von einzelnen Bänken derben, festen, grauen Gypses, der sich
auch in Nestern, Klüften und Spalten findet. - Die angestellten
Beobachtungen haben ergeben, dass dieser Zustand der Ablage-
rung zweifellos der normale ursprüngliche (wenigstens älteste)
ist und dass derselbe je mehr gegen Tag ein um so mehr ver-
änderter wird, offenbar nur durch den Einfluss des Wassers,
welches theils durch Erosion theils durch chemische Kräfte wirkt.
An den Stellen wo das Wasser anfängt einzubrechen, ist der
Thon brüchiger und hat eine hellere grünlichschwarze Färbung,
an manchen Orten auch eine intensiv dunkelrothe. Der
Gyps in den Nestern und Klüften nimmt ebenfalls eine hellere,
häufig rothe Färbung an und erhält ein krystallinisch fasriges
Gefüge.
Je näher gegen Tag das Wasser mehr einwirkt, um so
brüchiger und um so heller und bunter gefärbt wird der Thon;
er erhält immer mehr das Ansehen der Mergel wie wir sie zu
Tage kennen, und gleichzeitig wird auch der Gyps immer mehr
zersetzt, so dass er am Ende nur noch als Pulver und Staub an
den Mergeln haftet, und sehr häufig bis auf die kleinste Spur
verschwindet.
Besonders auffallend ist es, dass im Innern die leitende
Petrefaktenschichte aus einem Wechsel von Gyps- und Kalk-
— 47 —
bänken besteht und die verkalkten Muscheln im Gypse liegen^
Auch in dieser Schichte wird der Gyps allmälig vom Wasser
vollständig zersetzt und ausgewaschen, daher sie am Ausgehen-
den nur noch in einzelne Kalkbänke gespalten mit zwischen-
liegenden Petrefaktentrümmern auftritt.
Es war Anfangs schwierig den Zusammenhang der in ver-
schiedenen Stadien der Umwandlung begriffenen Ablagerung zu
erkennen, und zu seiner genauem Feststellung, sowie zu näherer
Untersuchung der wirkenden Kräfte hat der Vortrag hauptsäch-
lich den Zweck die Geologen auf diesen Aufschluss aufmerksam
zu machen und sie zur Einsichtnahme einzuladen; freilich ist
diese nur noch in beschränkter Weise und bis in die ersten
Monate des Jahrs 1862 möglich.
Nach Vollendung des Tunnels werden die Verhältnisse vollstän-
diger dargestellt werden können, und steht eine mit Profil-Zeich-
nungen erläuterte Abhandlung für die Jahreshefte in Aussicht. —
VII. Kriegsrath K a p f f zeigte prachtvolle Schädelstücke
von Belodon Kapffi und Teratosaurus suevicus H. v. Meyer aus
dem Stubensaudstein vor und wies auf die Zeitschrift „Palaeonto-
graphica'' hiu, in welcher von H. v. Meyer diese beiden neuen
Arten beschrieben und abgebildet worden sind.
VIII. Finanzrath Es er sprach über ein Schädelstück eines
Keupersauriers von Aixheim.
Angeregt durch die ausgezeichneten Funde des Hrn. Kriegs-
raths Kapff in dem Stuttgarter Stubensaudstein und in der Erwä-
gung dass für die Erforschung dieses Gliedes der Keuperformation
bis auf die letzten Jahre viel weniger geschehen ist, als es ver-
dienen dürfte, beschloss ich mein Glück in der besagten Keuper-
schichte, jedoch gegen 30 Stunden von hier, bei Aixheim, OA.
Spaichiugen zu versuchen, wo ich schon früher einige Reptil-
reste gefunden hatte. Der Erfolg war ein über Erwartung gün-
stiger, indem ich die dortigen Steinbrüche in lebhaftem Betriebe
fand, und Herr Strassenbau-Inspector Calwer von Rottweil,
dessen beständige Aufmerksamkeit auf diese Fundstätte gerichtet
— 48 —
ist, mir eben aufgefundene ansehnliche Theile eines Saurier-
Schädels zu überlassen die Güte hatte.
Ich habe das Schädelfragment sogleich in Arbeit genommen,
von dem Gestein befreit, und sanimt den von mir früher an dem
gleiclien Fundorte gesammelten Gegenständen hier aufgestellt.
Von Belodon Kapffi v. Meyer unterscheiden sich diese Reste
durch charakteristische Eigeuthämlichkeiten der Schädelbiiduug,
welche sich besonders in der Stirnlinie durcli delphinartiges ra-
sches Abdachen von der Zone der Nasenöffnungen an gegen die
Schnauze und durch glatte Bildung des Zwischenkiefers ausspre-
chen, während die Kieferbildung von Belodon Kapffi 4 bis 5
mal höher ist, als diejenige des von mir vorgelegten Exemplares.
Hinsichtlich des Vorkommens des Stubensandsteins in jener
Gegend ist zu bemerken, dass derselbe, weil die mächtigen La-
gen des Bau- oder Schilfsandsteins fehlen, statt wie in unserem
Thale die Anhöhen zu krönen, an den tiefsten Stellen der Thal-
sohle des Prim-Flusses unter einer nur 3 bis 4 Fuss mächtigen
Humusdecke auftritt, und zwar der obere Theil in dünnen, als
Baumaterial unbrauchbaren Platten, die zur Bereitung des Stu-
bensands benützt werden, während die untern Lagen einen ge-
schätzten Baustein liefern. Beide Abtheilungen enthalten Fossile,
die manchmal schon unmittelbar unter der Humusdecke gefunden
w^erden. Dieselben beschränken sich auf Wirbelthierreste, da die
Zwischenlagen von bunten Mergeln mit fossilen Mollusken nicht
vorkommen. Wie aus Vorstehendem ersichtlich, fehlen hier auch
die an andern Orten den grobkörnigen weissen Sandstein be-
deckenden rothen Thone. Nicht minder vermisst man, dem
Thalrande sich zuwendend, das Bone-Bed zwischen Keuper und
Lias und selbst die Angulaten-Schichten des letztern; vielmehr
findet man auf den nächsten Anhöhen gegen Osten schon die
Arcuatenkalke entwickelt und durch Steinbrüche aufgeschlossen.
Eine Stunde weiter, in nordöstlicher Richtung erscheinen sodann
bei Frittlingen die bekannten Posidonienschiefer mit Ichthyo-
sauren und Fischen am Fusse der aus braunem Jura bestehenden
Gosheimer Höhe, w^elche von den weissen Kalken des Lembergs,
dem westlichen Abhänge des Oberhohenbergs überragt wird.
49
IX. W. Neubert in Stuttgart sprach über Papagaien-
Zuclit in Württemberg.
Als Freund hübscher Vögel zogen mich auch die lieblichen
australisclien Zebra-Papagaien (Melopsittacvs nndidatus Goidd)
ganz besonders an, ich begrüsste es desshalb auch mit Freuden,
als die grössere Einfuhr dieser kleinen Antipoden nach Europa,
den Anfangs ganz enormen Preis derselben (das erste Pärchen
wurde mit Tausend Gulden bezahlt) so weit ermässigte, dass es
Privatleute mit ihrer Kasse vereinbar finden konnten , sich ein
Pärclien zu verscliaffen. Meine vielfältigen, hauptsächlich der
Pflanzen- und Garten- Wissenschaft gewiedmeten Reisen brachten
mich schon öfters nach England, wo namentlich in London bedeu-
tende Handelsgeschäfte mit fremden Tliieren existiren, die ich je-
desmal besuche. Bei dem bedeutendsten dieser Händler, einem
Deutschen Namens J am räch, fand ich im Jahre 1855 ausser allen
möglichen grossen und kleinen Thieren, von der Maus bis zum Ele-
phanten, unter Anderen auch die kaum glaubliche Anzahl von 1500,
sage fünfzehnhundert Zebra-Papagaien in einer ganz
schlechten Kammer beisammen herumfliegen. * Des ungelieuren
Yorraths wegen war damals der Preis dieser Yögel ein ungewöhn-
lich billiger, der mich auch verleitete, vier Pärciien zu kaufen,
deren zwei ich an einige Freunde abtrat, die beiden andern aber
selbst behielt. Jedes Paar kam in einen besondern Käfig, welcher
4 Fuss läng und mit Nistkästchen versehen war, weil ich wusste,
dass diese Yögel sehr gerne in hohle Räume schlüpfen. Im nächsten
Jahre bekam eines der Männchen eine eigenthümliche Krankheit
* Jiimrach's Et<ablissement erstreckt sich auf mehrere Häuser in
drei verschiedenen Strassen, in deren einer sich ein hübscher Laden als
Details-Verkaufslokal befindet, wo eine Auswahl seiner Yorräthe ausge-
stellt und Jedermann zugänglich ist, während er seine Yorräthe selbst in
den andern Strasen in Häusern hat, wo er nur Leute, die er einmal ge-
nau kennt, hinführt. Zu solchen Bevorzugten zu gehören, ist ein wirk-
licher Genuss, denn was da manchmal zu sehen ist, kann man vielleicht
in seinem Lehen nie wieder zu sehen bekommen, wie dies bei dem einem
Bienenschwarm ähnlichen Flug der 1500 Papagaien von Einer Sorte der
Fall war.
Württemb. naturw. Jahreshefte. 18G2. Is Heft. 4
— 50 —
am Schnabel. An der rechten Seite der Schnabelwurzel zeigte sich
ein kleines Geschwürchen, welches zuletzt die harte Masse des
Schnabels angriff. Icli reinigte dieses Geschwür öfters, allein es
griff immer weiter um sich , bis der Unterschnabel zur einen Hälfte
ganz verzehrt, und das Thierchen zuletzt ausser Stand war zu fres-
sen, und so elend umkommen musste. Das zweite Männchen starb
das Jahr nachher (185 7). Nun liess ich die beiden Weibchen in
eine Voliere im warmen Gewächshause zu allerlei andern kleinen
Vögeln, Paradiesfinken, Orangefinken, Bengalisten etc., wo sie sehr
vergnügt zusammen lebten, und die Oberherrschaft über die an-
dern Bewohner der Voliere führten.
Im Winter von 1858 auf 59 machten sich die beiden Weibchen
sehr viel in einem mit verschiedenen Abtheilungen und Schlupf-
löchern versehenen, in der Voliere befindlichen Nistkästcheu zu
schaffen, und legten endlich Beide mehrere Eier, bei weichen sie
sich zwar viel aufhielten , allein doch zu keinem rechten Brüten an-
schickten, gleichsam als hätten sie gewusst, dass da^Bebrüten der
unbefruchteten Eier umsonst wäre. Im Winter von 1859 auf CO
wiederholten sie das Gleiche. Die Vögel blieben nachher gesund
und munter, ich nahm mir desshalb vor, bei erster Gelegenheit ein
oder zwei Männchen dazu zu kaufen, um zu versuchen, ob die
Thierchen nicht Junge hervorbrächten. Leider kam ich im Sommer
1860 in keine Seestadt, wo dergleichen Thiere zu kaufen sind, die
beiden Weibclien waren also noch zu längerem Wittwenstand ver-
dammt , da hörte ich ganz zufällig , dass ein Herr auf einem Land-
gute bei Durlach zwei Männchen habe, welche durch den Tod ihrer
Weibchen gleichfalls im Wittwerstande waren. Ohne Zögern schrieb
ich an diesen Herrn und fragte ihn unter Erwähnung meines Falles,
ob er nicht zu einem Tausch oder Verkauf geneigt wäre , um beiden
verwittweten Theilen wieder zu einer Ehe zu verhelfen. Die Ant-
wort des Herrn bestand darin, dass er zwei Tage hernach (den
4. November 1860) mit dem Eilzug nach Stuttgart kam, eines seiner
Männchen mitbrachte, und dagegen eines der Weibchen mit nach
Hause nahm.
Das erste Begegnen dieser Thierchen war sehr interessant,
Herr Bulbach {.-o heisst jener Herr) sagte, da der Vogel auf der
— 51 —
Reise noch Nichts gefressen, so wäre es gut, ilin sogleich von dem
Transportkäfig in die Voliere zu thun, was alsbald ausgeführt wurde.
Der Bräutigam blieb im ersten Augenblicke auf dem Boden sitzen,
sah zu den beiden Weibchen e;iipor, und gab einen ganz besonderen
Laut von sich, welcher sogleich von dem einen Weibchen beant-
wortet wurde. Diese Unterredung wurde mehrere Male schnell
hintereinander wiederholt und hiess vielleicht in der Papagai-
Sprache so viel als „Hier bin ich, gefalle ich dir , willst du mich?
— Von Herzen gern!" Das Uebereinkommen war schnell getroffen,
das gesprächige Weibchen schoss im Nu herab zu dem Männchen,
und nun erst ging das Willkomm mit endlosem Zwitschern und
Küssen an. Endlich ging das fröhliche Brautpärchen in die Höhe,
wurde aber dort von der vorher so friedlichen und anhänglichen
Genossin auf das Unfreundlichste empfangen. Die vieljährige
Freundin und Genossin im Wittwenstande wurde mit wahrer Wutli
angefallen. Wie zänkische Vf eiber einander gerne am Zopf packen,
so wurde auch hier der beglückten Braut der Schwanz ausgerauft.
Das Männchen blieb unbelästigt, und mischte sich auch nicht in den
Streit. War die Braut von dem Bräutigam entfernt , so war Friede,
wagte sie sich aber wieder in seine Nähe, so ging der Krieg von
Neuem los. Es schien mehr gesellschaftliche als geschlechtliche
Eifersucht zu sein, welche das zweite Weibchen so in Harnisch
brachte. Einige Zeit liess ich der Sache den Lauf, weil sie sehr
interessant war, endlich aber musste durch Entfernung der Xan-
tippe der Hausfriede hergestellt werden. Die Liebe der Neuver-
mählten war eine viel augenfälligere , als es in der ersten Ehe der
Fall war, das Küssen, Schäkern und Plaudern w^ollte kein Ende
nehmen , und zuletzt trat auch wirkliche geschlechtliche Zuthunlich-
keit ein.
Frühere Beobachtungen hatten mich belehrt, dass diese Vögel
weder Federn noch anderes Nistmaterial in ihrem Neste haben
wollten, sondern, als in hohle Bäume nistend, nur feine weiche
Holzspähne , welche sie in wildem Zustande durch Zernagen selbst
bereiten, so stellte ich in das Nistkästchen ein halbkugelförmiges
hölzernes Schüsselchen , wie man es häufig den Kanarienvögeln zum
— 52 —
Nisten gibt und füllte dasselbe halbvoll mit ganz feinen weichen
Sägespähnen, gleichsam wahrem Holzmehl.
Dieses Gestehen wurde von dem Weibchen sogleich in Besitz
genommen , seines Inhalts aber bis auf einen kleinen Rest entleert.
Am 17. November wurde das erste Ei in das Nestchen gelegt. Nun
ging das Weibchen nicht mehr zum Fressen, sondern liess sich voll-
ständig von dem Männchen ätzen. Das erste Ei wurde gleich vom
ersten Tage an bebrütet. Am 19. kam das zweite Ei und am 22,
das Dritte. Das Männchen durfte sich dem Neste nicht nähern,
sondern wurde hinausgezankt. In wenigen Tagen wusste sich das
Männchen in das Verbot zu schicken, sass vergnügt vor dem
Schlupfloch, und eiiipling das Weibchen mit allen möglichen
Schmeicheleien, wenn es herauskam, um sich von ihm ätzen zu
lassen. Das Excrementiren des Weibchens fand während des Brü-
tens in der Regel nur Einmal des Tages, und zwar auch in bedeu-
tender Masse auf Einmal statt.
Eine Erscheinung war mir sehr auffallend , die ich noch niemals
bei andern Vögeln bemerkte, das Weibchen nämlich suchte die
Eier stets auf der Spitze stehend zu erhalten , indem sie dieselben
durch das Holzmehl zu stützen wusste. Die Eier lagen auch nicht
gedrängt bei einander, sondern so weit von einander entfernt, dass
keines das andere berührte.
Vom 12. December an bemerkte ich, dass das Weibchen die
Eier öfters verhess und sich den ehelichen Liebkosungen des Männ-
chens hingab, was mich auf die Vermuthung brachte, dass die Brut
verloren sei, wesshalb ich mir vornahm, die Eier zu untersuchen,
allein das Weibchen überhob mich dieser Mühe, indem sie am
14. December alle drei Eier zu kleinen Stückchen zertrümmert
hatte. Sie waren nicht befruchtet, und durch die Brutwärme voll-
ständig ausgetrocknet.
Die eheliche Zärtlichkeit gab mir nun neue Hoffnung, und
wirklich kam auch am 17. December ein neues Ei zum Vorschein,
w^elches auch unter den schon erwähnten Umständen sogleich be-
brütet wurde. Am 19. kam das zweite und am 22. das dritte Ei.
Die Brut wurde so eifrig betrieben wie das Erstemal, und am
— Oö —
4. Januar, also nach 18 Tagen, fand ich ein Junges im Nest, den
Tag darauf aber die beiden andern Eier zertrümmert und unbe-
fruchtet, wie das Erstemal. Das Junge lebte nur drei Tage. Ohne
Zweifel ist es Hungers gestorben , weil die Vögel bei Nacht nicht
ätzen, und die Nächte in jener Jahreszeit gar so lang sind.
Die Liebesscenen wiederholten sich abermals, und siehe da,
das Weibchen legte wieder au den nämlichen Monatstagen, am
17., 19. und 22. Januar drei Eier. Das Benehmen der beiden Vögel
war w^ährend dieser dritten Brütezeit das ganz gleiche, wie die
beiden Erstenmale. Am 5. Februar schlüpfte das erste , am 6. das
zweite und am 7. das dritte Junge aus. Das erste Junge entwick-
elte sich auffallend schnell, so dass es schon eine verhältnissmässig
bedeutende Grösse erreicht hatte, als das dritte Junge zur Welt
kam , welches als das schwächliche Xestsitzerchen von den beiden
grösseren Geschwistern am 10. zu Tod gedrückt wurde. Am 11.
Morgens*, als ich w'ie gewöhnlich sogleich nach dem Aufstehen nach
den Thierchen sah, waren die beiden Jungen, obgleich noch blind,
aus dem schtisselförmigen Nestchen herausgeklettert; jedes lag in
einer andern Ecke des Kästchens, das Aelteste frisch und munter,
das Jüngere aber todt unter der Mutter, welche dasselbe auf dem
flachen Boden des Kästchens ganz breit gedrückt hatte. Nun nahm
ich das Nestschüsselchen ganz heraus, und liess das überlebende
Junge in dem etwa anderhalb Fuss langen horizontalen Kästchen
frei sitzen, wo es sich in dem Holzmehl ganz-gut zu befinden schien.
Die Mutter war von da an nicht unausgesetzt bei dem Kinde, son-
dern ging oft heraus und unterhielt sich mit dem Männchen,
welches, wie während der Brütezeit, das Weibeben ätzen musste,
und dieses nachher, nachdem sich die von dem Männchen empfan-
gene Speise in ihrem Kröpfe in eine weiche breiartige Masse ver-
wandelt hatte , das Junge.
Nachdem das Weibchen dreimal so drei Eier gelegt, und nun
ein Junges aufzuziehen hatte, dachte ich an keine neue Brut mehr,
alkin da täuschte ich mich , denn es kamen jetzt sogar vier Eier,
nämlich am 21., 23., 25. und 27. März, Das Weibchen fing sogleich
wieder zu brüten an, allein bei Weitem nicht mit der festen Aus-
dauer, wie vordem, denn sie verliess die Eier sehr oft, theils um
54
sich vom Männchen ätzen zu lassen, theils um das Junge zu ätzen,
theils aber auch ohne sichtbaren Grund, gleichsam nur um Prome-
nade zu macheu und mit Mann und Kind zu spielen. Wenn ich
nach ihr im Neste sah , so sass sie niemals ganz über den Eiern,
sondern lehnte sich gleichsam nur neben an dieselben an. Diess
Benehmen liess mich keinen guten Erfolg erwarten , und doch kam
am 11. und 12. April je ein Junges zur Welt. Am 13. zertrümmerte
das Weibchen die beiden andern Eier, wie sie es früher schon mit
den unbefruchteten gemacht hatte. Die Eier, sowie jetzt auch die
Jungen, lagen ohne Nest nur auf dem mit bew^usstem Holzmehl be-
deckten Boden, wo sie umherzukriechen anfingen, ehe sie sehend
waren , überhaupt zeigten sie recht bald eine weit grössere Fähig-
keit, sich auf ebenem Boden zu bewegen, als diess bei diesen Klet-
tervögeln zu vermuthen ist , denn sie lernten . lange ehe sie fliegen
konnten, nicht nur gut gehen, sondern eigentlich springen wie
junge Hühnchen. Bei dem Ausschlüpfen sind sie ganz nackt, und
haben, wie die meisten jungen Vögel, einen grossen Kopf und
grossen Bauch. Von den einzelnen kleineren Theilen ist besonders
die Wachshaut über dem Schnabel, in welcher sich die ganz nach
Oben gerichteten Naslöcher befinden, auffallend gross, wäe aufge-
schw^ollen. Der Schnabel ist klein, und die obere Spitze noch
nicht hackenförmig herabgebogen, wie es den Papagaien eigen ist.
An den Füssen gehen drei Zehen nach Yornen und einer nach Hin-
ten, wie bei andern Vögeln, erst w^enn das Junge zu laufen anfängt,
gewöhnt sich der nach Aussen stehende dritte Vorderzehe nach
Hinten, zuerst ganz wacklich, wie lahm oder abgebrochen, zuletzt
aber gekräftigt und die Fussbildung der Klettervögel, zwei Zehen
nach Vornen und zwei nach Hinten, annehmend.
Am 10. Tage nach der Geburt bemerkte ich die ersten Feder-
stoppeln an den Flügeln, am 11. an dem Schwänze, und von da an
nach und nach am ganzen Leibe, am Kopfe anfangend, sich über
den Bücken verbreitend , und zuletzt am Bauche.
Ganz feine zwitschernde Stimmen gaben die Jungen schon in
den ersten Tagen von sich, namentlich wenn die entfernt gewesene
Mutter wieder zu ihnen kam und zu essen gab; ein eigentliches
Geschrei liess das erste am Leben gebliebene Junge erst am
. _ 55 —
17. Tage hürcu. Vom 8. Tage an ^Ya^en die Augen geöffnet, die
Jungen ziehen sich aber während der Ruhezeit stets in die hinterste
dunkle Ecke des Kästchens zurück. Nachdem sie befiedert sind,
aber noch nicht fliegen können, kommen sie viel an die Schlupföff-
nung des Kästchens, um der Mutter nach Nahrung zu rufen, welche
jetzt von dem Männchen beim Aetzen der Jungen unterstützt wird,
während es früher durch das Weibchen von den Jungen entfernt
gehalten wird.
Ganz ausserordentlich merkwürdig war es, dass das Weibchen,
welches das Männchen Anfangs mit grösstem Eifer von den Jungen
entfernt hielt, dem erstgebornen Jungen den Zutritt zu seinen
neuen Geschwistern erlaubte. Anfangs war es mir bange, der
starke muthwillige ältere Bruder werde die so zarten kleinen Ge-
schöpfchen zu Tode drücken , allein bald fand ich , dass er sie mit
grösster Schonung behandelte , ja sogar ätzen half, sobald sie ein
klein wenig gekräftigt waren. Jetzt noch, im Juli, da sämmtliche
Junge schon ihr Jugendkleid ausgezogen haben, und nur mit Mühe
von den Alten zu unterscheiden sind (d. h. nur von mir, denn Fremde
finden gar keinen Unterschied zwischen den Jungen und Alten),
findet stets ein Aetzen statt, was aber nicht ein Ernährungsbedürf-
niss, sondern reine Schmeichelei ist, welche auch bei den Alten
vorkommt.
Mit 38 bis 39 Tagen kamen die Jungen aus dem Brütkästchen
herausgeklettert, und liefen auf den Sitzstangen in der Voliere
ganz behend der Mutter nach ; zwei Tage später flogen sie herum,
kamen auf den Boden herab, spielten im Sande und im Futterkäst-
chen und lernten nach einigen Tagen selbst fressen, ohne dass je-
doch das Aetzen ganz aufgegeben wurde.
Das Futter dieser Yögel besteht aus Kanariensamen. Obst
der verschiedensten Art, welches ihnen schon gereicht wurde, be-
rühren sie nicht, dagegen aber selu* gerne gewöhnlichen Kopfsalat,
der ihnen namentlich Sommers häufig gegeben wird. Für die klei-
nern Vögel, Bengalisten etc., welche in der Voliere sind, ist weisse
Hirse im Käfig, weil diese nichts Anderes fressen. Früher rührten
die Papagaien die Hirse nicht an, seit aber einmal ein Junges auf
der Welt war, fressen sie auch davon, und namentlich auch die
— 56 —
Jungen, sobald sie allein zu fressen anfangen, ohne Zweifel, weil
sie diese leichter enthülsen können, als den Canariensamen.
Zum Brüten scheint keine besonders grosse Wärmeentwick-
lung nothwendig zu sein, denn das Weibchen hatte die Eier, wie
schon erwähnt, stets etwas entfernt von einander auf der Spitze
stehen, so dass sie dieselben nicht alle vollständig bedecken konnte,
und das Bett war auch kein besonders warmes. Das Gewächs-
haus, in welchem die Voliere sich befindet, wird Winters nur auf
10 Grade R. geheitzt, sinkt aber des Nachts auf 7 bis 8 Grade, hie
und da noch tiefer herab. Nachdem die Jungen ausgeschlüpft sind,
setzt sich die Mutter nicht mehr dicht über dieselben, sondern
mehr seitwärts, so dass sie nach einer Seite ganz unbedeckt sind.
Zu verwundern ist, dass unter solchen Umständen die völlig nackten
Dinger eine so bedeutende Eigenwärme entwickeln, die man mit
der Hand ganz deutlich fühlt. Schon die sehr kurze Brützeit von
18 Tagen scheint auf eine bedeutende Eigenwärme der Jungen vom
Embryo an hinzuweisen. Eben diese grosse Eigenwärme befördert
ohne Zweifel die Verdauung sehr , woher auch das rasche Wachs-
thum und die schnelle Befiederung der Jungen. In der fünften
V/oche haben die Jungen gut die Hälfte der Grösse ihrer Eltern
erreicht, und sind nach einem starken Vierteljahr von den Eltern
kaum mehr zu unterscheiden. Das erste Jugendkleid ist nicht sehr
von dem der Erwachsenen zu unterscheiden, das Grün des Unter-
leibes ist etwas matter, das Gelb um den Schnabel schmutzig und
die eigenthümlichen kleinen runden schwarzen Punkte an der Kehle
sind noch unausgebildet. Nach der ersten Mauser, welche mit einem
Vierteljahr eintritt, sind alle Farben und Zeichnungen vollkommen.
Männchen und Weibchen dieser niedlichen Vogelgattung,
welche kaum die Grösse eines Sperlings hat, sind vollständig gleich
geformt, gefärbt und gezeichnet, mit Ausnahme der ziemlich her-
vortretenden Wachshaut am Grunde des Oberschnabels, in welcher
sich die Naslöcher befinden. Diese Wachshaut ist bei den Jungen
ganz blass blau, und erst nach langer Zeit, manchmal erst nach ein
oder zwei Jahren verändert sich diese Farbe dahin, dass sie bei
dem Männchen dunkler, bei dem Weibchen heller, meistens ganz
weisslich wird. Wenn die Begattungszeit herannaht, so färbt sich
57
die weissliclie Waclisliaut des Weibchens schmutzig hellerdfarben,
schwillt etwas auf und erhält eine rauhe Oberfläche, welche beinahe
aussieht, wie eine abgetrocknete Eiterblatter. Bei dem Männchen
konnte ich an der Färbung der Wachshaut während dieser Zeit
keine Veränderung wahrnehmen.
AVährend meiner Abwesenheit um Mitte Juni legte das Weib-
chen abermals 2 Eier, bebrütete dieselben aber nicht, sondern biss
in jedes derselben nach wenigen Tagen ein Loch und wollte sie zum
Brutkästchen hinauswerfen, wesshalb ich sie himvegnahm. Am
5. Juli lag wieder ein Ei zertrümmert in der Voliere, ob vorher im
Brutkästchen gelegt und hinausgeworfen, oder auf den Boden in
der Voliere gelegt, kann nicht ermittelt werden, weil es erst gesehen
wurde, als es zertrümmert dalag.
Ausser diesen gelungenen Fällen des Brütens von Papagaien
habe ich noch mehrere andere, jedoch sehr unglücklich endende
erlebt. Mein sei. Vater hatte unter Anderen zwei australische
Papagaien (Trichoglossus nmlticolorj, welche wegen verschiedener
Grösse und Färbung allgemein für Männchen und Weibchen ge-
halten wurden. Man fand bei diesen Vögeln eines Morgens ein
Ei im Käfig, wesshalb ihnen sogleich von allerlei weichem Material
ein Nest gemacht und das Ei darein gelegt wurde, sie zerrisen aber
das Nest und wälzten das Ei auf den flachen Boden. Nach diesem
gab man ihnen eine Holzschachtel, in welche seitwärts eine Schlupf-
öfihung gemacht wurde, brachte Nistmaterial und das Ei hinein.
Sogleich bezogen sie die Schachtel, schaiften aber alles Material
heraus und Hessen nur das Ei darin, bei welchem beide Vögel fort-
während blieben und nur selten sich zeigten. Im Verlauf weniger
Zeit wurden mehrere Eier gelegt, auffallender Weise von verschie-
dener Grösse. Das Brüten wurde gemeinschaftlich fortgesetzt, beide
Vögel aber starben auf der Brut, und bei der Section zeigte sich,
dass es zwei Weibchen waran, welche beide Eier gelegt hatten.
Nicht selten kommt es vor, dass ehelos lebende Papagai-Weib-
chen Eier legen, ohne brüten zu wollen, manchmal aber brüten sie
doch, sterben aber gewöhnhch auf der Brut. Dies beobachtete ich
nicht nur bei mehreren Vögeln in meinem Besitz, sondern auch bei
Bekannten. Ein Pärchen von den bekannten Inseparables
— 58 — .
(Psittacus pullar'ms) begattete sich bei mir, das Weibchen legte
4 Eier und brütete. Das Männchen ätzte das Weibchen mit grossem
Fleisse, starb aber, ehe die Brütezeit vorüber war, wie mir schien,
an Entkräftung, weil die grosse Sorgfalt für sein Weibchen die
eigene Ernährung zu sehr beeinträchtigte. Zwei Tage nah dem
Männchen war auch das Weibchen todt auf den Eiern, welche bei
der Untersuchung sich als befruchtet und halb ausgebrütet zeigten.
Ein sehr schöner Lorius grandis von den Südsee-Inseln, welcher
in ehelosem Stande bei mir mehrere Jahre hinter einander Eier
legte, und zuletzt auch brütete, starb auf der Brut. So kenne ich
noch verschiedene Fälle, die allemal mit dem Tode endeten, und
erst die genauen Beobachtungen bei meinen Zebra-Papagaien
führten mich zu der Entdeckung, dass die Papagai-Weibchen, so-
bald sie auf der Brut sitzen, nicht mehr selbst fressen, sondern
von dem Männchen geätzt werden, daher das Sterben aller in ehe-
losem Stande brütenden Weibchen, sowie auch derer, denen wäh-
rend des Brütens das Männchen stirbt oder sonst entzogen wird.
Aus diesen Beobachtungen kann man die Lehre ziehen, dass
man ein Papagai-Männchen niemals von seinem Weibchen trennen
soll, wenn dieses auf der Brut sitzt, und dass man bei ehelosen
Weibchen das Brüten ganz verhüten muss, indem man ihnen die
Eier liinwegnimmt , weil diese Thiere den natürlichen Instinkt
haben, sich während des Brütgeschäfts von dem Männchen er-
nähren zu lassen und lieber auf den Eiern verhungern, als diese
verlassen, um Nahrung zu holen.
Die Leichtigkeit, mit welcher in neuerer Zeit fremde Thiere
durch das Yerbindungsmittel des Dampfes nach Europa eingeführt
werden, hat die Zahl der Einführungen sehr vermehrt und den
Preis bedeutend vermindert, so dass man ohne Zweifel in kurzer
Zeit verschiedene Fälle von Züchtung erleben wird, die Aufschlüsse
über die Lebensweise dieser Fremdlinge geben werden.
X. Oberreallehrer Dr. Reuss in Ulm zeigte sehr sckön ge-
trocknete Pflanze nblätter vor, welche er durch Naturselbst-
druck vervielfältigen lassen will.
— 59 —
XI. Dr. Zech spracli über die Erscheinungen der
Spektralanalyse und zeigte dieselben an einem dazu aufge-
stellten Apparate. Es ist eine bekannte Thatsache, dass bestimmte
Stoße (im chemischen Sinn des Worts) Flammen bestimmte Farben
mittheilen, wie Jedermann von Feuerwerken her weiss. Zu wissen-
schaftlichen Zwecken wurde diese Thatsache bei den Löthrohrver-
suchen benutzt, indem man aus der Farbe der Flammen oder einer
geschmolzenen Perle auf die darin enthaltenen Substanzen schloss.
Mängel dieser Beobachtungsart sind, dass der Farbensinn viel
häufiger als man glaubt unvollkommen entwickelt ist und dass beim
Vorkommen mehrerer Substanzen zu gleicher Zeit eine schwer zu
beurtheilende Mischfarbe entsteht. Frei von diesen Mängeln ist
die neue Methode der Spektralanalyse von Bunsen und Kirchhoff:
die zu untersuchende Substanz wird an einem Platindraht zu einer
Perle geschmolzen und in der nichtleuchtenden Bunsen'schen
Flamme verflüchtigt; die durch eine enge Spalte gehenden gefärb-
ten Lichtstrahlen werden durch ein Prisma in ihre Bestandtheile
zerlegt. Man hat so gefunden, zunächst von den Alkalien und
Alkaloiden, dass dieselben bestimmte Spektra geben , die einander
nicht stören und schon auftreten bei Quantitäten, welche auf an-
derem Wege nachzuweisen mit den gegenwärtigen Mitteln unmög-
lich ist. Bunsen hat vermittelst dieser Methode schon zwei neue
chemische Elemente nachgewiesen und Kirchhoff hat gezeigt, dass
man die Sonnenatmosphäre analysiren könne. Die Lithionflamme
z. B. gibt im Spektrum eine glänzend rothe Linie, lässt man aber
Sonnenstrahlen durch die Flamme hindurch, so wird auf dem
Grunde des Sonnenspektrums jene Linie vollkommen dunkel und
durchaus ähnhch den Fraunhoferschen Linien; Kirchhoff schliesst
daraus, dass die Fraunhoferschen Linien erzeugt werden bei dem
Durchgang des Sonnenlichts durch die mit verschiedenen Dämpfen
geschwängerte Sonnenatmosphäre, und jede Substanz, welche eine
helle Linie zeigt, wo das Sonnenspektrum eine dunkle hat, wird in
der Sonnenatmosphäre enthalten sein.
XIL Professor Dr. Fr aas sprach über den Lehm. Die
grösste Schwierigkeit bei Fertigung von geognostischen Karten
— 60 —
bietet sicherlich die Darstellung der Schichtenbedeckung oder_^ der
Ver Witterungsprodukte älteren Gebirges, welche letzteres der
Untersuchung ganz oder theilweise entziehen. Bei Karten grös-
seren Massstabs freilich entgeht man dieser Schwierigkeit, indem
liier mit kühnem Pinselstrich die Formationsgrenzen unter der
Bodendecke gezogen werden können. Sobald aber ein Massstab
Avie der unseres topographischen Atlasses vorliegt, muss man
sich auf jeglichem Terrain Rechenschaft geben, ob und wie weit
die. Schichtengrenzen eingetragen werden. Dass man die Acker-
krume und humösen Boden, dass man ferner die Schutthalten
am Fuss der Berge nicht berücksichtigt, darüber ist w^ohl Alles
einig, ebenso dass man alle Tertiärschichten, wenn sie auch nur
wenige Fuss mächtig als Thonmergel, Sandmergel und Sande,
z. B. am Südrand der Alb den Jura decken , berücksichtigt, dar-
über wird gleichfalls kein Zweifel sein. Zwischen beiden inne,
d. h. zwischen den letzten Bildungen der Tertiärzeit und den
Resten des modern zerstörten Gebirges liegt ein System von
Schuttland, von Lehm, Löss, Luxe etc. bald nur wenige Fuss,
bald aber viele Klafter mächtig, das die Oberfläche namentUch
der Ebenen bildet, oder in die Thäler hinabsteigt und den Geog-
uosten zur Verzweiflung bringen kann , der den Formationsgrenzen
nachgehen möchte. Solang man noch der Ansicht war, zwischen
sogenanntem Diluvium und Alkivium trennen zu müssen, zeich-
nete man das erstere als eine Epoche bildend in der Entwicke-
lung der Erdkruste noch ein, liess dagegen die Alluvionen als
eine Bildung der Neuzeit fallen, allein immer mehr stellte sich
die Unmöglichkeit heraus, Unterschiede zwischen beiden zu zie-
hen und heutzutage neigt sich offenbar die Mehrzahl der Geo-
gnosten der Anschauung zu , dass das sogenannte Diluvium keiner
grossen Fluth zuzuschreiben sei, die Katastrophe bildend über
die Erde kam, als vielmehr das Resultat einer ruhig aber lang
wirkenden Zerstörung des älteren Gebirges wäre. In der That
bestätigt sich diess auch durch jeden Tritt und Schritt der zum
Behuf der geognostischen Landesaufnahme gemacht wird. Es ist
rein unmöglich, Altersunterschiede aufzufinden, welche die schich-
tendeckenden Verwitterungsprodukte in ein System bringen könn-
— fil —
teil. Von den kaum etwas verwaschenen Schicliten an bis zum
reinen Lehm, dem man seinen Ursprung lediglich nicht mehr
ansieht, gibt es tausendfache Schattirungen und Mengungen, die
alle zu berücksichtigen ein ebenso eitles Unternehmen wäre, als
wollte man die Kieselsteine des Neckars nach ihren Formen
classificiren. An der Winterhalde bei Canstatt, dem grossen
Mammuthfeld vom Jahr 1860, lagen die Ziüme und Knochen der
Elephantcn und Nashorne ebenso in dem reinen Keuperschutt
als wie in dem bis zur letzten Yerv/itterung vollendeten Lehm,
dessgleichen fanden sie sich ebenso in dem alluvialen Remssand
von Schorndorf als wie in dem Albschutt von Amstetten. Con-
sequenter Weise wäre hienach Bergschutt, Remssand u, dgl. als
Mammuth führend mit besonderer Diluvialfarbe auf den Karten
anzubringen, ein Verfahren dessen Unzulässigkeit Jedem ein-
leuchten muss. Dazu kommt nun , dass von allen Seiten Europas
Nachrichten einlaufen, die an der Fossilität der Mammuth und
Nashorne, beziejmngsweise deren hohem Alter stark zweifeln
lassen. Anerkannte Autoritäten bestätigen aus England, Frank-
reich, Schweiz und Deutschland, dass an ursprünglichen Lager-
stätten Mammuth mit dem Menschen zusammengefunden wurde,
einige der schlagendsten Erfunde, die E. L artet in Aurignac
(haute Garonne) machte, hatte ich neulich selbst zu sehen Ge-
legenheit. Feuersteinwaffen, Menschenknochen, Mammuth und
Nashornreste liegen in vollständigem gleichem Zustand der Zer-
setzung resp. Erhaltung beieinander in dem gleichen Lager, ja
es tragen sogar einige der Knochen und Zähne unverkennbare
Spuren der Bearbeitung durch jene Feuersteinmesser und Sägen
an sich. Bekannter schon sind ferner die Untersuchungen, die
im Spätsommer 1S59 eine Gesellschaft englischer und französi-
scher Geologen in St. Acheul, zwischen Amiens und Abbeville
gemacht haben, über welche Lyell kurz berichtet, er erkenne
in den dortigen Kiesbänken ein altes Lager menschlicher Urein-
wohner, die in Gesellschaft des Mammuths den französischen
Norden bewohnt haben. Aehnliches berichtet Studer von Bern
und Andere. Ich führe hier diese Thatsachen nur an, nicht um
ein höheres Alter des Menschen zu beweisen, sondern um auf
— 62 —
das offenbar jüngere Alter der vermeintlich diluvialen Thiere
hinzuweisen. Hienach beweist der Fund von Mammuth, Rhino-
ceros, Auerochs, Riesenhirsch, Höhlenbär u. s. w. lediglich keine
antediluviane Zeit, keine Epoche in der Bildung der Oberfläche,
nichts das auf einer geognostischen Karte als gleichberechtigt
mit Schichten eingetragen Averden könnte. So fallen alle petro-
graphischen und palaeontologischen Momente , die für eine Unter-
scheidung von Alluvial und Diluvial sprächen: vielmehr bleibt
uns nach Bildung des letzten und jüngsten Tertiärs am Südrande
der Alb nur Eine grosse Periode, die Periode der Neuzeit, zu
verzeichnen, die Zeit der Verwitterung der Steine, die sicher-
lich niemals eine andere war, als die heutzutage noch ist.
XIII. Ober-Med.-Rath Dr. G. v. Jäger theilte seine Beob-
achtungen über rankende Gewächse, namentlich über Epheu
(Hedera helix L.) mit.
In einem früheren Vortrage ''' habe ich einige Beobachtungen
über das Verhältniss der parasitischen Gewächse zu der Nähr-
pflanze mitgetheilt, welchen die folgende Beobachtungen zur Er-
gänzung dienen mögen.
In einem nahezu 1 Morgen grossen Garten in der Nähe von
Carlsruhe, der mit einer beiläufig 7' hohen Mauer und auf der
westlichen Seite von einem Hintergebäude des Hauses umschlossen
ist, fand ich im Juni 1860 die westliche Wand des Hintergebäudes
mit jungen Epheupflanzen bis zur Höhe von 10—12' überzogen,
welche sich dicht an dem ziemlich glatten Kalküberzug der Wand
angelegt hatten, indess mehrere derselben in bedeutender Höhe
sich nicht mehr zu halten vermochten, indem die grösser und
schwerer gewordenen jungen Pflanzen mit ihren Wurzelansätzen
nicht hinlänglich in den Kalküberzug der Wand eindringen konn-
ten. Dagegen bot die nördliche Wand der den Garten umgebenden
Mauer eine für die Epheupflanzen viel geeignetere Oberfläche zur
Anheftung und zu leichterer Ernährung dar, und sie war auch
* XII. Jahrg. der naturw. Jahreshefte I. Heft p. 63 zum Theil
übereinstimmend in der Bonplandia 1855. Nr. -1. pag. 50 abgedruckt.
— TdS —
gänzlich damit überwachsen, so dass der Epheu sich über den
Rand der Mauer nach der südlichen Seite derselben zog. Die
Aeste desselben hatten sich zum Theil der Aeste und des Stamms
von 2 beiläufig IV2' von der nördlichen Wand der Mauer abstehen-
den Zwetschenbäumen von 5 bis 6" Durchmesser bemächtigt, welche
überdiess von dem am Boden wurzelnden Epheu aus mit einem
dichten Filze unter sich verwachsener dünnerer und dickerer, zum
Theil mehrere Jahre alter Epheuzweige überzogen waren. Dieser
zu einem dichten Filz verAVobene Ueberzug zeigte nach seiner Ab-
nahme von dem ganz damit bedeckten Stamme des einen der
Zwetschenbäume wohl eine Dicke von 6 — 7'" und breitete sich
dünner werdend über die Ae^te des Baumes aus. Manche Zweige
des Epheus gingen von den Bäumen zu der Mauer über, so wie
umgekehrt von der Mauer aus zu einzelnen oberen Aesten der
Bäume. Jene trugen noch einiges m'cht gerade krank aussehendes
Laub und einige Früchte. Von dem einen der beiden Zwetschen-
bäume und seinen Aesten wurde demnach die Epheuhülle entfernt,
was ohne besondere Schwierigkeit geschah, indem die concave
Fläche des Epheuüberzugs zwar rauh war, sowie auch, wenn
gleich in geringerem Grade die sonst glatte Oberfläche der
Rinde des Zwetschenstamms und seiner Aeste, aber es hiengen die
dünneren Zweige des Epheuüberzugs der Rinde nicht fester an,
noch waren sie mit ihr verwachsen. Es konnte indess nicht
fehlen, dass bei einer so dichten Umhüllung des Stamms und
der Aeste, die Vegetationsprocesse mehr oder w^eniger nothleiden
und die Bäume früher oder später von den Aesten aus insbe-
sondere zu Grunde gehen mussten. Wirklich ging der erste
Baum trotz der Entfernung dieser Epheuumhüllung bis zum
Herbste 1860 zu Grunde und auch an dem zweiten Baume rag-
ten im Sommer 1861 nur noch dürre Zweige aus der unver-
sehrten Epheuumhüllung seiner Krone hervor. Auf ähnliche
Weise w^aren die Zweige mehrerer anderer Bäume und einige
Reben desselben Gartens zu Grunde gegangen durch die dichte
Umhüllung mit verschiedenen Flechten, namentlich Parmelia
parietina und P. pulverulenta.
Die Flechten scheinen weniger als die an Bäumen fest-
— 64 —
sitzenden Schwämme (Polysoms) (vgl. die früher im ersten Hefte
des XII. Jahrgangs angeführten Versuche) eine oberflächliche Ver-
änderung oder Erkrankung der Rinde zu veranlassen. Werden
nemlich die genannten Flechten mit einer dünnen Holzschichte
abgeschnitten, und diese auf Wasser gelegt, so erlangen die
Flechten nur langsam ein frischeres Ansehen, wie dies alsbald
geschieht, wenn sie unmittelbar mit Wasser befeuchtet werden.
Sie scheinen also mit den auf ihrer unteren Fläche befindlichen
wurzelartigen Fortsätzen nur wenig in die Rinde einzudringen,
indess die Schwämme allmählig nicht nur eine Erkrankung der
Rinde, sondern auch des Bastes und Holzkörpers bewirken.
Dagegen dringt die Mistel fViscum alhum) zunächst auf den Holz-
körper ein, und scheint von ihm aus vorzugsweise ernährt zu
werden.
Der Hergang dabei ist schon von Malpighi* in dem Capitel
de Plantis, quae in allüs vegetant, und von Seh acht** nachgewiesen
und durch Abbildungen erläutert worden. Davon unterscheidet
sich der Hergang bei der Anheftung der Epheupfianzen wesent-
lich schon dadurch, dass der Mistel nur auf lebenden Pflanzen
und nie auf Erde oder Steinen vorkommt, indess der Epheu
ebensowohl an Mauern als an todten und lebenden Pflanzen
wuchert. Er bedarf daher der lebenden Pflanze (des Raumes),
auf der er sich befindet, jedenfalls in viel beschränkterem Maase
als Nährpflanze und bedient sich derselben (des Baumes) haupt-
sächlich zur Anheftung, um ebenso wie an Mauern in die Höhe
zu steigen. Zu weiterer Erläuterung davon mögen die folgenden
Beobachtungen dienen, welche ich an zweien an einer östlichge-
legenen Mauer eines Gartens in Tübingen als Spaliere gezogenen
Apfelbäumen anzustellen Gelegenheit hatte. Der Stamm des einen
wohl schon 40 bis 50 Jahre alten Baumes hatte zunächst der
Wurzel einen Durchmesser von beiläufig 13'' und theilte sich
auf der einen (linken) Seite in 3, auf der andern (rechten) Seite
* Opera omnia Lugduni Baiavorum 1687. jpag. 140.
** Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Gewächse, Berlin
1854. p. 170^
65
in 2 Hauptäste. Der unterste nahe am Boden (links) abgehende
Ast hatte an seinem dicksten Theile einen Durchmesser von bei-
läufig 9", der zweite nächst obere von 8", der dritte etwas
höhere von 6'". Die östliclie Seite des Stamms war bis zu dem
dritten Seitenaste mit jungem Epheu überzogen, ebenso der hin-
tere Theil der Seitenäste. Auf der rechten Seite fing der Epheu
gleichfalls an auf dem hinteren Theil des beiläufig 1" im Durch-
messer haltenden Seitenastes sich auszubreiten. Der unterhalb
desselben abgehende Ast von nur beiläufig 5" Durchmesser war
ohne Zweifel schon seit mehreren Jahren abgestorben, und von
seiner Rinde völlig entblöst, und der nackte ganz glatte Holz-
körper ohne alle Spur eines früher vorhandengewesenen Ueber-
zugs von Epheu, welcher, zu Folge der Stellung dieses Astes
zunächst am Boden, zuerst auf diesen Ast von dem Boden
upd dem Hauptstamme aus sich ausgebreitet haben würde, wenn
nicht die glatte und feste Beschaffenheit des Holzkörpers der
Anheftung des Epheus ein entschiedenes Hinderniss entgegen-
gesetzt hätte. * Es ist diess auch wohl aus der Beschaffenheit
der Oberfläche der Epheuzweigchen erklärlich. Diese sind nem-
lich auf der oberen Fläche ziemlich glatt, auf der unteren Fläche
dagegen etwas filzig; und ausserdem befindet sich in der Mitte
der unteren Fläche ein gleichsam aufgerissener brauner Strich,
der sich meist von einer Blattstelle zur andern der alterniren-
den Blätter ausdehnt. Aus dieser an dem oberen Theile des
Zweigs anfänglich blos rauhen in die Länge ausgedehnten Stelle
erheben sich bei weiterem Wachsthume zuerst kleine Fort-
sätze, welche mit weiterer Entwicklung des Zweiges sich zu
einfachen dünnen Zapfen von brauner 'Farbe erheben, die
in ihrer Verbindung einen Kamm mit enggestellten Zähnen dar-
stellen. Mit dem weiteren Wachsthum des Zweigs und dem län-
* An einem in geringer Entfernung stehenden zweiten Apfelspalier,
ging nur ein Ast auf jeder Seite von dem Stamme ab, auf welchem sich
vom Boden aus Epheupflanzen gleichförmig bis an die Theilung des
Stamms in die beiden Aeste und zum Theil auf diese selbst ausge-
breitet hatten.
Württemb, naturw. Jalircsheftc. 18G2. Is Hüft. 5
— eß —
geren und engeren Anschlüsse der untern Fläche desselben an
eine Wand oder einen Baum — Stamm oder Zweig — nehmen
diese zapfenförmige Fortsätze an Länge zu und theilen sich so-
fort wurzeiförmig in mehrere Aeste, so wie sie z. B. auf der
Oberfläche einer Mauer in den Ueberzug derselben etwas ein-
dringen können, und sie entwickeln an mit etwas Erde bedeckten
Stellen einer Mauer oder eines Baums allmählig eine Reihe in
mehrere Aeste getheilter Wurzeln. Derselbe Vorgang findet so-
dann bei Seitenzweigen statt, w^elche sich aus den Knospen der
Blattwinkel entwickeln, wenn dieselben auf einer Fläche hinläng-
lichen Raum finden sich auszubreiten. Ist dies nicht der Fall
und entwickeln sich also die jüngeren Zweige übereinander mit
zunehmendem Alter des Stamms oder Hauptastes der Epheu-
pflanze, so verflechten sich ihre Wurzeln untereinander und es
erscheinen Wurzelfortsätze nach allen Seiten. Einige ältere
Aeste fand ich auch mit dünnen 1 — 2" langen einfachen Wurzel-
fortsätzen ringsum besetzt, ohnerachtet sie mit keiner Wand
unmittelbar in Berührung waren. Am auffallendsten war dies
an einem etwa 5'" dicken Epheuast, welcher von einem Zwet-
schenbaume zu der Mauer eine Art Brücke bildete, gerade an
diesem von unmittelbarer Anheftung freien Raum. Man könnte
somit vermuthen, dass diese Wurzelfortsätze auch die Funktion
von Luftwurzeln unter gewissen Umständen haben, wofür jedoch
kein bestimmter Nachweiss gegeben werden kann. Inzwischen
verändert sich die Function der Wurzelfortsätze des Epheus im
Verlaufe ihrer Entwicklung. Sie dienen wenigstens Anfangs vor-
zugsweise zur Anheftung des von dem Boden aus genährten und
sich erhebenden Stamms. Indem sie jedoch unter günstigen Um-
ständen sich zu verästeten Wurzeln entwickeln, dienen sie un-
mittelbar auch zu Ernährung der Epheuzweige und sie fördern
daher auch das Wachsthum der Epheupflanze in ihren höheren
Theilen unabhängig von dem noch wahrscheinlich in der Regel
fortdauernden Zusammenhang der Epheustämme mit der in der
Erde befindlichen Wurzel und der fortdauernden Ernährung von
der Wurzel aus. Indem sich aber die Epheuzweige vielfach
unter sich verflechten, bildet sich selbst wieder ein Boden für
— 67 —
die Entwicklung der jüngeren Aeste und daher die Bildung eines
dichten Filzes um die Gegenstünde wie Bäume, welche sich nicht
zur Ausbreitung des Epheus in der Fläche z. B. an einer Mauer
eignen, sondern ihn gleichsam zu einem fortdauernden Wachs-
thum um einen cylindrischen Körper (Stamm oder Zweig) nö-
thigen. Darauf beruht ohne Zweifel zunächst die nachtheihge
Wirkung des Epheus auf die Bäume, welche ihm zur Anheftuiig
dienen, indem er vorzugsweise durch den engen Anschluss an
ihre Rinde die Function derselben mehr oder weniger stört, auch
ohne in sie einzudringen und ihr Gewebe zu verändern. Wäre
dies der Fall, so würde der Epheu als eine zu einer vollkom-
menen Pflanze potenzirte Flechte erscheinen. *
* Dem äussern Ansehen nach verhält sich Ficus repens dem Epheu
ähnlich in dem gleichförmigen Ueberziehen von Wänden. Die Oberfläche
von Ficus re_pens ist jedoch beinahe glatt, aber an einzelnen Blattwinkeln
entwickeln sich dünne Wurzeln, die sich zum Theil einfach oder nur mit
einzelnen Abzweigungen 8 bis 10" und darüber fortsetzen, und somit mehr zur
Ernährung als zur unmittelbaren Anheftung der Pflanze zu dienen scheinen,
welche theils durch kleine Häufchen warzenförmiger Erhöhungen, wie bei
dem gemeinen Epheu, und die daraus sich entwickelnde kleine ästige
Wurzeln vermittelt wird, indem zugleich die ziemlich feste Adhäsion der
einzelnen Aeste der Pflanze an die, wenn auch ziemlich ebene, doch meist
feuchte und damit mehr oder weniger w^eiche Oberfläche der Wände des
Gewächshauses erleichtert wird, welche daher oft mit einer dichten Aus-
breitung des Ficus repens bedeckt sind. Bei Ficus harbata ist die ganze
Oberfläche dicht mit feinen Haaren bedeckt. An den Blattwinkeln findet
man den bei dem Epheu beobachteten ähnliche Wurzelanfänge, welche sich
bei Berührung mit einer weicheren Unterlage mehr entwickeln und ver-
ästeln, ohne gerade eine Adhäsion der ganzen Pflanze an die Oberfläche der
Wand in dem von mir beobachteten Falle zu bewirken. Diese ist auch
durch das grössere Volumen der Blätter und die festere Beschaffenheit des
Stamms und der Zweige dieser Species eher erschwert , während die
Dünnheit und Biegsamkeit der Aeste des Ficus repem dieses Verhältniss
begünstigt.
Einen Gegensatz zu den eben angeführten Ficusarten bildet der gemeine
Feigenbaum und der häufig im Zimmer gehaltene Ficus elastica, die beide
frei (d. h. ohne natürliche Anheftung) in die Höhe wachsen oder ihre Aeste
ausbreiten. Das Ansehen beider gleicht mehr einem Strauche als einem
Baume und vielleicht würde Ficus elastica unter günstigen Umständen
— 68 —
Die Bignonia radicans ^ entspricht in ihrer Entwicklung nur
den zwei ersten Stadien der Entwickkmg des Epheus. An ihren
Blattwinkeln finden sich zwei bis drei Häufchen w^urzelartiger
Fortsätze, welche in der Regel blos zur Anheftung der Pflanze
an Mauern oder Holzwänden dienen. Sie vermögen sich auch an
ganz glatte Oberflächen von Holz festzusetzen, ohne je sich wur-
zelartig zu verästeln. Dies geschieht aber, wenn die angeführte
Fortsätze zufällig auf die Fuge einer Mauer treffen, zwischen
der sie sich dann wurzelartig verästelnd ausbreiten. Sie dienen
also jetzt wesentlich mit zur Ernährung der Pflanze, für deren
Anheftung sie als abortive Wurzeln allein bestimmt waren.
Diese letztere Function spricht sich am reinsten in den Scheiben
an der Spitze der Ranken der Hedera (Vitis) quinquefolia in Ver-
bindung mit der Rankenbildung aus, wie sie auchMalpighi in
der Abhandlung de Cajyreolis et similihus Vinculls 1. c. p. 140
Fig. 104 darstellt. Es ist auffallend, dass aus den tellerförmigen
Ausbreitungen, mittelst der sich diese Pflanze an verschiedene
Körper sehr fest anklebt, doch so viel mir bekannt, nie sich Wur-
zeln entwickeln. Diese gegenseitige Verhältnisse von Pflanzen, auf
welche schon Malpighi hingewiesen hat, verdienten allerdings
eine ausführliche Untersuchung nach allgemeinen Gesichtspunkten,
für welche v. Mohl** insbesondere die Grundlage geliefert hat
und von welchen ich hier nur einige berühre. Die niedersten Stufen
des Parasitismus bezeichnen gewissermasen die Plantae sirnpliciter
scandentes volubües cirrhosae, sofern sie sich blos einer andern
Pflanze oder eines andern Gegenstandes bedienen, um einer Eigen-
thümlichkeit ihrer Vegetationsweise in Absicht auf Stand oder
Luftwurzeln treiben oder es würden wenigstens beide Arten von ihren Aesten
aus Wurzeln treiben, wenn sie in Berührung mit einer für diese Entwick-
lung günstige Unterlage kommen.
* Ich bedaure bis jetzt in den Abhandlungen Ohservations on Big-
noniacecB von John Mi er s in den Annais and Mag az, 1861 keine nähere
Angaben über die Wurzeln dieser Pflanzen gefunden zu haben.
"*'* In seiner gekrönten Preisschrift über das Winden und den Bau
der Ranken und Schlingpflanzen. Tüb. 1827.
— 69 —
Stellung zu genügen, und dalier auch mehrere Aeste derselben
Pflanze sich um sicli selbst wenden, um dadurch den erforderlichen
Halt namentlich für das Wachsthum in die Höhe zu gewinnen. Es
liegt darin häufig zugleich die erste Bedingung des Absterbens
durch blosse Umschlingung oder Umhüllung einer Pflanze durch
eine andere Pflanze, z. B. die gemeinen Winden (Convolvulus) auf
blos mechanische \Yeise. In andern Fällen bedingt dieses (mechani-
sche) Verhältniss die Störung der Function eines Organs ohne Alte-
ration seiner Structur, wie wahrscheinlich bei dem Epheu, oder mit
Veränderung des Gewebes eines oder mehrerer Organe, (Flechten,
Schwämme, Mistel), oder die eine Pflanze dient dem Parasiten
als Nährpflanze z. B. Cuscuta, ohne wesentliche Störung der
Vegetation der Nährpflanze, die letztere ist sogar nothwendige
Bedingung für die Entwicklung des Parasiten, wie der faulenden
Wurzeln für manche Monotropaarten. Den von aussen eindringen-
den Parasiten stehen gewissermasen die durch Krankheit der Nähr-
pflanze wie z. B. die Exantheme entstandene Parasiten entgegen,
die erst in der Folge die Entstehung von Parasiten veranlassen. Es
führt dies auf die Abtheilung der Parasiten in primitive und secun-
däre. Manche vegetabilische Parasiten (z. B. Scliwämme) geben
auch Veranlassung zu Entstehung thierischer Organismen, welche
mehr oder weniger zugleich als Parasiten auf der Nährpflanze
leben mit mehr oder weniger specifischem Gepräge. Sie machen
den Uebergang zu den auf verschiedenen Stufen der Organisation
stehenden parasitischen Thiereu und die Malpighische Betrachtung
der auf andern Pflanzen lebenden Gewächse würde sich zu einer
Flora und Fauna auf lebenden Pflanzen erweitern, welche ebenso-
wohl die Epiphyten als Eutophyten und die Epizoen und Eutozoen
umfassen würde. Eine solche Flora und Fauna auf lebenden Pflanzen
würde der Flora und Faunq, auf lebenden Thieren zur Seite stehen
und ebensowohl die verschiedene Arten der Parasiten, als die
Arten der betreffenden Arten und Familien von Pflanzen zu be-
zeichnen haben, sowie die Bedingungen der Entstehung und die
Entwicklungsgeschichte der verschiedenen Parasiten, ihre geogra-
phische Verbreitung , w^obei wir auf die schon früher angeführte
70
Schrift von J. Leidy und andere dahinzielende specielle Unter-
suchungen hinweisen.
Um 1 Uhr gingen die Verhandlungen zu Ende.
Nach einem fröhUchen Male besuchten viele Mitglieder die
vaterländische Naturalien-Sammlung, welche in dem Gebäude
hinter der K. Thierarzneischule untergebracht ist. So erfreut
die Mitglieder über die Ausdehnung und fortwährende Zunahme
dieser Sammlung waren, ebensosehr mussten sie bedauern, dass
eine für die Naturgeschichte Württembergs so wichtige Samm-
lung, welche eine grosse Anzahl kostbarer und seltener Natura-
lien enthält , in einem theils feuchten , theils unzureichenden Lo-
kal aufbewahrt ist und, obgleich viermal wöchentlich geöffnet,
wegen der zu grossen Entfernung von der Stadt nur wenig be-
sucht wird.
II. Aufsätze und Abhandlungen.
1. Die württemberg-ischen Oscillarien.
Von Finanzrath Dr. G. Zeller.
Unter den Süsswasseralgen zeichnet sich die Gattung Oscil-
laria sowohl durch weite Verbreitung, als auch durch schnelles
Wachsthum besonders aus. In stehenden und fliessenden Ge-
wässern treffen wir Oscillarien; überall, wo auch nur von Re-
genwasser sich kleine Pfützen bilden, bedecken sie in erstaunlich
kurzer Zeit die Grundfläche mit ihren Geweben von einzeln oft
dem blossen Auge gar nicht sichtbaren Fäden, um bei dem Ein-
trocknen des Wassers wieder zu verschwinden und höchstens
eine schwärzliche, bläuliche oder grüne Färbung des Bodens
als Spur ihres Daseyns zurück zu lassen. Ihr leichtes P'ortkom-
men und schnelles Wachsthum, bei einzelnen Arten bis zu Vo
Zoll in einer Stunde, gibt ihnen die merkwürdige Eigenschaft,
wenn sie unter Wasser auf Papier gelegt werden , während des
Eintrocknens ringsumher strahlenförmig sich zu verbreiten und
auf dem Papier anwachsend schönere Präparate darzustellen, als
man bei so zarten Fadenalgen durch Aufschwemmen erhalten
könnte. Diese schöne, bei einzelnen Arten auch durch Farbe
und Reichthum an Phykokyan ausgezeichnete Algengattung ver-
dient daher die Aufmerksamkeit unserer Botaniker schon an
sich; noch mehr aber, weil ohne Zweifel in den verschiedenen
Theilen unseres Landes sich noch manche bis jetzt in Württem-
herg noch nicht aufgefundene Art derselben befindet und sich
— 72 —
hier noch ein grosses Feld für neue Entdeckungen darbietet.
Denn während von etwa 60 bekannten Arten der Gattung Os-
cillaria ungefähr zwei Drittheile in Deutschland und der Schweiz
gefunden worden sind und die Vermuthung nahe liegt, dass ein
grosser Theil von diesen auch bei uns vorkomme, kennen wir
bis jetzt aus Württemberg nur von Avenigen Fundorten die nach-
stehenden sieben Arten, denen sich eine weitere unten zu Er-
wähnende anreiht.
1) Oscillaria antliaria Jürg. Kütz. Spec. Alg. N. 30. Wohl
die Verbreiteste von Allen, kommt mit ihren Varietäten, O.phy-
sodes und phormidloides häufig an Stellen vor, welche von Zeit
zu Zeit vom Regen feucht sind und dann wieder austrocknen,
z. B. in Strassenkaiidehi , unter Dachtrauf, zwischen Strassen-
pflaster. Die Farbe ist bald mehr stahlblau, bald mehr span-
grün, zuweilen fast grasgrün, zumal, wenn, wde in den Pfützen
um Stuttgart häufig, zahllose Schaaren von Euglena viridis die
Alge bewohnen und mit ihrem Grün bedecken.
2) 0. tenuis Ag, Kütz. sp. Alg. N. 31. Kommt in verschiede-
nen Formen und Standorten vor. Von den bei Kützing aufge-
führten Varietäten besitzen wir aus Württemberg Folgende.
a. Viridis. Vauch. Häufig in den Abflüssen des Canstatter
Mineralwassers und in den Gräben zwischen Stuttgart und Canstatt.
b. Sordida Kütz. Scheint vorzugsweise Brunnentröge zu lieben.
In Rabenhorsts Decaden befinden sich unter N. 136 Exemplare
aus einem Brunnen in Neudamm; ich fand sie in dem Brunnen
eines Gartens in Esslingen.
c. Limicola Kütz. W^ächst zwischen Ravensburg und Nieder-
biegen in Wassergräben; wahrscheinlich auch anderwärts.
Ausserdem fand ich die Varietät
d. formosa Bory, im September 1859 bei Rippoldsau, sie
kommt ohne Zweifel auch in Württemberg vor.
3) 0. limosa Ag. Kütz. sp. Alg, N. 36. Wurde vor längerer
Zeit von Herrn v. Martens bei Hall in dem von den Gradir-
häusern abfiiesenden Wasser gefunden; neuerdings fand Herr
Pfarrer Kemmler in Wiesengräben bei Untersontheim die Va-
rietät
— 73 —
• e. Chahjhea. Zwar nicht in Württemberg, aber docli in der
Nähe, in Donaueschiugen, fand ich im September 1859 eine
durch hell gelblich-braune Farbe vor allen anderen Oscillarien
sich auszeichnende Form dieser Species, welche ich vorläufig zu
der Varietät
f. hlcolor, rechne, wiewohl das Aussehen des Gewebes bräun-
lich , nicht spangrün ist, wie Kützing bei dieser Varietät
angibt.
4) 0. nigra Vauch. Kütz. sp. Alg. N. 41. Wurde von Herrn
V. Martens bei Stuttgart und von mir in der Blau bei Ulm
gefunden.
5) 0. dubia Kütz. sp. Alg. N. 48. Von Herrn Apotheker
Valet aus dem Schweigfurter Weiher bei Schussenried, w^o sie
als dicke , dunkelgrüne , handgrosse Haut auf dem Wasser
schwimmt, mitgetheilt.
6) 0. Froelichii. Kütz. Sp. Alg. X. 50. Scheint ziemlich ver-
breitet zu sein. Sie wurde von Herrn Pfarrer- Kemml er bei
Untersontheim gefunden; eine durch ihre grüne Farbe auffallende^
in dem Schlossgarten zu Stuttgart vorkommende Varietät habe
ich unter der Benennung „var. viridis^^ in Rabenhorsts Decaden
N. 855 mitgetheilt.
7) (X fenestralis Kütz. Sp. Alg. N. 19. Von Herrn Pfarrer
Kemmler an Fenstern seines Pfarrhauses gefunden, wird v/ohl
auch an andern trüben, feuchten Fenstern vorkommen.
8) Oscillaria pallida ZeUer, nova species. 0. strato pallide-
virescente, bidloso; trichomatibus Vgoo'" c^cissis, co'dtimiis, rectis,
punctis opacis impletis^ demum obsolete articulatis, articulis diametro
paimm brevioribus, subiiliter punctatis, capitidis tumidulis, )-otundatis,
puncto hyalino jiotatis.
Ich fand diese Alge zuerst im September 1S59 in Weinberg-
gräben am Fusse der Achalm und hielt sie für 0. physodes; als
ich sie jedoch im Juli dieses Jahrs v;ieder in einer Pfütze am
Rechberg fand und genauer untersuchte, erkannte ich, dass sie
mit 0. physodes, Avelche um Vs dickere Fäden und deuthche
Gelenke hat, nicht zusammen geworfen werden kann und ebenso
wenig mit einer anderen bekannten Art übereinstimmt, wesshalb
— 74 —
ich es für nöthig halte, sie als eine besondere Species zu be-
zeichnen. Die Fäden erscheinen theils zart gegliedert, theils
ungegliedert, mit dunklen Punkten und Luftbläschen, welch'
Letztere zuweilen den ganzen Umfang der Röhre einnehmen und
eine den Inhalt des Fadens unterbrechende durchsichtige Scheibe
bilden, dicht gefüllt. Es scheint, dass die schwach sichtbaren
Glieder sich erst im vorgerückteren Zustand der Pflanze bilden
und die dunklen Punkte (Sporen?) an die Zwischenhäutchen sich
anlegen. Wenigstens sehen die ungegliederten Fäden nicht so
aus, wie w^enn sie nach Kützings Vermuthung (pliycol. gener.
S. 181) durch Auflösung der Scheidewände aus gegliederten
entstanden wären; vielmehr scheinen die Letzteren bei dieser
Alge die älteren zu sein. Die Fäden sind gerade, oder sehr we-
nig gekrümmt, die Enden meistens ein wenig gedunsen. Die
Glieder sind meistens etwas kürzer als der Durchmesser; seltener
zwei bis dreimal kürzer. Es zeigen sich also dreierlei Formen
beisammen:
a. ungegliederte,
b. regelmässig gegliederte,
c. unregelmässig gegliederte Fäden, wie sie die nachstehen-
den Figuren in GOOfacher Vergrösserung darstellen.
■I^J^ilSEliloiMIB
Diess ist Alles, was das Herbarium unseres Vereins an Os-
cillarien besitzt. Möge der kleine Anfang bald durch Beiträge
aus verschiedenen Landestheilen, welche so leicht zu sammeln
sind, erweitert werden!
Nachtrag.
Oscillaria Kützingiana Naeg. Kütz. sp. Alg. N. 10. Diese
äusserst zarte Alge (Fäden V1200'" ^ick) fand ich am 7. September
— 75 —
1861 auf einem von Mineralwasser überrieselten Stein eines Bas-
sin im neuen Mineralbad zu Berg.
üeber die Keimkraft der Oscillarien angestellte Yersuclie
ergaben, dass eine am 16. August d. J. in Urach von Dr. Finckli
eingelegte und völlig eingetrocknete Oscillaria imcmata, welche
am 4. September, also nach 19 Tagen, in Wasser aufgeweicht
wurde, zwar innerhalb der ersten zwölf Stunden noch kein
Wachsthum zeigte, dann aber bis zum 7. September den ganzen
Boden der Schüssel, soweit das Wasser reichte, auf etwa zwei
Zoll im Umkreis, mit einem dünnen Gewebe von ausgewachsenen
Fäden bedeckte. Kleine auf Glimmer und Papier mit destillirtem
Wasser angesetzte Stückchen wuchsen binnen zwölf Stunden auf
1 — 2'" Länge büschelförmig auf; dann schien ihr Wachsthum
erschöpft zu sein. — Eine im Juli 1860 getrocknete Oscillaria
nigra wuchs nach 14 Monaten, im September 1861 aufgeweicht,
binnen einiger Tage noch bis zu 1'" Fadenlänge aus.
2* Die Laubmoose Württembergs»
Von Georg v. Martens.
Nachdem ich schon vor einigen Jahren eine Uebersicht der blü-
thenlosen Gefässpflanzen Württembergs (Jahreshefte 1848, Seite 94
bis 106), dann der württembergischen Charen (Jahreshefte 1850,
Seite 156 bis 164) geliefert habe, wurde ich von mehreren Seiten
aufgefordert, mich einer ähnlichen Zusammenstellung der bis jetzt
im Königreich Württemberg beobachteten Laubmoose zu unterzie-
hen, wozu die vor Kurzem hier erschienene vortreffliche Synopsis
des berühmten Brj'ologen Wilhelm Philipp Schimper (Synopsis
muscorum europaeoriim , Stiätgartiae 1860 8.) mich noch mehr er-
muthigt hätte, wäre ich nicht durch dieselbe belehrt worden, dass
unsere Moos-Florula unter manchen andern eine sehr untergeord-
nete Rolle spielt. Schreckt diese Erfahrung indessen einerseits
ab , so ermuntert sie doch andererseits durch die Aussicht auf zahl-
reiche neue Entdeckungen und ist vielleicht ein Sporn für einen
unserer wackern Pflanzenforscher, sich vorzugsweise dieser Pflan-
zenklasse zuzuwenden, welche an Leichtigkeit der Einsammlung
und Aufbewahrung alle andern übertrifft , während ihr Nachtheil,
nur mit Hülfe des Mikroskops gehörig erkannt werden zu können,
durch die Fortschritte der Optik und die in allen Zweigen der Na-
turforschung so beliebt gewordene Anwendung des Mikroskops
gegen Linnes Zeiten bedeutend vermindert erscheint.
Indem ich nun diesem Verzeichnisse die erwähnte neueste und
beste Schrift über die Laubmoose zum Grunde gelegt habe und
solche, wie auch Schimp er s grosses Prachtwerk % jedem empfehle,
* Ph. Bruch , \Y. Th. Schimper et Th. Gümbel Bryologia euro-
paea , seu genera Muscorum europaeorum monographice illustrata.
Ed. W. Th. Schimper. VI Vol. 1836—1855. 4.
— 77 —
welcher sich speciell denselben widmen will, glaube ich zugleich
denjenigen Freunden unserer Flora, welche sich auch mit den an-
dern Kryptogamen-Klassen beschäftigen wollen , ohne in der Lage
zu sein , die grossen Summen darauf zu verwenden , welche die An-
schaffung der besondern Werke über jede einzelne Klasse erfordert,
auf Dr. Ludwig Rabenhorsts Kryptogamen-Flora Deutschlands,
Leipzig 1S44 bis 1S53, V Thcile 8., als die neueste und beste die
ganze Kryptogamie umfassende Schrift empfehlen zu müssen, welche
auch die für Herbarien-Cataloge sehr bequeme Einrichtung fort-
laufender Zahlen hat; ich habe daher jeder Art ihre Zahl in der
Rabenhorstschen Flora beigefügt , endlich alle in unserer Vereins-
sammlung schon vorhandene Arten mit einem * bezeichnet, und
bitte nun die vaterländischen Sammler und insbesondere die ver-
ehrten Mitglieder unseres Vereins um gefällige Mittheilung der
sternlosen Arten.
Classis I. Musci.
Ordo I. Musci cleistocarpi.
Tiibus I. Phascaceae.
Familia 1. Ephemereae.
Ephemerum serratum Hampe. Nackter Sand- und Lehm-
boden. Januar bis März. I. Stuttgart, Mohl. Tübingen, Schübler.
IL Alpirspach, Köstlin. 6132.
"" Physcomitrella patens Schirnper, Feuchter Schlamm- und
Thonboden, abgelassene Weiher. Herbst. L Stuttgart, Mohl. Ess-
lingen, Hochstetter. Ellwangen, Rathgeb. 6136.
g. megapolitana Seh. I. Ellwangen, Rathgeb. 6136b.
Familia 2. Phasceae.
* Sphaerangium muticum Seh. Feuchter Lehm- und Sand-
boden, nicht häufig. März, April. I, Schorndorf, Haist. Ellwangen,
Fröüch. 6122.
* Phaseum euspidatiim Schreber. Häufig auf Lelmi- und
Sandboden. März, April. I. Stuttgart, Closs. Tübingen, Schübler,
— 78 —
Backnang, W. Hartmann. Ellwangen, Frölich. IV. Riedlingen,
Balluf. Saulgau, Wolfegg, Wangen, Jung. 6127.
d. piliferum ScJireb. I. Stuttgart^ im Schlossgarten,
Mohl. Ellwangen auf Aecker, Frölich. Mergentheim, Bauer.
IV. Saulgau am Hettenbühl, Jung. 6127 c.
Ph. bryoides Diclcson. Auf feuchtem Lehm- und Sandboden.
März. I. Hall, Ratligeb. 6131.
* Ph. curvicollTim Hedwig. Auf grobem Sand und Schutt-
boden. März, April. I. Oberberken, Oberamts Schorndorf, Haist.
6129.
Tribus II. Brucliiaceae.
Familia 4. Pleuridieae.
Pleuridium nitidum Seh. Auf feuchtem Thonboden. Herbst.
I. Ellwangen, Mohl. IV. In einem ausgetrockneten Weiher bei
Hattenburg, Oberamts Biberach, Ducke. 6118.
* PI. subulatum Seh. Häufig auf feuchtem Sandboden. Früh-
ling. I. Waid bei Häslach und Degerloch, Closs. Wälder bei
Gaildorf, Kemmler. Ausgetrocknete Weiher bei Ellwangen , Mohl,
II. Alpirspach, Köstlin. 6116.
* PI. alterrüfolium Seh. Auf feuchtem Thonboden, Juni.
I. Winzenweiler, Oberamts Gaildorf, Kemmler. IV. Hochberger
Wald bei Saulgau , Jung. 6117.
Ordo II. Musci stegocarpi:
Sectio 1, AcTocfii^pi.
Tribus I. Weisiaceae.
Familia 7. Weisieae.
Systegium crispum Seh. Auf lehmigem Sandboden. Früh-
ling. I. Ellwangen gegen die Eichkapelle, Frölich. II. Aecker
bei Alpirspach, Köstlin. 6125.
* Gymnostomum mierostomum Hedw. Feuchter Sand- und
Lehmboden, an Waldraiuen. Frühling. I. Stuttgart, Sontheimer.
79
Gebüsch bei Untersontlieim, Kemmler. IV. Roth, Oberamts Leiit-
kirch, Ducke. 6227.
* G. calcareum Hornschndi. An Mauern und Kalkfelsen.
August, September. I. Sandsteinbruch bei Obersontheim, Kemmler.
III. Urach am Wasserfall, Schimper. lY- Wolfegg bei der Herren-
mühle, Ducke. G224.
* G. curvirostrura Hedw. Am nassen Felsen. August, Sep-
tember. I. Mergentheim, selten, Bauer. III. Urach am Wasser-
fall, Schimper. 622G.
* Weisia viridula Bridel. Häufig an der Erde , an Rainen,
Waldrändern. April, Mai. I. Stuttgart, Martens. Tübingen,
Schübler. Schorndorf , Piaist. Untersontheim , Kemmler. Ell-
wangen , Frölich. II. Auf Sandsteinfelsen im Nagoldthal , Valet.
IX. Ueberall, Jung. 6232.
W. cirrhata Hedw. Auf Sandstein. Frühling. I. Bopser
bei Stuttgart, Closs. Jagstzell, Frölich. IV. Roth, Ducke. 6235.
Familia S. Dicraneae.
* Cynodontium Bruntoni 8ch. Auf Granitfelsen. Sommer,
selten. II. Schramberg, Köstlin. Im Murgthal, A. Braun. 6238,
C. virens ><c}i. Sommer. II. Auf Granitfe^^en im Unterthal
bei Reinerzau, Köstlin. 6257.
'^ Dichodontium pellueidum &cli. An feuchten Steinen,
Bächen, Wasserfällen. Herbst bis Frühling. I. Stuttgart, Sont-
heimer. Vaihingen, Bilhuber. Am Eichenbach bei Schorndorf,
Haist. Gerabronn, Kemmler. Ellwangen, Rathgeb. II. Im Glas-
waldbach bei Alpirspach, Köstlin. III. An den Quellen des Kochers
bei Unterkochen, Ratligeb. 6258.
* Dicranella Sehreberi Seh. Auf feuchtem lehmigem Boden,
selten. Herbst. I. Weiler, Oberamts Schorndorf, Haist. 6260.
D. squarrosa Seh. Auf felsigem Boden an Bächen. Nur sel-
ten im Herbst mit Früchten. II. Im Glaswald bei Alpirspach,
Martens. 6259.
* D. cervieulata Scli. Auf Torfboden , oft die senkrechten
Wände der Gräben überziehend. Sommer. IV. Im Ried bei
Schussenried, Valet. 6265.
— 80 —
* D. varia Seh. Häufig auf feuchter Erde , Torf, an über-
schwemmt gewesenen Stellen. Herbst. I. Stuttgart, Closs. Tü-
bingen, Schübler. Schorndorf, Haist. Ellwangen, Mohl. 11. Im
(rlaswald bei Alpirspach, Köstlin. IV. Riedlingen, Balluf. Roth,
Ducke. Wolf egg, Wangen, Jung. 6263.
* D. rufescens Seh. Auf lehmigem Sandboden. Herbst.
il.'"lm Schwarzwald, Valet. 6264.
* D. eurvata Seh. An Hohlwegen , selten, Herbst bis Früh-
ling. I. An einem Bache im Wald bei Hinter-Uhlberg, Oberamts
Crailsheim, Kemmler. III. Am Hohenstaufen, Rathgeb. 6266b.
* D. heteromalla Seh. Auf Waldboden und Felsen häufig.
März, April. I. Stuttgart, Härtens. Lorch, Haist. Unter-Sont-
heim, Kemmler. Auf dem Schönenberg bei Ellwangen, Mohl.
Mergentheim, Fuchs, II. Freudenstadt, Martens. Eiberg beim
Wildbad, Emma Gärtner. lY. Roth, Ducke. Wolfegg, Wangen,
Jung. 6267.
* D. interrupta Seh. 1, Im Wald bei Kammerstatt, Oberamts
Ellwangen, Kemmler. 6274.
* Dicranum montanum Hedwig. An Nadelholzstämmen.
Sommer , selten. I, Stuttgart am südlichen Abhang des Hasenbergs,
Martens. Ellwarigen, Frölich. 6272.
D. longifolium Ehrh. An Felsen. Herbst, I. Im Wald bei
Stuttgart, Mohl. Backnang, Wilhelm Hartmann- 6276.
* D. scoparium 'Zey^^er. Häufig in Wäldern auf der Erde,
am Fusse der Bäume und an Steinen. Juli , August. I. Stuttgart,
Martens. Tübingen, Schübler, Ellwangen, Rathgeb. Mergent-
heim, Bauer. II. Calw, Schüz. Alpirspacli, Köstliu, III. Urach
am Thiergartenberg, Finckh. 6278.
D. Schraderi Sehwaegr. Auf Torfboden, August, September.
II. Wildbad im Torfmoor um den wilden See, Mohl. 6283.
D. spurium Hedw. Auf sandigen trockenen Stellen. Juni,
Juli, selten. II. Kapfwald bei Alpirspach, Köstlin. 6284.
D. undulatum Ehrh. In Sümpfen und feuchten Wäldern.
Juli, August. I. Stuttgart, Sontheimer. Tübingen, Schübler.
Böblingen, Martens. Backnang, W. Hartmann. Galgenberg bei
— 81 —
Ellwangen, Mohl. II. Alpirspacli , Köstlin. IV. Riedlingen, Balluf.
6285.
* Dicranodontium longirostre Br. et Seh. An nassen Felsen,
Torfboden und vermodertem Holze. Herbst. I. Ellwangen am
Galgenberg, Frölich. IV. Wolfegg, Jung. 6287.
* Campylopus flexuosus Brid. An der Erde und Felsen.
Frühling. I. Im Wald bei Winzenweiler . Oberamts Gaildorf,
Kemmler. Am Galgenberg bei Ellwangen, Rathgeb. II. Im Glas-
wald bei Alpirspacli, Martens. IV. Saulgau, Leupolz, Oberamts
Wangen, Jung. G288.
TrilMjs III. Leiicobryaeeae.
Familia 9. Leucobr.yeae.
* Leueobryum glaueum Seh. In feuchten Wäldern. Fe-
bruar, März. 1. Stuttgart, liäufig aber nie mit Früchten, Martens.
Tübingen ebenso, Schübler. Ellwangen im Dürrenwald, Rathgeb.
II. Wildbad, Kerner. Alpirspach und Reinerzau mit Früchten,
Köstlin. C221.
Trlbus IV. Fissidentaceae.
Familia 10. Fissidenteae.
* Fissidens bryoides Ilediv. Auf Thonboden in feuchten
Schluchten. Früliling. I. Stuttgart, Martens. Backnang, W. Hart-
mann. Schorndorf, Haist. Ellwangen, Rathgeb. II. Wildbad,
Kerner. 6635.
* F. ineurvus Sehwaegr. Auf beschattetem Thonboden, sel-
tener. Februar, März. I. Im Wald bei Winzenweiler , Oberamts
Gaildorf und Kottspiel , Oberamts Ellwangen, Kemmler. 6634.
* F. osmundioides Ilediv. Jn Sümpfen und Torfmooren.
Sommer. I. Ellwangen am KlappersclienkeJ, Rathgeb. II. Al-
pirspach, Köstlin. 6636.
=*'■ F. taxifolius HeduK Auf feuchtem Roden, an Mauern.
Herbst. I. Stuttgart in der Sonnenbergklinge, Closs. Tübingen,
Schtibler. Schorndorf, Haist. Im Wnld bei Gcrabronnhof, üm-
WUrttemb, iiatiir«^. .Tahrcsliefte. 18ü2. Is lieft. 6
82
menhofen, Plolenstein, Kemmler. Ellwangen am Klapperschenkel
und auf dem Hornberg, Rathgeb. 6637.
F. adiantoides Hedw. An feuchten Stellen , Sümpfen , Torf-
mooren, auf der Erde, an Felsen, Mauern, Baumwurzeln. Win-
ter. I. Stuttgart in der falschen Klinge und am Weg nach Sillen-
buch, Martens. Esslingen, Hochstetter. Ellwangen, Rathgeb.
IL Glaswald bei Alpirspach, Köstlin. lY. Riedlingen, Balluf.
6638.
* Conomitrium Julianum Mo7it. Bei uns immer nur an der
Innern häufig unter Wasser stehenden Wandseite der steinernen
sowohl als eisernen laufenden Brunnen , die es zuweilen ganz über-
zieht. I. Ich fand es zuerst den 30. November 1827 in Stuttgart,
wo es oft durch Reinigung, Versetzung oder Umbau der Brunnen
vertilgt, immer wieder in andern zum Vorschein kommt, am
15. October 1847 trug- es reichliche, sehr kurz gestielte Früchte,
welche leicht abbrechen und oben im Wasser schwimmen. Später
entdeckten es Noellner 1847 in Vaihingen, Haist 1850 in Schorn-
dorf und Winterbach und den 27. Mai 1858 Zeller mit Früchten
im Seminarbruunen zu Nürtingen , so dass es nur desswegen wenig
bekannt zu sein scheint, weil wenige Botaniker die Brunneufloren
beachten. Es lässt sich leicht in Aquarien erhalten, wo es den
ganzen Sommer hindurch Früchte in Menge trägt, 6633,
Tribus Y. 8eligeriaeeae.
Familia 11. Seligerieae.
Seligeria puailla ^r. et Seh. An beschatteten Steinen. Au-
gust, September. I. Stuttgart, Closs. Backnang und an Kalk-
felsen bei Schönthal, W, Hartmann. Oberndorf in der Dinselklinge,
Rathgeb. IV. Auf Sandstein am Höllbach bei Wolfegg, Ducke,
6246.
S. reeurvata Br. et Seh. An Steinen , Mauern , Felsen. Fe-
bruar, März. I. Im Wald bei Unter-Sontheim, Kemmler. Jagst-
zell, Oberamts Ellwangen, Rathgeb. III. Urach am Wasserfall,
Schimper. IV. Wolfegg, Ducke. 6249.
Campylostelium saxieola Br. et Seh. An feuchten Felsen.
Herbst. IL Sandsteinfelsen bei Reuthin. Köstlin. 6290.
— 83 —
Familia 12. Br achyodonteae.
Braehyodus trichodes Nees. An Sandstein- und Granitfel-
sen. October. II. Reichenbach im obern Murgthal, A. Braun,
Im Glaswald bei Alpirspach, Martens. 6245.
Familia 13. Blindieae.
Blindia acuta Br. et Seh. An nassen Felsen. Sommer. IV.
Im Tobel rechts von der Strasse nach Dürren, Oberamts Leutkirch,
im Wald, Jung. 6250.
Tribus VI. Potti«aceao.
Familia 14. Pottieae.
* Pottia eavifolia Ehrh. Auf den mit einer Lehmschicht be-
deckten Garten- und Weinbergsmauern. Frühling. I. Stuttgart,
Martens. Esslingen, Hochstetter. Schorndorf, Haist. Schönthal,
Kemmler. Mergentheim, Bauer. II. Wildbad, Kerner. Alpir-
spach, Köstlin. 6163.
— — g. incana >ScÄ. I. Esslingen, Hochstetter. 6163 d.
* P. truneata 5r. et Seh. Auf feuchtem Boden, Aecker, an
Wassergrüben, in abgelassenen Weihern, häufig. Frühling. I.
Stuttgart, Martens. Tübingen, Schübler. Ellwangen, Mohl. Mer-
gentheim, Bauer. II. Wildbad, Kerner. Alpirspach, Köstlin,
IV. Riedlingen, Balluf. Roth, Ducke. Wolfegg, Wangen, Jung,
6165.
* b. major Seh. I. Degerloch, Closs. Am Rothenberg,
Hochstetter. Comburg bei Hall, Rathgeb. II. Alpirspach, Köstlin,
6166.
P. Heimii Br. et Seh. Am Ufer der Bäche, Mai, Juni. I.
Ellwangen, Fröhch. 6167.
Anaealypta Starkeana Hornschuch. Auf Mergelboden. Fe-
bruar, März. I. Ellwaiigen, Frölich. 6168.
* A, lanceolata Rohling. Häufig in Weinbergen und auf
Aeckern. Frühling. I. Stuttgart, Martens. Tübingen, Schübler.
Backnang, W. Ilartmann. Schorndorf, Haist. Ellwangen, Frö-
lich. IV. Roth, Ducke. 6170.
— 84 —
* Didymodon rubellus Br. et Seh. An Felsen, Mauern und
auf steinigem Boden. Herbst. I. Stuttgart, Sontheimer. Schorn-
dorf, Haist. Waldscliluclit bei Kottspiel, Kemmler. III. Urach
am Obern Weg zum Wasserfall, Schimper. 6213.
* D. luridus Hornsch. Auf feuchtem Boden und verwittertem
Sandstein. I. Schorndorf an einer Mauer und am Tannenwald,
Haist. n. Teinach, Schüz. 6178.
* Encladium vertieillatum Br. et Seh. Auf Kalktuff trie-
fender Felsen. Sommer. I. Dürzbach, Frölicli. III. Uracher Was-
serfall, Hochstetter. IV. In einer Höll bei Wolfegg, Ducke. Wan-
gen, Jung. 6242.
Familia 15 Distichieae.
* Distiehium capillaceum Br. et Seh. An Felsen und Mau-
ern. Sommer. III. Bisher nur an Kalkfelsen bei Heidenheim von
Haist gefunden. 6219.
Familia 16. C erato donteae.
* Ceratodon purpureus Brkl Das häufigste unserer Laub-
moose , in ausgehauenen Wäldern oft grosse Strecken purpurroth
überziehend. April, Mai. I. Stuttgart, Closs. Böblingen , Mar-
tens. Winzenweiler, im Wald bei Kammerstatt, Oberamts Ell-
-wangen, auf einer alten Kohlplatte , Kemmler. Mergentheim an
Kalksteinen, Fuchs. II. Wiidbad, Kerner. III. An alten Wänden
der Schopflocher Torfgrube, Martens. Am Michelsberg bei Ulm,
Martens. Urach am obern Weg zu dem Wasserfall, Finckh.
lY. Ueberall, Jung. 6251.
Familia 17. Trichostomeae.
* Leptotrichum tortile Hampe. An Hohlwegen und Gräben.
Winter. I. Ellwangen im schattigen Thaie bei der Glasschleif-
mühle, Frolich. 6214.
* L. homomallum Seh. An Hohlwegen und Abstürzen«
Herbst. I. Schorndorf, Haist. Im Wald bei Engelhofen, Ober-
amts Gaildorf, Kemmler. II. Am Wege von Freudenstadt nach
Rippoldsau, Martens. Alpirspach am Abhänge eines eingestürzten
Grubenschachts, Köstlin. 6216.
— 85 —
L. pallidum Ha7npe. Auf nacktem Waldboden , Mai, Juni.
I. Stuttgart selten, Sontbeimer, 6217.
* L. glauceseens Hamjye. An Mauern und Felsen. Sommer.
I. Ellwangen, Frölich. 6218.
Trichostomum rigidulum Smith. An schattigen Felsen und
Mauern. Frühling. I. Schorndorf, Haist. Ellwangen bei den
Lautenhüfeu, Rathgeb. Mergentheim, Fuchs, lll. Urach an Tuff-
steinen im unteren Thiergarten, Schimper.^ 6211.
* Tr. tophaceum Brid. An nassen Tufffelsen. Winter.
I. Tübingen, Molil. Comburg bei Hall, Frölich. 6210.
* Tr. crispulum Bruch. Auf der Erde und an Felsen. Juni,
Juli. I. Mergentheim in der Spalte einer Yv^ellenkalkwand des
Altenbergs am "Wege nach Holzbronn , Fuchs.
* Barbula aloides Br. et Seh. An Weinbergsmauern und auf
Lehmboden. Frühling. I. Esslingen, Hochstetter. Schorndorf,
Haist. 6183.
* B. unguieulata Hedw. Hcäufig in W^einbergen und an alten
Mauern. Frühling. I. Stuttgart, Martens. Esslingen, Hoch-
stetter. Tübingen, Schübler. Schorndorf, Haist. Ellwangen,
Frölich. Mergentheim , Fuchs. Nagold , Zeller. Oberndorf,
Rathgeb. II. Calw, Schüz. Wildbad, Kerner. Alpirspach,
Köstlin. III. Hohen Urach, Finckh. IV. Riedlingen , Balluf. Roth,
Ducke. Wolfegg, W^aldburg, V^^angen, Jung. 6185.
* B, fallax Hedw. Auf festem Boden und Mauern häufig.
Herbst und Winter. I. Stuttgart und Tübingen, Mohl. Schorndorf,
Haist. Holenstein, Tannenburg, Oberamts Ellwangen, Kemmler.
Mergentheim, Bauer. Oberndorf, Rathgeb. II. Calw, Emma
Gärtner. III. An den Quellen des Kochers bei Unter-Kochen,
Rathgeb. IV. Roth, Ducke. 6188.
* B. paludosa Schwaegr. In Sümpfen. Herbst. I, Ellwan-
gen , Rathgeb. 6186.
B. eonvoluta Hedw. An sonnigen Anhöhen. Mai, Juni.
II. Alpirspach, Köstlin. III. Im Brühl bei Urach, Schimper. 6195.
* B. tortuosa W. et Mohr. An Felsen und auf steinigem Bo-
den. Sommer. I. Im Bürgerwald bei Mergentheim, Fuchs. Horb,
Rathgeb. III. Hohen-Urach und am unteren Weg zu dem Wasser-
— 86 —
fall, am Thiergartenberg , ScMmper. Auf dem Plettenberg bei
Schönberg, Oberamts Rottweil, Rathgeb. lY. Wolfegg, Prass-
berg, Oberamts Wangen, Jung. 6191.
* B. muralls Timm. Ueberall bäufig an Mauern und auf
Ziegeldächern , im Sonnenschein mit goldenem Glänze schimmernd.
April, Mai. 6196.
* B. subulata Brld. In Wäldern auf der Erde und am Fusse
der Bäume. April, Mai. I. Stuttgart, Martens. Tübingen,
Schübler. Kottspiel, Kemmler. Mergentheim, Bauer. II. Tei-
nach , Schtiz. Alpirspach , Köstlin. III. Urach am oberen Weg
zu dem Wasserfall, Schimper. 6198.
B. latifolia 5r. et Seh. An alten Baumstämmen, besonders
Pappeln und Weiden. Frühling selten. IV. Wolfegg, Ducke.
6202.
* B. ruralis Hedw. An alten Bäumen, auf Stroh- und Ziegel-
dächern. Frühling. I. Stuttgart, Martens. Vaihingen, Bilhuber.
Mergentheim , Fuchs. Sulz , Rathgeb. II. Calw , Gukenberger
Christophsthal, Martens. Wildbad, Kerner. Alpirspach auf Feld-
mauern, Köstlin. IV. Auf der Waldburg, Jung. 6204.
Tribus YII. Cjirimmiaceae.
Familia 18. Cinclidoteae.
Ciuelidotus fontinaloides Beauvois. An Holz und Steinen
in Flüssen und Bächen. März, April, selten, I. Stuttgart im
Flossgraben und am Neckarwehr bei dem Wasserhaus, Martens.
6492.
C. aquatieus Br. et Seh. An Steinen in reissenden Bergwas-
sern. Frühling. III. Nur einmal in der Blau bei Blaubeuren mit
Hydrurus crystallophorus , Winterliu. 6491.
Familia 19. Grimmieae.
""^ Grimmia apoearpa Hedw. An Felsen und Mauern, beson-
.ders der Weinberge, häufig. Februar, März. I. Stuttgart, Closs,
Tübingen, Schübler. Schorndorf, Haist. Mergentheim, Bauer.
II. Wildbad, Kerner. Alpirspach, Köstlin. III. Urach, Einckh.
IV. Riedlingen, Balluf. Wangen, Jung, 6297.
— 87 —
g. rivularis Turner. II. An Steinen im Glaswaldbach
"bei Alpirspach , Köstliu. G297 c.
Gr. crinita Hampe. Am Mörtel trockener Mauern. Herbst.
I. Esslingen, Hochstetter. III. Hohen-Urach rechts vom Eingang
in den zweiten gewölbten Gang, Schimper. 6327.
* Gr. pulvinata >S'm//A. Häufig an Felsen, Mauern und auf
Ziegeldächern. April, Mai. I. Stuttgart, Martens. Tübingen,
Gmelin. Schorndorf, Haist. Mergentheim, Bauer. II. Wildbad,
Kerner. Alpirspach , Köstlin. 111. Ulm , Martens. IV. Riedlin-
gen, Balluf.
Gr. ovata W. et M. Auf Felsen und Mauern. Sommer. II.
Im Glaswald bei Alpirspach, Köstlin. 6320.
b. afönis Sornsch, IL Auf dem Tobel, Mohl. 6321.
* Racomitrium aciculare Brkl An oft benetzten Steinen.
Frühhng. II. Calw , Haist. Wildbad , Kerner. Im Vorbach bei
Freudenstadt, Haist. Im Glaswaldbach bei Alpirspach , Köstlin.
6299.
* R. heterostichum Brid. An Felsen. Frühling. I. Stutt-
gart im V\^ald bei der Häslacher Sandgrube , Martens. Schorndorf,
Haist. II. Wildbad , Kerner. Christophsthal und im Glaswald bei
Alpirspach an Granit, Martens. 6303.
R. lanuginosum Brid. An Felsen. Frühling und Sommer
nicht oft. II. Auf Sandstein der Hornisgründe , Martens. Auf
dem Tobel, Mohl. Christophsthal, Martens. Auf Granit bei
Röthenbach , Köstlin. 6305.
R. caueseens Brid. Auf Sand- und Heidebodon. Frühling
selten. I. Stuttgart am Wald gegen den Pfaffensee, bei den Stein-
brüchen der Feuerbacher Heide und im Burgholz bei Cannstatt,
Martens. Tübingen, Schübler. Neuler, Oberamts Ellwangen,
Rathgeb. II. Enzklösterle, Wildbad, Kerner. Alpirspach , Köst-
lin. 6306.
g. ericoides Brid. II. Im Glaswald bei Alpirspach,
Martens. 6306 c.
Familia 20. Hedwigieae.
* Hedwigia ciliata Ehrhart. An Sandsteinfelsen. Frühling.
I. Stuttgart im Wald gegen Sillenbuch, Martens. Adelmannsfelden,
— 88 —
Oberamts Aalen , Rathgeb. IL Calw, Schüz. Wildbad, Kerner.
Häufig bei Alpirspach , Köstlin. 6292.
Familia 21. Ptycliomitrieae.
Coseinodon pulvinatus Sprengel. An Sandsteinfelsen. Früh-
ling. I. Adelmannsfelden, Rathgeb, 6340.
Ptychomitrium polyphyllum Br. et Seh. An Granitfelsen.
Winter. II. Alpirspach, Köstlin. 6341.
Familia 23. Orth o triebe ae.
* Ulota Ludwigii Brid. An Baumstämmen. Herbst. I.
Stuttgart an Ahorn , Martens. Schorndorf, Haist. Ellwangen,
Mohl. Hausen , Oberamts Gaildorf, Kemmler. II. Alpirspach an
Fichten, Köstlin. 6353.
* Orthotrichum cupulatum Hoffin. An Steinen. Mai, Juni.
I. An der Bühler bei Eschenau, Oberamts Hall, Kemmler. IV.
Roth , Ducke. 6348.
* O. anomalum Heclw. Häufig an Felsen , Steinen , Mauern
und Dächern. Frühling. I. Stuttgart, Martens. Tübingen, Schtib-
1er. Schorndorf, Haist. Mergentheim, Fuchs. II. Wildbad, Ker-
ner. Calw, Schüz. Alpirspach, Köstlin. III. Ulm an der Frauen-
steige, Martens. IV. Riedlingen, Balluf. 6350.
* O. obtusifolium Schrad. An Baumstämmen. Mai. I.
Schorndorf, Haist. Ellwangen an Pappeln , Frölich. 6354.
O. pumilum Swartz. An Baumstämmen. Mai, Juni. I.
Stuttgart im Schlossgarten an Pappeln, Martens. Tübingen, Mohl.
IV. Roth, Ducke. 6355.
O. affine Schrad. An Baumstämmen. Juni , Juli. I. Stutt-
gart und Esslingen an Pappeln, Martens. Schorndorf, Haist. Ell-
wangen an Linden, Rathgeb. Mergentheim, Fuchs. II. Calw,
Schüz. IV. Roth, Ducke. 6360.
* 0. patens Bruch. An Baumstämmen. Mai. I. Esslingen,
Martens. Schorndorf, Haist. 6359.
O. pallens Bruch. An Bäumen. Mai, Juni. I. Stuttgart
auf dem Hasenberg an Eichen, Martens. 6371.
* O. stramineum Hornsch. An Bäumen. Juni. I. Schorn-
dorf, Haist. 6370.
— 89 —
* O. diaphaniim Schrad. An Bäumen, April. I. Stuttgart im
Sclilossgarten an Pappeln, Mohl. Tübingen, Schübler. Lorch,
Haist. 6373.
* O. leioearpum Br. An Baumstämmen. April, Mai. I. Stutt-
gart, Martens. Schorndorf au Fichten , Haist. II. Christophsthal
an Fichten, Martens. Wildbad, Kerner. Alpirspach, Köstlin.
IV. Ulm an den Pappeln der Schützen-xillee , Martens. Roth,
Ducke. 6375.
Familia 24. Tetraphideae.
"^ Tetraphis pellueida Hedw. An feuchten Felsen, faulendem
Holze, Torfboden. Frühling. I. Stuttgart selten, Sontheimer. II.
Calw, W. Hartmann. Wildbad, Kerner. Alpirspach an alten Fich-
tenstumpen, Köstlin. IV. Saulgau, Wolfegg, Wangen, Jung. 6470.
Familia 25. Encalypteae.
* Encalypta vulgaris Hedw. Auf Mauern, an steilen Rainen.
März, April. I. Stuttgart, Closs. Tübingen, Schübler. Backnang,
W. Hartmann. Schorndorf, Haist. Kapfenburg, Rathgeb. Ellwan-
gen, Mohl. Mergentheim, Fuchs. II. Wildbad, Kerner. HI. Auf
dem Mösselberg bei Donzdorf, Martens. Ulm, Leopold. IV. Ried-
lingen im alten Steinbruch, Balluf. Wolfegg, Leupolz. Eisenfurt,
Oberamts Waldsee, Jung. 6333.
'^ E. eiliata Hedw. An Felsenritzen und alten Mauern. Som-
mer. I. Am Waldrand bei Markertshofen, Oberamts Crailsheim,
Kemmler. Westerhofen, Oberamts Ellwangen , Frölich. IV. Wolf-
egg, Leupolz, Eisenfurt, Jung. 6335.
E. streptocarpa Hedw. An Felsen und Mauern. Sommer.
IH. Urach an Tufffelsen rechts vom Wasserfall, Schimper. IV. Ban-
holz bei Wolfegg, Ducke. 6339.
Tribus MII. 8ehistostog«aco<ae.
Familia 26. Schistostegeae.
Sehistostega osmundacea Web. u. Mohr. In feuchten Höhlen
zu Anfang des Frühlings, bekannt durch den smaragdgrünen ins Gol-
dere spielenden Scliimmcr ihres Prothalliums, welcher schon für
90
ein phosphoreszirendes Leuchten ausgegeben worden ist. II. Im
Murgthal bei Schönmünzach, Kemmler. 6639.
Tribus IX. Splachnaceae.
Splaehnum sphaerieiim L. fil. Auf altem Kuhmist. Sommer,
II. Auf den Hornisgründen, Alexander Braun. 6159.
* Spl. ampuUaeeum L. In Torfsümpfen, auf altem Kuhmist.
Sommer. I. Dietrichsweiler, Oberamts Ellwangen, Rathgeb. II. Am
Rande des Torfmoors ober Reichenbacb im Murgthale, A. Braun.
IV. Sparsam im rotlien Moos bei Isny, Martens. 6161.
Tribu8 X. Funariaceae.
Familia 30. Physcomitrieae.
Physeomitrium sphaerioum Brid. Auf feucbtem Lehmboden,
Herbst bis Frühling. I. Ellwangen, Mobl, IV, Saulgau, Wolfegg,
Jung. 6140.
* Ph. pyriforme Brid. Auf feuchtem Lehmboden. Frühling.
I. Backnang, W, Hartmann. Mergentheim, Bauer. IL Wildbad,
Kerner. Alpirspach, Köstlin, IV. Ulm auf dem Ried, Gmelin.
Riedlingen, Balluf. An der Schüssen bei Schussenried, Valet. Saul-
gau, Wolfegg, Wangen, Jung. 6142.
Entosthodon faseieularis Seh. Am Saume der Wege und Grä-
ben. Frühling, IL An feuchten Stellen des Herrgartens in Alpirs-
pach, Koestlin. IV, Saulgau, Jung, 6144.
* Punaria hygrometriea Hedw. Auf der Erde und an alten
Mauern, an den Wänden der Torfstiche und auf alten Kohlenplat-
ten häufig. Sommer. I. Stuttgart und am Flossgraben bei Berg,
Martens. Tübingen, Schübler. Im Wald bei Hausen an der Bühler,
Kemmler. Ellwangen, Rathgeb. Mergentheim, Bauer. Nagold,
Zeller, IL Teinach, Schüz. Alpirspach, Köstlin. IIL Urach an
Mauern, Finckh, Schopflocher Torfgrube, Martens. IV, Gögglin-
ger Ried bei Ulm, Martens. Riedlingen, Balluf, Roth, Ducke. An
allen Orten, Jung. 6148,
— 91 —
Tribus XI. Bry.'iccao.
Familia 32. Brycae.
* Leptobryiim pyriforme Seh. An schattigen Mauern, Felsen
und auf sandigem Boden. April bis Juni. I. Esslingen, Ilochstetter.
Tübingen, Gmelin. Mergentheim, Bauer. Oberndorf in einer
Tufisteinhölile, Rathgeb. II. Erschien 1844 plötzlich in Menge auf
-einer Gypshalde der Fabrik Oedenwald , Oberamts Freudenstadt,
Noellner. III. Urach am Wege auf den Schlossberg, Schimper. IV.
Roth, Ducke. 6422.
Webera elongata Schwaegr. Auf Waldboden, an Hohlwegen,
Herbst. I. Ellwangen, Mohl. 6442.
b. maerocarpa Seh. lY. Wolfegg, Ducke. 6412. b.
* W. nutans Hedw. Auf Sandsteinen und beschattetem Sand-
boden. Frühling. I. Stuttgart auf dem Bopser und Hasenberg im
Wald, Martens. IV. Im Fiebert bei Riedlingen, Balluf, Roth,
Ducke. Im Ried bei Schussenried, Valet. Saulgau, Wolfegg,
Jung. 6414.
* W. erucla Seh. In Felsenritzen. Juli, August. I. Stuttgart
auf dem Hasenberg, Martens. Ellwangen in der Siechengasse,
Rathgeb. IV. Roth, Ducke. Wolfegg, Jung. 6416.
W. annotina Seliwaegr. Auf feuchtem sandigem Boden. Mai.
Juni. I. Stuttgart, Closs. III. Ulm an hohlen Baumwurzeln, Mar-
tens, IV. Roth, Ducke. 6418.
* W. albicans Seh. Auf feuchtem Kiesboden. Frühling. II.
Calw an einem Bache im Thal gegen Bulach, Martens. III. Urach
an dem Weg, der vom Brühl an dem Wasserfall hinauf führt,
Schimper. 6421.
=' Bryum pendulum Seh. Sommer. I. Mergentheim an Wein-
bergsmauern in der Arkau bei dem Bade, Fuchs, 6399.
Br. inelinatum Br. et Seh. An altem Gemäuer, auf Torfboden.
Mai, Juni. IV. Saulgau, Jung. 6401.
* Br. bimum Sehreh. Auf Sumpfwiesen. Sommer. I. In Wie-
sengräben bei Ober-Sontheim, Kemmler. 6426.
Br. alpinum L. Auf Felsen. Juni. II. An Granitfelsen bei
Alpirspach, selten. Köstlin. Im Murgthal. A. Braun. 6443.
— 92 —
* Br. caespitieiiim L. An Steinen, Mauern und auf der Erde.
April, Mai, Juni. I. Stuttgart an Tuffsteineinfassungen der Garten-
beete, Martens. Vaihingen, Bilhuber. Tübingen, Sdiübler. Ell-
wangen, Eathgeb. Mergentheim auf einer Gartenmauer, Fuchs.
II. Teinach, Schüz. Wildbad, Kerner. Alpirspach, Köstlin,
III. An der Geislinger Steige, Martens. Urach an Tuffsteinfelsen
rechts vom Wasserfall, Finkh. Pfullingen, S. Kerner. IV. Roth,
Ducke. Ueberall, Jung. 6436.
* Br. argenteum L. Auf Mauern , Ziegel- und Strohdächern,
Kohlenplatten, nackter Erde. October bis Mai. I. Stuttgart in der
Stadt, Martens, auf dem Hasenberg, Closs. Tübingen, Kielmayer.
Schorndorf, Haist. Mergentheim, Bauer. II. Teinach, Schüz,
Wildbad, Kerner. Alpirspach, Koesthn. III. Urach an der Ulmer
Steige, Finckh, Ulm, Martens. IV. Riedlingen, Balluf, Saulgau,
Wangen, Wolfegg, Jung. 6445.
* Br. capillare L. Auf Mauern, Dächern, faulenden Baum-
stumpen. April — Juni. I. Stuttgart auf dem Bopser, Closs. Wald
bei Häslach, Martens. Vaihingen , Bilhuber. Kottspiel , Kemmler.
Schönau, Eathgeb. Mergentheim, Fuchs. II. Im Nagoldthal, Valet.
Calw, Schüz. III. Urach an Tuffsteinfelsen rechts vom Wasserfall,
Finkh. Im Tiefenthal bei Blaubeuren. Gmelin. IV. Saulgau. Jung.
6434.
Br. pallens Sw. An Quellen, nassen Felsen und Boden. I.
Am Torfmoor bei Sindelfingen, Mohl. II. Am Rande des Torfmoors
im Murgthal ober Reichenbach, A. Braun. III. Am Uracher Fes-
tungsberg und bei dem Wasserfall, Schimper. 6430.
Br. cyclophyllum Br. et Seh. Auf Sumpfboden. Mai, Juni.
IL Am Rande des Torfmoors im Murgthal ober Reichenbach, A,
Braun. 6433.
Br. turbinatum Schwaegr. An Quellen, Sümpfen, feuchten
Felsen. Mai, Juni. I. Winzenweiler, Kemmler. Mergentheim am
Weg nach Holzbronn an verwitterten Kalksteinwänden, Fuchs. II.
Gumpelscheuer bei Enzklösterle, Emma Gärtner. 6431,
*Br. roseum Schreb. In schattigen W^äldern, am Boden und
am Fusse der Bäume. October, November, I. Stuttgart bei Häs-
lach, Closs, auf dem Bopser, Martens. II. Calw, Schüz, Alpirs-
— 93 — •
pach, Koestlin. III. Urach am Thiergartenberg, Schiraper. Ulm,
Martens. Anhausea Oberamts Heidenbeim, Kemmler. IV. Saul-
gau, Wangen, Jung. 0448.
* Mnium euspidatum Hedw. An feuchten Waldstellen, hoh-
len Weiden. April, Mai. I. Stuttgart, Closs. Ellwangen, Rathgeb.
Mergentlieini, Fuchs. 11. Teinach, Schüz. III. Urach, Finckh. Ulm,
Valet. IV. Saulgau, Wangen, Jung. 64G1.
* M. undulatum Hediü. In Laubwaldungen und Obstgärten
häufig. Mai, Juni selten. I. Stuttgart, Martens. Tübingen im Burg-
holz, Grmelin. Schorndorf, Haist. Mergentheim, Bauer. IL Alpirs-
pach, Köstlin. IV. Wangen, Wolfegg, Jung. 6453.
* M. rostratum GmeUn. An schattigen Felsen und verfallenem
Gemäuer. Frühling. I. Stuttgart und im Palm'schen Park bei
Mühlhausen, Martens. Schorndorf, Haist. IL Teinach, Schüz.
Alpirspach an der Klosterniauer, Köstlin. 6460.
* M. hornum L. In schattigen Wäldern, an feuchten Felsen.
April. 1. Stuttgart in der Sonnenkhnge, Closs. Ellwangen am Klap-
perschenkel, Rathgeb. Mergentheim, Fuchs, IL Alpirspach, Kösthn,
IV. Saulgau, Wolfegg, Jung. 6454.
* M. serratum Brld. An Hohlwegen und steinigen, schattigen
Abhängen. Früliling. 1. Ellwangen, Rathgeb. III. Urach in der
Nähe des Wasserfalls, Schimper. 6455.
* M. stellare T'nmu. An Hohlwegen und Gebüschen. Frühling.
I. Im Wald bei Holenstein, Oberamts Ellwangen, Kemmler. IV.
Saulgau, Wangen, Jung. 6464,
*M. pimetatum L. An Quellen, feuchtem Gestein. November
bis März. I.Stuttgart, Martens. Tübingen, Gmelin. Schorndorf,
Haist. Winzenwciler, Kemmler. Mergentheim, Bauer. II. Alpirs-
pach, Kösthn. IV. Torfmoor bei Moos am Bodensee, Martens.
Schussenried, Valet. Saulgau, Wolfegg, Wangen, Jung. 6450.
Familia33. Meesiae.
Meesia ionglseta Iledw. Auf Torfmooren. Juni, Juli. I. Ell-
wangen bei Muggenthal, Rathgeb. 6394.
* M. tristicha Br. et Seh. In Torfmooren. Juni, Juli. IV. Im
— 94 —
Buchauer Ried, Valet. Im Torfmoor bei Moos zjvischen Eriskirch
und Langenargen, Martens, Bei Friedrichshafen, Jack. 6396.
Familia 34. Aulacomnieae.
* Aulaeomnium androgynum Sckwaegr. An Sandsteinfelsen
und am Fusse alter Waldbäume, Juni, in Württemberg oft mit ge-
stielten Brutknospenhäufchen, aber noch nicht mit Früchten gefun-
den. I. Stuttgart im Walde jenseits Häslach an der Wand einer
Grube, Martens. Im Wald bei Markertshofen, Oberamts Crailsheim,
Kemmler. Ellwangen am Hohlweg nach Hohlbach, Rathgeb. II. Im
Glaswald bei Alpirspach in Höhlungen der Granitfelsen, Köst-
lin. 6467.
- "^'A. palustre Schwaegr. Auf sumpfigen Wiesen und Wald-
stellen. Mai, Juni, selten. I. Stuttgart am Pfaifensee, Closs. Ellwan-
gen am Raufichtenbuck, Rathgeb. II. Wildbad am wilden See,
Martens. Alpirspach am Reuthinberg, Köstlin. III. An der Torf-
grube bei Schopfloch, Martens. 6466.
* d. polycephaliim Seh. I. Im Stadtwald bei Frohn-
roth, Oberamts Ellwangen, Kemmler. 6466, d.
Familia 35. Bartramieae.
* Bartramia pomiformis Hedw. Im Wald auf der Erde und
an Felsen. Mai, Juni. I. Stuttgart und Ellwangen, Rathgeb. Kott-
spiel und Hinter-Uhlberg, Kemmler. III. Urach auf dem Thiergar-
tenberg, Schimper. lY. Wolfegg, Ducke. 6385.
* b. erispa ßw. Im W^ald an feuchten schattigen Stellen
vielhäufiger als die Hauptart. Mai, Juni. I. Stuttgart, Martens.
Tübingen, Schübler. Vaihingen, Bilhuber. Schorndorf, Haist. Mer-
gentheim, Bauer. IL Calw, Schüz. Wildbad, Kerner. Alpirspach
auf Granitfelsen des Reuthinberges, Kösthn. III. Urach bei Gra-
feneck, Guckenberger. Am Geiselstein bei Geislingen, Eduard Mar-
tens. IV. Roth, Ducke. 6386.
B. Halleriana Hedw. An feuchten Felsen. Sommer. II. Rei-
nerzau an Granitfelsen des Unterthals, Köstlin. 6387.
— 95 —
B. Oederi Sw. An feuchten Felsen. Sommer. I. Ellwangen
gegen Holilbacl), Rathgeb. IV. Wolfegg am Sclilossberg, Jung. 6384»
Philouotis marchica Seh., Auf Sumpfboden, Mai, Juni. IL
Am Rande des Torfmoors ober Reichenbach im Murgthal, A.
Braun. 6389.
Ph. fontana Brid. An Quellen, Bächen, sumpfigen Abhängen.
Mai, Juni. I. Buoch, Oberamts Waiblingen, W. Hartmann. Ell Wan-
gen am Wege nach Rothenbach, Rathgeb. Öerlach, Oberamts Back-
nang, im Wald bei der Glashütte, Zeller. II. Calw, Gukenberger.
Alpirspach im Glaswald, Köstlin. IV. Wiblingen am Fischweiher,
Martens. 6390.
Tribiis XII. Polytrichaceae.
Familia 37, Polytrich eae.
* Atriehum undulatum Beauv. In lichten Waldungen und
Gebüschen häufig. November bis März. I. Stuttgart, Martens.
Tübingen, Schübler. Schorndorf, Haist. Mergentheim, Bauer. Na-
gold, Zeller. II. Teinach, Schüz. Alpirspach, Köstlin. III. Ulm
Leopold. IV. Riedlingen im Laushöltzle, Balluf. 6473.
* Pogonatum nanum Beauv. Auf Sandboden, besonders in
Nadelwäldern. Frühling. I. Stuttgart, Martens. Backnang, W.
Hartmann. Schorndorf, Haist. Ellwangen, Mohl. II, Wiidbad,
Kerner. Alpirspach am Fahrweg nach Reinerzau, Köstlin. IV-
Neuthann bei Wolfegg, Jung. 6477.
* P. aloides Brid. Auf Sandboden, Ilaiden. Frühling. I. Stutt-
gart auf dem Hasenberg, Martens, und der Feuerbacher Ilaide,
Mohl. Lorch, Haist. Engelhofen in der Nähe der Kohlstrasse und
im Walde bei Hinter-Uhlberg, Kemmler. Ellwaugen, Rathgeb. Mer-
gentheim, Bauer. IL Calw, Schüz. Wildbad, Kerner. Enzklös-
terle , Schübler. Glaswald bei Alpirspach; Köstlin. IV. Ziemlich
allgemein, Jung. 6478.
* P. urnigerum Seh. In Wäldern, an Rainen und Hohlwegen.
Frühling. I. Stuttgart bei den Steinbrüchen auf der Feuerbacher
Haide, Mohl. Zwischen Schorndorf und Berken, Haist. Ellwangen,
alter Weg nach Hall, Mohl. Kammerstatt, Kemmler. IL Wildbad,
— 96 —
Kerner. Im Glaswald bei Alpirspacli häufig, Koestlin. IV. Wolfegg,
Wangen, Jung. 6479.
Polytrichum graeile Menzies. Auf Torfboden. Mai. Juni.
IIL Schopflocher Torfgrube, Härtens. 6483.
* P. formosum Eedw. In Bergwaldungen. Juui, Juli. I. Stutt-
gart häufig im Häslacher Wald, Martens. Ellwangen, Rathgeb.
IV. Saulgau, Jung. 6482.
* P. piliferum Sckreb. Häufig an sandigen Stellen mit Haide-
kraut und Becherflechten. Januar bis Juui. I. Stuttgart gegen De-
gerloch und dem Pfaffensee , Martens. Tübingen , Schübler. Am
Waldrand bei Hinter-ÜIilberg, Kemmler. 11. Calw, Emma Gärtner,
Enzklösterle, Schübler. Alpirspach, Köstlin. IV. Wolfegg, Wan-
gen, Jung. 6484.
P. juniperinum Hechc. Auf feuchtem Wald- und Haideboden.
Juni, Juli. I. Unter-Spntheim, Kemmler. Ellwangen, Mohl, Na-
gold, Zeller. IL Am wilden See bei Wildbad, Martens. Enzklö-
sterle, Schübler. Alpirspach, Köstlin. III. Schopflocher Torfgrube,
Martens. IV. Riedlingen, Balluf, Saulgau. Wangen, Jung. 6485.
P. commune L. Häufig in feuchten Wäldern und am Saume
der Torfmoore, oft weite Strecken überziehend, unser ansehnlich-
stes Moos, oft über einen Fuss hoch. Auf dem Schwarzwald, in Ell-
wangen und Laubach werden aus diesem Moose wohlfeile roth-
braune Bürsten verfertigt, welche zur Reinigung der Stubenböden
^u vielen tausenden im Y>^erth von ohngefähr 75,000 Gulden jährlich
weit versendet werden. Mai bis Juli. L Stuttgart auf dem Bopser,
Martens. Tübingen, Gmeliu, im Vfald gegen Kresbach, Martens.
Vaihingen, Bilhuber. Winzenweiler am Haspelhäuaer See, Oberamts
Gaildorf, Kammerstatt, Kemmler. Ellwangen, Rathgeb. Mergent-
heim, Bauer. IL Wildbad, Kerner. Enzklösterle, Schübler. Im Pfaf-
fenwald bei Freudenstadt, Martens. Alpirspach, Köstlin. IIL Hen-
gen, Oberamts Urach, Finckh. Galgenberg bei Sanct Johann und am
Rossberg , Simon Kerner, Gmünd, Werfer. Torfgruben bei Schwen-
ningen, Sturm. Blaubeuren, V/idenmann. Gross Jungfernhaar, im
Eselsberg im Mayen, Leopold, -ß. Ulmensis. IV. Wangen, Zengerle.
Eisenharzer Wald bei Isny, Martens. Auf der Adelegg, Zeller.
üeberall, Jung. 6487.
- 97 —
Tribus XIII. Buxbaumi«aceae.
Familia 38. Buxbaumieae.
* Diphyscium foliosum Mohr. Im Walde , an Hohlwegen.
Sommer. I. Stuttgart im Lerclienrain, Closs, Bopser- und Deger-
locber Wald, Martens. Schorndorf an der Strasse nach Berken,
Haist. Unter-Sontheim, Kemmler. Ellwangen im Spitalholz, Rath-
geb. IL Alpirspach an lichten Stellen des Romanshorner Waldes,
Köstlin. IV. Wangen, Wolfegg, Jung. 6490.
* Buxbaumia aphylla L. An öden Heidestellen auf nackter
schwarzer Erde einzeln zwischen Cladonia coccifera, schwer zu fin-
den. Februar bis Juni. I. Stuttgart im Kräherwald und Degerlo-
cher Wald, Martens. II. Alpirspach, Köstlin. III. Heidenheim auf
den Allmanden von Mergelstetten, Haist. 6488.
Sectio II, Pleurocnrpi,
Tribus I. Fontinalaeeae.
Familia 39. Fontinaleae.
* Fontinalis antipyretica L. Häufig in Bächen, Flüssen und
Seen unter Wasser an Steinen, Pfählen, Baumwurzeln, aber selten
mit Früchten, weil sie solche nur entwickelt , wenn das Wasser ab-
nehmend sie vcrlässt. Linne nannte sie gegenfeurig , weil man sie
zur Löschung von Feuersbrünsten besonders wirksam glaubte.
Sommer. I. Im Neckar bei Berg und Höfen , Martens. Im Pfaffen-
see, Closs. In der AVeissach bei Backnang, W. Hartmann. Im See
bei Oelbronn, Hiller. Mergentheim, Bauer. IL Alpirspach, Köstlin.
III, In der Erms bei Urach, Finckh. Im Blautopf bei Blaubeuren,
Eduard Martens. In der Fils in Gross-Süssen , Martens. IV. In
der Donau bei Riedlingen, Balluf, und Ulm, Martens. Im Bleicher-
graben bei Ulm, Leopold. Im Schweigfurtweiher bei Schussenried'
Valet. In der Aach bei Isny, Martens. 6498.
*F. squamosa L. In Quellen, Bächen, Flüssen. Sommer.
I. Mergentheim, Bauer. IL Freudenstadt in den hölzernen Wasser-
rinnen der Friedrichsthaler Schmelzhütte, die sie ganz dicht über-
zieht, Martens. 6499.
Württemb. naturw. Jahresbefte. 1862, Is lieft. 7
— 98 —
Tribus II. IVeckeraceae.
Familia 43. Neckereae,
*Neckera pennata Hedw. An Baumstämmen. März, April.
I. Ellwangen an Buchen, Mohl, Oberndorf, Köstlin, IV. Saulgau,
Wolfegg, Wangen, Jung. 6629.
*N. erispa Hedw. An Baumstämmen, vorzüglich Buchen, sel-
tener an Kalkfelsen, ein schönes, über spannelanges glünzendgrünes
Moos, Frühhng. I. Stuttgart, Martens. Tübingen , Schübler. Ell-
wangen, Rathgeb. Oberndorf, Rathgeb. IL Wildbad am Weg zur
Grünhütte, Martens, Alpirspach, Köstlin. III. Blaubeuren an Fel-
sen des Tiefenthals, Martens. Heidenheim an Felsen, Kaist. IV.
Wangen, Jung. 6631.
* N. eomplanata B7\ et Seh. An Waldbäumen. Frühling. I.
Tübingen, Schübler. Vaihingen, Bilhuber. Unter-Sontheim an Bu-
chen, Kemmler. Mergentheim, Bauer. II. Teinach, Emma Gärtner.
Wildbad, Kerner. Alpirspach an Hagebuchen, Köstlin. IV. Ried-
lingen, Balluf. 6511.
* Homalia triehomanoides Seh. Au Baumstämmen, seltener
an Steinen. Frühling. I. Stuttgart im Wald bei Häslach, Martens.
Tübingen, GmeHn. Schorndorf, Haist. Ellwangen, Bathgeb. Mer-
gentheim selten, Bauer. III. Ulm im Oerlinger Holz, Martens. IV,
Roth, Ducke. Riedlingen, Balluf. 6512.
Familia 44. Leuco donteae.
* Leucodon sciuroides Selacaegr. An alten Obst- und Wald-
bäumen ziemlich häufig , seltener an Weinbergsmauern, selten mit
Früchten zu Anfang des Frühlings. I. Stuttgart, Martens, Schorn-
dorf, Haist. Ellwangen, Rathgeb. Mergentheim, Bauer. II. Tei-
nach, E. Gärtner. Alpirspach, Köstlin. IV. Ulm, Martens. 6628.
* Antitrichia eurtipendula Brid. An Waldbäumen, seltener
an Steinen. April. I. Stuttgart in der falschen Klinge, Closs. Tübin-
geD, Schübler. Unter-Sontheim an Buchen, Kemmler. Mergent-
heim am Fusse der Eichen, Fuchs. IL Alpirspach im Glaswald an
den Aesten der Fichten und auf Granitielsen, Köstlin. 6510.
— 99 —
Tribus III. Hookeriaceae.
Familia 46. Hookerieae.
* Pterygophyllum lucens Brid, An Gebirgsquellen , selten
im Spätherbst mit Früchten. I. Ellwangen im Klapperschenkel,
Rathgeb. II. Wildbad, Kerner, Im Glaswald bei Alpirspach, Köst-
lin. 6523.
Tpibus lY. Leskeaceae.
Familia 47. Leskeae.
Leskea polycarpa Ehrh. An Baumstämmen und Stumpen.
I. Tübingen, Schübler. 6516,
Anomodon longifolius Hartm. An Baumwurzeln und Stei-
nen. November bis März. UI. Urach unmittelbar über dem Wasser-
fall, Schimper. 6522.
*A. attenuatus Hartm. An Baumwurzeln und Hohlwegen.
Herbst. I. Stuttgart*^ im Wald gegen Sillenbuch, Martens. Tübin-
gen, Schübler. Mergentheim, i'uchs. III. Hohen-Urach und über
dem Wasserfall, Schimper, 6520.
* A. vitieulosus Hool:. In Wäldern an Baumstämmen und Stei-
nen häufig, oft an den zu Markt gebrachten Buchenscheitern. Früh-
ling. I. Stuttgart in der Vogelklinge, Closs, am Bopser, Martens.
Tübingen, Schübler. Schorndorf, Haist. Ellwangen, Rathgeb. Mer-
gentheim, Bauer. Nagold, Zeller. III. Hohen-Urach, Finckh, Reut-
linger Alp und Ulm, Martens. 6509.
Familia 49. Thuidieae.
* Thuidium tamariseinum Br. et Seh. In Wäldern auf der
Erde und an Stämmen, doch selten mit Früchten. November bis
März. Eines der passendsten Moose zu aufgeklebten Landschaften
und Arabesken. I. Stuttgart, Closs. Tübingen, Gmelin. Schorn-
dorf und Lorch, Haist. Mergentheim, Bauer. II. Wildbad, Kerner
Teinach, Emma Gärtner. III. Urach am Thiergartenberg, Finckh.
Farn-Moos, in Wäldern ob Ueberlingen , Leopold. Ulm im 0er-
linger Holz , Martens. IV. Roth , Ducke. Wolfegg , Wangen,
Jung, 6534.
— 100 —
Th. delieatulum Br. et Seh. In schattigen Hainen und auf
feuchten Wiesen. Mai, Juni, selten. III. Urach im Walde an der
Hochwiese an Steinen, kurz ehe der Weg anfängt, der in das Brühl
hinabführt, Schimper. 6533.
* Th. abietinum Br. et Sek. In trockenen, sandigen Heiden
und Nadelwäldern häufig. Mai , Juni , in Württemberg noch nicht
mit Früchten gefunden. I. Stuttgart, Closs. Tübingen, Schübler.
Schorndorf, Haist. Nagold, Zeller. IL Wildbad , Kerner. III. Ho-
hen-Urach, Finckh. Ulm, Martens. IV. An allen Orten, Jung. 6530.
Tribus V. Fabroniaceae.
Familia 50. Fabronieae.
* Anaeamptodon splachnoides Brid. An mit Wasser gefüll-
ten Asthöhlungen alter Buchen und auf Baumstumpen. Mai, Juni.
I. Stuttgart, Mohl. Welzheim, Rathgeb. Unter-Sontheim, Kemmler.
Ellwangen auf Fichtenstumpen, Frölich. IL Calw, Mohl. 6503.
Tpibus \I. Hypnaceae.
Familia 52. Pterogonieae.
Pterigynandruni filiforme Hedw. An Baumstämmen und be-
schatteten Steinen. Mai, Juni. IL Auf den Hornisgründen , Seu-
bert. 6508.
Familia 53. Cylindrotheceae.
Platygyrium repens Br. et Seh. An Baumstämmen, besonders
Kiefern und Birken , seltener an Steinen. Frühling. I. Ellwangen,
Mohl. 6505.
* Climaeium dendroides W. et M. Auf feuchten Wiesen und
Rainen, am Fusse alter Mauern, nur selten im Herbst mit Früchten,
eines unserer schönsten Moose. L Stuttgart bei dem Pfaffensee,
Closs, und am Wege nach Sillenbuch, Mohl. Schorndorf, Haist.
Am Zaisersweiher See bei Maulbronn, Martens. Im Muggenthal
bei Ellwangen unter Erlen, Mohl. Mergentheim im Hofgarten,
Rathgeb. IL Wildbad, Kerner. Alpirspach, Köstlin. lY. Riedlin-
gen im Laushölzle, Balluf. Saulgau, Wangen, Wolfegg, Jung. 6524.
— 101 —
Familia 54, Pylaisieae.
* Pylaisia polyantha Seh. An Feldbäumen , Zäunen , selte-
ner an Steinen. Herbst, Winter, I. Stuttgart an alten Weiden,
Martens. Backnang, W. Hartmann. Schorndorf, Haist. Ellwan-
gen , Ratbgeb, Mergentbeim im Hofgarten an Linden , Fucbs. HL
Ulm im Oerlinger Holz, Martens. IV. Rotb , Ducke. 6514.
Familia 55. Hypneae.
* Isothecium myurum Brid. In Wäldern , an Baumwurzeln
und Steinen. Februar , März. I. Stuttgart auf dem Hasenberg,
Martens. Schorndorf, Haist. IV. Roth, Ducke. An allen Orten.
Jung. 6601.
* Homalothecium sericeum Br. et ScIi. An Laubholzstäm-
men in Feld und Wald , an Ruinen und Feldsteinen. Spätherbst.
I. Stuttgart an Weiden , Martens. Tübingen, Schübler. Schorn-
dorf, Haist. Ellwangen, Frölich. Mergentheim , Bauer. II. Wild-
bad, Kerner. Alpirspach, Köstlin. HL Ulm, Martens. IV. Ried-
lingen , Balluf. Roth , Ducke. Saulgau, Wangen , Wolfegg , Jung.
6513.
* Camptotheeium lutescens Br. et Seh. Häufig an der Schat-
tenseite der Vreinbergsmauern und am Waldrande. Frühling. L
Stuttgart, Martens. Tübingen, Schübler. Schorndorf , Haist. Ell-
wangen an Felsen bei Neuler , Rathgeb. Mergentheim, Bauer. IV.
|loth, Ducke. Saulgau, Wolfegg, Jung. 6617.
* C. nitens Br. et Seh. Auf sumpfigen Wiesen. Sommer. I.
Ellwangen bei Muggenthal , Mohl. II. Teinach , Emma Gärtner,
6619.
* Brachythecium salebrosum Br. et Seh. Auf Waldboden,
an Steinen und Wurzeln alter Bäume, besonders Weiden. Herbst.
I. Stuttgart und Tübingen, Martens. Schorndorf, Haist. Neuler,
Rathgeb. Mergentheim, Fuchs. III. Urach am Fahrweg auf den
Schlossberg, Schimper. Ulm, Martens. 6615.
Br. albicans Br. et Seh. An begrasten trockenen Abhängen,
Waldwegen. Februar, März. IV, Saulgau, Jung. 6609.
* Br. velutinum Br. et Seh. Auf Waldboden, an Baumwur-
zeln, Steinen und Mauern. Frühling. I. Kottspiel, Kemmler.
— 102 —
Ellwangen, Rathgeb. Mergentheim an feuchten Baumstumpen,
Fuchs. ly. Riedlingen, Balluf. An vielen Orten , Jung. 6624.
* g. intrieatum Seh. I. Schorndorf, Haist. Ellwangen,
Rathgeb. 6624 c.
Br. Starkii Br. et Sek. Auf Waldboden, an Steinen und Baum-
stumpen, Frühling. IV. Wangen , Wolfegg , Jung. 6625.
* Br. Rutabiüum Br. et Seh. Häufig im Schatten an Steij^en,
Baumwurzeln, feuchter Erde in zahlreichen Formen. November
bis März. I. Stuttgart, Martens. Tübingen, Schübler. Schorn-
dorf, Haist. Ellwangen, Rathgeb. Mergentheim , Bauer. Nagold,
Zeller. H. Wildbad, Kerner. Teinach, Emma Gärtner. HI. Ulm,
Martens. lY. Riedlingen, Balluf. Roth, Ducke. Saulgau, Wan-
gen, Jung. 6626.
Br. rivulare Br. et Seh. Im Wald an Quellen, bespülten Fel-
sen und Gemäuern. Herbst. lU. Urach unter dem Wasserflall,
Schimper. 6627.
Br. populeum J5r. et Seh. An Baumstämmen. Herbst bis
Frühling. I. Stuttgart, Sontheimer. 6610.
Eurhyncliium myosuroides Seh. In Bergwäldern auf der
Erde, an Felsen und Baumwurzeln. Herbst. II. Wildbad, Kerner.
Alpirspach, Köstlin. 6602.
* E. striatiim Seh. In Wäldern auf der Erde und an Steinen.
Frühling. I. Schorndorf, Haist. Winzenweiler , Kemmler. Ell-
wangen , Rathgeb. Mergentheim , Bauer. II. Alpirspach im Glas-
wald, Köstlin. IV. Roth, Ducke. Wangen, Wolfegg, Jung. 6567.
* E. piliferum Seh. Auf Grasboden selten. Frühling. I.
Bei Winterbach, Oberamts Schorndorf, Haist.
E. praelongum Seh. Auf der Erde , an faulendem Holze , in
schattigen Hainen und Gärten. Winter. I. Mergentheim, Bauer.
III. Urach am obern Weg zum Wasserfall in der Gegend des Aconi-
tum Lyeoctonum, Schimper. 6575.
Rhyuehostegium confertum Br. et Seh. An beschatteten
Steinen und Mauern. Februar bis April. I. Ellwangen, Rathgeb.
6591.
* Rh. murale Br. et Seh. An schattigen Weinbergs- und Gar-
tenmauern. Frühling. I. Stuttgart, Martens. Tübingen, Schub-
— 103 —
ler. Schorndorf, Haist. Ellwangen, Rathgeb. Mergentheim^
Bauer. II. Alpirspach, Köstlin. 65S4.
* Rh. rusciforme Br. et Seh. An Steinen und Holz unter
Wasser, Brunnen und Mühlrädern. October bis April, selten, I.
Stuttgart in der Stadt, in den Wasserfällön bei Häslach und im
Neckar bei Berg, Martens. Sulz im Neckar, Martens. Schorndorf
und Adelberg in Brunnen, Haist. Mergentheim, Bauer. II. Calw
in einem Brunnen, E. Gärtner. Wildbad, Kerner. Im Bache des
Glasw^aldes, Köstlin. III. Im Thierbach bei Geislingen, Eduard
Martens. In der Blau bei Blaubeuren, Martens. In den Quellen
des Kochers , Frölich. lY. In der Argen bei Isny , Martens. 6583.
* Thamnium alopecurum Br. et Seh. An Felsen in feuchten
Waldschlucliten. Herbst bis Frühling. I. Stuttgart im Wald bei
Böhmisreute, Closs. Ramsbach, Oberamts Hall, Haist. Ellwan-
gen, Batligeb. II. Alpirspach, Köstlin, 6535.
* Plagiothecium silesiacuni Seh. An faulenden Baumstäm-
men, daher bei uns selten. Sommer. I. Ellwangen, Rathgeb. II.
ImNagoldthal, Valet. III. Urach am Fahrweg zum Schlossberg. 6553.
PI. sylvaticum Seh. In Wäldern auf der Erde und an nassen
Felsen. Sommer. II. Alpirspach, Schramberg, Köstlin. lY. Wan-
gen, Wolfegg, Jung. 6581.
PI. iindulatiim Seh. Auf feuchtem Waldboden. Sommer.
II. Wildbad im Wald am Weg zur Grünhütte, Martens. Alpirspach
im Reutiiinwald, Köstlin. 6582.
* Amblystegium subtile Seh. An Baumstämmen. August.
I. Mergentheim an Linden im Hofgarten, Fuchs. III. Urach an
Buchen am untern Weg zu dem Wasserfall, Schimper. 6517.
* A. serpens Seh. An Bäumen, Steinen, faulem Holze häufig
und vielgestaltig. Frühling, Sommer. I. Stuttgart, S. Kerner.
Tübingen, Gmelin. Schorndorf, Haist. Schwabsberg, Oberamts
Ellwangen, an einem in einem Teich liegenden Brunnenteichel,
Kemmler. Meckelbach, Oberamts Hall, Kemmler. Ellwangen,
Rathgeb. Mergentheim, Bauer. IL Wildbad, J. Kerner. Teinach,
E. Gärtner. III. Urach am Thiergartenberg , Finckh. IV. Ulm im
Gehölz an der Hier, Martens. Roth, Ducke. An allen Orten,
Jung. 6604.
— 104 —
* A. irriguum g. fallax ßch. Im Wasser an Felsen und Mau-
ern. Mai, I. Ellwangen, Ratligeb. III. Im Egerursprung bei
Auflmusen, Oberamts Neresbeim, Kemmler. 6606.
* A. riparium Seh, Auf morscbem Holz im Wasser , an Wei-
den und bölzernen Wasserleitungen. Juni. I. Stuttgart im Floss-
graben bei Berg, Martens. Tübingen, Schübler. Eschenau und
in der Roth bei Kammerstadt, Kemmler. Ellwangen, Frölich. IV,
Roth, Ducke. 6607.
Hypnum Halleri L.fil. An Kalkfelsen. Frühling, Sommer,
III. Im Filsthal, Ducke. 6571.
* H. ehrysophyllum Bricl An feuchten Kalkfelsen, seltener
auf der Erde. Sommer. I. Stuttgart im Wald bei Häslach, Mar-
tens. Mergentheim, Fuchs. III. Urach, Schimper. 6569.
* H. stellatum Schreb, Auf Sumpfwiesen. Sommer. I. Stutt-
gart in der Klinge bei Böhmisreute , Martens, Kottspiel, Kemmler.
Schönthal, W. Hartmann. 6570.
* H. aduncum L, In Sümpfen. Juni selten. I, Stuttgart in
Lachen am Kräher wald, Martens, Schorndorf, Haist, IV. Roth,
Ducke. 6537.
H. uncinatum Hedw, In sumpfigem Wasser. Frühling. I.
Esslingen, Hochstetter. II. Im Wald bei Christophsthal , Martens.
6558.
H. eommutatum Hedw. An Quellen, Bächen und Gräben.
Frühling. I. Stuttgart am Bach in der Klinge bei Böhmisreute,
Martens. Tübingen im Wankheimer Thal, Gmelin. Esslingen,
Hochstetter. Mergentheim , Bauer. III. Urach unter dem Wasser-
fall, Schimper. 6563.
* H. filicinum L, An feuchten und nassen Stellen an Steinen,
Mauern und Holz. Frühling. I, Schorndorf, Haist. Ellwangen,
Rathgeb. Mergentheim, Bauer.
* H. rugosum L. Zwischen den Weinbergen, an Waldrän-
dern , an sonnigen trockenen Stellen , daher bei uns noch nie mit
Früchten gefunden, die im Juli reifen sollen. I. Stuttgart gegen
Gaisburg und auf dem Hasenberg, Martens. Tübingen, Schübler,
Unter - Sontheim und Markertshofen , Kemmler. Mergentheim,
Bauer. II. Wildbad, Kerner. III. Urach am Schlossberg, Schim-
— 105 —
per. Ulm , Blaubeuren auf den Felsen des Tiefenthals , Härtens.
Kloster Anhausen , Kemmler. G540.
* H. cupressiforme L. Sehr häufig auf der Erde, am Fusse
der Waldbilume, an Steinen und Mauern, an trockenen und feuch-
ten Stellen, Anfänger durch die mannigfaltigsten Formen so häufig
täuschend, wie Carex glauca Scop. Februar bis April. I. Stuttgart,
Closs. Tübingen, Scliübler. Unter-Sontheim und Engelhofen an
Nadelholzstumpen, Kemmler. Mergentheim, Fuchs. IL Teinach,
E. Gärtner. Wildbad, Kerner. III. Ulm im Oerlinger Holz, Här-
tens. lY. Roth, Ducke. Ueberall, Jung. G545.
* e. filiforme Brid. An Nadelholzstämmen bei dem
Haspelhäuser See, Oberamts Gaildorf, Kemmler. 6545 d.
* H. molluscum Hedw, Häufig im Wald an Steinen und
Baumwurzeln , doch selten im Frühling und Sommer mit Früchten.
I. Stuttgart auch auf den Dächern , Martens. Tübingen, Gmelin.
Unter-Sontheim, Kottspiel, Kemmler. Ellwangen, Rathgeb. Mer-
gentheim, Fuchs. IL Am wilden See, Schübler. Alpirspach im
Glaswald an Granitfelsen, Köstlin. III. Urach am Thiergartenberg,
Finckh. Heidenheim , Haist. IV. An allen Orten, Jung. 6561.
* H. Crista castrensis L. Auf der Erde , vorzüglich in Na-
delwäldern, gesellig, aber nicht häufig. Herbst. Unser zierlich-
stes Moos, trefflich zu aufgeklebten Mooslandschaften. I. Schorn-
dorf, Haist. Ellwangen, Mohl. Mergentheim, Bauer. Nagold,
Zeller. H. Calw,Kurr. Wildbad, Kerner. III. Urach am oberen
Weg zum Wasserfall, Schimper, IV. Roth, Ducke. Riedlingen
im Kichert, Balluf. 6560.
* H. palustre Hedw. An Steinen und Holz in Bergbächen,
Sommer. I. Ellwangen , Fröhlich. III. Urach unter dem Wasser-
fall, Schimper. 6542.
* H. cordifolium Hedw. Auf Sumpfwiesen, in Wiesengräben.
Mai,- Juni. I. Baknang, W. Hartmann. Ellwangen bei Muggen-
thal,Mohl. 6597.
* H. cuspidatum L. Sehr häufig auf sumpfigen Wiesen, aber
selten im Sommer mit Früchten. I. Stuttgart im Schlossgarten
und über einen Fuss lang in einer Wassergrube bei Degerloch,
Martens. Tübingen, Schübler. Mergentheim, Bauer. IL Tel-
106
nach, E. Gärtner. Wildbad, Kerner. Röthenberg im Kessler-
Moor, Köstlin, IV. Ulm, Martens. Roth, Ducke. 6598.
* H. Sehreberi Willcl Auf Heiden und in Wäldern. Herbst.
1. Stuttgart auf dem Hasenberg, Martens. Baknang, W. Hartmann.
Mergentheim im Bürgerwald, Fuchs. H. Wildbad, Kerner. 6596.
* H. purum L. Nicht selten in lichten Laub Waldungen am
Fusse der Bäume und auf der Erde, aber nur selten im Frühling
mit Früchten, I. Stuttgart, Martens. Vaihingen, Bilhuber. Schorn-
dorf, Haist. Ellwangen, Rathgeb. Kottspiel, Kemmler. Mer-
gentheim, Bauer. H. Wildbad, Kerner, 6595,
H. stramineum DicTcson. Selten auf Sumpf- und Torfwiesen.
Frühling. I. Im Muggenthal bei Ellwangen, Frölich. 6599.
* H. seorpioides L. In Torfstimpfen. Frühling, Sommer.
I. Schorndorf, Haist. II. Kesslermoor bei Röthenberg, Köstlin.
6541.
* Hylocomium splendens ^ch. Häufig in schattigen Wäl-
dern auf der Erde. Frühling. I. Stuttgart, Closs. Tübingen,
Schübler. Schorndorf, Haist. Ellwangen, Rathgeb. Mergent-
heim , Bauer. IL Calw , Schüz. HI. Urach , Finckh. Ulm , Leo-
pold. IV. Am Bodensee, Fuchs. An allen Orten, Jung. 6536.
* H. brevirostre Seh. An Felsen und Baumwurzeln. Früh-
ling. I. Im Wald bei Winzenweiler , Oberamts Gaildorf, Kemmler.
6566.'
* H. squarrosum Seh. An schattigen Grasplätzen , in Wäl-
dern. Herbst, selten. I. Stuttgart in feuchten Klingen , Martens.
Tübingen, Schübler. Schorndorf, Haist. Kottspiel, Kemmler.
Mergentheim , Bauer. IV. Roth, Ducke. Saulgau, Jung. 6564.
* H. triquetrum Seh. In Wäldern auf der Erde. Frühling.
Unser häufigstes und grösstes Waldmoos , daher vorzugsweise zu
Kränzen, zur Ausschmückung von Gartenhütten und zur Ver-
packung von Pflanzen benützt. I. Stuttgart, Closs. Tübingen,
Schübler. Schorndorf, Haist. Mergentheim, Bauer. II. Calw,
Schüz. Wildbad, Kerner. HL Urach, Finckh. Ulm, Martens.
IV. Roth, Ducke. Riedlingen, Balluf. An allen Orten, Jung.
6565.
* H. loreum Seh. In feuchten Bergwaldungen. Winter,
— 107 —
Frühling. I. Ellwangen , Rathgeb. II. Wildbad , Plieninger. III.
Urach am Thiergartenberg, Finckh. Am Piattenberg bei Dottern-
hausen, Rathgeb. 656S.
Classis IL Sphagna.
* Sphagnum acutifolium Ehrh. In feuchten Wäldern und
Heiden, an Gebirgsquellen, bildet in allen Hochmooren den Grund
des weichen, mit Andnvneda j^olifolia, Vaccinium Oxycoccos und
Drosera rotimdi/olia durchwirkten Teppichs und mit ihnen abster-
bend den Torf, fehlt aber in den niederen Torfgründen und Rie-
dern an den Flüssen , nicht , wie schon angegeben wurde , wegen
des Kalk- und Gypsgehaltes des Wassers, sondern weil es längst
durch üeberschwemmungen , die es mit Sand und Schlamm bedeck-
ten, erstickt und Boden für ganz andere,Pflanzen geschaffen worden
ist. Juni , Juli. I. Stuttgart in einer kleinen Torfpfütze im Wald
über Wangen, Härtens, und in einem Graben des Waldes hinter
Böhmisreute, Hermann Nördlinger. Tübingen am Birkensee am
Eselstritt, Schübler. Kottspiel, Holenstein, Winzenweiler, Gera-
bronnhof, Kemmler. Ellwangen am Griesweiher bei Neuler, Frö-
lich, und am Schönbergerhof, Rathgeb. Mergentheira im Bühl
bei Garrenberg, Bauer. Schwenningen , Sturm. II. Calw, Schüz.
In Menge am wilden See, Martens. Simmersfeld, Mohl. Alpir-
spach , Köstlin. III. Schopflocher Torfgrube , Härtens. IV. Ried-
lingen, Balluf. Wurzach, Schübler. Im oberen Wald bei Vogt,
Jung. Isny im rothen und eisenharzer Moos, Härtens. 6111.
Sph. ümbriatum Wüs. In Torfsümpfen. Sommer. II. Im
Hurgthal , Schimper.
* Sph. cuspidatum Ehrh. In Torfsümpfen. Sommer. I. Bei
Lorch, Haist. In Nadelwaldungen um Ellwangen, Kemmler. II.
Am wilden See, Hohl. 6110.
d. plumosum Seh. Untergetaucht. IV. Riedlingen im
Wald bei Dürmentingen , Balluf. 6112.
* Sph. squarrosum Fers. An kalten Gebirgsquellen, selten
in Torfmooren. August. I. Im Wald bei Kottspiel, am Haspel-
häuser See, bei Gerabronn, Oberamts Ellwangen und dem Vör-
hardsweiler Hof, Oberamts Aalen, Kemmler. Ellwangen am Gries-
108
weiher, Frölich. II. Am wilQen See, Schübler. Im Glaswald bei
Alpirspach , Köstlin. 6108.
* Sph. rigidum b. compactum ScL Auf trockneren Torf-
gründen. Juli. I. Im Wald bei Kammerstadt , Oberamts Ell wan-
gen,Kemmler. II. Auf den Hornisgründen, A. Braun. 6113.
* Sph. subseeundum Nees et Hornsch. In Gräben torfiger
"Wiesen. Juni , Juli. I. Im Wald bei Sulzbach , Oberamts Baknang,
Martens. Am Haspelhäuser See, Oberamts Gaildorf, bei Kammer-
stadt, Hinter-Uhlberg, Oberamts Crailsheim, Kemmler. 6114.
* b. eontortum Schultz. I. Im Wald bei Gerabronn,
Oberamts Ellwangen, Kemmler.
* SplL eymbifolium Ehrh. Auf nassem Wald- und Heide-
boden, in Torfmooren den Saum bildend. I. Stuttgart im Walde
zwischen Degerloch und Häslach, Mohl, und bei der Solitude,
Closs. Tübingen am Birkensee, Schübler. Im Wald bei Kammer-
stadt, am Haspelhäuser See , bei Hinter-Uhlberg und Gerabronn,
Kemmler. Ellwangen in der braunen Hardt und bei Dornholz-
weiler , Rathgeb. II. Am wilden See , Martens. Alpirspach, Köst-
lin. III. Schopflocher Torfgrube, Martens. IV. Riedlingen, Balluf.
Isny im rothen und eisenharzer Moos, Martens. 6107.
Wie vielerlei Laubmoose die ganze Erde nähre, ist eine
Frage , welche sich nicht einmal annähernd beantworten lässt , da
einerseits die Laubmoose, wie viele Kryptogamen , grosse Verbrei-
tungsbezirke haben, mehrere Arten, welche überall auftreten,
dann in den am wenigsten erforschten, also die meisten neuen
Arten versprechenden Tropenländern diese Feuchtigkeit und Kälte
liebende Pflanzenklasse hinter der kräftigeren Entwicklung hö-
herer Klassen zurücktreten muss , andererseits der Hauptsitz der
Moose, die Alpenregion, ausser Europa noch sehr wenig durch-
forscht ist und sich auch nicht voraussehen lässt, wie weit das
Trennen der Gattungen und Arten nach den kleinsten und uner-
heblichsten Unterschieden, die Aufstellung neuer Arten durch
blosse Spaltung längst bekannter, noch getrieben werden wird.
— 109 —
Steudels im Jahr 1824 erschienener Nomenciator zählt mit
Einschluss mancher zweifelhaften 1264 Arten auf, seit jener Zeit
sind viele neue entdeckt und beschrieben worden, aber niemand
hat es mehr versucht, eine Aufzählung Aller zu geben, und so
dürfte die von Schimper jH-ophezeite Zeit noch in weiter Ferne
liegen, wo die Zahl der genau bekannten Arten von Laubmoosen
die aller Pflanzen zu Linnes Zeiten , 8000 , übersteigen wird.
Am meisten ist natürlich in Europa geleistet w^orden und hier
finden wir in Schimpers trefflicher Synopsis den heutigen Stand un-
serer bryologischen Kenntnisse für diese Begrenzung auf 147 Gat-
tungen mit 708 Arten festgestellt, weit über die Hälfte der von
Steudel für die ganze Erde angegebenen.
Dieses europäische Moosgebiet theilt Schimper in drei Floren.
Die südliche Mo osflora vom sechs und dreissigsten Breiten-
grade, Malta und Gibraltar, bis zum sechs und vierzigsten am süd-
lichen Saume der Alpen, also der F.ora mediterranea entsprechend,
zählt auf eilf Breitengrade 400 Arten. Die mittlere Moos-
flora vom sieben und vierzigsten Breitengrade, der Wasser-
scheide der Alpen, bis zum vier und sechszigsten, Archangel und
Lapplands Südgrenze, zählt auf achtzehn Breitengrade 598 Arten,
die nordische Moosflora vom fünf und sechszigsten Breiten-
grade , Island und Lappland, bis zum Pol hat auf sechs und zwanzig
Breitengrade 470 Arten.
Erwägt man nun , dass das Gebiet der mittleren Flora bei wei-
tem das grösste ist, indem von dem der nordischen mehr als die
Hälfte mit Eis bedeckt und noch unbetreten ist, im übrigen Theile
aber das Land nur eine geringe Fläche, das Meer die grössere,
einnimmt, dass diese mittlere Flora die grösste Mannigfaltigkeit
der Standorte hat, in den Hochalpen gewissermassen in die nor-
dische übergreift , die günstigste Mitte zwischen der heissen Dürre
südlicher Sommer und der trockenen Kälte nordischer Winter hält,
und dass sie endlich die Wohnsitze der eifrigsten und tüchtigsten
Bryologen der Vergangenheit wie der Gegenwart umfasst, so muss
der geringe Unterschied dieser Zahlen auffallen; da man ferner in
ganz Europa 708 Arten kennt, in der mittleren Flora aber 598, so
besitzen die beiden andern Floren miteinander nur 110 ihnen eigen-
110
thümliclie Moose (Schimper nennt 46 für die nördliche, 33 für die
südliche).
Unser Württemberg dehnt sich von 47» 35' bis 49^ 35' 30" der
Breite aus, gehört somit zu dem südlichsten Theile der mittleren
Flora; der Höhe nach umfasst es einen Theil der Schimperschen
Getreideregion mit 425 pariser Fuss über dem Meere an dem Was-
serspiegel des Neckars bei dessen üebertritt in das Grossherzog-
thum Baden, bis 1500 Fuss, und dessen ganze Bergregion mit
seinen höchsten Punkten , dem Dreimarkstein auf den Hornisgrün-
den im Schwarzwald, 3550 pariser Fuss, und dem schwarzen
Grat der Adelegg am Saume der Algäuer Alpen im Oberamt Wan-
gen, 3420 p. Fuss.
Dagegen fehlen uns ausser dem untersten Theil der Getreide-
region auch Schimpers subalpine, alpine und überalpine Region
und mit diesen alle hochnordischen Moose.
Bis heute sind in diesem Gebiete 228 Arten von Laubmoosen
gefunden worden, wovon sich zwar nur 164 in der Sammlung des
Vereins für Naturkunde befinden, jedoch beinahe alle in der eben-
falls von mir angelegten der Centralstelle des lan d wir th schaftlichen
Vereins in Württemberg.
Die Vertheilung dieser Laubmoose nach den Hauptformationen
ist sehr ungleich; das mit' L bezeichnete Unterland, das grösste
Gebiet mit dem grössten Wechsel der Formationen , vorherrschend
Keuper- und Muschelkalk, wo Obermedicinalrath von Frölich,
Professor von Mo hl, Dr. Bauer, Apotheker Rathgeb und
Pfarrer Kemmler sammelten, zählt 170 Arten, drei Viertheile
der Gesammtzahl; der den Laubmoosen besonders günstige, an
Feuchtigkeit und Schatten reiche, mit II. bezeichnete Schwarzwald,
bunter Sandstein und Granit, hat 113 Moosarten, oder die Hälfte
der ganzen Zahl , vorzüglich durch die vieljährigen Bemühungen
des verstorbenen Dr. Köstlin in Alpirspach, dann durch den Um-
stand , dass der schroffe Gegensatz dieses Gebirgs in seinem Reicli-
thum an Kryptogamen bei grosser Armuth an Phänogamen den
dasselbe besuchenden oder bewohnenden Botaniker auf die ersteren
verweist.
Dass Oberschwaben, das weite, aber einförmige, mit IV.
— 111 —
bezeichnete Gebiet der Mo Ilasse, 96 Arten zählt, verdanken wir
theils seinem Zusammenhang mit den Voralpen, theils den gefälli-
gen Mittheilungen der Herren Apotheker B alluf in Riedlingen und
Ducke in Wolfegg, so wie einem älteren, mit Sachkenntniss ver-
fassten, aber leider nicht von Original -Exemplaren begleiteten
Verzeichnisse der Moose seiner Umgegend des Reallehrers Jung
in Wangen.
Am schlechtesten kommt unsere schöne, romantische Alp weg,
wir kennen von diesem, mit III. bezeichnetem Gebiete des Jura-
kalks nur 73 Arten, kaum ein Drittheil der Gesammtzahl und ver-
danken auch diese Zahl vorzüglich einem Besuche Schimpers in
Urach; zum Trost für die wackern Botaniker, welche in diesem
Gebiete wohnen, vor Allen ihres würdigen Seniors, Oberamtsarzt
Dr. Finckh in Urach, müssen wir jedoch bemerken, dass Schim-
per den Jurakalk für den ungünstigsten Boden für seine Lieblinge
erklärt , und dass sich hier sehr schön derselbe Gegensatz , wie auf
dem Sclnvarzwald , herausstellt, Mangel an Moosen, weil Reich-
thum an Phänogamen, wie dort Mangel an Phänogamen, weil
Ueberfluss an Moosen, ein Wink dafür, dass mit dem Vorrücken
gegen den Aequator, mit dem Herabsteigen von den Alpenhöhen,
die Laubmoos-Bevölkerung abnehmen muss.
Iilin Blick in die meisterhafte Synopsis muscorum wird uns in-
dessen belehren, wie weit wir noch vom Ziele sind, wie vieles noch
zu leisten ist.
Vergleichen Avir nämlich unsere Moosfiora mit dem in der Ein-
leitung zu erwähnter Spiopsis Seite LXXV bis LXXXIV angeführ-
ten des mitteleuropäischen Gebiets, so finden wir schon in Dr.
von Kl ingg raff s Flora von Königsberg trotz der Einförmigkeit
dieses Gebiets nur 18 Arten weniger (210), in der eben so einför-
migen, aber ausgedehnteren Flora der Niederlande von Dozy
undMolkenbör bereits 24 Arten mehr (252), endlich in der
Flora von Sclilesien nach Milde undPlukar über ein Drittheil
mehr (350).
Dieselbe Zalil von 350 Arten gibt Schimper nur für die Ge-
treideregion des Rheinthals von Basel bis Mainz an, freilich das
am meisten von ihm selbst und den ausgezeichneten Bryologen
112
Bruch und Gümbel mit dem grössten Eifer und unermüdlicher
Beharrlichkeit durchforschte Gebiet; Professor Seubert führt für
das ganze Grossherzogthum Baden 360 Arten auf*, und diese Zahl
werden wir wohl als das in Württemberg zu erstrebende Maximum
annehmen können, eben so für den schwäbischen Jura insbesondere
die von Friedrich Arnold im fränkischen Jura gefundenen 160
Arten , da selbst in dem hoch in die Alpenregion emporsteigenden
Kalkgebirge des Algäus nur 190 Arten gefunden wurden **.
* Zusammenstellung der bis jetzt im Grossherzogthum Baden beob-
achteten Laubmoose von Professor Dr. Moriz Seubert in Karlsruhe, in
den Berichten über die Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft
zu Freiburg i. B. 1861. 8. Band II. Heft 3 Seite 262 bis 311.
** Die Laubmoose des Algäus, nach den hinterlassenen Manuscrip-
t«n Otto Sendtners und den Beobachtungen mehrerer seiner Freunde
zusammengestellt von G. Gerber, im vierzehnten Bericht des natur-
historischen Vereins in Augsburg. 1861. 8. Seite 42 bis 55.
3. Die tertiären Hirsche von Steinheim.
Von Dr. Oscar Fr aas in Stuttgart.
Mit Taf. I. & II.
Die grosse Zersplitterung der tertiären Hirscharten —
Giebel zählt in seiner Fauna der Vorwelt schon mehr als 60
Species auf — hat ihren Grund vielfach in der mangelhaften Er-
haltungsweise der zu Grunde liegenden Funde, in welchen der
Palaeontologe nur vereinzelte und zerstückelte Reste erhielt, weit
aus ungenügend, um mit Sicherheit darauf Arten zu bauen. Der
Fund eines in seiner Weise so vollständigen Hirsches, wie der
auf Taf. I. abgebildete, ist ein seltenes Ereigniss: erfreulich genug,
sofern es ein Bild des ganzen Thieres bietet, unter welchem die
länger schon gekannten Zähne, Kopf und Fusstheile vereinigt
sind. Immerhin bilden aber auch die in nachstehender Abhand-
lung veröffentlichten Funde nur Beiträge, keineswegs erschöpfen-
des Material zur Kenntniss des so weit verbreiteten Tertiär-
Hirsches, den wir vorläufig mit dem Namen: Cervus furcatus
bezeichnen. Die auf Taf. I. & II. abgebildeten Stücke stammen
sämmtlich aus dem Tertiär von St ein he im, das seit den
ältesten Zeiten schon bekannt eine richtige Deutung dennoch sehr
schwer zulässt. Eines scheint mir in Betreff der Lokalität klar
zu sein, dass die sog. Steinheimer Tertiäi'-Mulde nicht als eine"
für sich bestehende locale Ablagerung in der Tertiärzeit anzu-
sehen ist, sondern als Rest einer weithin verbreiteten Formation,
die mit den Bildungen im Ries ebenso als mit denen von Ulm
zusammenhing und einzig nur darum uns erhalten blieb, weil vor
der Denudationsperiode, in welcher die übrige Tertiärbedeckung
der Alb weggewaschen wurde, jener Tertiärfleck in Folge einer
Württemb. iiaturw. Jahreshefto. 18G2. 2s Heft. 8
— 114 —
grösseren Trichterbildung im Massenkalk des Juras eingesunken
war. Ich glaube nicht, dass bei näherer Untersuchung der dor-
tigen Gegend eine Anschauung zulässig ist, wie sie z. B. Jäger
(fossile Säugethiere von Württemberg pag. 61}- äussert, der sich
das Becken von Steinheim als von Jura-Kalk-Ufern umflossenen
See denkt, welcher die zahlreichen Fische und Muscheln beher-
bergt, und in welchen der Giessbach aus dem Windthal und an-
dere Zuflüsse die Reste von Säugethieren theilweis erst später
einschwemmte. Abgesehen von den Lagerungs- Verhältnissen,
welche nirgends horizontale Schichtung, sondern überall geneigte
und verstürzte Tertiärbänke erblicken lassen, abgesehen von dem
Gürtel jurassischen Schuttes — nicht abgerundeten Geschiebes,
sondern eckigen, scharfkantigen Schuttes, der zwischen den Ter-
tiärbänken und dem Jura liegt, ist es kaum denkbar, wie in dem
kleinen, kaum '/4 Quadratmeile grossen See, eine so massenhafte
Bildung von Organismen hätte vor sich gehen sollen, dass die
Schichten, welche das Becken füllen, rein nur aus Schnecken und
Fischen und ihren Trümmern bestehen, ausser zahlreichen Säuge-
thieren, Schildkröten und Vögeln, deren Reste vom Ufer aus in
den See geschwemmt worden wären. Wenn auch Valvata multi-
formis, die auf der Steinheimer Alb als Feg-Sand gebraucht wird,
eben nur auf Steinheim beschränkt erscheint und weder im Ries
noch in Ulm sich bis jetzt gefunden hat, so ist doch das locale
Vorkommen einer Species etwas so Gewöhnliches, dass es als Be-
weis für die locale Bildung des ganzen Beckens nimmermehr
gelten darf. Die meisten andern xVrten finden in dem Tertiär
von Ulm, Mainz, Auvergne und dem Süden von Frankreich ihres
gleichen wieder. Demnach wird wohl Niemand mehr daran
zweifeln, dass unser Steinheimer Tertiär ein Glied und Ueberrest
einer weit verbreiteten Formation sei, welche jedenfalls in die
Zeit der zweiten Tertiärperiode, in die Lebensepoche de^Falaeo-
theriums von Orleans {Anchitheiium aurelianense), des Nashorns
ohne Hörn (Aceratheriimi incisivicm) und anderer fällt. Eine ge-
nauere Parallele zu ziehen, hat ihre grosse Schwierigkeiten und
wird zur Zeit, ehe wir weitere Anhaltspunkte gefunden haben,
nahezu unmöglich sein.
— 115 —
Der Erste, der tertiärer Wiederkäuer überhaupt Erwähnung
thut, ist Cuvier im Art. VI. seiner fossilen Hirsche, Geweih-
stücke und Zähne einer neuen Hirschart , an Grösse dem Reh
vollständig gleich waren ihm aus dem Steinbruch von Montabu-
sard, dep. du Loiret, in Gemeinschaft mit Resten von Lophiodon
und Mastodon mitgetheilt worden. Drei hintere Unterkieferzähne
ghchen so sehr dem Reji, dass selbst das geübteste Auge sie nicht
zu trennen vermochte. Dagegen Hessen die Zähne des Oberkie-
fers und die Geweihstücke starke Unterschiede beobachten. Er-
stere zeigten an den 3 hinteren Backenzähnen starke Hügel auf
der Aussenseite des Zahnes vor jedem Halbcylinder und einen
Halskragen auf der Innenseite an der Basis der Krone. Insbe-
sondere aber fielen die 2 vorderen Backenzähne auf, die einfach
sind, schneidend und Slobig und der zweite gleichfalls mit einem
Halskragen versehen, während die 3 ersten Backenzähne der sonst
bekannten lebenden Hirscharten aus 2 einfachen Halbmonden, der
eine vor dem andern, bestehen. Die Gabelung des (sehr frag-
mentarischen) Geweihstücks erinnert am meisten an den Hirsch
von Timor , Cervus Peronii. So mangelhaft das Material war,
das Cuvier vorlag, so sah er doch an Geweih und Zähnen
schon den Unterschied zwischen dem fossilen Hirsch und dem
Reh, verzichtete jedoch auf einen Speciesnamen und nannte ihn
schlechtweg den „Hirsch von Montabusard." L artet hat ge-
glaubt, den Namen Dicrocerus crassus und neuerdings den
Gray'schen Namen Hyaemoschus auf Cuviers Hirsch anwenden
zu sollen. Dagegen konnte ich an den Cuvier'schen Original-
stücken, die ich unlängst im jardin des plantes mir ansah, einen
merklichen Unterschied zwischen dieser und unserer Steinheimer
Art nicht herausfinden.
\Yeiter beschrieb Geoffroy St. Hilaire 1833 aus der
Auvergue 2 Wiederkäuerformen mit langen , oberen Eckzähnen
unter dem neuen Namen Dremotherium , das Geschlecht soll zur
Familie Moschus gehören und die Lücke ausfüllen zwischen Mo-
schus und Tragalus. Geweihe beobachtete man nicht.
Zur gleichen Zeit fand Mandelslohe zum ersten Mal
unsere Wiederkäuer von Steinheim, gleichfalls 2 Grössen, deren
— 116 — _
er in seinen geognostischen Profilen der schwäbischen Alb 1834
pag. 6 als Cervus elaphus und capreolus Erwähnung thut. Im
Jahr darauf 1835 wurden die damals bekannten Reste sofort von
Jäger (foss. Säugethiere Würtembergs) pag. 61 ff. beschrieben.
Es stunden Jäger 11 Stück Knochen und Zähne von der
kleinen und 21 Stücke von der grossen Art zu Gebot; unglück-
licher Weise waren es solche Skelettheile, an welchen keine oder
nur unbedeutende Abweichungen von lebenden Arten beobachtet
werden konnten, wesshalb er auch keinen Anstand nahm, die
kleine Art mit unserem Reh, die grosse mit dem gemeinen
Hirsch zu vergleichen, die Identität jedoch immerhin als zwei-
felhaft gelten zu lassen. Abgebildet wurden auf Taf. 3. ein pha-
lanx Fig. 1 — 3, radius Fig. 4, astragalus Fig. 5 — 8, 2 metatarsus
Fig. 9, 11, scaphoi-cuboideum Fig. 10, tibia Fig. 13 — 15, femur
Fig, 16, humerus Fig. 17, 2 vordere obere Backzähne T. 9. Fig.
7, 8 und ein Halswirbel Fig. 9.
Mit Ausnahme des metatarsus findet Jäger keinerlei Abwei-
chung von Cervus capreolus. An dem Mittelfussknochen fällt ihm
jedoch die innere tiefe Rinne auf, welche beim Reh kaum auge-
deutet, nur bei C. virginianus ähnlich stark ausgedrückt ist.
Von der 2ten Hirschart, welche ungefähr die Grösse des ge-
wöhnlichen Hirsches hatte, sind auf Taf. IX. abgebildet ein 3. und
4. unterer Backenzahn Fig. 10 — 13, 3 Stücke von Wirbeln, ein
condylus femoris, ein Bruchstück von scapula und humerus, 5
Carpalknochen und Phalangen: unter welchem os hamantum am
meisten von dem des lebenden Hirsches abweicht. Die Abwei-
chung war nicht erheblich genug, um den lebenden Hirsch vom
Steinheimer zu trennen, andererseits gaben auch die aufgefunde-
nen Reste keinen bestimmten Beweis ab für die Uebereinstim-
mung beider.
Zehn Jahre später nahm die Anschauung unserer Wiederkäuer
eine bestimmtere Richtung, indem im 1. Band unserer Jahreshefte
Taf. I. pag. 152 Graf Mandelslohe einen Unterkiefer mit
vollständiger Zahnreihe von der kleinen Art abbildete. Er wird
dort ohne Beschreibung und nähere Motivirung Palaeomeryx
Scheuchzeri H. v. M. genannt. Der Name wurde vom Autor des
— 117 —
Geschlechts und der Art selbst gegeben und auf dessen Autorität
hin Avurden seither die in Steinheim und Ulm gefundenen Reste
kleinerer und grösserer "Wiederkäuer Palaeomeryx genannt, umso
mehr alsH. v. Meyer durch Aufstellung von 8 Arten dafür gesorgt
hatte, dass verschiedene Grössen und mehr oder minder erheb-
liche Abweichungen der Stücke unter einander mit Namen be-
nannt werden konnten.
Im Jahr 1833 hatte nämlich H. v. Meyer unter den fossilen
Knochen und Zähnen von Georgensgmünd in Bayern {Museum Sen-
kenbergianuDi Suppl. zu Band I, 1834) Wiederkäuerreste als offen-
bar generisch von den bekannten lebenden verschieden beschrieben
und den Namen Palaeomeryx gegeben. Pal. Bojani nennt er das
grössere. Pal Kaupii das kleinere Thier, welchem die Zähne und
Kieferreste auf Taf. IX. und X. Fig. 75—80 zugehören. Die Basis
der Zähne ist breit , die äusseren Halbmonde der Unterkieferzähne
sind spitzwinkliger , die 2 inneren Hauptspitzen höher als bei
lebenden Formen, die inneren Nebenspitzen deutlich konisch , die
Länge des lezten Backenzahns vonP. Kaupii beträgt 0,023, die Breite
0,013, von Bojaru 0,029 und 0,013. Der vorletzte Backenzahn des
Kaupii misst 0,017 und 0,013 , des Bojani 0,019 und 0,014. Aehn-
lich verhalten sich die oberen Backenzähne, die Halbmonde an der
Innenseite sind spitzer gekrümmt, die Nebenspitzen an der Aussen-
seite auffallend stark und konisch , worin der fossile einige ent-
fernte Aehnlichkeit mit Moschus zeigt.
Um dieselbe Zeit hatte Kaup in Eppelsheim ein neues Wieder-
käuer-Geschlecht mit 7 Zähnen (?) im Unterkiefer entdeckt , das
er Dorcatherium nannte, dessen Zähne am ein Dritttheil kleiner als
die de^i Pal Kaupii sind, dessgleichen fand Kaup einen Cervus nanus,
dessen Zähne mit lebenden Wiederkäuern stimmten, während die
von Dorcatherium durch den Mangel der konischen Nebenspitzen
und die ganze Struktur der Zähne sich ebenso von den lebenden
Formen als von Palaeomeryx unterscheiden.
Ausserdem hatte Schinz in der Braunkohle von Käpfnach 2
Wiederkäuerformen gefunden , die eine grössere vom Edelhirsch
kaum zu unterscheiden, die andere der Antilope dorcas ähnlich.
Alle diese Funde bestunden in mangelhaften Stücken, über die
— 118 —
'Hauptfrage bei Bestimmung der Wiederkäuer, ob das Thier Geweih
odet Hörner oder keines von beiden trug , konnte nichts gesagt
werden , vom Gebiss fanden sich nur einzelne Zähne, keine Zahn-
reihen, so dass z. B. die Eckzähne des Thieres, welche den Namen
Dremotherium veranlassten und bei Palaeomeryx gleichfalls vorhan-
den sind, an letzterem nicht gekannt waren. Dessgleichen fand
zwar Kaup im Eppelsheimer Sande einzelne Geweihgabeln auf
langem Rosenstock, denen er verschiedene Namen gab, aber in Ver-
bindung mit Schädeln oder ganzen Skeletten konnten sie nicht ge-
setzt werden.
Während dieser Zeit hatte der berühmte Hügel von Sansan
dep. du Gers, der ein wahres zoologisches Museum aus der Tertiär-
zeit der Miocene bildet, auch eine'Reihe Wiederkäuer zu Tage ge-
fördert, mit einfachen Geweihgabeln auf langem ^osenstock, mit
und ohne gebogene Eckzähne , von verschiedenen Grössen, die
E.L artet Dicrocerus nennt und davon 1851 3 Arten publicirte :
D. elegans, crassus, magnus. Laut mündlicher Mittheilung soll die
2te Spezies zu Hyaemosclms Gray gestellt, die 3te mit Palaeomeryx
Bojani v. Meyer vereinigt werden. Die Vergleichung der kleinen
Steinheimer Art mit Dicrocerus elegans von Sansan aber zeigte eine
auffallende Uebereinstimmung , die an einer Reihe von Gebissen
und einzelnen Knochen durchgeführt wurde und auf welche wir bei
der Beschreibung des Thieres zurückommen werden.
Die letzte mir bekannte Abhandlung verdanken wir Herrn
Reinhold Hensel in Berlin, (Zeitschrift der deutsch-geologischen
Gesellschaft XI. B. 2. Heft). Er hatte das Glück aus dem Tertiär
von Kieferstädel in Oberschlesien ein Geweihstück und einen gebo-
genen Eckzahn von unserem Wiederkäuer zu erhalten ; beide sind
eben die wichtigsten Merkmale zur Bestimmung und wissenschaft-
lichen Stellung des Thieres und veranlassten den Namen Prox
furcatus. Er machte insbesondere, und dies mit vollem Recht, auf
die 3 ersten Backenzähne im Unterkiefer der Wiederkäuer aufmerk-
sam , welche bei Bestimmung der Arten in Betracht zu ziehen sind
und vergUch die Zähne von Dicrocerus elegans mit lebenden For-
men, namentlich mit den lebenden Muntjacs, aufweiche die Aehn-
lichheit der Geweihe hinweist.
— 119 —
Endlich hat A. v. Nordmann in seiner Palaeontologie Süd-
russlands * 2 Zähne eines ^.Falaeomeryx^'- abgebildet aus dem Step-
pen-Kalk von Odessa und erwähnt eines Geweih-Fragments eben
daher , die jedoch zu mangelhaft erhalten und beschrieben worden
sind, als dass sie verglichen werden könnten. Es ist mehr das geo-
gnostische Moment von Interesse , indem die genannten Reste zu-
gleich mit Lutra, Delj)]iinus^ Trionyx, Vögeln und Fischknochen in
einem Schnecken-Conglomerat sich finden.
Die zahlreichen Erfunde an Wiederkäuer-Resten aus Steinheim
haben doch entschieden nicht mehr als 2 Arten uns kennen gelehrt
eine kleine Art {Cervus furccttus) und eine mehr als noch einmal so
grosse {Cervuspseudoelaphus). Von ersterer Art liegen mehr Reste vor
als von der grösseren. — Es stimmt dieses Yerhäitniss des Vorkom-
mens mit dem an den verschiedensten Localitäten überein, überall,
wo gehörig gesammelt wurde, sind es hauptsächlich 2 Formen, die
immer und immer wieder begegnen, die Hirschform und die
Rehform, Fangen wir mit letzterer an.
A. X)ie kleinere Art.
1. Grössenverhältniss. Taf. I.
Die Gesammtlänge des Thieres von der Schnautze bis zum
Kreuzbein mag nahezu 1 Meter betragen haben; eine genaue Mes-
sung ist wegen der Verschiebung der Knochen im Gestein nicht
möglich. Dazu kommt die Schwanziänge mit gQ^(!^xi 0,15. Die
Höhe des Thieres oder die Gesammtlänge von Hand, Vorderarm,
Oberarm und Schulterblatt 0,68. Diese Grössen - Verhältnisse
stimmen mit denen eines virginischen Hirsches auffallend überein,
mit dem überhaupt auch noch in anderer Beziehung auffallende
Aehnlichkeit sich lierausstellen wird. Die Länge des Schädels 0,2.
2. Das Geweih. Taf. H. Fig. 2. und 10.
Ein einfach gegabeltes Geweih sitzt auf einer rings mit Perlen
besetzten Rose, getragen von einem langen, runden Rosenstock.
Die obere Gabel des Geweihs (Augensprosse) ist namhaft kleiner
Helsingfors 1859. Pag. 249.
— 120 —
und schwächer, als die untere Gabel (Stange). Beide sind stark
gefurcht und laufen die Furchen zwischen den Perlen der Rose aus.
Die Perlen sind auf der Innenseite der Rose ausgebildeter, als
auf der Aussenseite. Der Rosenstock zeigt nur schwache Furchen,
beziehungsweise Spuren von Gefäss-Eindrücken , und war wie bei
dem lebenden Muntjac genau in der Ebene des Vorderhauptes
nach hinten gerichtet. In Fig. 2. ist das vollssändigste der bisher in
Steinheim gefundenen Geweihstticke abgebildet. Am Rosenstock
hängt noch ein Stück Hirnschale und ein Theil der Augenhöhle.
Die Länge des Rosenstocks von der Augenhöhle bis zum unteren
Rand der Rose beträgt 0,105. Der Rosenstock , nach aussen
schwach convex , ist in der Mitte rund , am Oberende unter der
Rose oval , an seiner Basis verliert sich die Rundung und treten
Kanten hervor , unter denen die stärkste oben über die Augen-
höhlen hinlauft. Die Rose steigt etwas schräge von vorne nach
hinten und von innen nach aussen auf, dass somit ihre Ebene nicht
senkrecht zur Axe des Rosenstocks liegt. Ihre Form ist oval , die
beiden Durchmesser 0,05 und 0,035. Auf 3 Seiten, vorne, innen
und hinten sind ausgezeichnete Perlen, während auf der Aussen-
seite mehr nur ein schärferer Rand der Rose zu beobachten ist,
30 Millimeter (bei andern Exemplaren auch 35 und 40) über der
Rose gabelt sich ein stark gefurchtes Geweih in 2 ungleiche Theile
in ein kurzes inneres , schwach nach hinten gebogenes Stück und
ein längeres , deutlich nach innen gekrümmtes. Betrachtet man
das hintere, längere Stück als Stange, so ist das kurze, vordere die
Augensprosse.
Fig. 10. ist ein kleineres Geweih von einem jüngeren Thiere
abgebildet. Es hat durch Verwitterung wohl schon vor der Ein-
hüllung in die Schichte stark Noth gelitten , doch lassen sich die
Grössen-Verhältnisse des Stocks, der Rose und der Gabel beobach-
ten, ebenso hängt auch an diesem Stück noch ein Fetzen Hirnschale,
wodurch die Stellung des Geweihs klar wird. Weitere Bruchstücke
unserer Sammlung zeigen die gleichen Verhältnisse und lassen an
einem derselben die Beobachtung machen , dass die Rose nicht
abgebrochen, sondern abgeworfen wurde, eine Beobachtung, die
auch L artet bei Dicrocerus bestätigt.
— 121 —
Vergleichen wir damit andere Geweih-Formen, die hieher ge-
hören , so finden wir zunächst das schlesische Geweih des Prox
furcatus Hensel (Jalirh. d. d. G. G. XI. Taf. X. 1 und 2) durchaus
übereinstimmend. Nur in Einem kann ich nicht mit Hensel über-
einstimmen , wenn er pag. 264 über die Stellung des Geweihs sagt,
die Ebene der Rose sei bei gewöhnlicher Haltung des Kopfes un-
gefähr horizontal gewesen. Wenn ich unsere Steinheimer Geweihe
mit ihren über zollbreiten Stücken der Stirnschale an meinen
Muntjacschädel halte ,^so kann ich bei der Lage der Augenhöhle,
der Stirn und der Kronennaht für Cervus furcatus durchaus keine
andere Stellung des Geweihs annehmen, als es beim lebenden
Muntjac der Fall ist. Von einer auch nur annähernd horizontalen
Stellung der Rose kann kaum die Rede sein , es würde diese bei
unsern Exemplaren eine steile Stellung der Stirne voraussetzen,
die mit den übrigen Verhältnissen im Widerspruch wäre. Dage-
gen bin ich mit Hensel ganz einverstanden, wenn die Stücke von
Sansan {Dicrocerus elegans Lartet) als specifisch verschieden an-
gesehen werden. Es liegen vor mir 3 Stücke von dort mit
kurzem starken Rosenstock von nur 0,06 Länge, nicht rund in
der Mitte, sondern oval. Anhängende Schädelstücke von Stirn-
bein lassen, wie Hensel bemerkt, eine steilere Stellung des Ge-
weihs als bei Muntjac vermuthen, ob sie jedoch so steil war, als
beim Reh möchte ich, wenn ich Schädel von lebenden daneben
halte, wohl bezweifeln. Die Rose misst entsprechend von vorne
nach hinten 0,055, von innen nach aussen 0,03.
Perlen sind nur wenige auf der Innenseite , wodurch die
Rose bei weitem nicht den ausgesprochenen Kranz bildet, wie
bei Cervus furcatus. Die Gabelung ist nicht so ungleich, viel-
mehr sind die 2 Zinken an ihrer Basis nur wenig verschieden,
der Raum zwischen beiden an der Basis ist breit. In die Aecht-
heit der Spitze auf Taf. X. 3. setze ich mit Hensel gerechte
Zweifel. Ich besitze zwar kein ganz vollständiges Geweih von
Sansan, doch finde ich eine abgebrochene Geweihspitze sehr spitz
und glatt auslaufen. — Bei aller Verschiedenheit der Geweihe
von Sansan einerseits und Steinheim-Kieferstädel andererseits ist
doch die typische Uebereinstimmung der Formen höchst erfreu-
— 122 —
lieh; hier wie dort tragen die am häufigsten vorkommenden Wie-
derkäuer einfache Geweihgabehi auf einem verUlngerten Rosenstock
wie es heutzutage nur von dem subgenus Cervulus Bl. oder Stylo-
cerus H. Smith oder Prox O^iVoj bekannt ist. Die Kaup'schen
Arten C. anocerus und dicraiiocerus von Epi>elsheim beruhen,
wie Hen sei zeigt, auf zu mangelbaften Belegstücken, doch zeigen
auch sie den Typus einer einfachen Geweihgabel auf einem lan-
gen Rosenstock.
3. Die Zähne. Zahnsystem ^^^^
■^ 4. 0. 6.
6 Bac kenzähne, 1 Eckzahn im OJjerkiefer. Auf was
Cuvier am Hirsch von Montabiisard schon aufmerhsam macht,
als Unterscheidungsmerkmal von lebenden Arten, was H. v. Meyer
an dem Pcdaeomeryx Bojani und Kaupil von Georgensgmünd
auszeicbnet, sind die starken Schmelzfalten an der Aussenseite
der 3 hinteren Backenzähne. Cuvier nennt es,, des points plus gros-
ses ä ia face externe, en avant de chaque demicylindre", Meyer
bezeichnet sie als starke conische Nebenspitzen. Der Schmelz der
Kalbcylinder faltet sich auf der Aussenseite dermassen, dass, die
Schmelzfalten bei jüngeren Thieren selbstständige Nebenspitzen
bilden, die erst bei voranschreitender Abkauung in Gebrauch
kommen und mit der übrigen Zahnfläche sich in Verbindung
setzen. Dies ist bei Cervus furcatus^ wie auch bei Dicrocerus
elegans ausserordentlich karakteristisch und trennt die fossile
Form von den lebenden. Meyer vergleicht dies annähernd mit
Moschus, mehr noch als bei Moschus finde ich jedoch bei Cervus
muntjac die Falten entwickelt, jedoch lange nicht in dem Maase
als bei C.furcatus. Auf der Innenseite zeigen die Zähne einen
Kragen von Schmelzwarzen, den ich jedoch ähnlich auch bei
lebenden beobachte, am stärksten ist dieser Halskragen an den
Zähnen von Sansan ausgebildet, die ich Herrn Lartet verdanke.
Die vordere Hälfte der Backenzälme zeigt ähnliche Eigenthüm-
lichkeiten, namentlich die 2 ersten Zähne, auf die Cuvier schon
hinweist. Die zwei hinteren Zähne sind durchweg tiefer als breit*,
* Unter der Breite des Zahns verstehe ich die Richtung von vorne
nach hinten, unter der Tiefe die Richtung von aussen nach innen.
— 123 —
die 2 vorderen sind umgekehrt breiter als tief, ihre einfache,
schneidende, Slappige Form Avar es, die Cuvier schon als
Unterschied von bekannten, lebenden Wiederkäuern bezeichnete.
Der 3te Backenzahn besteht aus 2 einfachen Halbmonden, der eine
hinter dem andern.
Die Eckzähne betreffend, hat unser Cervus furcatus 2 aus-
gesprochene Alveolen am vordem Ende des maxillare, aus wel-
chen die Zähne allerdings ausgefallen sind. Dagegen finden sie
sich wohl vereinzelt. Aus dem ülraer Landschneckenkalk besitzen
wir lange, gekrümmte Eckzähne mit schneidender Schärfe. Na-
mentlich besitzt Hr. Finanzrath Eser ein Exemplar von 0,035
Länge und am breitetesten Theil von 0,009 Breite, gekrümmt
wie ein Muntjac-Zahn und auf der Innenseite messerscharf.
An Dorcatherium beschrieb Kaup schon längst Eckzähne, die
weit aus dem Kiefer ragten. Sollte — was ich nicht zu entschei-
den vermag aber mit andern vermuthe — dieses Thier doch blos
6 Backzähne haben und die Beobachtung eines 7ten Zahns etwa
auf unregelmässigem Zalmwechsel oder auf Zählung eines stehen-
gebliebenen Milchzahns oder dergleichen beruhen, so wird w^ohl
dereinst auch Dorcatherium zur Gruppe unserer Wiederkäuer fallen
und schliesslich die Hirsche mit den Gabel - Geweihen sich
vereinigen lassen. Auffallend ist, dass L artet aufs Bestimmteste
versichert, niemals Eckzähne bei Dicrocerus elegans gefunden zu
haben, dagegen legt er solche der anderen Spezies von Sansan
bei, die er früher Dicrocerus crassus jetzt nach Gray Hyaemo-
schus crassus nennt. Diese Zähne sind die gleichen, wie sie bei
uns sich finden: gekrümmt, sehr flach und nach hinten schnei-
dend, lieber den Taf. II. Fig. 3. abgebildeten Eckzahn der
grösseren Art siehe unten pag. 129.
6 Backenzähne, 4 Schneidezähne im Unterkiefer.
Henselhat in seiner Abhandlung über den fossilen Muntjac aus
Schlesien, die so viele schätzenswerthe Notizen enthält, bei der
Untersuchung der Wiederkäuer auf die 3 ersten unteren Backen-
zähne aufmerksam gemacht, in deren Beschaffenheit die wesent-
lichen Arten -Unterschiede begründet seien. Wenn auch wogen
der verschiedenen Stadien der Abnutzung es häufig sehr schwer
— 124 —
fällt, sich das richtige Bild von dem eben in Frage stehenden
Zahn zn machen und die Form der Loben bei ein und derselben
Art mit der Altersverschiedenheit wechselt, so unterliegt es doch
keinem Zweifel, dass unter allen Zähnen des Ober- und Unter-
kiefers die 3 ersten unteren Backenzähne bei der Artenbestimmung,
die wichtigsten sind. Zu dem Ende habe ich im Anschluss an
die von H e n s e 1 auf Taf. XI. loc. cit. abgebildeten Zähne in Fig.
13 und 14 die Zähne von Cervus mexicanus und Moschus
moschiferus, die Hensel nicht beobachten konnte, zur Yergleichung
abgebildet, dessgleichen ein von Hrn. L artet erhaltenes Stück
Dicrocerus elegans von Sansan in Fig. 12., da die Abbildung
Hensels auf Taf. XI., 9. undeutlich und unvollständig ist.
Am Kieferstück eines jungen, im Zahnwechsel nahezu be-
griffenen Individuums lassen sich Fig. 15. die Milchzähne be-
obachten neben den theilweise schon herausgetretenen bleibenden
Zahnkronen. Der Ite und 2te Milchzahn unterscheidet sich im
Wesentlichen von dem Iten und 2ten bleibenden Backenzahn nicht.
Jene sind nur um etwas kleiner und schmäler als diese, hier wie
dort bleibt der Hauptkarakter : einfache, dreispitzige Zähne.
Dagegen ist der dritte Milchbackenzahn ein durchaus anderer , als
der 3te permanente, er ist aus zweimal drei Spitzen zusammen-
gesetzt und sieht so dem letzten (6ten) permanenten Backenzahn
ähnlich, mit dem einzigen Unterschied, dass am 6ten Backenzahn
die 2 hinteren Spitzen die kleineren sind, an dem letzten Milch-
backzahn dagegen die vorderen. Dadurch wird eine Vermitt-
lung zwischen den Milchzähnen und den 3 allmählich heraus-
wachsenden hinteren Backenzähnen hergestellt und beim Zahn-
wechsel brechen hinter den Milchzähnen nacheinander hervor :
Backenzahn 4. 5. 6. 1. 2, 3. Der 3te permanente Backenzahn ist
der letzte, an Fig. 15. ist die Krone noch ganz zart, der Schmelz
papierdünn , während 2 und 1 bereits fertig in der Zahnhöhle
sitzen und der erste Backenzahn den ersten Milchzahn bereits in
die Höhe zu schieben im Begriff steht.
Der letzterscheinende 3te permanente Backenzahn ist es nun
vor allen, der bei verschiedenen Arten Eigenthümlichkeiten zeigt.
Seine Stellung zwischen den bei allen Arten verschiedenen verde-
125
ren und hinteren Backenzähnen lassen ihn bald den Typus der
vorderen tragen (C muntjac)^ bald den der hinteren (C. virginianus).
C. furcatus gehört zur ersteren Gruppe : hier zeigt der 3te Backen-
zahn durch alle Stufen der Abnutzung den Karakter des 2. und
1. Backenzahns , d. h. er ist und bleibt einfach an seiner Basis
Sspitzig im frischen Zustand, die 3 Spitzen schlagen nach innen
Falten , die im frischen Zustand als isolirte Nebenspitzen, bei
vorschreitondcr Abnutzung aber in Verbindung mit jenen mehr
und mehr heraustreten , breiter und damit einfacher Averden.
Taf. IL Fig. 9. gehört zu dem auf Taf. 1. abgebildeten schon
sehr alten Individuum. Die Zahnreihe in Fig. IL, einem jünge-
ren Thiere angehörig zeigt den Verlauf der von den 3 Spitzen
des Zahns nach innen abzweigenden Falten sehr deutlich. Di-
crocerus von Sansan ist vollständig vom gleichen Zahnbau, eine
kleine Abweichung nur in der Grösse, die bei jedem Zahn etwa
1 MM. beträgt, um den Dicrocerus grösser ist als C. furcatus.
Werfen wir einen kurzen Seitenblick auf lebende Formen,
so lassen sich die Cariacus-Arten C. virginianus und C. mexicanus
(Fig. 13.) an Zahn 1 und 2 von C. furcatus keine Abweichung
beobachten, es sind einfache, Slobige Zähne, vom äusseren höhe-
ren Zahnrand aus gehen nach innen Falten, die sich jedoch noch
nicht isoliren, wie solches am 3ten Zahn der Fall wird. Dadurch
verliert der 3te Backenzahn die Finfachheitdesersten und zweiten,
die isolirten inneren Schmelzfalten machen ihn bei vorschreiten-
der Abnutzung immer mehr zu einem deutlich doppelten Zahn,
wie es die Zähne 4 — 6 sind. — Noch faltenreicher als Caria-
<;us ist Moschus. Ein Blick auf Fig. 14 Moschus moschiferus
Linne (aus Sibirien) lehrt die Abweichung von C. furcatus ebenso
als von C-di'iacus. Schon die hintere Hälfte des 2ten Backzahns
wird doppelt , beim dritten vollens sind ganz bestimmt innere
und äussere Schmelzhügel getrennt. Es kann also in dieser Hin-
sicht schon von einer Verwandtschaft der Typen keine Rede sein,
worauf auch schon Quenstedt (Jahresheft VL pag. 179) auf-
merksam machte.
Eine Vergleichung mit C. muntjac von Tenasserim hat Hen-
sel angestellt. Der Schädel unserer Sammlung gehört einem
126
jungen Individuum mit Milchzähnen an und eignet sich somit
zu einer Vergleichung nicht. Hensel sagt vom 3ten Backenzahn, er
könne gewissermassen nur als grössere Ausbildung des zweiten
angesehen werden, während dieser wiederum in demselben Yer-
hältniss zum ersten steht. Nach der Abbildung auf Taf. XL 8.
isoliren sich schon ziemlich stark die inneren Zahnhügel von dem
äusseren Schmelzblech , so dass ein Terfliessen der Falten erst
bei weiterer Abnutzung stattfinden wird. Eine gewisse Aehnlich-
heit mit C furcatus ebenso , als mit Dicrocerus lässt sich daher
aus dem Gesagten gar nicht läugnen.
lieber die übrigen Backenzähne ist wenig mehr zu sagen:
Schmelzhöcker auf der Aussenseite des Zahns, je zwischen zwei
Halbmonden, hommen trotz ihrer Lage an der Basis des Zahns
bald zur Ankauung wie Fig. 11. zeigt. In ihrem sonstigen Bau
stimmen die aller Wiederhäuer mit einander überein. Die Länge
der vollständigen Reihe der 6 Backzähne misst bei:,
,. C. furcatus 0,070
Dicrocerus 0,078
C. virginianus 0,075
C. mexicanus 0,077
Moschus 0,045
Muntjac 0,065
Schliesslich ein Blick auf die Zahnlücke und die Schnei-
dezähne. Erstere misst 0,045, also zwei Drittheile der Backen-
zahnreihe, AehnUch bei dem virginischen und mexikanischen
Hirsch. Das starke Foramen unter dem ersten Backenzahn an
Fig. 9. scheint individuell zu sein. Die Schneidezähne sind ganz
von der Grösse und Gestalt des virginischen Hirsches, der erste
ist breit und stark, die 3 anderen schmal und schlank.
4. Rumpf und Extremitäten.
Rumpf und Extremitäten des auf Taf. I. abgebildeten
C furcatus bedürfen kaum einer eingehenden Beschreibung, Die
Lage von Kopf und Wirbelsäule, deren Krümmung, sowie die
Biegung der Kniee ist die eines gefallenen Thieres. Der Cada-
ver lag auf der rechten Seite, so dass linker Vorder- und Hinter-
— 127 —
fiiss oben zu liegen kamen. Vom rechten Yorderfuss sielit man
die' scapula, über welcher die darauf liegende Wirbelsäule weg-
gebrochen ist , Brüchstücke und Eindrücke des Oberarms sind
noch sichtbar, das Uebrige versteckt sich in dem Gestein, ebenso
ist der ganze rechte Hinterfuss und ein Theil des Beckens
der Beobachtung entzogen. Die 6 ersten Halswirbel liegen klar
und gut erhalten vor , dagegen haben Rücken- , Lenden- und
Schwanz- Wirbel sehr Noth gelitten, Wirbel-Körper wie Fortsätze
sind abgeschiefert und ein wahres noli me tangere. Besser sind
die Extremitäten erhalten. Die Länge der einzelnen Knochen
differirt kaum um einige Millimeter von den Knochen des C. vir-
ghiicmus, die Knochen selbst zeigen nichts Autfälliges. Im Allge-
meinen sind sie noch schlanker und feiner als beim virginischen
Hirsch, sowohl die Handwurzelknochen als der Mittelhan dknochen.
Ulna und radius sind fest mit einander verwachsen. An den
Condylen des metacarpiis sitzen noch zierliche Sesam-Beine (Taf.
H. Fig. 17.). Unter allen Knochen sind die Sprungbeine die
häufigsten; ausser dem vollständig erhaltenen Hinterfuss liegen
22 Stück astragalus von Steinheim vor mir, sämmtlich an Grösse
und Gestalt sich gleich, d. h. um nicht mehr als einige Millimeter
von einanden abweichend. Fig. 16. ist der linke astragalus un-
seres vollständigen Thieres von der Vorderseite aufgenommen,
er misst 0,030 in der Länge, 0,020 über die Rolle zum scaphoi-
deum. Die Sprungbeine des Dicrocei^us elegans von Sansan, die
mir zu Gebot stehen, sind um 2 — 3 Mm. stärker. Auf die starke
Rinne am metatarsus , die bei C. virginianiis schon vorhanden,
bei C. furcatus noch ausgeprägter ist, hat schon Jäger 1. c. pag.
62 aufmerksam gemacht. Fig. 17. zeigt noch die zierlichen Ne-
benzehen am metatarsus , ganz auf die gleiche Weise wie sie
unser Skelett vom virginischen Hirsche hat. Auch die Zehen und
Fussknochen zeigen keinerlei Abweichung.
Schliesslich die Frage nach der Nomenclatur! Wir haben
den Gattungsnamen Cervus gewählt, gegen den keinerlei Einwen-
dung erhoben werden kann. Verlaugte man die Nennung eines
Untergenus, so könnte man ohne allen Anstand Cervulus Bl.
setzen. Die Diagnose stimmt , so weit überhaupt bei Fossilen,
— 128 —
die nur Skelett-Reste aufzuweisen im Stande sind, es stimmen
kann. „Cornua parva simplicia, aut propugnaculo brevissimo in-
structa, cerasphoriis longis imposita , dentes laniarii in utroque
sexu, marium exserti etc." Ogilby's Prox und H. Smith's
Styloceros sind spätere Namen für das gleiche Untergenus. Sollte
ein neuer Genusname gegeben werden, so wäre Dremotherium
Greoffroy St. Hilaire der älteste und dem H. v. Meyer'schen
Palaeorneryx vorzuziehen. Es ist aber aus dem Vorstehenden
wohl Jedem einleuchtend, dass unter ein so weit umfassendes
Genus wie Cervus , in das zwei so verschiedene Thiere wie Renn-
thier und Muntjac fallen, mit gleichem, ja noch mit mehr Recht,
der Hirsch von Steinheim gezählt werden darf.
Unter den Species-Namen ist Hensels Name: furcatus der
beste. Um Priorität kann es sich bei der Mangelhaftigkeit der
bisherigen Erfunde und der Beschreibung nicht liandeln. Syno-
nyme wage ich nicht zu geben. Sehr wahrscheinlich ist es jedoch,
dass Cuviers Hirsch von Montabusard, Kaup's Dorcatherhun Nau%
V. Meyer's Palaeorneryx Bclieuchzeri , Lartets Dicrocerus crassus
oder Hyaemoschus, Hensels Prox furcatus theilweise ein und
dasselbe bezeichnen wollen.
B. Die grössere Art.
Ausser Cervus furcatus bietet das Tertiär von Steinheim
noch einen 2ten Hirsch, mehr als noch einmal so gross, denn
jener, nacji den bisher gefundenen Resten in Bildung des Zahn-
systems mit furcatus tibereinstimmend , sonst aber wegen mangel-
hafter Erfunde zur Beschreibung wenig geeignet. Das Vollstän-
digste was wir von diesem grossen Hirsch besitzen ist derinTaf.
II. Fig. 1. abgebildete linke Unterkiefer mit tadelloser Zahn-
reihe. Alle Verhältnisse des (7. furcatus , die Faltung der
Schmelzbleche , die Isolirung der Schmelzhöcker und die ganze
Art der Abnutzung sind bei dieser Art stark und um das Dop-
pelte vergrössert wiedergegeben. Namentlich zeigt der 3te Backen-
zahn auf den, wie wir oben sahen, am meisten Gewicht zu legen
ist, denselben einfachen Karakter und dieselbe Art der Faltung,
wie der 2te und Ite Zahn , anschliessend an das Verhalten bei
— 129 —
C. furcatus. Die 6 Zähne messen hier 0,146 , bei C. furcatut
0,070. Die Ansicht von oben Fig. 7. lässt an diesen 3 zusam-
mengehörigen Zähnen die Art der Faltung vortrefflich sehen.
An Grösse übertrifft dieser Hirsch den Edelhirsch noch namhaft,
denn die Zahnreihe des letzteren misst nur 0,120, ebenso ist er
um ein Namhaftes grösser als Palaeom. Bojani H. v. Meyer
von Georgensgmünd, dessen letzter Zahn 0,023 misst, während
der entsprechende Steinheimer 0,037 beträgt.
Ob der Fig. 3 abgebildete Eckzahn, der lose gefunden wurde
und beim Ausgraben sehr Noth litt, wirklich zu diesem grossen
Hirsche gehört, ist nicht sicher. Diese Art dünnen, feinen
Schmelzes, diese flache gedrückte Form lassen den Zahn kaum
einem andern Thiere zuschreiben. Wie es mit dem Geweih steht,
darüber haben wir leider keinerlei Anhaltspunkt. Da können
nur weitere Erfunde das Richtige lehren! Eben so können die
Schneidezähne Fig. 4. 5. 6. kaum einem andeni Thiere angehören.
Gleichfalls entspricht der astragalus Fig. 8, der 7 Centimeter
misst, ebenso der Grösse des Unterkiefers, als der astragalus
Fig. 16 dem Unterkiefer des C. furcatus.
Der Blick auf die Literatur hat uns gezeigt, dass die grosse
Art Hirsche, welche an vielen verschiedenen Orten zugleich iiiit
C. furcatus gefunden wird , von vielen Autoren mit C. elaphas
verglichen worden ist. Davon ist nun natürlich keine Rede,
ebensowenig passt aber auch eine der sonst beschriebenen Grös-
sen und nennen wir es vorlüufig C. pseudoelaphus.
Anhangsweise erwähnen wir noch der zu den grössten Selten-
heiten gehörigen Carni vor en. Das unter Fig. 18, a. b. abgebildete
Kieierstück mit 3 Zähnen ist der einzige Rest eines Fleischfressers,
der mir seit 6 Jahren begegnet ist. Bei Vergleichung mit leben-
den Formen bietet die krallenlose Fischotter des Caplandes Lutra
inunguis Cuv. am meisten Anhaltspunkte. An dem Stück ist sicht-
bar 1) die Alveole zu einem starken Eckzahn, welche bis zum
3ten Lückenzahn zurückgreift, und den ersten vollständig ver-
drängt hat, dass nur noch dessen verwachsene Alveole sichtbar
ist ; 2) Lückenzähne : der erste verkümmerte augenscheinlich neben
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1862. 2s Heft. 9
-- 130 —
dem Eckzahn, der 2te misst an der Basis 0,007, der 3te 0,009,
die schlanken, etwas rückwärts gebogenen Spitzen sind an der
Basis von einem sehr ausgesprochenen Halskragen eingefasst. Mit
Lutra verglichen stimmt die schlanke Form mehr mit L, vulgarü als
mit L. inunguis, die Zähne übertreffen aber jene wie diese Species an
Grösse; 3) der Fleischzahn besteht aus 3 Stücken, aus der 2spitzi-
gen Aussenseite des Zahns und dem innern Ansatz. Letzterer
ist nur mit der vorderen Zahnspitze verwachsen, während die
hintere isolirt bleibt. Dieses ist mehr Mephitis Charakter als
Lutra eigen, an welch letzterer der innere Ansatz sich an die ganz
breite Seite des Fleischzahns anschliesst. 4) Vom Kauzahn ist
nur eine Spur der Alveolen noch vorhanden. Aus diesem Stück
kann begreiflich nicht viel gemacht werden. Ich führe es indess
als Palaeomephitis Jaegeri an, indem Jäger in seinen Säugethieren
II., pag. 78, Taf. X, 7. 8 das Geschlecht auf Grund eines Schädel-
stückes aufgestellt hat. Unsere Zähne setzen eine grössere Art, als
Palaeomepliitis Steinheijnensis war, voraus, was eine Vergleichung
von Schädel und Zahnreihe der Lutra lehrt. Hr. Finanzrath
Es er besitzt noch ein spitzes, schlankes Schneidezähnchen, das
wohl keinem andern Thiere angehörte und nach Form und Grösse
passt.
Endlich zeigt Fig. 19 den Unterkiefer einer Maus, die den
Resten nach zu urtheilen, nicht selten war. Wenigstens liegen
4 Unterkiefer mit vollständiger Zahnreihe vor. Es stecken in
demselben ausser dem Schneidezahn 4 Backenzähne, die aus ein-
zelnen Schmelzpfeilern zusammengesetzt sind, von welchen nur der
erste vordere Backzahn eine complicirte wellige Faltung zeigt,
die übrigen comprimirte rhombische Falten zeigen. An lebende
Formen gehalten stehen sie den Chincliillen Südamerika's am
nächsten. Aehnliche Formen beschreibt _ Gervais aus den Süd-
wassermergeln von Jssoire als Archaeomys Laurillardi. Yielleicht
gehört der Abdruck eines Schneidezahns, den Jäger einem
Palaeotragus Steinheimensis zuschreibt , unserer Art an. Um mehr
darüber sagen zu können , haben wir auch hier noch bessere Er-
funde abzuwarten.
131
Ausser den genannten Säugethierresten warten noch 2 Formen
von Rhinoceros oder Aceratherium , von denen das eine entschieden
Rh. incisivus ist, das andere minutiis Cuv. oder Steinheimensis
Jaeger einer näheren Untersuchung, die jedoch vor der Hand
wegen mangelhaften Materials unmöglich ist.
Erklärung der Tafeln.
Taf. I. Cervus furcatiis. 1/3 der natürlichen Grösse. Das Thier liegt
auf der rechten Seite, wesshalb nur die linken Extremitäten
sichtbar sind.
Taf. n. Fig. 1. Cervus pseudoelap?ius linker Unterkiefer mit vollstän-
diger Zahnreihe.
„ 2. C. furcatus , linkes Geweih.
„ 3. C, pseudoelaphus , zweifelhafter Eckzahn.
„ 4 — 6. derselbe, Schneidezähne,
„ 7. Ders., die 3 ersten Backenzähne von oben.
„ 8. Ders., linker astragalus,
„ 9. C, furcatus , vollst. Unterkiefer des Taf. I. abgebildeten
Individuums.
„ 10. Ders. , Geweih eines jüngeren Thiers.
„ 11. Ders., Zahnreihe im Unterkiefer von einem jüngeren
Thier.
„ 12. D^crocents eZe^a>2s von Sans an, 3 ersten unteren Backen-
zähne.
,, 13. Cervus mexicanus, dieselben.
,, 14. Moschus moschiferus, dieselben.
„ 15. C, furcatus, Milchzahnreihe.
,, 16. Ders., linker astragalus.
„ 17. Ders., [metatarsus, Unterende mit den rudimentären
Nebenzehen.
„ 18. a. b. Pdlaeomephitis Jaegeri. obere Backenzähne.
,, 19. Archaeomys Steinheimensis, Unterkiefer.
4. lieber das Gift des Erd-Salamanders.
Von Oberamtsarzt Dr. Finckli in Urach.
Der gefleckte Erdsalamander oder Regenmolch fSalamandra
maculosa Laur.J wurde im Alterthum, z. B. von Plinius, für aus-
serordentlich giftig gehalten, während die Neueren ihm giftige
Eigenschaften ganz oder beinahe ganz absprechen. So heisst es
in dem Verzeichniss der Reptilien Württembergs im Jahrgang
1847 dieser Jahreshefte, S. 203, der Salamander sei ein harm-
loses, weder giftiges noch sonst schädliches Thier. Andere Schrift-
steller der neueren Zeit gestehen dem Milchsaft aus der Parotis
und den Hautdrüsen des Salamanders giftige Wirkungen zu, wenig-
stens in Beziehung auf Eidechsen , kleinere Vögel, Mäuse u. s. w.
Nach neueren Untersuchungen der Franzosen Gratiolet und
Cloez (Comptes rendus hebd. de FAcad. de sc. tom. XXXIV,
p. 729) reagirt jener Saft sauer, schmeckt widrig bitter, wirkt
aber örtlich nicht scharf reizend, wie Manche annehmen. Sie
vergleichen die Wirkung dieses Saftes mit schwachem Schlangen-
gift und fanden, dass dieser Saft, directer ins Blut gelangt,
kleinere Vögel, Eidechsen, Mäuse u. s. w. unter Convulsionen
tödte. Dass aber dieser Saft auch grösseren Thieren tödtlich sein
kann, beweist nachstehender Fall.
Im Mai v. J. , an einem warmen Abend, traf eine Viertel-
stunde von Urach ein hellbrauner, kräftiger, lOjähriger Penscher-
hund auf einen etwa 6 Zoll langen Regenmolch , bellte ihn zuerst
an, biss ihn dann in den Kopf und nahm ihn ins Maul. Auf
Geheiss seines Herrn Hess er den Molch wieder fahren, packte
ihn aber aufs Neue und so einigemal. Hiebei wurde der Molch
über und über weiss von ausgeschwitztem Schaum , der auch dem
— 133 —
Hund am Maul hängen blieb. Nachdem der Hund den Molch
das letztemal gepackt hatte, lief er noch eine kleine Strecke mit,
seinem Herrn fort und fing dann an, mit den Kinnladen Bewe-
gungen zu machen, wie wenn er etwas Widriges aus dem Maul
entfernen wollte; bald darauf taumelte er wie berauscht, wankte
auf den Füssen, und während er die genannten Kaubewegungen
fortsetzte, erfolgte ein heftiges Erbrechen einer weissen, schau-
migen Flüssigkeit. Darauf fing er an mit den Füssen zu scharren,
schien nicht mehr recht zu sehen , legte sich auf den Rücken und
bekam heftige clonische Krämpfe, wobei die Augäpfel weit her-
vorgetrieben wurden und worauf der Tod eintrat, nachdem die
ganze Scene kaum eine halbe Stunde gedauert hatte.
Bei der 14 Stunden nachher vorgenommenen Section war der
Leichnam im Zustand der Erstarrung, ohne alle Fäulnissspuren.
Die Schleimhaut des Mauls, der Zunge, der Nase zeigte nichts
abnormes; sie war blass, doch nicht weiss, nirgends entzündet,
erweicht oder abgelöst. Eine Verletzung an diesen Theilen war
nicht wahrzunehmen. Die Lungen waren normal , auf der Schnitt-
fläche hellroth, ohne Inhalt. Die rechte Herzhälfte enthielt
weiche, schwarze ßlutgerinsel ; die Consistenz des Herzens war
normal. Die grossen Venen in der Brusthöhle enthielten schwar-
zes, dünnflüssiges Blut. Der rechte Leberlappen war abnorm
fest (der Hund hatte ein Jahr vorher eine Leberkrankheit ge-
habt); die Gallenblase war voll; der Magen halb voll von Wasser
und Speiseresten; die Schleimhaut des Magens war blass, nur
gegen den Pylorus hin waren einige kleine Stellen über den
Wandungen der Blutgefässe des Magens unabwaschbar geröthet;
die Schleimhaut des Dünndarms war blass, die Harnblase zusam-
mengezogen. Sonst nichts abnormes.
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass der Hund, der zu-
vor ganz munter und gesund gewesen war und nach so kurzer
Zeit verendete, durch den Salamander seinen Tod gefunden hat
und es beweist dieser Fall, dass der weisse Schaum, den die
Salamander in gereiztem Zustand aus ihren Hautdrüsen aus-
schwitzen, ein wirkliches Gift ist, nicht bloss, wie Oken u. A.
glauben, eine scharfe, aber sonst ungiftige Flüssigkeit, die hoch-
— 134 —
stens eine Darmentzündung bewirken könne; eine Ansicht, die
durch obigen Fall widerlegt wird, sofern der Tod des Hunds
ausserordentlich bald erfolgte und die Schleimhäute des Munds, des
Magens und Darms unversehrt gefunden wurden.
Die kleinen rothen Stellen an der Magenschleimhaut in der
Nähe des Pylorus können, da der Magen halb voll von Flüssig-
keit war, nicht durch jenen Milchsaft verursacht worden sein.
Der Saft wirkte also hier nicht als ein blosses Acre, sondern
als wahres Gift, das durch die Schnelligkeit und Art seiner
Wirkung den Cyanverbindungen und den Strychneen ähnlich ist,
welche vorzugsweise auf die vorderen Bündel des Rückenmarks
wirken und daher Krämpfe und Lähmungen hervorbringen.
Mit dem Secret der Salamander stimmt das der Kröten über-
ein und es ergiesst sich dasselbe hier wie dort nicht bloss aus
den Hautdrüsen, sondern auch aus der Ohrspeicheldrüse (Parotis),
von welcher bei jenen Thieren kein Kanal in die Mundhöhle,
sondern zahlreiche feine Oeffnungen durch die Haut nach aussen
gehen.
5. lieber die bedeutende Verunreinig-ung- der städti-
schen Kohlenstadelquelle zu Ulm und die Entfer-
nung* des Uebelstandes.
Yom Ingenieur und Geologen Dr. Bruckmann in
Stuttgart.
Die Stadtgemeinde Ulm beabsichtigt seit einigen Jahren eine
Restaurirung, resp. Umgestaltung ihrer Brunnenwerke nach besserem
und einfacherem Systeme vorzunehmen und hat zu diesem Zwecke
schon mehrere Gutachten von in- und ausländischen Ingenieuren, in
neuester Zeit auch von mir eingefordert. Meine Aufgabe bestand
hauptsächlich darin, Vorschläge für Gewinnung weiteren reinen
und gesunden Trinkwassers zu machen, damit man nicht mehr in
den Fall komme , das Quellwasser der Brunnenwerke zu gewissen
Zeiten mit Blauwasser (Stadtgrabenwasser, Wasser des Flusses
„Blau") vermischen zu müssen und ich habe nach vorgenommener
geognostisch-hydrographischer Untersuchung der dortigen Gegend
meine Vorschläge in einer ausführlichen Relation vom 30. Dec.
1858 niedergelegt, Das Wesentlichste derselben ist in Nro. 17
der Schwäbischen Kronik vom 21. Januar 1859 in Kürze, aber
richtig aufgefasst, publicirt worden, und ich verweise auf diese
Darstellung, um zeitraubenden Schilderungen zu entgehen.
Das Quellwasser der Ulmer Brunnenwerke hat seinen Sitz
im Diluvium (Sand, Kies, Gerolle), welches auf Krebsscheren-
kalk (weissem Jura z Quenstedt) abgelagert ist, worunter der
Korallenkalk (weisse Jura g) folgt. Die Quellen der Anhöhen
in der nächsten Umgegend Ulms: Braunland, Alber, Albecker
Steige, Michelsberg (Ruhethalrevier) und Kuhberg, entspringen
— 136 —
aus miocenen Süsswassermergeln nebst Kalkbänken , die den
Krebsscherenkalk überlagern — einer Formation, welche, wie
die Lettenkohle zwischen Keuper und Muschelkalk, und das Dilu-
vium mancher Thalgründe, zu den quellenreichsten des ganzen
Königreiches gehört *.
Vor allen Dingen und ehe an die projectirte Umgestaltung der
Brunnenwerke geschritten werden wollte und konnte , lag die Ab-
sicht zu Grunde, sich des benöthigten Quantums guten Quell-
wassers zu vergewissern, wozu ich die erforderlichen Vorschläge
und Berechnungen in meiner Relation vom 30. December 1858
aufgestellt hatte, und es wurden zur Erreichung dieses Zweckes
bereits einleitende Schritte- gethan. Da theilte mir am 21. Oct.
1860 Stadtbaumeister Schmid von Ulm, während ich noch in
Heilbronn mit Vollendung eines artesischen Brunnens beschäftigt
war**, aus Auftrag der städtischen Collegien mit, dass auf ganz
unerwartete Weise die Kohlenstadelquelle seit kurzem durch seit-
liche Einbrüche auf sehr bedenkliche Weise verunreiniget worden
sei, indem er mir gleichzeitig ein Fläschchen voll von diesem
Wasser einhändigte, welches eine trübe, schmutzige Farbe und
einen ekelhaften Geruch hatte. — Ein sehr fatales Intermezzo
für die bevorstehende Restaurirung der Brunnenwerke!
Ehe ich mich über die Frage, wie dem grossen Uebelstande
abzuhelfen sei, aussprechen konnte, — die Kohlenstadelquelle speist
nämlich mehrere öffentliche laufende Brunnen und liefert etlichen
* S. meine Schrift: .,Die denkwürdigen artesischen Brunnen zu
Oberdischingen in Württemberg, in geognostisch- hydrographischer und
constructiver Beziehung. Mit einer Steintafei. Heilbronn am Neckar.
J. D. Classische Buchhandlung. 1836."
** S. Seite 57 — 58 meiner Schrift: ,,Die neuesten artesischen Brun-
nen in der Gustav Schäuffelen'schen Papierfabrik zu Heilbronn, die alten
Bohrbrunnen und der Kirchbrunnen dieser Stadt; die neue Brunnenstube
zu Bönnigheim und ein Beitrag zur Kenntniss der Lettenkohlenformation
des Württembergischen Unterlandes , nebst Schilderung des wieder er-
schlossenen Murenbrunnens über dem Hauensteintunnel. Mit einer lith.
Tafel. Stuttgart, E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung und Buch-
druckerei. 1861."
— 137 —
Bierbrauereien das Wasser — hielt ich zuvörderst eine chemische
Untersuchung des Wassers für absolut nothwendig, wandte mich
zu diesem Behufe an meinen Freund, Chemiker Ignaz Halb-
reiter, und es haben sich folgende Resultate ergeben:
I. Das ab filtrirte Wasser unterscheidet sich von anderen
guten Brunnenwassern nur dadurch, dass es Ammoniaksalze und
harnsaure Salze aufgelöst enthält. Das Wasser aus dem mir
überreichten Fläschchen zeigte eine saure Reaction, welche sich
aber nach kurzem Stehen an der Luft in eine schwach alkj^lische
umwandelte, wie diess besonders beim Harn der Fall ist, — ein
Beweis, dass stickstoffhaltige organische Substanzen mit dem
Wasser in Berührung kommen. Andere Verunreinigungen durch
Metalle etc. waren nicht nachzuweisen, bei längerem Stehen und
höherer Temperatur bildeten sich jedoch Spuren von Schwefel-
wasserstoff und Schwefelwasserstoffammon, welch' beide Gase haupt-
sächlich den Übeln Geruch des Wassers bedingen und einge-
athmet, höchst nachtheilig für die Gesundheit sind, indem sie
zersetzend auf das Blut einwirken. Ammoniaksalze zersetzen ferner
das Bier und bringen es zum Umschlagen.
H. Der auf dem Filter befindliche Rückstand wurde mit
dem Mikroskope geprüft. Er wurde zusammengesetzt gefunden
aus Pflanzen niederer Art, nämlich Algen, und Theilen thierischer
Excremente von Pflanzenfressern, wie es scheint vorherrschend
von Menschen und Pferden. Die fraglichen Algen entstehen in
dem unreinen verdorbenen Wasser, sind also im vorliegenden
Falle als eine secundäre Bildung anzusehen.
Diese beiden Untersuchungen zeigten deutlich, dass die Ver-
unreinigung der Kohlenstadelquelle bewirkt wird durch den Ein-
fluss aus nicht wasserdichten Abtrittgruben , Güllenlöchern von
Ställen , oder Dunglegen , oder durch ein in der Nähe befindUches
Wasser, in welches anhaltend unreine Flüssigkeiten geschüttet
werden. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass das unreine Wasser
aus einem Sumpfe kommt , weil wegen Mangels an Stickstoff sich
keine Ammoniaksalze bilden könnten, vorausgesetzt, dass nicht
Unreinigkeiten, z. B. Urin und thierische Abfälle continuirlich
und in Menge hineingeführt würden.
138
Diess mein erster Blick in die Katastrophe, so weit er, vom
Schauplatze derselben entfernt, in sie geworfen werden konnte.
Vom Stadtschultheissenamte dringend aufgefordert, begab ich
mich, sobald ich konnte, nach Ulm, um den Sachverhalt an Ort
und Stelle zu prüfen und Vorkehrungen zur Abhülfe des einge-
tretenen Uebelstandes zu treffen, denn die städtischen Collegien
und speciell deren Vorstand, Stadtschultheiss Schuster nahmen
es sich sehr zu Herzen, dem grossen Missstande mit allen nur
zu Gebote stehenden Mitteln zu begegnen und die seit langer Zeit
in Anwendung befindliche, werthvolle und reichhaltige Kohleustadel-
quelle guten Wassers, wenn nur immer möglich, auch für die
Zukunft zu retten, d. h. zu ihrer ursprünglichen Reinheit und
Güte zurückzuführen.
Anfangs November 1860 in Ulm eingetrolien (früher dahin
zu reisen war mir wegen meiner laufenden Geschäfte in Heil-
bronn leider unmöglich), erfuhr ich, dass sich bereits auch die
Apotheker Dr. Gustav Leube und J. G. Kissling mit Unter-
suchung des verdorbenen Wassers der Kohlenstadelquelle be-
schäftiget hatten. Sie sind, nach ihrem Berichte vom 16. Nov.
desselben Jahres, im Wesentlichen zu den gleichen Ergebnissen ge-
langt, wie die vorgeschildesten. Kissling hatte schon eine
Partie -des fraglichen schlechten Wassers nebst Algen an Pro-
fessor Dr. Hugo von Mo hl in Tübingen geschickt, welcher
ihm darüber am 21. October 1860 folgende interessante Worte
zugehen liess:
„Ich habe die Substanzen, welche in dem mir übergebeneu
Wasser aus den Ulmer Brunnenleitungen enthalten waren, mikro-
skopisch untersucht. Die Hauptsache besteht aus Leptomitus lac-
teus Äg. (Co7iferva lactea Roth). Diese Pflanze wird zwar unter
den Algen aufgeführt, ist aber wohl gewiss keine solche, sondern
besteht sicher aus Schimmelfäden , die sich im Wasser , als einem
ihnen nicht zusagenden Medium , auf anomale Weise ent-
wickeln und nicht zur Fructification gelangen. Aehnliche Pflan-
zen, die ebenfalls zu Leptomitus- AxXtn erhoben wurden, bilden
sich nicht selten in den Apotheken in verdorbenen destillirten
— 139 —
Wassern u. s. w. , kurz , wo organische Substanzen im Wasser in
Zersetzung übergehen."
„In diesen Leptomitaceen des Ulmer Wassers fanden sich nun
nebenbei Unreinigkeiten aller Art: Fäden von Baumwolle, Flachs,
Wolle, Infusorien aller Art in Menge, Diatomeen, wie sie in
sumpfigen Gruben vorkommen."
„Das Wasser ist also in hohem Grade unrein , mit faulenden
organischen Substanzen geraengt , stammt wahrscheinlich zum
Theile aus Sumpfgruben. Eine solche ekelhafte und abscheuliche
Unreinlichkeit ist mir noch nie in einem Brunnenwasser vorge-
kommen. Sie ist nur aus der Annahme zu erklären, dass die
Ulmer Wasserleitung an grossen Gebrechen leidet und gegen das
Eindringen von schlechtem Wasser nicht geschützt ist."
Das Quellwasser des Kohlenstadels wird , wie das der übrigen
öffentlichen Brunnen, mittels eines Saug- und Druckwerkes ge-
hoben und so in den betreffenden Wa^erleitungsröhren den Brun-
nen zugeführt. Dr. Gustav Leube hat theils vor meinem Ein-
treffen in Ulm, theils wähi-end meines dortigen Aufenthaltes das
verdorbene Kohlenstadelwasser, wie auch das Wasser einiger nach-
barlichen Pumpbrunnen (Militärspital und Spediteur Kielmann
etc.) mehrfach untersucht und ich habe u. a. nachstehende Notiz,
d, d. Ulm, 16. November 1860, von ihm in Händen:
„Am 17. October 1860 wurden mir zwei Bouteillen Wassers vom
Kohlenstadelbrunnenwerke zur chemischen Untersuchung übergeben,
da am Kessel und in den Röhren sich kryp togamische Gebilde
gezeigt hatten (Leptomitus lacteus oder Corferva lactea). Es war
die Untersuchung eine nur qualitative , da es sich nur darum ge-
handelt hatte, ob überhaupt fremde Bestandtheile im Wasser ent-
halten sind. Es fand sich eine nicht unbeträchtliche Menge thi e-
rischer Substanzen."
Ferner händigte er mir folgende Zusammenstellung seiner
Analysen ein:
140
Bestandtheile
1860.
in 1 Schoppen
Wasser
Vorkommen des Wassers.
in
Granen.
§
ffl
II
'S ^
CS
CO
Octbr.
26.
No. 1. Aus der unteren Quelle des Kohlen-
stadelbrunnenwerkes
V2
3
3V2
rt
ti
No. 2. Vom Cylinder des KoWenstadels .
53/4
3
83/,
n
p
No. 3. Vom Kessel des Kohlenstadels . .
6V2
4
10V2
n
w
No. 4. Vom Hahnen am Graben ....
4
3
7
n
II
No. b. Von der breiten Stiege ....
3
3V8
6V8
n
II
No. ß. Aus der untern Quelle im Kohlen-
stadel
3/4
3V2
41/4
Novbn
8.
No. 1. Quelle im Kohlenstadel bei Zufluss
Yon Blauwasser
1
32/3
42/3
it
II
No. 2. Dessgleichen, eine andere Stelle .
V2
3
3V2
"
12.
Quelle Tom Kohlenstadel bei grossem Zu-
fluss von Blauwasser
V5
IV5
2V5
tt
II
Wasser des Pumpbrunnens im Militärspital e
V2
3
3V2
it
II
Dessgleichen bei Spediteur Kielmann's
Haus
V5
4V2
42/5
it
II
Blauwasser Yor der Falle am Kohlenstadel-
brunnenwerke
Vs
IVs
13/4
Ausser der kleinen Menge thierischer
Stoffe kein Salpeter, nichts Metallisches etc.
Die Verdünnung der organischen Stoffe
= 53,760 fach.
n
14.
Wasser aus einem 16 ' tiefen Schachte, wel-
cher durch Dr. Bruckmann, dem Koh-
lenstadelwerke gegenüber, am linken
Ufer des Stadtgrabens im Kiese abge-
teuft "worden ist
V2
2V2
3
— 141 —
Da es nach meinen sämmtlichen Forschungen und Nachwei-
sungen ausser allen Zweifel gesetzt war , dass die Verunreinigung
der Kohlenstadelquelle nur durch Einflüsse aus Abtrittgruben
(Cloaken), Güllenlöchern und Dunggruben herbeigeführt wurde,
so ist es wesentlich, zu bemerken, dass zu Ulm, wie in einigen
anderen Orten Oborschwabens seit langer Zeit der Gebrauch be-
steht, die Abtrittgruben — oft weit und tief — als Senkgruben
meist mit Trockengemäuer zu behandeln , und mit keinem wasser-
dichten Boden zu versehen; ja, die Sohle dieser Gruben, welche
wie die Pumpbrunnen der Stadt sämmtlich im Diluvium (Sand
und Kiese) angelegt sind , hat gar keinen künstlichen Boden , son-
dern besteht fast durchgängig nur aus dem dort abgelagerten
Sande und Kiese, der in grössere Tiefe niedersetzt und dem Flui-
dum (Urin) das Niedersinken gestattet, insofern nicht die nach
unten abgelagerten festeren Substanzen (Excremente), welche sich
mit der Zeit in eine Art Moder umwandeln , bei ihrer allmähligen
Anhäufung den flüssigeren einen Damm entgegensetzen. Es gehen
oft viele Jahre dahin, bis solche Abtrittgruben gereiniget, d. h.
von ihrem Inhalte befreit werden , und der Bildung solcher natür-
licher Dämme ist es allein zuzuschreiben , dass nicht schon früher
eine Verunreinigung der öffentlichen Brunnenquellen überhaupt
und eine sehr merkbare Infection aller Pumpbrunnen in der Stadt
erfolgte.
Nun zur weiteren Schilderung meiner Detailerhebungen au
Ort und Stelle, wobei ich rein Technisches möglichst umgehe,
als nicht für die Hefte des Vereines sich eignend.
Am 8. November 1860, nachdem das Wasser im Quellen-
schachte des Kohlenstadelwerkes durch angestrengtes Auspumpen
tief genug niedergehalten war, untersuchte ich denselben in Gegen-
wart des Stadtschultheissen Schuster und Stadtbaumeisters
Schmid, und fand, dass das schmutzige Wasser tief unten an
zwei Stellen aus Sand und Kies von einer Schachtseite her lebhaft
einströmte. Warum aber gerade jetzt dieser fatale Einbruch
und früher nie? Diese Frage beantworte ich wie folgt:
Im Laufe der Zeit entstand in Folge der nicht wasserhaltigen
Abtrittgruben im engen Sinne des Wortes „Senkgrubeu" eine
— 142 —
Schwängerung der die Kohlenstadelquelle umgebenden Kiesmasse
mit unreinen Stoffen bis auf eine gewisse Tiefe hinab, wohl zu-
erst veranlasst durch einige ungewöhnlich tiefe Gruben in diesem
Reviere, und hierzu gesellte sich der sehr bemerkenswerthe Um-
stand, dass der Wasserspiegel der fraglichen Quelleuregion seit
kurzem so hoch angestiegen war, wie in vielen Jahren nicht,
wodurch das Wasser Gelegenheit fand, die von Unrath erfüllte
Terrainmasse zu erweichen , zu bespülen und von einigen
nachbarlichen Senkgruben aus zum Einbrüche nach der Brunnen-
stube (Quellenschacht) zu bringen. Nach meiner Messung am
17. November 1860 betrug die Wasserhöhe in letzterer 6' 5" 5'",
während sie sich in trockenen Jahrgängen nur auf 2', in mittleren
aber höchstens auf 3 bis 31/2' gestaltet; der städtische Brunnen-
meister erinnerte sich, noch nie einen so hohen Wasserstand
wahrgenommen zu haben wie damals ; — ich finde letzteren durch
den sehr regnerischen Sommer des Jahres 1860 bedingt, welcher
eine wesentliche Vermehrung des Diluvial wassers überhaupt creirte
und dadurch die successive Ansteigung des Wasserspiegels der
allgemeinen Quelleuregion ins Leben rief.
Die Algen (Leptomitus lacteus) bildeten sich namentlich oben
im Kessel des Brunnenhauses und in einer provisorisch zum Ab-
flüsse des verdorbenen Wassers nach aussen gerichteten hölzernen
Rinne aus, ihre Vermehrung ging ins Ungeheure und sie gaben
zu vorübergehender Verstopfung der Teichel Veranlassung. Sie
setzten sich schleimartig an, erreichten höchstens die Grösse eines
Taubeneies bis kleinen Kinderballes , zeigten im frischen Zustande
eine weissliche ins bräunlichgraue spielende Farbe, an ihren An-
wachsstellen aber eine rostgelbe bis roströthliche und sahen wie
Wurzelknollen, blaseuähnlich aufgetrieben aus. Nach einigen
Tagen lösten sie sich von selbst ab, wurden aber stets wieder
durch Nachwuchs massenhaft erneuert, und. der Luft ausgesetzt,
schrumpften sie bald ein, während sie durch Ofenwärme getrock-
net (wozu jeweils ein Paar Tage erforderlich waren) zu Papier-
dünne zusammenfielen und dann eine grünlichgelbbraune Farbe
annahmen unter Fntwickelung und Beibehaltung eines sehr ekel-
haften Geruches. Eine Platte voll dieser Algen, welche ich im
• — 143 —
November 1860 in Ulm trocknete und in einer Schachtel aufbe-
wahrte, verräth diesen eigentlichen Abtrittgeruch bis zur Stunde
(Februar 1862) noch. Ich Hess einmal zur Zeit meines Aufent-
haltes in Ulm, (November und Dezember 1860) auf dem Münster-
platze den Hahnen eines Theilkastens der Wasserleitung heraus-
nehmen, um die Röhren auszuspülen und ein Bild über die
Ansammlung der Algen zu bekommen : in wenigen Minuten wurden
Tausende derselben mit Ungestüm im Geleite des trüben mit
grosser Geschwindigkeit herströmenden Wassers ausgestossen unter
Verbreitung eines, rostgelblichen bis roströthlichen Scheines und
eines widerlichen Geruches. Derselbe Geruch trat Einem je-
w^eils entgegen, sobald man das Kesselhaus des Brunnenwerkes
betrat.
Nun war die Hauptaufgabe diese, die grosse Calamität zu
heben. Weil die missliche Katastrophe in die Zeit des Bier-
brauens fiel (Monat November) und das Quellwasser der Kohlen-
stadelbrunnenstube durch Ammoniaksalze etc. notorisch so sehr
verdorben war, dass es ohne Gefahr, Schaden zu bereiten, zum
Bierbrauen nicht verwendet werden konnte, so habe ich in der
Stadtrathsitzung vom 13. November 1860, in welcher ich über
den Stand der Dinge vorläufig mündlichen Bericht erstattete, vor-
geschlagen , als eine provisorische Anstalt einstweilen und so lange
nur filtrirtes Blauwasser in das Brunnenwerk und dadurch in
die betreffenden Teichellagen und Brunnen strömen zu lassen,
bis dem besagten Uebelstande abgeholfen sein wird. Mein Antrag
wurde einstimmig angenommen, der zu diesem Zwecke erforder-
liche grosse, wasserhaltige Dielenkasten noch aa deinselben Tage
bestellt und gegen Ende des Novembers eingesetzt. Gleichzeitig
ist die Vorrichtung getroffen worden, zu jeder beliebigen Zeit
auch das inficirte Quellwasser, nach Abstellung des Blauwassers
wieder einlassen zu können, um in gewissen Intervallen zu er-
forschen, in wie weit sich ersteres nach und nach gebessert haben
wird. Erfreulicher Weise hatte eine Analyse des Dr. Gustav
Leube gezeigt, dass das nur einigermassen filtrirte Blauwasser,
dessen Einfrieren im Winter durch gewisse Vorkehrungen ver-
hindert wurde, trinkbar und zu allen technischen Verwendungen
144
namentlich auch zum Bierbrauen tauglich ist. Man begnügte
sich also vorderhand mit diesem durch die Noth gebotenen Pro-
visorium.
Wegen Neutralisirung des Uebelstandes tauchte u. a. das
Project auf, die Quellschachtwand, in welcher das schlechte
Wasser ausbricht, zu verdammen oder zu betoniren: allein diesem
Plane trat ich mit aller Entschiedenheit entgegen, weil ich
einsah , dass in Folge eines solchen Verschlusses das Wasser nur
von einer anderen Schachtseite aus im Sande und Kiese sich
einen Ausbruch suchen und einen solchen in der lockeren
Diluvialmasse mit Sicherheit finden würde. Hätte man aber
sämmtliche Schachtwände betoniren oder cementiren wollen, so
würde sich der Wasserausbruch ebenso sicher auf die kiesige
Schachtsohle concentrirt haben , und ein ^wasserdichter Verschluss
auch noch von dieser , wäre gleich der Erstellung eines trockenen
Schachtes — ohne Wasser — gewesen.
Nachdem von Realisirung des genannten Projectes Umgang
genommen worden , richtete ich mein Augenmerk vornehmlich auf
möglichste Entfernung des Grundübels , indem ich dafür zu sorgen
mich bestrebte, dass die Einbrüche des schlechten Wassers all-
mählig und für immer verschwinden.
Diess konnte nach dem was ich seither zur Kenntniss des
Lesers gebracht, nur durch sorgfältige Betonirung (wasserdichte
Herstellung) derjenigen Gruben geschehen, welche einen Theil
ihres Unheil-stiftenden Inhaltes nach der Kohlenstadelquelle sandten.
Die schwierigste und practisch wichtigste Aufgabe war es nun,
möglichst genau die Stellen ausfindig zu machen, von welchen
aus das verderbliche Fluidum in die Brunnenstube geführt wird
und ich habe diesem Gegenstande meine volle Thätigkeit gewid-
met. Ich gelangte nach allen vorhandenen Indicien zunächst zu
der Ueberzeugung , dass die das Quellwasser verunreinigenden
thierischen Stoffe, aus keiner grossen Entfernung in die Brunnen-
stube gelangen konnten , denn würden sie einen langen Weg nach
letzterer zurückzulegen haben, so hätten sie aus xiem Sande und
Kiese, den sie durchflössen, in ungleich mehr geläutertem Zustande
zum Vorscheine kommen müssen, w^eil solche Terrainmassen be-
— 145 —
kanntlich die besten Filtrirmaterialieu für das Wasser überhaupt
und die Quellen des Diluviums desshalb meist von vorzüglicher Güte
sind. *
In Folge der Parallele, ^Yelche ich zwischen der Lage des
BrunnenAverkes , der Umgebung desselben und den Einbruchsteilen
des schlechten Wassers gezogen , habe ich in meinem dem Stadt-
rathe am 3. Dezember 1860 überreichten Berichte über den Ein-
bruch des unreinen Wassers nebst Vorschlägen zur Abhülfe des
Uebelstandes, vorerst siebzehn Stellen (Abtrittgruben etc.) als die
Unheil-schwangeren detaillirt geschildert und ihre solide Betonirung
beantragt, zu deren Ausführung nianmitLeube'schem Cement schritt.
Der Erfolg dieser technischen Operationen war , wie wir bald
sehen werden, ein . guter , obgleich noch nicht sämmtliche von mir
angegebenen (17) Stellen in Angriif genommen w'aren , denn
man stiess auf practische Schwierigkeiten, nemlich auf Oppositionen
einiger Grundeigenthümer, deren nähere Erörterung nicht hierher
gehört.
. Meine bald gewonnene Ansicht, dass die Hauptinfection der
Kohlenstadelquelle von der Stadt sei te her (rechtes Ufer des
Stadtgrabens) erfolgte, obgleich einige Abtrittgruben im Reviere
des linken Stadtgrabenufers unweit des Kohlenstadels (Militär-
spital und Spediteur Kielmann) auch etwas verdächtig erschie-
nen, hat sich durch eine Schachtabteufung bestätigt, welche
ich bewerkstelligen Hess. Diese Grube, 16' lang, 6' weit und
16' tief, durch welche auch ein allgemeines Bild über die Aus-
dehnung der vor sich gegangenen Verunreinigung der diluvialen
Kiesmasse geliefert wurde, die das Koblenstadelwerk zunächst
umgibt, Hess ich in der Richtung zwischen letzterem und dem
Militärspitale , hart am linken Ufer des Stadtgrabens öffnen. In
*) S. i. B. Seite 31 meiner Schrift: „Der wasserreiche artesische
Brunnen im alpininischen Diluvium des oberschwäbischen Hoch-
landes zu Isny etc. Nebst einem Beitrage zur Kenntniss der Diluvial-
ger'ölle der Bodenseegegend. Mit einer lith. Gebirgsdurchschnittszeich-
nung. Stuttgart. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung und Buch-
druckerei. 1851."
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1862. 2ä Heff. 1^
— 146 —
der genannten Tiefe von 16' und als noch für Einsetzung einer
Pumpe ein 2' tiefes Kesselloch ausgeräumt war, stiess man im
reinen sandigen Kiese auf die Quellenregion des Diluviums und
gewahrte deutlich, dass das stark andringende Wasser, welches
am 14. November 1860 mit viereckigen Kastenpumpen nur auf
0,85' gewältiget werden konnte, von unten — der Sohle der Grube
— nachstieg , und von der Htigelseite aus (Promenadeweg , Rich-
tung gegen das Militärspital und Spediteur Kielmann's Haus)
sichtbarlich nichts einfloss. Die Analyse dieses Wassers ergab nach
der weiter vorneu gegebenen Dr. G. Leube'schen Zusammen-
stellung (16. November) V2 Grran thierischer (organischer) Sub-
stanzen in 1 Schoppen Wassers, wobei aber bemerkt werden
muss , dass damals auch Blauwasser in die Kohlenstadelbrunenstube
eingelassen worden ist.
Um nun zu ermitteln, ob diese dem Quellwasser der neuen
Grube mitgetheilten thierischen Stoffe vom Militärspitale her oder
von der Kohlenstadelquelle selbst eindringen, Hess ich am 17.
November 1860 von Abends 9 Uhr bis den 18. November Mittags
12 Uhr das Blauwasser abstellen und das Brunnemverk gänzlich
ruhen, damit die verunreinigte Kohlenstadelquelle Zeit und Ge-
legenheit finde, sich im Sande und Kiese ungehindert und ohne
Beimischung von Blauwasser ausbreiten zu können, und Dr.
Leube's Analyse des jetzt (am 18. Nov. Vormittags) aus der
Grube geschöpften Wassers zeigte in dieser kurzen Zeit in einem
Schoppen Vio Grran thierischer Substanzen mehr als am 14. No-
vember.
Das Quellwasser der neuen Grube , welches am 18. November
8,74' unter dem Spiegel der hart v.orbeif liessenden Blau
stand, mit ihr also entfernt nicht communicirte , hatte bei einer
äusseren Lufttemperatur von + 3^2^ Reaumur, zur Zeit des Aus-
pumpens -f- 71/4O, während das nahe und 8,74' höher stehende
Blauwasser des Stadtgrabens nur -f 6^ und die Kohlenstadel-
quelle selbst + 6V2^ zeigte, auch ergab ein Nivellement, dass der
Spiegel der letzteren nur 0,18' höher stand als der Wasserspiegel
in der Grube; — hätte man aber das Brunnenwerk noch länger
stille stehen lassen und das Blauwasser gleichfalls länger abstellen
— 147 —
können , so würden sich sicher bei der so geringen Höhedifferenz
von nur 0,18' die beiden Wasserspiegel der Grube und der Brun-
nenstube in Ein Niveau gestellt haben, und man darf sonach von
beiden sagen , dass sie gleich tief unter der Blau liegen und beide
Wasser auf keinerlei Weise mit ihr in Verbindung stehen.
Die etwas geringere Temperatur der Kohleustadelquelle im
Gegensatze zu derjenig-en des Quellwassers der Grube erklärt
sich einfach aus der vorangegangenen Abkühlung der ersteren
durch eingeflossenes Blauwasser.
Durch diese Untersuchungen war es ausser allen Zweifel ge-
stellt, dass kein Blauwasser in die neu geöffnete Grube und in
die Brunnenstube des Kohlenstadelwerkes eindrang, dass die
Quellwasser der beiden letzteren mit einander in einer sich lang-
sam äussernden Communication stehen, dass die chemisch nach-
gewiesene grössere Verunreinigung des Quellwassers der Grube
der Hauptsache nacli nur durch die verdorbene Kohleustadelquelle
selbst erfolgen konnte, w^elche ihr unreines Wasser in der Kies-
masse schon ziemlich weit ringsumher verbreitete und dass man
endlich den Hauptsitz des Uebels am rechten Ufer des Stadt-
grabens, nämlich auf der Stadtseite zu suchen hatte, obwohl ich
eine , wenn auch geringe schädliche Influenz vom linken Uferge-
biete her nicht ganz in Abrede stellen mochte.
Schenken wir jetzt dem Stadium der Besserung des Kohlen-
stadelquellwassers unsere Aufmerksamkeit.
Als ich in Folge eines Eufes des Directoriums der Schweizeri-
schen Centralbahn gerade damit beschäftigt war, die Quellen-
verhältnisse des Hauensteintunnels zu erforschen und darüber zu
berichten (S. Seite 65—83 meiner schon citirten Schrift: „Die
neuesten artesichen Brunnen in der Gustav Schäuffelen'schen Pa-
pierfabrik zu Heilbronn etc. etc."), erhielt ich vom Stadtschult-
heissenamte Ulm unterm 28. März 1861 eine Nachricht über die
eingetretene Besserung des Quellwassers im' Kohlenstadelwerke
und folgende Zusammenstellung einiger neueren Analysen des
Dr. Gustav Leube:
— 148
In einem Schoppen Wasser
Zeit.
's
II
II
'S §
CO N
s 1
Bemerkungen.
Gran.
Gran.
Grau.
am 8. Januar 1861
1,66
0,21
1,45
Mit Blauwasser Yermischt
am 21. „ „
1,87
0,41
1,46
Ohne Blamvasser.
am 8. Februar „
1,87
0,22
1,65
dito.
am 12. März „
2,20
0,44
1,76
dito im Kasten.
?J JJ 5J »
2,00
0,30
1,76
An der Stelle geschöpft,
wo das schlechte Wasser
eindrang.
Diese willkommenen Ergebnisse veranlassten die städtischen
Behörden, von Anlegung einer Wasserleitung vom Michelsberge
her (Revier des Ruhethaies, wovon ich in meiner Relation vom
SO.Dec. 1858 u. a. für gewisse Eventualitäten gesprochen) einstweilen
um so mehr Umgang zu nehmen, als gegründete Hoffnung auf
weitere Besserung des Kohlenstadelquellwassers vorhanden ist
und als der Ankauf von irdenen Teichein , denen ich in gewissen
Fällen, namentlich wenn sie keinen sehr starken Wasserdruck
auszuhalten haben, vor allen anderen den Vorzug einräume, * vom
Ruhethal bis zur Stadt nach einer Berechnung des Stadtbau-
meisters Schmid allein auf 10500 fl. zu stehen käme, und end-
lich, als man die Wassermenge der Ruhethalquelle (wegen seiner
Güte bekannt) als eine ungenügende erkennen wollte. Nachdem
ich aus einem Berichte des Stadtbauamtes, d. d. Ulm 21. März
1861 , ersehen hatte , dass die von mir beantragte Betonirung der-
jenigen Stellen, die ich in Folge der herrschenden Situation in
eine verderbliche Communication mit der Kohlenstadelquelle brin-
* S. Seite 148 — 149 meiner Schrift: ,, Wegweiser durch den Berg-
und Brunnenbohrwald etc. etc." Darmstadt 1852. Verlag der Hofbuch-
handlung Yon G. Jonghaus.
— 149 —
gen miisste, immer noch iiiclit vollständig realisirt worden isty
gab ich, vom Hauensteine zurückgekehrt, dem Stadtschultheissen-
amte Ulm auf seine Nachricht vom 28. März 1861 , von Stuttgart
aus am 6. Mai e. a. folgende Rtickäusserung :
I. ,,üm über das Wasserquantum der Ruhethalquelle ein
richtiges Bild zu erhalten, müsste eine genaue Messung des erste-
ren vorgenommen werden, damit man erfahre, wie viel Kubik-
fuss pro Stunde oder in 24 Stunden dermalen (bei nicht hoch
g e 1 e g t e m A u s g u s s e) ausfliessen. Die dortige Gebirgsformation
sowohl (miocene Süsswassermergel) , als die Configuration des
Terraines berechtigen zu der Hoffnung, dass durch zweckmässig
geleitete Xachgrabungen eine grössere Wassermenge erschlossen
werden werde, wie ich in meinem Gutachten vor zwei Jahren
(30. Dezember 1858) angedeutet habe."
Ich füge hier bei, dass ich in derselben Relation , auf meine
Localuntersuchungen gestützt, die Unmöglichkeit des Gelingens
artesischer Brunnen in Ulm, ausgesprochen hatte.
n. „Nach dem Berichte des Stadtbaumeisters Schmid vom
21. März 1861 sind die von mir^ in meinem neueren Gutachten
(3. Dezember 1860) vorgeschlagenen Ausführungen noch nicht
ganz in solcher Ausdehnung vorgenommen worden , um annehmen
zu können, dass die Verunreinigung der Kohlenstadelquelle in
Bälde gänzlich beseitigt werden werde, obgleich bereits eine Bes-
serung dieses Quellwassers eingetreten ist. — Bei der vorhandenen
Sachlage wäre mein Rath:
Man fahre in der von mir angegebenen Weise mit weiterer
Consolidirung von Abtrittgruben etc. fort und warte vorerst die
Resultate, resp. die Einwirkung auf die Kohlenstadelquelle ab. —
Im Nothfalle steht das letzte Mittel: Erschliessung weite-
ren Qu eil Wassers im R u he thalre viere, immer noch zu
Gebot."
Man kann aus diesen Worten entnehmen , wie viel mir an
der Erhaltung der Kohlenstadelquelle gelegen ist; in die Ver-
hältnisse des öffentlichen Brunnenwesens der Stadt Ulm einge-
weiht, ist mir genau bekannt, dass der Verlust dieser Quelle ein
sehr fühlbarer, drückender, ja ein recht schmerzlicher und
— 150 —
fataler wäre: sie könnte allerdings mit grossen Kosten durch Zu-
leitung guten Quellwassers von aussen (zunächst vom Ruhethal-
reviere her) ersetzt werden, allein ohne die grösste Noth soll
man nie Quellwasser auf Umwegen nach dem Orte seiner Be-
stimmung bringen, wenigstens habe ich in meiner dreissigj ährigen
Praxis stets den Grundsatz festgehalten, Trinkwasser nie un-
nöthig spazieren zu führen, denn sonst wird, abgesehen von
den ersten Baukosten, durch eine solche Procedur der bestehen-
den Generation wie allen künftigen eine permanente Unterhal-
tungslast einer langen Wasserleitung aufgebürdet. Zudem ist Ulm
eine Festung geworden — ein Grund mehr, die Ausführung nach
aussen greifender Wasserleitungen, wenn immer möglich zu ver-
meiden, damit durch Feindeshand das Trinkwasser, wenn auch nur
zum Theile, nicht abgeschnitten werden kann.
Sehr wünschenswerth und von den besten practischen Er-
folgen begleitet, müsste die Creirung einer Verordnung erschei-
nen, in Folge deren jede Abtritts enkgr übe, jedes Güllen-
loch, jede Dungstätte u. s. w. der Stadt in eine wasser-
dichte Grube oder Cisterne umzugestalten wäre; "durch ein
solches Vorgehen würden auch alle anderen Brunnenwerke sowie
die Pumpbrunnen Ulms, die Diluvialwasser mögen im Laufe der
Zeit von neuem ansteigen wie sie wollen, gegen Infection für
immer geschützt. Durch die Drainirung der P^xcremente und des
ürines nach der Donau mittelst Canalisirung, entzöge man viel
Dünger landwirthschaftlichen Zwecken, überhaupt würden sich der
Durchführung eines solchen Systemes noch andere Bedenken und
Schwierigkeiten entgegenstellen. — Sind die fraglichen Gruben
einmal alle restaurirt , d. h. ganz wasserdicht hergestellt , so
würden die betreffenden Eigenthümer von selbst dazu kommen,
den Inhalt derselben in ziemlich regelmässigen Intervallen aus-
räumen zu lassen und sicherlich vorziehen, ihn in seiner vollen
Masse auf nutzbringende Weise der Landwirthschaft zu über-
geben, statt denselben zum grossen Nachtheile des öffentlichen
Brunnenwesens und der Sanitätsverhältnisse, theilweise vom Bo-
den (Sand und Kies) absorbiren und die dichteren Substanzen,
— 151 —
durch Auslaugung des Ammouiakes , in einen weniger werthvoUen
Moder sich umwandehi zu lassen.
Mau beherzige ja diese wohlgemeinte Andeutung, um nicht
am Ende noch die Wiederholung einer analogen schlimmen Kata-
strophe zu erleben, welche die Kolilenstadelquelle betroffen.
Andere hydraulische Angelegenheiten führten mich in Folge
einer Einladung der K. Württemb. Genie-Direction im Januar 1862
wieder nach Ulm. bei welcher Gelegenheit ich mich natürlich
auch nach dem Schicksale der Kohlenstadelquelle erkundigte, über
welche ich seit neun Monaten nichts mehr gehört hatte. Man
war gerade damit beschäftiget, dem Kohlenstadelwerke gegenüber
am linken Ufer des Stadtgrabens einen Hülfsschacht auf Quell-
wasser abzuteufen, um die Kohlenstadelquelle bei eintretendem
Wassermangel nicht mehr mit Blauwasser vermischen zu müssen,
welche Schachtabsenkung ich schon in meiner Relation vom
30. December 1858 besprochen hatte. Das Stadtschultheissenamt
veranlasste mich, diesen Schacht zu inspiciren und über den Er-
fund zu berichten: ersteres geschah am 20. Januar 1862, letzteres
von Stuttgart aus am 28. desselben Monates.
Eine Nachricht über diese Schachtabteufung, die von recht
guten Folgen begleitet zu werden verspricht, gehört eigentlich
nicht in den Bereich meiner gegenwärtigen Betrachtungen, allein
es versteht sich von selbst, dass ich die mir gebotene günstige
Gelegenheit benützte, das ganze Kohlenstadelbrunnenwerk von
unten , seinem Saug - und Druckwerke an , bis ins Kesselhaus
hinauf zu visitiren: als ich letzteres am 20. Januar d. J. in Be-
gleitung des Stadtbaumeisters Schmid betrat, kam mir trotz
dem voll ausströmenden Wasser kein widerlicher Geruch mehr
entgegen (allerdings war gerade auch eingelassenes' Blauwasser
mit dem Quellwasser vermischt), das in den Kessel fliessende
Wasser war rein und klar, und hatte einen guten milden Ge-
schmack, die ehedem in Unzahl aufgetretenen, knollig oder
schwammartig aufgetriebenen Algen waren verschwunden und nur
an einigen Stellen des Kessels entdeckte ich einen schleimartigen
Ueberzug, der an die frühere Entwickelung dieser Algen er-
— 152 —
innerte; kurz, ich war freudig ergriffen, denn eine neue Besse-
rung des Quellwassers war in die Augen springend.
Nachdem ich nun die neuesten Brunnenacten durchging, fand ich
die Richtigkeit meiner gemachten Wahrnehmungen bestätiget; —
um mich kurz zu fassen: das inficirte Quellwasser des jS^ohlen-
stadelwerkes hatte sich iii so weit gebessert, dass es wenigstens
für die Gesundheit unschädlich und wieder geniessbar gewor-
den ist.
Kreismedicinalrath Dr. Leube zu Ulm sagt hinsichtlich
dieses Gegenstandes in seiner Aeusserung vom 2. December 1861
u. a. folgendes:
„Nach der Untersuchung vom 2. November (1861) erscheint
gegen die früheren Untersuchungen und insbesondere gegen die
letzte vom 25. October der Gehalt des Wassers allerdings etwas
besser; es fanden sich 0,11 Gran weniger organische Materie und
0,29 Gran weniger unorganische Bestandtheile (Salze). — Ueber
den Kohlensäuregehalt ist nichts Näheres gesagt, als dass er
normal war; die Temperatur zeigte sich bei gleicher äusserer
Temperatur von 10^ R. V2 Grad kühler, d. h. sie hatte statt
90, wie am 25. Oct. 8V2^- — Gross ist freilich hienach die Bes-
serung desZustandes nicht; man kann zwar das Wasser nach dem
physikatamtlichen Gutachten ohne Nachtheil für die Gesundheit trin-
ken, allein 0,28 Gran organischer Bestandtheile in einem Schop-
pen Wasser, von denen nicht gesagt ist, ob sie thierischen oder
vegetabilischen Ursprungs sind, gehören nicht in ein reines
Quellwasser" u. s. w.
Ich enthalte mich, auf das Weitere was diese Aeusserung
enthält, einzugehen, weil ich es nicht in allen Theilen mit meinen
an Ort und Stelle gewonnenen Resultaten in Einklang zu bringen
vermag; — meine Ueberzeugung über die Grundursache der Ver-
unreinigung der Kohlenstadelquelle und die zur Beseitigung des
Uebelstandes anzuwendenden Mittel sind in den gegenwärtigen
Blättern geschildert.
Die Bestandtheile des Kohlenstadel quellwassers zeigen zuweilen
ein variables Verhalten; es lässt sich manchmal mit Appetit,
hin und wieder mit einiger Unlust trinken und nach den Be-
— 153 —
obaclitimgen des Stadtbaumeisters Sclimid, die er mir kürzlich
mündlich mittheilte, steht die vorübergehende Besserung und Ver-
schlimmerung des Wassers im Quellenraume des Kohlenstadels
gegenwärtig mit der Ausräumung und Füllung einer zur Zeit noch
nicht corrigirten Abtrittgrube (der Stelle Num. 17 meines Be-
richtes vom 3. Dezember 1860) in wahrnehmbarem Zusammen-
hange. Ich habe der Sache Erwähnung gethan in meinem neuesten
Gutachten vom 28. Januar 1862 : „die Gewinnung weiteren Trink-
wassers für das Kohlenstadel werk mittels Abteufung eines Schach-
tes am linken Ufer des Stadtgrabens betreffend," weil das Schick-
sal dieses Schachtes strenge genommen organisch mit dem der
Kohlenstadelquelle zusammenhängt — einige Worte über denselben :
Das wichtigste vorläuhge Ergebniss dieses 31' langen und
14' breiten Hülfsschachtes , welcher am 20. Jan. 1862 eine Tiefe
von 14' 3" 2'" erreicht hatte mit einer Quellwasserhöhe von
2' 2" 5'", ist, dass der Spiegel des in ihm angehauenen Wassers
12' unter dem der vorbeifliessenden Blau (Stadtgraben) stand.
Der zwischen dem Scliachte und dem Stadtgrabenufer stehen ge-
bliebene Terrainklotz ist 10' stark und bildet erfreulicher Weise
einen wasserdichten Damm, welcher die Vermischung des Blau-
wassers mit dem im Diluvium bereits erschlossenen Quellwasser
verhindert; letzteres ist klar, dem Geschmacke nach mild und
gut, dringt von der Sohle senkrecht aufwärts empor und wird
in grösserer Tiefe auch noch weitere und bedeutendere Zuflüsse
erhalten, der Quellwasserzunahme in anderen Diluvialgebilden
analog. Temperaturmessungen des Schacht- und Blauwassers
nahm ich, um Täuschungen zu entgehen, keine vor, weil die
Schachtpumpen gerade nicht in Activität gesetzt werden konnten
und die Lufttemperatur (ungefähr 10<^ Kälte) auf das im offenen
Schachte ruhig stehende Quellwasser influirte. — Dass diese bei-
den Wasser (das des Hülfsschachtes und der Blau) nicht mit ein-
ander communiciren , ward auch durch die grosse Differenz der
Höhenlage ihres Wasserspiegels (12') vollkommen bestätigt: die
Befürchtung, man sei auf Blauwasser gestossen, oder selbiges
influenzire auf den Schacht, entbehrt also jeglichen Grundes;
dass übrigens das neue Quellschachtwasser in einer wenn auch nur
— 154 —
langsam sich äussernden Communication mit dem der Kohlen-
stadelquelle stehen wird , ist in dem dortigen Diluvialterraine un-
bedingt anzunehmen, jeden Falles muss aber in Folge der Situa-
tion beider Punkte oder der Entfernung derselben von einander,
das Quellwasser des Schachtes besser als das gegenwärtige des
Kohlenstadels sein. Analysen werden s. Z. das Nähere besagen.
Die geringe Menge organischer (thierischer) Stoffe, welche
das Kohlenstadelquellwasser jetzt noch enthält, mögen daher rühren,
dass der stark inficirte Terrainstock noch nicht lange genug durch
die Thätigkeit der Pumpen im Brunnenwerke ausgelaugt worden,
oder auch, dass die in meinem Berichte vom 3. December 1860
beantragte Abhülfe „wasserdichte Betonirung verschiedener Gru-
ben" immer noch nicht in der gehörigen Ausdehnung durchge-
führt worden ist.
Der letztere Umstand, ich möchte sagen „Uebelstand" hat
am meisten Wahrscheinlichkeit für sich, denn es ist und bleibt
beobachtete Thatsache, die nie und nimmer in Abrede gestellt
werden kann, dass das verdorbene Quellwasser des Kohlenstadel-
werkes von der Zeit an nach und nach besser geworden ist,
in welcher mehrere von mir beantragte Abtrittsenkgruben etc.
wasserdicht hergestellt worden sind ; — wäre nach diesem Systeme
auf die in meinem Berichte vom 3. December 1860 bezeichnete
Weise bis zu Ende fortgefahren worden, so hätte das fragliche
Quellwasser höchst wahrscheinlich bereits seine ursprüngliche
Güte wieder vollständig erlangt.
Von meinem Standpunkte ausgegangen bin ich also noch nicht
ganz zufrieden gestellt ; hoffen und wünschen wir aber , dass es
den fortgesetzten Bemühungen der städtischen Behörden gelinge,
die noch im Wege stehenden, zwar widerlichen , keinesAvegs aber
unüberwindlichen practischen Hemmnisse vollends zu beseitigen,
und dass ich bald in den Fall kommen möge, verkündigen zu können :
„Das Verhalten der Kohlenstadelquelle lässt nichts mehr zu
wünschen übrig; sie ist ganz zu ihrer ursprünglichen Güte und
Reinheit zurückgekehrt, und die Anlegung einer kostspieligen
Wasserleitung vom Michelsberge nach der Stadt ist dadurch über-
flüssig geworden."
— 155 —
Wenn Professor Dr. Hugo von Mohl zu Tübingen, in
seinem Schreiben an Apotheker J. G. Kissling (21. October
1860) u. a. sagt, „Eine solche ekelhafte und abscheuliche Un-
reinlichk^it ist mir noch nie in einem Brunnenwasser vorge-
kommen,^- so möchte ich, da ich schon so manche Quellenläufe,
Brunnenstuben und Wasserleitungen im In- und Auslande zu
untersuchen und zu corrigiren hatte , wohl noch weiter gehen und
behaupten, dass eine so kolossale Verunreinigung eines Quell-
wassers nebst der organisch damit zusammenhängenden Bildung
von Algen in Unzahl, wie es bei der Kohlenstadelquelle in Ulm
der Fall war, — in den Annalen des Brunnenwesens von ganz
Deutschland, ja vielleicht von ganz Europa nicht zu finden sein
wird, und wohl einzig in ihrer Art dasteht!
6, Der Hohlenstein und der Höhlenbär.
Von Dr. Oscar Fr aas in Stuttgart.
Das riüsschen Lone oder auch Londel auf der Höhe der
ülmer Alb gehört zu den seltenen Flüssen, die mitten in ihrem
Lauf in zerklüftete Gebirge verschwinden, um nach einigen Stun-
den unterirdischen Laufes wieder hervorzuquellen. Der Fluss
entspringt 1726 P.F. über dem Meer im Dorfe Urspring aus
einem 15' tiefen Kessel, ein frisches, herrliches Albwasser mit
Forellen, das ringsum saftige Wiesen schafft, eine wahre Oase in
dem dürren Felsenland. Doch nicht lange währt die Freude.
Schon nach 2stündigem Laufe unterhalb Breitingen, wo der Lon-
del die letzte Mühle treibt, wird er von 1000 zu 1000 Fuss
schwächer und kleiner und verschwindet endlich ganz. Sein
Thalbett freilich hört nicht auf, aber mit Ausnahme der Schnee-
wasserzeit und lange währender Regenfälle lauft kein Tropfen
darin. 4 Stunden lang geht man durch das romantische Trocken-
thal mit seinem Felsen- Gehäng und Buchenrand, das nur bei
Nerstetten und Setzingen im Gebiet der Platten-Kalke sich et-
was verflacht. Verfolgt man das Thal in seinen vielfachen Win-
dungen, so wird man bei Dorf Lonthal plötzlich wieder von
Wasser überrascht: jede Felsspalte wird hier zur Quelle und mit
dem sog. Hürbel (bei Hürben entspringend) vereinigt mündet
unterhalb Burgberg schliesslich wieder ein recht anständiger
Fluss in die Brenz. Auf unterirdischen Wegen, denen freilich
kein Mensch zu "folgen vermag, fliesst der Londel dahin, das
ganze w^eisse Jura-Gebirge ist dort wie unter der Erde so auch
am Tage zerklüftet. Erdfälle, Trichter, Höhlen in historischer
und vorhistorischer Zeit gebildet bezeichnen die Gegend. Zwi-
— 157 —
sehen Aselfingen und Bissingen, auf ersterer Markung tritt ein
massiger Marmorfels 50' hoch, über 100' breit in das Lonethal
herein, es ist der Hohlenstein. Eine hoch gesprengte Grotte,
der Stadel genannt, füllt alsbald in die Augen, sie ist geräumig,
um über 100 Menschen zu fassen und war offenbar in früherer
Zeit verschanzt. Eine 4' hohe Brustwehr-Mauer schützt den Ein-
gang; sie soll römischen Ursprungs sein. Wohl möglich, denn
ein kleines Versuchsloch in dem schwarzen, humusreichen Boden
der Grotte brachte alsbald etrurische Scherben von terra siglllata
zu Tag. Im Hintergrunde des Stadels führt ein schmaler
Schlupf noch tief in den Fels hinein. Ist man eine kleine Strecke
gekrochen, so kann man bald wieder auf die Beine stehen, all-
mählich aber wird die Höhlung zur engen Gebirgsspalte, eine
vortreffUche Bergfeste für Reinecke Fuchs und Grimmbart den
Dachs. Westlich von der Grotte, nur wenige Schritte vom Ein-
gang 1643' ü. d. M. ist eine zw^eite niedrige Oeffnung vom Wald-
gebüsch fast zugedeckt, sie führt 120 Fuss lang durch einen
ähnlichen schmalen Gang, in dem man nur gebückt vorwärts
kommt. Da erweitert sich auf einmal der Gang zu einer 30'
hohen Halle, 40' im Durchmesser, hinter ihr folgt eine zweite
noch breitere und weitere und am Ende eine dritte sehr weite
aber niedrige, von welcher noch verschiedene Gänge und Klüfte
in das Innere abzweigen, durch die sich ein Mann jedoch nicht
mehr winden kann. Jagdhunde schlupfen noch tief in den Berg,
dass man sie kaum mehr bellen hört, viele fanden schon ihren
Tod in den Labyrinthen. Der Boden der im Ganzen 250' langen
Höhle besteht aus fettem gelbem Lehm, kalkfrei, unlöslich in
Säure, demselben Lehm, der in der Gegend das Jura -Gebirge
deckt, vermengt mit eckigen vom Wasser durchaus nicht ge-
schobenen Kalkbruchstücken in der verschiedensten Grösse. Der
Lehm ist augenscheinlich vom Wasser, das stets vom Dach der
Höhle herab träufelt, hereingewaschen, die Kalkbruchstücke von
der Grösse einiger Linien an bis zu Felsblöcken von 100 Cent-
nern und darüber sind ebenso augenscheinlich vom Hangenden
losgebrochen und gleichen vollständig dem Schutt, der am Fuss
aller Jura -Felsen sich anlagert. Diese Höhle nun war — nach
— 158 —
den Kesultaten mehrwöchentlicher sorgfältiger Ausgrabungen —
zu verschiedenen Zeiten, und zwar in geschichtlicher wie in vor-
geschichtlicher Zeit, die Zufluchtstätte von Menschen und
Thieren: Die Reste der Ersteren liegen in dem obersten Fuss
Lehm, die der Letzteren in den unteren 6 — 15 Füssen. In der
ersten Halle, die zugleich das tiefste Niveau einnimmt, lagen die
Reste dieser alten Höhlenbewohner so zahlreich, dass jeder Hieb
Knochen, Zähne und Scherben hervorbrachte. In den ersten Ta-
gen der Ausgrabungen war die Erscheinung sehr bedenklich, dass
Thonscherben rohen Fabrikates und Kohlenreste mit Zähnen und
Knochen von Höhlenbär ganz entschieden nebeneinander lagen:
es war keinerlei Täuschung möglich, denn in der ganzen ersten
Halle zog sich ein schwarzes Kohlenband 1 — 4 Zoll mächtig durch
den Lehm; es war die Zeit, da Menschen in der Höhle ihre Zu-
fluchtstätte fanden. lieber dem Kohlenband mit seinen Gefäss-
Scherben und Kunstprodukten lagen durchschnittlich 8 Zoll Lehm,
ganz derselbe Lehm wie unter der Kohle, voll Knochen und
Zähnen von Höhlenbär. Bald aber klärte sich die Erscheinung
auf: der Boden der Höhle ist durchwühlt von Fuchs und Dachs
und wenn auch von Menschen Hand der Boden noch unberührt
da lag, die Wühlarbeiten der Vierfüssler waren so energisch,
dass auf ihre Rechnung allein die 8 Zoll Lehm über der Kohl-
platte zu schreiben sind. Bald zeigte sich auch, dass in diesem
oberen Lehm zwar Zähne, Wirbel, Phalangen, Fusswurzel-Kno-
chen, überhaupt nur kleinere Knochen und Knochenstücke lagen,
Stücke aber von grösserer Dimension und Schwere, wie Schädel,
Schenkel-, Armknochen u. s. w. nicht gefunden wurden. Hienach
sonderten sich bald die Reste der Kohlplatte als aus historischer
Zeit stammend von denen der untern Lehme, welche dem Alter
des Mammuth und Höhlenbären angehören. Der historischen
Reste soll hier nur kurz Erwähnung geschehen, ihr Alter von
Sachkennern bestimmt, bürgt vollends dafür, dass an ein Zu-
sammenleben von Mensch und Bär in diesem Falle nicht gedacht
werden darf. Gleich am Eingang in die erste Halle, dem Ein-
tretenden zur rechten Hand, war augenscheinlich die Feuerstelle
der Menschen, hier war die Kohlenschichte im Lehm am stärk-
— 159 —
sten und viele hundert Scherben von Schüssehi, Häfen und Tel-
lern lagen in der Asche zugleich mit angebrannten oder frischen
Knochen von Hirsch, Schwein, Schaf u. s. w. Von einer Zu-
sammenfügung der mehr oder minder rohen Scherben war keine
Rede mehr, in der Regel sind sie auch so klein zerschlagen, dass
selbst die Form und Umrisse des Gefässes nicht mehr erkannt
werden konnten. Am Eingang zur Höhle lagen sie am häufig-
sten, doch zerstreuten sie sich von der Kohlplatte über die ganze
Halle und fanden sich mit ihnen noch Steinbeile aus Serpentin,
Bronce-Stücke, durchbohrte Pferdezähne als Amulett getragen,
Knochen und Geweih -Stücke von Hirsch, die roh verarbeitet
scheinbar zu Handgriifen oder Aelmlichem gedient haben moch-
ten. Der ausgezeichnete Kenner altgermanischer Kunst-Gegen-
stände, H. Linden Schmidt in Mainz gab sein lichtvolles Gut-
achten über die Menschenreste des Hohlensteius dahin ab,
dass die Gefässscherben aus verschiedenen Jahrhunderten stam-
men, jedoch selbst die ältesten aus keiner früheren Zeit, als dem
ersten Jahrhundert vor Christus. Diese ältesten sind Fragmente
grosser Töpfe mit starker Wandung, von cylindrischer Gestalt,
Die Thonmasse sieht kaum gebrannt aus und ist stark mit Quarz-
sand und Bohnerzkörnern gemengt; diese Mengung hat ihren
Grund einerseits in dem Umstand, dass der unvermengte feinere
Thon schon beim Formen, das aus der Hand geschah, leichter
reisst, andrerseits, dass mangelhaft gebrannte Gefässe, wie z. B.
alle altgermanische Grab-Urnen geeigneter werden, den Wechsel
von Erhitzung und Abkühlung bei einem durch Luftzug beweg-
ten Feuer auf offenem Felde leichter zu überdauern. Der Ober-
rand der Gefässe ist nur wenig überworfen, entweder in sehr
stumpfem Winkel oder in leichter Biegung, nicht weit unter dem
Rand lauft eine Art Ornamentik in Gestalt eines umgelegten
Strickes oder mit kreisförmigen, durch Eindrücke der Finger-
spitzen hervorgebrachten Einkerbungen. — Jünger ist die zweite
Art von Scherben, die bereits eine weiter vorgeschrittene Be-
handlung des Thones zeigt und ein Streben nach Verzierung mit-
telst paralleler Streifung, die bei den grössern urnenartigen Ge-
fässen am Halse, bei den Schüsseln und Tellern an den Innern
— 160 —
Seite des breiten Randes angebracht ist. Ihre Färbung durch
Gelb, Roth und Schwarz, letzteres durch Graphit, ist unverkenn-
bar. Theilweise besteht hier noch die Mischung mit Quarzsand,
theilweise ist der Thon schon sorgfältig gereinigt und eine ge-
schmackvollere Ausführung bemerkbar. — Die dritte Art Scher-
ben umfasst Gefässe von unzweifelhaft römischer Technik vor
der Mitte des 4ten Jahrhunderts n. Chr. Sie stimmen voll-
ständigst mit anderem römischen Fabrikate, das z. B. in Bonn,
Mainz, Trier, Cöln gefunden wird. „Es fallen demnach" — meint
Linden Schmidt — „Die Gefäss-Scherben des Hohlensteins in
„den Zeitrahmen vom Isten Jahrhundert vor bis zum 4ten Jahr-
„hundert nach Christi Geburt. Selbst die ältesten der ersten
,,Art sind besser gebrannt, als es bei den Gefässen der ,,Stein-
„periode" der Fall ist, besonders fehlen auch die kleinen Tassen
„und Becher, wie man sie aus den alten Grabhügeln kennt. Das
„höchste Alter der Hohlenstein-Reste dürfte etwa mit dem der
„Schweizer Pfahlbauten zusammengestellt werden. Nun gleichen
„aber die Kulturzustände auch der ältesten Pfahlbauten voll-
„kommen denjenigen, welche die Römer zuerst bei den deutschen
,, Stämmen fanden und durch die Kunst des Webens, Stricke-
„flechtens, des Waizen- und Obstbaues, vorgeschrittene Töpferei,
„Bohrung der Steinäxte u. s. w. bezeichnet werden. Der Fund
„von Steinäxten im Hohlenstein steht mit solcher Altersbestimm-
„ung durchaus nicht im Widerspruch. Die beliebte Zeitstellung
„dieser als Waffe und Werkzeug gleichmässig benüzten Geräthe
„in eine Frühzeit von mehr als einem Jahrtausend vor Christus
„ist um so weniger hier gestattet, als die sorgfältige Bearbeitung,
„der schöne Schliff, die ganze Form mit den Steinbeilen stimmt,
„welche z. B. in Mainz in römischen Cisternen gefunden wurden,
„die ihre Zerstörung nach Erstürmung des Lagers durch die
,, Germanen fanden. Das Steinbeil reiht sich an die mit Hörn
„geschärften Lanzenspitzen, deren Plinius erwähnt, an die brand-
„harten Speere und andere alterthümliche oder naturzuständliche
„Waffen der historischen Zeit. — Die durchbohrten Pferdezähne
„sind Reste eines freilich barbarischen Halsschmucks, vielleicht
„als Amulett getragen, Bärenzähne zwischen Bernsteinperlen
— 161 —
„finden sich z. B. noch in fränkischen Gräbern. Die Fibula von
„Bronce ist entschieden römisches Fabrikat, und aus dem Alter
„der Urnenscherben Xr. IL Als Ornamentik ist auf derselben
„der Zickzack zu bemerken, der am ehesten auf spätrümische
„Zeit hinweist. — Solche Auseinandersetzungen des sachkundigen
Archäologen unterdrückten vollends jeden Gedanken, als lägen,
im Hohlenstein Reste von Ureinwohnern, die etwa noch im Kampf
gelegen hätten mit dem vorhistorischen Höhlenbären : zudem zeigte
schliesslich weder der Menschenschädel, der in der Kohlplatte
lag, noch die Knochen und Zähne von Hirsch, Schwein, Pferd,
Ochse, Schaf, Ziege, Reh u. s. w. irgend eine Abweichung von
den lebenden Arten.
Der Höhlenbär. Ursiis Sjjelceus Blb.
Erst unter der Kolilplatte mit den Menschen-Resten lagen
die massenhaften Anhäufungen von Knochen, die zu 98 Procen-
ten dem Bären angehören. Es überstieg ihre Menge an einigen
Stellen in der That alle Begriffe, jeder Hieb traf auf Knochen,
die grösstentheils wohl erhalten, theilweise wie frisch macerirt
aus dem feuchten, fetten^ Lehm sich herausschälten. Ueber 7000
Stück Knochen wurden des Transports nach Stuttgart für würdig
erachtet, über 3000 mögen bei der Grabarbeit zerschlagen oder
als mangelhaft nicht mitgenommen worden sein, so dass zum
Mindesten 10,000 Stücke gefördert wurden. Diese Knochen alle
lagen in den 2 vorderen Hallen, welche jedoch nur auf 6' aus-
gegraben werden konnten. Der Lehm ist zwar viel mächtiger,
ein Versuchsloch in Gemeinschaft mit einem Fuchsrohr zeigte
gegen 15' Fuss Lehm ; ohne grossen Kostenaufwand war es aber
nicht möglich tiefer zu gehen, zumal bald auch ein Zustand der
Sättigung eintrat, da eben immer und immer nur Bären-Reste
zum Vorschein kamen. Höchstens traf man ausser ihnen noch
Spuren ihrer Mahlzeiten in Gestalt von angenagten oder zer-
brochenen Knochen von Pferd, Elennthier, Hirsch, Ochse, Ele-
phant. Sämmtliche Knochen lagen zerstreut im Lehm , kein
Wirbel neben Wirbel, oder Wadenbein neben Schienbein, alles
lose für sich, ohne jegliche Spur von Zusammenhang. Vom Leim
WUrttemb. naturw. Jahreshefte. 1862. 23 Heft. 11
._ 162 —
des Knochens ist nur wenig verloren gegangen, wenn das sp. Ge-
wicht eines frischen Knochens 1,69 beträgt, so ist das der Hohlen-
stein Knochen 1,65. Ihr frisches Aussehen, ihre ausgezeichnete
Erhaltung berechtigt zu der Annahme, dass sie nie am Tage
gelegen und etwa erst in Folge irgend eines Ereignisses in die
Höhle geführt worden wären. Vielmehr kann man sich, je länger
man den Knochenlagern nachgeht, um so weniger dem Eindruck
entziehen, dass die Bären in der Höhle fielen und faulten. Die
Kadaver blieben liegen bis die Bänder sich lösten , worauf die
Knochen von den lebenden Bären verschleppt, zerstreut oder in den
immer feuchten Boden getreten wurden, der namentlich bei Regen-
wetter durch Verwaschung des zu Tage liegenden Lehmes einst
wie jetzt noch in der Höhle sich bildete und die auf der Ober-
fläche liegenden Gegenstände nach und nach einhüllte. Die Zahl
der Individuen auch nur zu schätzen, ist kaum möglich. Viele
hundert gaben jedenfalls ihre Knochen her nur für unsere Aus-
grabungen. 40 Schädel und 70 Schädel- Stücke weisen auf 110
Individuen, 375 Unterkiefer-Hälften auf mindestens 186 hin. Nun
passen aber die Unterkiefer-Hälften weder unter sich zusammen,
noch zu den Oberkiefern und Schädeln, so dass man wohl 400
Individuen nur aus den Kopfstücken erhält, 90 Atlase, 80 Epi-
stropheus, 200 Halswirbel u. s. w. passen gleichfalls weder unter
sich, noch zu den Condylen des Hinterhaupts, dass auch aus diesen
wieder ein neuer Zuwachs zu der Gesammtzahl der Individuen
erwächst u. s. w. Alle Altersstufen sind vertreten vom zartesten
Fötal-Knochen an bis zur Altersdegeneration, vom Milchzahn bis
zu den Zähnen, die bis zur Wurzel abgekaut sind, ebenso die
Geschlechter, endlich Krankheiten und Wunden, dass eine voll-
ständige Monographie des Höhlenbären auf Grund des ausge-
grabenen Knochen -Materials geliefert werden kann. In Nach-
folgendem möchte ich zu den vielen schätzenswerthen Arbeiten,
die schon über den Höhlenbären erschienen sind, einige sicher-
lich nicht uninteressante Beiträge aus dem Hohlenstein liefern.
163
I. Knochen des Kopfes.
Die nachstehenden Messungen -werden zeigen, welche Grösse
der Höhlenbär erreichte, eine Grösse, welche weder die in Fran-
ken, noch in Belgien und Frankreich, noch im Süd-Russland ge-
fundenen Stücke aufzuweisen im Stand sind. Schmerlings gröss-
ter Schädel misst 468 Mm., Nordmann's 488, aus dem Hohlen-
stein übersteigen mehrere dieses Mass, wenn auch die durch-
schnittliche Grösse nur 475 beträgt. So wenig irgend ein Zweifel
an der Species „Ursus spelceus^ bei Verarbeitung des colossalen
Materials aus dem Hohlenstein auftauchte, so sicher gehören alle
dort gefundenen Stücke eben auch nur zu dieser Species, Von
anderen Arten wie j^^^^^^^ ? arctoides , Pitorrü wenn sie
wirklich als vollwichtige Species sich herausstellen sollten , ist im
Hohlenstein keine Spur zu finden. Die Verschiedenheit der
Maasse, sowie die Verschiedenheit der Stärke der Hauer dürften
entschieden in Alters- und Geschlechts-Ünterschieden ihren Grund
finden. In der nachfolgenden Tabelle habe ich die Grössen- Ver-
hältnisse des U. Feroxy die Nordmann in seiner Monographie
des Höhlenbären pag. 6. mittheilt und die des U, arctos^ nach
dem eines ausgewachsenen Individuums zur Vergleichung auf-
genommen.
1) Der Schädel, Was vor Allem an dem ausgewachsenen
Schädel in die Augen ftillt, ist die hohe Stirne und die weite
Schläfengrube. Die entsprechende Muskel-Fülle des musculus tem-
poralis erforderte eine reichliche Versorgung mit Blutgefässen
daher die starken Gefässöffnungen im Keilbein und die Knochen-
wülste am Jochbein. Vergleicht man mit dem ausgewachsenen
Schädel den eines jungen noch im Zahnwechsel begriffenen Thie-
res, so fällt es in der That schwer, auch nur annähernde Aehn-
lichkeit in beiden zu erkennen. Bei der geringen Grösse,*)
* Nota. Im December 1861 brachte die Bärin in Wemer'fl zoolo-
gischem Garten 2 Junge zur Welt, von denen Eines vollkommen aUBge-
164
Yergleiclicnde Maasse vonBärensehädeln in Mm.
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über den Jochbogen.
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Höhe des Schädels.
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Länge der Schnauze
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bis zur vordem
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Augenhöhle.
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Höhe der Schnauze.
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letzten Backenzähne.
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Backenzahn.
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Länge der Backen-
zahnreihe.
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- _ 165 —
welche die jungen Bären überhaupt zeigen, fällt der Alters-Ünter-
schied auch bei U. arctos sehr auf, jedoch nicht in dem Maasse
wie bei spelceus. Es gewährt daher grosses Vergnügen, die
Altersstufen auch an den einzelnen Knochentheilen des Schädels
zu verfolgen, wie sich, gewisse Verhältnisse in der ersten Jugend
sclion bestimmt ausprägen.
Vom Stirnbein besitzen wir einige Duzend ganz junger
Individuen, das kleinste von 60 Mm. Länge hat die Grösse, die
sich an dem 0^/2 monatlichen Bären -Skelett von Werner be-
obachten lässt: an diesem ist bereits die protubercmtia marginis
supraorbitalis sehr stark -entwickelt, welche dem ausgewachsenen
Huhlenbärenschädel eine so eigenthümliche Physionomie verleiht.
Die Hirnhöhle ist bei unserm Schädel Nr. 1 bereits nahezu so
gross, als bei einem der ausgewachsenen ader alten Individuen,
wie Gyps-Ausgüsse der Hirnhöhlen von Nr. 1. und Nr. 6, bewei-
sen, deren grosses Gehirn zwischen 102 und 105 Mm. misst, und
doch ist diess Verhältniss der Schädellänge wie 2:5. (s. Tabelle)
Mit dem Wachsthum der Thiere wachsen nemlich am Stirnbein
nur noch die sinus frontales. Am kleinsten Stirnbein, dessen
Wandung erst einige Millimeter misst, zählt man bereits 5 — 7
längs sich zur Nase ziehende Höhlen, die mit dem Wachsthum
des Schädels immer grösser, geräumiger und blasiger werden,
sich schliesslich vielfach theilen und verästeln und den Raum
ausfüllen zwischen der Hirnhöhle und der Nase. An alten Exemp-
laren, an denen weder Kronennaht noch Pfeilnaht mehr zu sehen
ist, kann man folgende Maasse beobachten: von der crista sagit-
talls zur basis ossis sphenoidei 140 Mm., der Piaum für das Ge-
hirn beträgt 70 Mm., 10 Mm. ist das Keilbein dick, fallen die
übrigen 60 Mm. auf den sinus pariefalis, während der davor lie-
gende sinus frontalis über dem Kolben des Siebbeins gemessen
bildet war und 1 Tag lebte. Es misst 175 Mm. von der Schnauze zum
Schwanz. Von den Zähnen ist keine Spur vorhanden. Ein 3V2 Monate
älterer Blir aus der Nähe von Petersburg 520 Mm. bei einer Höhe von
240 Millimetern.
— 166 —
100 Mm. Durchmesser zeigt. Ganz ähnlich ist es mit dem
Wachsthum des Scheitelbeins. Vor dem Verwachsen der
Pfeilnaht zeigt der Knochen eine Dicke von 10 Mm., mit ihrem
Verwachsen schwillt der sinus um das 6fache seines Volums an,
bildet sich spongiöse Knochen-Masse und die hohe, scharfe crista
sagittalis, welche den Schädel des Höhlenbären vor lebenden
Arten auszeichnet.
Das Hinterhauptsbein. An jungen Schädeln ist weder
der pars basilaris noch die squama occipitis mit den condyli ver-
wachsen. Es besteht vielmehr das Hinterhauptsbein aus den ge-
nannten 3 besonderen Theilen, die leicht auseinanderbrechen.
Bald jedoch verwachsen diese Nähte spurlos und bildet sich auf
dem Basilartheil eine protuherantia pharyngeal auf dem Schuppen-
theil eine scharfe crista nuchm aus , die beide am braunen Bären
vermisst werden, während am Eisbären wenigstens letztere be-
obachtet werden kann. Im Gelenktheil liegen die 2 Canäle in
das kleine Gehirn (das foram. jugulare und co7idyloideum) ganz
auf dieselbe Weise wie bei den lebenden Bären. Dagegen bildet
sich am Basilartheil zum Felsenbein je ein protuherantia jugularis
aus, welche bedeutend über dieses hinabragt. Es scheint diess
dem U. spele&us eigenthümlich zu sein; bei den Schädeln leben-
der Arten ist es nicht der Fall, hier überragt vielmehr das
Felsenbein die Protuberanz des Grundbeins. Die Breite des
Grundbeins über den Condylen verändert sich mit dem Alter
nur wenig, dessgleichen der Durchmesser des Hinterhauptslochs,
wie unsere tabellarische Uebersicht zeigt. Es hängt diess mit
dem geringen Wachsthum des ganzen Gehirns zusammen, wie
wir beim os frontale und parietale gesehen haben.
Das Keilbein zeigt keine nennenswerthen Eigenthümlich-
keiten. An geöffneten Schädeln sieht man den Verlauf der
5 hintereinander liegenden foramina in der Gehirn-Höhle. Das
vorderste kleinste an das Stirnbein stossende foramen dient zu
Gefäss- Verbindungen und mündet neben den 2 Lappen des gros-
sen Gehirns, hinter ihm kommt das foramen opiicum, dann fora-
men rotu7idum und ovale.
lieber den olfactorius und opticus kann kein Zweifel sein.
— 167 —
Das dritte foramen muss verbunden mit der ßssura orhitalis su-
perior als f. rotundum angesehen werden zur Durchlassung des
3ten und 4ten, des ersten und zweiten Astes vom 5ten und end-
lich des 6ten Nerven. Das vierte foramen wäre ovale für den
dritten Ast des 5ten, maxillaris inferior. Das fünfte diente für
Gefässe und den nervusvidianus. Auf dem Grund des Keilbeins vorne
liegt endlich ein entwickeltes foramen vomerobasilare und nach
hinten der canalis caroticus und die tuba Eustachii, Auffallend
stark entwickelt findet sich wieder das Schläfenbein. Der
Grund hievon sind abermals die sinns temporales. Durchsägt
man alte Schädel, so trifft man hier ebenso grosse Höhlen und
Blasen wie in der Stirn - Höhle , nach aussen folgt spongiöse
Knochen-Masse, immer dichter werdend und härter, bis sie in
der Gelenk-Grube vollkommen fest und glatt geworden ist. Die
furchtbare Stärke des procesms zygomaticus, der Gelenk -Grube
und des Gelenk -Hügels verlangt weiter einen starken processus
viastoideiis , welche mit einander dem Bärehschädel von unten
angesehen den imposanten Ausdruck verleihen. Zwischen dem
Zitzenfortsatz und dem Gelenkbein liegt der äussere Gehörgang,
der 16 Mm. hoch, von ovaler Gestalt beginnt, 50 Mm. weit in
dem Tympanbein sich hinzieht und dabei auf 8 Mm. sich ver-
engt. Ein sehr regelmässiges Oval mit dem Tympanring mündet
in die grosse Paukenhöhle, die in 3 Kammern getheilt ist, in der in-
neru mündet die tuba Eustachii, in die äussere der facialis, von den
"Wänden der Paukenhöhle hängen tropfsteinartig Knochenzäpfchen
einige Mm. laug herab. In ausgezeichneter Weise Hessen sich an
einigen Exemplaren die Gehör -Knochen prepariren und finden
sich noch in ihrer Lage Hammer, Ambos, Steigbügel, Der erstere
(malleus) ist 10 Mm. lang, der Handgrifi" misst 5, rechtwinklig
zum Handgriff ein feiner proc. Folianus, am Kopf eine grosse
Gelenkgrube für den Ambos fincusj. Dieser ist eigenthümlich
gebaut, 5 Mm. lang, einer Keule zu vergleichen, der Körper sitzt
mit seinem Kopf in der Gelenk -Grube des Hammers mit dem
selben ein Knie bildend; am Ende des grossen Fortsatzes, der
breit und dünn wird, ist der überaus zierliche, 3 Mm. lange,
1 Mm. breite Steigbügel (stapes) angebracht. Er sitzt in der
— 168 —
feiiestra ovalis, da sein Durchmesser grösser ist, als der Eingang
zuv fenestra, so kann er nicht in die Paukenhöhle herausfallen.
Um ihn zu erhalten, muss der Vorhof aufgesägt werden. Die
Ineinanderfügung der 3 ossicula liegt vollkommen klar vor Augen :
der am Trommelfell befestigte Handgriff setzt mittelst des knie-
förmigen Doppel-Hebels den in der fenestra angebrachten Steig-
bügel in Bewegung, durch welchen die Schallwellen in das Innere
des Ohrs hindurchgehen. Vom vestibulum aus führt ein seitlicher
Gang zur Schnecke und fenestra rotunda. Gerade aus durch's
Fenster hindurch sieht man die äusserst zarte und feine Oeff-
nung des ersten halbcirkelförmigen Canals, unter rechten Win-
keln liegen die 2 andern zu dem ersten, also dass die Canäle
nach den 3 Dimensionen des Raums den äusserst harten Knochen
durchziehen. Die Kanäle sind so eng und schmal, dass es kaum
gelingt, eine Borste durchzuzwängen, und man ihren Verlauf nur
durch mühsames Auffeilen verfolgen kann.
Das Siebbein des Höhlenbären ist nicht weniger eigen-
thümlich. Es bildet — von innen gesehen, 2 Kolben , in wel-
chen die 2 Lappen des grossen Gehirns liegen und die
Reihe von Riechnerven durch die foramina crihrosa in Empfang
nehmen. Von aussen gesehen ist das Bein ein regelmässiges Kreuz.
Eine Knochenwandung bildet nach oben die Scheidewand der Stirn-
Höhle, nach unten eine Gräthe gegen den vomer, die 2 Queer-
balken sind die Basis für die zahlreichen, faltigen Knochenzellen,
die in der Nasenmuschel immer dünner und blasiger werden.
Ueber die Gesichts-Knochen lässt sich nicht viel sagen. Die
Eigenthümlichkeit des Höhlenbärenschädels wird hauptsächlich im
Stirn- und Schläfenbein zu suchen sein.
2) Die Zähne des Oberkiefers. So gründlich und viel-
fach schon das Zahnsystem des Höhlenbären beschrieben worden
ist, so reich und einladend ist doch das Hohlenstein-Material, wor-
nach hier eine kurze Zusammenstellung gegeben werde.
a) Die 6 Schneidezähne. Der Ite ist dreispitzig, vier-
eckig an der Basis, die äussere Spitze überragt um das doppelte
die beiden inneren, von welchen wiederum der vordere Hügel
höher und stärker ist als der hintere. Er wird vom Iten und
— 169 —
2ten Schneidezahn des Unterkiefers angekaut. — Der 2te gleicht
dem Iten vollständig, nur ist er stärker, und die 2 inneren Hü-
gel sind wenig an Höhe und Stärke verschieden. Wird vom 2ten
und 3ten untern Schneidezahn angekaut. — Der 3te ist einspitzig,
die Spitze nach aussen und nach unten gebogen, gleichfalls vier-
eckig an der Basis. Statt der inneren Hügel trägt er einen
wulstigen Schmelzrand, die Wurzel hat auf der Vorderseite eine
Rinne. Diese 3 Zähne stehen in Einer Linie nebeneinander,
1 und 2 vor dem foramen incisivum, 3 nimmt so viel Platz ein,
als 1 und 2 miteinander. Bei alten Individuen fallen die Zähne
leicht aus und gehört es wirklich zu den grössten Seltenheiten",
die Schneidezähne noch im Kiefer steckend anzutreffen.
b) Die 2 Eckzähne oder Hauer überragen mit ihrer 35—40
Mm. langen Krone die übrige Zahnreihe. Mit der Wurzel wer-
den sie 120 Mm. lang, am dicksten Theil 40 breit. Die convexe
Seite der Wurzel ist nach innen , die concave nach aussen ge-
richtet. Au der Krone* ist das kleine von den Schmelz -Kanten
eingefasste Feld nach innen gestellt. Die Ankauung greift den
Zahn auf der Vorderseite der Krone an durch die Hinterseite
des untern Eckzahns. Selten und erst bei sehr starker Abnutz-
ung nimmt der 3te untere Schneidezahn an einer seitlichen An-
kauung an der Basis der Krone noch Theil. — Neben dieser
Form starker, kräftiger Eckzähne linden sich Individuen mit nur
96 Mm. langen und 22 — 25 breiten Zähnen. Es sind die schlan-
kere Formen, der Zahn erscheint spitziger, die Zahnmasse härter
und fester, indem sie weniger Brüche und Abnutzung zeigen als
die der dicken Form.
c) 6 Backenzähne. Der Ite misst 20 Mm. in der Länge,
16 in der Breite, (der grösste 22 und 19), ist zweiwurzlig und
dreispitzig. Der vordere von der ersten Wurzel getragene Höcker
ist der grösste, die hintere breitere Wurzel trägt 2 kleinere
Höcker, unter denen wiederum der innere kleiner und niederer
ist als der äussere. An der Basis des letzteren heftet sich ein
Schmelzrand an, der w^ohl auch noch zu einem weiteren Höcker
sich ausbildet. 3Ian nimmt mit Recht an, dass in diesen Formen
der Höcker ein Hauptmoment zur Unterscheidung der Arten liege.
— 170 —
Dem Eisbären z. B. fehlt er durchaus. — Der 2te, 27 lang,
20 breit, (der grösste 30 und 23), ist dreiwurzlig, eine breite
Wurzel nach innen, 2 lange schmälere aussen, an der hinteren
äusseren Wurzel wuchert gerne noch eine 4te Wurzel aus. An
der Aussenseite sitzen auf den 2 Wurzeln 2 Haupthöcker mit
2 Nebenhöckern. Bedeutend niederer zieht sich auf der Innen-
seite eine Reihe von 3 und 4 Höckern hin. — Der 3te 46 lang,
23 breit, (der längste 50), ist von der Zusammensetzung und Be-
schaffenheit des 2ten Backenzahns mit einem hintern Ansatz von
Schmelzwarzen, die unregelmässig zu einzelnen Höckern anstei-
gen. Zu 2 breiten Hauptwurzeln kommt eine noch breitere dritte,
manchmal eine vierte, zwischen denen bei alten Exemplaren noch
einzelne Nebenwurzeln sich einschieben. — Der Zahnwechsel im
Oberkiefer ging gleichen Schritts mit dem im Unterkiefer vor
sich, wenigstens zeigt ein Stück Oberkiefer den 2ten Backenzahn
bereits ausgebildet und ausgewachsen, während der 3te noch
in der p?^Zpöf sitzt, der Iste aber nur einige Millimeter mit seiner
höchsten Spitze herausschaut. Der Eckzahn ist an diesem Stück
noch ganz versteckt im Kiefer. Zugleich sieht man noch die
Alveolen des Milchlückenzahns und Milcheckzahns.
3) Der Unterkiefer. Es liegen gegen 400 Unterkiefer
vor, von fötalen oder kaum geborenen Individuen an bis zu ur-
alten, die nur noch abgenützte Zahnstummel im Kiefer zeigen.
Anschliessend an die, Messungen Nordmann's (a. a. Ort p. 11)
folgen hier gleichfalls übersichtliche Maasse von 12 Individuen,
die je nach Alter und Form verschieden sind. Ebenso, ja mehr
noch als an den Schädeln treten an den Unterkiefern 2 Formen
hervor, eine starkknochige mit dicken, massigen Eckzähnen und
breiten Backenzähnen und eine schlanke Form mit spitzen, schär-
feren Zähnen.
Nach der Analogie der lebenden Bären wird man wohl nicht
irren, die grosse und breite Schädelform mit den starken Hauern
den männlichen Individuen zuzuschreiben, w^ährend die schlanke
Form mit den spitzen, härteren Zähnen dem weiblichen Geschlecht
eigenthümlich wäre.
171
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110
115
40
68
60
50
60
70
75
70
Junges Individuum mit Milchzähnen,
Junges Individ. mit ausbrechendem
2ten Backenzahn,
30 j Junges Individ. mit ausbrechendem
I Iten Backenzahn,
40 Junges Individ. mit ausbrechendem
letzten Backenzahn.
Junges Individuum mit vollendetem
Zahnwechsel.
65?
75
65
80
100
•Ausgewachsenes Individ. mit starken
Zähnen.
Dessgl, mit schlanken Eckzähnen.
Dessgl, mit starken Eckzähnen,
Altes Individ, mit schlanken Eck-
zähnen,
Dessgl, mit starken Eckzähnen.
Sehr altes Individuum.
Dessgl.
a) Die 6 Schneidezähne des Unterkiefers kamen zwar
einigeraale noch in den Alveolen steckend vor, etwas häufiger
als die oberen, was seinen Grund wohl darin haben mag, dass
ihre Wurzel von gedrückterer Form leichter in der Alveole haf-
tete, als die cylindrischen Wurzeln der oberen Schneidezähne.
Fast alle aber gehören alten Thieren an und sind die Zahn-
kronen auf eine Weise abgenützt, dass man von der ursprüng-
lichen Form wenig mehr sieht. Frisch ist der erste Schneide-
zahn einspitzig, mit kleinem seitlichen Höcker, am 2ten wächst
— 172 —
der Höcker an, dass man den Zahn auch zweispitzig nennen
könnte, der 3te wird geradezu dreispitzig, indem seitlich der
grossen mittleren Spitze 2 Nebenspitzen erwachsen. Die Wurzel
ist bei allen eine viel gedrücktere, denn im Oberkiefer. Eigen-
thümlich ist, dass die Alveolen nicht in Einer Reihe stehen, son-
dern die des 2ten Schneidezahns hinter den des ersten und
3ten zu stehen kommt.
b) Die 2 Eckzähne oder Hauer weisen gleichfalls auf
2 Formen hin. Der grösste Hauer ist 125 Mm. lang, am Bogen
gemessen 150, dick 40. Er bildet eine doppelte Kurve, indem
die Wiirzel sich von unten nach oben krümmt, die Krone von
aussen nach innen. An der Art der Abnützung vermag man sie
sogleich von den Eckzähnen des Oberkiefers zu unterscheiden,
indem ihre Aussenseite von dem oberen Eckzahn angeschliffen
wird, während ihre Innenseite mit dem 3ten obern Schneidezahn
in Reibung tritt. — Die kleine Form wird 95 Mm. laug, 25 dick.
Auch diese Zähne erscheinen härter und massiver, als die star-
ken Zähne, indem sie im Allgemeinen weniger angeschliffen sind.
Eigenthümliche Ankauungen lassen sich an denselben dann und
wann beobachten, kreisförmige Kauflächen an der äusseren Basis
der Krone, die nur durch die Einwirkung der oberen Schneide-
zähne erklärt werden können.
c) Unter den 8 Backenzähnen legt man auf den ersten
das meiste Gewicht zur Unterscheidung des Höhlenbären von je-
der anderen Art. Er hat auf der Vorderseite aussen eine starke,
scharfe Spitze, während gegenüber auf der Innenseite 2 kleinere
Doppel-Hügel sitzen. Der 4te Hügel ist auf der hintern Aussen-
seite. Letzterer verschwindet wohl auch ganz. Charakteristisch
bleibt immer der starke vordere Hügel: statt der inneren, vor-
deren Doppel-Hügel sieht man einigemal nur Einen Hügel, der
aber gleichfalls viel kleiner bleibt, als der vordere äussere. Ver-
gleicht man diesen Zahn mit dem entsprechenden ersten oberen,
so ist er der umgekehrte obere. Er ist zweiwurzlig, wie auch
der 2te Backenzahn. Die vordere Wurzel trägt 2 äussere Höcker
und 3 innere Schmelzwarzen, die hintere Wurzel einen äusseren
Haupt-Höcker und 2 innere kleinere. Der gleichfalls zweiwurz-
— 173 —
lige dritte Backenzahn zeigt im Grunde keine besonders hervor-
springende Höcker mehr, er ist vielmehr aus einer Menge klei-
nerer Schmelzwarzen zusammengesetzt, die mehr oder minder
sich zu Spitzen gestalten. Im Durchschnitt ist er 30 Mm. lang
und 20 breit. Der 4te Backenzahn, ursprünglich auch zwei-
•\vurzlig, bekommt im Alter eine starke verwachsene Wurzel und
gleicht im Bau vollständig dem 3ten. Durchschnittlich misst er
28 und 20 Mm.
Noch bleibt übrig über die
Milchzähne, den Zahnwechsel und die Lückenzähne
Einiges zu sagen. So reich auch das vorhandene Material an
Kiefern, so selten fanden wir Stücke, in welchen die Milchzähne
nicht ausgefallen gewesen wären. Doch ist jedenfalls genug An-
haltspunkt an den Alveolen vorhanden, um Milchzahngebiss und
Zahnwechsel zu erkennen. An einigen Duzend Unterkiefern sieht
man die Alveolen des Milchzahngebisses, nehmlich 3 Alveolen für
die Schneidezähne, 1 für den Eckzahn, 2 bis 3 für Lückenzähne
und 3 für den 3wurzligen Milchbackenzahn. Die Milchschneide-
zähne und Lückenzähne fand ich nicht. Dagegen ist mehrmals
der Milcheckzahn zu treffen. 25 Mm. lang, stark gebogen, sieht
etwa einem Fuchszahn gleich, der Milchbackenzahn ist nur Ein-
mal vorhanden und ganz eigenthümlich. Er ist ein vielhöckeriger
Zahn, an welchem G Spitzen gezählt werden können, 3 vordere,
3 hintere, unter welchen je die innere Spitze die Hauptspitze
bildet und die 2 aussen gelegenen überragt, die 3 vorderen
Höcker sind durchweg grösser und höher als die hinteren. An
jenem Stücke ist der Milcheckzahn durchgebrochen und seiner
Farbe nach und seiner Glättung zu urtheilen bereits im Gebrauch,
während der Backenzahn noch halb versteckt im Kiefer steckt
und nur die vordere Hauptspitze herausstreckt. Hart hinter dem
Milchbackenzahn ist eine länglichte Spalte im Kiefer, durch die
man an den meisten Exemplaren den erstmals ausbrechenden
permanenten 2ten Backenzahn in der pulpa liegen sieht. Dieser
ist der erste permanente Zahn, der überhaupt erscheint und in
Benutzung tritt, nach ihm bricht der 3te Backenzahn aus, hierauf
der erste, der an die Stelle des Milchbackenzahns zu stehen
— 174 —
kommt. In 4ter Linie kommen der Eckzahn und der letzte
Backenzahn, und zuletzt die Schneidezähne. An dem jungen
3V2 monatl. Bären aus Werner's zoologischem Garten ist das
Milchgebiss vollständig vorhanden, nehmlich 3 Schneidezähne, der
erste ist aber nicht stärker als eine gewöhnliche Stecknadel,
1 Eckzahn, auf der einen Seite 2, auf der andern 3 Lückenzähne
und der mehrspitzige Backenzahn. Die Kieferstücke des Hohlen-
steins von muthmasslich ähnlichem Alter weichen somit von der
Zahnungsweise des braunen Bären nicht ab. — Was schliesslich
die Lückenzähne anbelangt, so gilt vollständig was v. Nordmann
auf Grund der umsichtigsten Prüfung ausspricht, auch für die
Bären des Hohlensteins : Es ist ihr Auftreten ein durchaus un-
regelmässiges, zufälliges, und kann nicht als specifisches Merkmal
angesehen worden, wie Gervais möchte. Es lassen sich an meh-
reren ausgewachsenen, selbst alten Unter- wie Oberkiefern einzel-
stehende einwurzlige, stiftförmige Zähnchen oder ihre Alveolar-
löcher beobachten, wobei jedoch Niemand in den Sinn kommen
wird, bei der Zufälligkeit ihres Auftretens an den sonst ganz
übereinstimmenden Schädeln irgend Werth auf sie zu legen.
Es bleibt von den Knochen des Kopfes nur noch übrig, einig«
Worte über das Zungenbein zu sagen. Anschliessend an 2 voll-
Btändige noch durch ihre Bände zusammenhängenden Apparate
junger Bären lassen sich die mehrfach gefundenen einzelnen Beine
deuten. Das Zungenbein besteht aus 9 Knochen, 4 paarigen und
einem unpaarigen, der unpaarige {hasis) verbindet als queerliegend
die Bänder, welche das 3te und 4te Paar zusammenhalten. Das
erste Paar am processus mastoideus befestigt bilden 2 flache
nach innen gebogene Knochen, die scharfe Seite ist nach innen
und aussen gekehrt. Das nächste Paar, länger als das erste, hat
den Knochen nach aussen gebogen und sind die scharfen Seiten
nach oben und unten gewendet. Die Bänder, welche das 3te
kürzeste Knochenpaar an das 2te heften, machen nunmehr ein
Knie und schlagen somit das dritte Paar zurück, seine Stellung
ist wie die des 2ten Paars. Die queerliegende Basis liegt wieder
flach auf, während das letzte 4te Paar (cornua posteriora) an
Form, Stellung und Grösse dem 2ten Paar nahe treten. Am
— 175 —
kenntlichsten sind unter den vorderen Hörnern die Knochen des
ersten Paars, von diesen fanden sich mehrere vor in einer Länge
von 70 — 80 Mm.; andere verdicken sich keulenförmig au ihrem
Ende. Der Basal -Knochen des Zungenbeins oder das kurze 3te
Paar wurde beim Ausgraben wohl übersehen: wenigstens fand
sich kein Stück von ihnen.
II. Die Knochen des Stammes.
Von ihnen liegen mehrere Tausend Stücke vor. Wenn auch
ihre Zurechtelegung gerade zu der angenehmsten Arbeit nicht
gehörte, so fanden sich doch bald an den Wirbeln gewisse Eigen-
thümlichkeiten , dass man mit steigendem Interesse sie verglich
und ihnen ihre Stellung in der Wirbel-Säule anwies. Nur die Rippen
sind von indifferentem Werth. Die Maasse der Wirbel stimmen
vollständig zu den bei den Schädeln gemachten Erfahrungen, dass
die grössten bis jetzt bekannten Dimensionen von Höhlenbären
im Hohlenstein zu treffen sind. Wir gehen sie in Kürze durch.
1) Die Halswirbel, v. N o r d m a n n hatte bislang den gröss-
ten atlas beschrieben von 234 Mm., unser grösster misst um
8 Millimeter weiter. Er ist 242 breit, 85 lang im Körper, die
vordere Oeffnung zum occiput misst 100, die hintere zum epistro-
pheus 92. Andere Exemplare von 230 Breite, messen 95 und 85.
Die kleinsten von 180 Breite 84 und 75. Die Flügel des Wir-
bels sind vollständig abgerundet, ohne irgend eine Protuberanz,
ebenso die Gelenkfläche zum epistropheus ohne Spur der flügel-_^
förmigen Verlängerung, welche die Skelette des braunen Bären
zeigen. Die arteria vertebralis tritt aus dem Gehirn durch ein
Foramen an den obern Bögen in einen sinus, von dem aus sie
den Bogen nach unten durchbricht, um jedoch alsbald von der
Unterseite weg am Körper des Atlas sich nach hinten zu wenden
und bei dem 2ten Wirbel an der Basis der oberen Bögen zwi-
schen diesen und dem Queerfortsatz hindurch zu gehen. Am epi-
stropheus bildet der obere Bogen ein förmliches Dach mit spitzem
First, das sich über der Markröhre wölbt. Der Wirbel-Körper
articulirt mit dem atlas in einer grossen gewölbten Fläche unter
dem Processus odontoideus. Die Queerfortsätze ragen nach hinten
— 176 —
und schlägt sich deren Ende etwas herauf, ^Yodurch sie ein ge-
doppeltes Aussehen bekommen. Die Fläche zum 3ten Wirbel ist
schwach concav. Die übrigen 5 Halswirbel haben unter sich
grosse Aehnlichkeit ; ein wenig üebung, die einzelnen der Reihe
nach zu sortiren, lässt bald die Merkmale erkennen, welche jeden
an seinen Ort stellen. Als kurzes Resultat kann aufgestellt wer-
den: 1) Die Dornfortsätze werden von Wirbel 3 zu 7 immer
höher, so zwar, dass der processus spinosus der dritten kaum
20 Mm. unter dem Dach des epistroplieus hervor sich erhebt,
während der 7te bis zu 60 Mm. hoch wird. 2) Die Gelenkfort-
sätze haben auf ihrer oberen Fläche eine Knochenprotuberanz,
die von Wirbel 3 zu 7 stetig abnimmt und am 7ten ganz ver-
schwindet, 3) Die Queerfortsätze, welche die arteriae vertehralis an
ihrer Basis durchlassen, werden vom epistrophens an stärker und
gabeliger, so zwar, dass die untere Gabel mehr nach hinten
greift, als die vordere. 4) Das foramen arteria vertebrcdis wird
von 2 — 7 immer grösser und weiter. 5) Die Wirbel-Körper neh-
men an Stärke zu, die am Grund der Körper angedeutete V för-
mige Knochenleiste verschwindet gegen Wirbel 7 mehr und mehr.
2) Die 14 Brustwirbel. Der erste vermittelt nach seiner
ganzen Form Hals- und Brustwirbel. Die vorderen Gelenkfort-
sätze stehen noch weit auseinander, um mit denen des letzten
Halswirbels zu articuliren, die hinteren rücken näher zusammen.
Die Gabeläste der Queerfortsätze einigen sich wieder zu Einem
Körper, tragen jedoch kein tuherculum der Rippe, dagegen nimmt
der Wirbelkörper in einem Ausschnitt am hintern Ende bereits
das capitulum der ersten Rippe auf. Ein vollständiger Dornfort-
satz misst schon 75 Mm. Ein Stück liegt vor, an welchem die
Vertebral- Arterie noch den Queerfortsatz durchbricht, wie an den
Halswirbeln.
Der Körper des 2ten Brustwirbels ist weniger breit, als der des
ersten, der Dornfortsatz misst 120 Mm. Mau kennt auch diesen
Wirbel noch leicht daran, dass die beiden Queerfortsätze nur
vorne mit den Gelenkfortsätzen des Isten Wirbels articuliren,
die hinteren Gelenkfiächen dagegen am Bogentheil unter der Ba-
sis der Dornfortsätze angebracht sind. Von jezt an sind die
177
Querfortsätze als Träger des tuherculum costae anzusehen. Die
Körper der Wirbel werden immer kräftiger und haben je vorne
und hinten unter dem Querfortsatz einen Gelenk-Ausschnitt, mit
Ausnahme des 13ten Wirbels, der den Ausschnitt für die Auf-
nahme des Rippen-Kopfes nur vorne hat. Die Querfortsätze
legen sich mehr und mehr in die Höhe und wird der Dornfort-
satz stärker, aber auch liegender. Die Gelenkflächen sind voll-
ständig an der Basis der Dornfortsätze und schiebt sich bei der
immer schieferen Lage die Yorder-Basis des Dornfortsatzes unter
das Hintertheil des vorangehenden hinunter. Der 14te Brustwir-
bel kann bereits als erster Lendenwirbel gelten. Er trägt
zwar nocli auf einer grossen die Hälfte des Körpers einnehmen-
den Gelenkfläche eine Rippe , darum fehlt ein Querfortsatz , da-
gegen bilden sich ausgezeichnete Gelenkfortsätze, die ein Aus-
renken der Wirbel nahezu unmöglich machen. Seitlich sitzt nur
noch ein kurzer schiefer Fortsatz, ebenso ist der Dornfortsatz
kurz und stark. Die Körper der 6 Lendenwirbel werden zuneh-
mend kräftiger und breiter und ebendamit die Querfortsätze, die
von der Basis der Bögen ausgehen, länger und breiter. Die
schiefen Fortsätze haben sich wieder zu vertikal gestellten Ge-
lenkfortsätzen ausgebildet. Ln Kreuzbein zählen wir gleichfalls
6 verwachsene Wirbel mit 5 Paaren foramina sacralia, zwischen
dem Isten und 2ten Wirbel sitzt noch ein kurzer Dornfortsatz,
der allmälig verschwindet und schliesslich nur noch durch eine
schwache Knochenleiste angedeutet ist. Die Angaben der Auto-
ren über die Zahl der Kreuzwirbel bei U. arctos ist verschieden :
Daubenton zählt 5, Blainville 6, Cuvier 7, Delbos 7. Die
von letzterem bei Sentheim gefundenen Kreuzbeine stimmen mit den
nnsrigen. Specifisch wird sein, dass von den 6 Kreuzwirbeln
3 mit dem Darmbein verwachsen sind, am lebenden Bären nur 2.
Ueber die wenigen Schwanzwirbel ist nichts zu sagen, ebenso
wenig über die Rippen. Letztere haften mit Ausnahme der letz-
ten 14ten mit 2 Flächen an den Wirl)elkörpern. Nur die letzte
stummelartige Rippe sitzt einfach mit grossem Gelenkkopf im
Körper des 21. Wirbels. Die einzelnen Glieder des Brustbeins
haben sich in grosser Anzahl gefunden, besondoi-s häufig das
Wilrttemb. uatiii-.v. Julireshefte. 18G2. 2.s Heft. 1^
— 178 —
grosse manuhrium sterni. Ein Knochen sei hier noch erwähnt,
der bisher immerhin etwas selten war, das os penis, von
dem über 30 Stücke ausgegraben wurden. Alle diese Ruthen-
knochen sind sehr ausgeprägt und übereinstimmend in ihrer Form.
Der kleinste Knochen ist 155, der grösste 232 Mm. laug, Höhe
10 und 22, Dicke 5 und 15 an den Extremen. An der Basis
des Knochens bemerkt man einen ausgesprochenen Muskel-Ansatz,
der zu beiden Seiten ziemlich nach vorne greift. Der Knochen
ist schwach vorwärts gekrümmt und flach bis sum Yorder-Ende,
das unter dem peiiis Stack. Auf der Rückenseite des Knochens
ziehen von dem Vorderende zur Basis 2 markirte Seitenfurchen
hin, wodurch der Querschnitt des Knochens in der Mitte voll-
kommen Seckig wird. Ganz verschieden ist der Ruthenknocheu
des braunen Bären, den wir erst kürzlich an einem i/2Jährigea
Individuum zu untersuchen Gelegenheit hatten.
III. Die Knochen der Extremitäten.
A. Yorderfuss. Unter allen Knochen haben die Schul-
terblätter (scapula) am meisten Noth gelitten, deren über 100 vor-
liegen. Der dünne Knochen ist in den meisten Fällen gebrochen^
die Ränder sind unvollkommen. Namentlich sind die Knochen
junger Tliiere alle defekt, je älter, desto fester wurde die Kno-
chensubstanz der scapula. Bei einem der grössten Exemplare
sind die Maasse : Länge der spina und des acromion 385. Breite
an der Gelenkfläche und dem Rabenschnabel 100. Abstand des
acromion vom ünterrand der Gelenkfläche 98. Höchste Breite der
scapula 290. Der Yorderrand des Schulterblattes ist nicht ge-
rade, wie bei dem braunen Bären , sondern merklich abgerundet,
worin ein Hauptunterschied des Höhlenbären liegt, auf den na-
mentlich V. Nordmann aufmerksam macht. Der gewaltigste Kno-
chen am ganzen Bären-Skelett ist der Oberarm-Knochen
(humerus)j von dem 150 Stücke ausgegraben wurden. Schon die
Knochen der kleinsten und jüngsten Thiere, die nur fingerlang
sind, zeichnen sich durch relative Stärke aus. Die grössten
Exemplare werden 460 Mm. lang, die kleinere Form misst 430.
Die Breite am capitulum ist entsprechend 1 10 und 85, am ünterende
— 179 —
145 u. 130. Der Durchmesser des Knochens in der Mitte 70 u. 60.
Ellenbogen (ubiaj wurden 130 gefunden. Die grössten messen
400 Mm., das durchschnittliche Längenmaass ist 380. An einzel-
nen Stücken fällt eine Stärke des Knochens über dem Unterende
auf, die bei gewöhnlicher Länge von 30 zu 45 schwankt. Es
wiederholt sich die so oft schon berührte Differenz zwischen
schlanken und starkknochigen Thieren, die ohne Zweifel in sexuel-
len Verhältnissen begründet ist. Von Spaichen fradiusj ist
eine ähnliche Zahl vorhanden, wie von Ellenbogen. Die mittlere
Länge beträgt 330 Mm. , die Stärke am Unterende 85. Der
grösste radius misst 340 bei nur 85 Breite. Letzteres Maass
schwankt am meisten, sofern Individuen von nur 330 Mm. Länge
eine bedeutendere Stärke zeigen, indem sie 90 Mm. Durchmesser
erhalten. Der Kopf des radius zeigt auf seiner Innenseite die
halbzirkelförmige , convexe Fläche, Avelche in die Concavität der
idna passt. Das Bein ist bis zu der Hälfte seiner Länge voll
Tuberositäten zur Insertion von Muskeln und Bändern. Von der
untern kreisförmigen Gelenkfläche zur idna springt noch ein
Dorn hervor.
Unter den Carpal-Knochen ist der grösste: 1) Das sca-
phoideum 65 Mm. lang, 60 breit. An der Aussenseite, welche
den starken hinteren Knorren trägt, articuliren nach unten mul-
tangulum majus et minus , in der vertieften Mitte das capitatumy
an der Innenseite hinten tviquetrum^ vorne hamatum. Die grosse
obere convexe Fläche, w^elche mit dem radius articulirt, bot
Spielraum genug zur Drehung. 2) Das triquetrum i^im der Mitte
gemessen 40 Mm. lang und breit; vorne trägt es die ulna und
hinten das pisiforme und wird getragen vom hamatum. Auf der
Innenseite nimmt es noch an der Articulation des Daumens Theil,
auf der Aussenseite stösst es mit einer kleinen Fläche [an das
scaphoideum, 3) Os pisiforme sitzt auf der Hinterseite des \tri-
quetrum fest und hilft in seiner halbmondtVirmigen Pfanne die
idna tragen. Seine Stellung und Form macht es dem calcaneus
sehr ähnlich, wie elenn der ganze Bau von Hand und Fuss viel
Gemeinsames haben. 4) Os capitatmn ist 38 lang, 32 hoch,
23 breit. Mit seinem oberen, hinteren Gelenkkopf fest in das
— 180 —
scaphoideum eingefügt, articuliren mit ihm die 3 mittleren Finger,
der mittlere ganz, die seitlichen theilweise. 5) Os hamatum 40 Mm.
breit, 35 hoch, trägt den 5ten Finger ganz und den 4ten theil-
weise. 6) Os multangulum entging leidiger Weise der Aufmerk-
samkeit beim Ausgraben und kann nichts darüber gesagt werden,
so Avenig als über die Sesambeine, die nicht wohl unterzubringen
sind. Dagegen sind die metacarpen aufs beste und zahlreichste
erhalten. Der Daumen durchschnittlich 65 — 66 lang , oben
28 breit, 23—28 dick. Ein starker seitlicher Höcker verdickt
das Obertheil des Fingers, zum Ansatz an das os majus dient
eine einfache, schwach gekrümmte Fläche. Eine Ansatzfiäche zum
Zeigefinger ist kaum angedeutet und stunden beide Finger nur
am obersten Kand mit einander in Berührung. Die Aehnlichkeit
des Daumens mit dem grossen Zehen ist der Art, dass sie leicht
zu verwechseln sind. Nur an der Dicke und Grösse, nicht aber
an der Form und den Gelenkflächen kann das Glied vom ent-
sprechenden am Fusse unterschieden werden. Der 2te Finger,
80 — 82 lang, oben 22 breit, 31 dick, hat auf der Daumen-Seite
vorne eine kleine abgerundete Ansatzfläche, zum Mittelfinger eine
grosse gebrochne, seitliche Fläche, während der Oberrand und
eine kleine hintere Fläche sich an das os capitatum anschliesst.
Der Mittelfinger ist 86 lang, 24 breit, 34 dick, articulirt auf
einer schiefen Fläche mit dem multangulum. Der 4te Finger,
95 lang, 25 breit, 35 dick, hat eine länglichte, concave Ansatz-
fiäche zum hamatum, an der auch das capitatum hinten noch einen
kleinen Antheil hat. Auf beiden Seiten sind in der Nähe der
Epiphyse starke Gruben für Muskel-Insertion. Der 5te Finger,
87 lang, 35 breit, 36 dick, ist der stärkste Finger der Hand,
voll Gruben für Muskel-Insertion. Zum 4ten Finger weisen
2 dreieckige Haftflächen, eine grosse von hinten nach vorne
herabgreifende für das hamatum und eine kleine obere für tri-
quetrum. Hinten beobachtet man eine deutliche Fläche für ein
Sesambein. Ueber die Phalangen kann nichts Erhebliches be-
merkt werden.
B) Hinterfuss. Es hat, wie es scheint, noch Niemand so
vollständige Becken zur Untersuchung gehabt, als solche aus
— 181 —
dem Hohlensteiii vor uns liegen, sonst hätten die vielen gründ-
lichen und scharfsichtigen Arbeiten, die über den Höhlenbären
existiren, auf die grossen Unterschiede aufmerksam gemacht, die
zwischen dem Becken des Ursus arctos und spelmus existiren:
1) Beim Kreuzbein sahen wir schon, dass bei arctos 2 Kreuz-.
Wirbel, bei spelccus 3 mit deni Darmbein verwachsen, worauf
Delbos aufmerksam macht. 2) Das ganze Becken ist bei U. arc-
tos breiter als lang, bei U. spelceus umgekehrt, länger als breit.
Bei dem Skelett unseres ausgewachsenen U. arctos ist das Maass
vom Vorderrand des ilhun zum tuber ischii 280, während der Ab-.
stand der Aussenränder beider Darmbeine 300 beträgt, ein klei-
neres Skelett eines jungen Bären weist 200 Länge bei 210 Breite
auf. Ganz anders bei U. spelceus. Ein vollständig erhaltenes
Becken eines grossen Exemplars ist 440 lang, gleichfalls gemes-
sen vom Vorderrand des Darmbeins zum Siizkuorren, während
der Abstand der beiden Darmbeine 380 beträgt, ein kleineres
Exemplar m.isst 420 Länge, 350 Breite. 3) L'iemit hängt lias
Grössen -Verhältniss von Darmbein und Silzbein zusammen, bei
U. spelceus ist es 21 : 18 (von den Rändern zur Mitte der Pfanne
gemessen), bei JJ. arctos 17 : 9. Hienach war bei dem Höhlen-
bären das Sitzbein, beim braunen Bären das Darmbein ausgebil-
deter. Der Durchmesser des Beckens über der Pfanne beträgt
bei unserem U. arctos 130, dei denen des Hohlensteius 190, bei
dem grössten Exemplar 200, was abermals auf eine verhältniss-
mässig grössere Breite des «rci'o.s--Beckens hinweist. Der Durchmesser
der Pfanne ist beim U. spehvvs 65 — 70, die apertura pelvis ist
110 hoch, 95 breit und bestätigt dieses Verhältniss nur, was auch
vom Braunen gilt, dass ihin Schwangerschaften und Geburten bei
den geringen Dimensiom n der Jungen wenig zu schaifen machten.
Das Schenkel b ein (femur)^ von dem wir gegen 200 Stücke be-
sitzen, ist etwas lärger als das Oberarmbein, aber um vieles
schlanker und dünner, trotzdem macht es noch gehörig den Ein-
druck von Stärke und Kraft. Das gewöhnliche Maass ist 460
Mm. Länge, unsei- grösstes Stück misst 490. Breite des Unter-
Endes zur tihia 115, des Ober-Endes zwischen trochanter und
Caput femoris 125. Durchmesser des caput 65. Von derselben
— 182 —
Grösse sind die Schenkelbeine, die Cuvier und Schmerling ken-
nen, die Odessabären Nordmann 's sind etwas kürzer (Nordmann
p. 83). Die femur von Sentheim messen nach Delbos bei
einer oberen Breite von 110, einer unteren von 90 Mm. Solche
Grössen gehören im Hohlenstein zu den kleinsten Formen. Das
Verhältniss von femur und humerus ist bei dem pyrenäischen
Bären nach Delbos wie 31 : 26, beim russischen Bären nach un-
sern Skeletten 35 : 31, beim Höhlenbären des Hohlensteins dürfte
als durchschnittlich gelten 46 : 44. Vom Schienbein ftihia)
liegen gegen 150 Stücke vor, die kleinsten messen 300, die gröss-
ten 326 Mm., an dem Ober-Ende 105 und 120, am Unter -Ende
80 und 95. Seltener sind die Wadenbeine (fihula) gefunden
worden, offenbar weil sie als dünne, schlanlve Knochen leicht zer-
brochen und übersehen wurden. Doch liegen gegen 80 Stücke
vor. Die durchschnittliche Länge beträgt 276 Mm,, das längste
282, das kürzeste 260. Der Durchmesser am Ober-Ende 37 — 39,
am Unter-Ende 31—33, in der Mitte 17—18. IdiQ ßbula von
Nerubaj messen durchschnittlich 247. Was Nordmann über diese
sagt, gilt auch von den unsrigen, mit U. arctos verglichen ist
das Wadenbein des U. spelceus viel dicker, gekrümmter und zum
Unter-Ende gewundener. Unter den Tbr^wÄ- Knochen ist das
Fersenbein das grösste, es ist 116 Mm. lang und 88 breit. Das
sustentacidum calcanei misst 35. Der astragalus ist 75 breit über
der Rolle gemessen, über dem caput tali 62. Am scaplioideum
ist bei Einem Exemplar hinter der tuherositas eine Gelenkfläche
für ein Sesambein zu beobachten, welches das sustentaculum cal-
canei mit dem scaphoideum verband. Das cuboideum ist ein wah-
res Würfelbein, das 43 und 40 Mm. misst. Es ist nur durch die
i^feto^ar^aZ- Gelenkfläche schief abgestutzt. Nach Nordmann soll
hinter dem sulcus ein grosses Sesambein den Höcker des Würfel-
beins mit dem kleinen Zehen verbinden. Eine Fläche beobach-
tet man an unsern Stücken nicht. Die cuiieiforme-BtiwQ wurden
sehr selten gefunden. Das 2te cuneiforme ist etwas breiter, als
das von Nerubaj, das Nordmann beschreibt. Unter den Meta-
tarsen ist der des grossen Zehens der kürzeste. Er misst 55 Mm.
Mit seiner gekrümmten Fläche articulirt er zu cuneiforme primum.
— 183 —
Der äussere Höcker hat hinten eine etwas undeutliche Gelenk-
fläche für ein Sesamhein. Am dicken Oher-Ende ist er 24 Mm.
breit. Eine seitliche Gelenkfläche zum 2ten Zehen ist gar nicht
zu sehen, und steht so der grosse Zehen noch mehr als der
Daumen von den übrigen Zehen ab. Der 2te Zehen ist 72 lang,
nur 15 breit, dagegen an der oberen Gelenkfläche 30 Mm. breit,
von vorne nach hinten gemessen. Diese obere Gelenkfläche ist
eine doppelte, die eine Hälfte weist zu cuneifonne secundumj die
andere zum 3ten metatarsus, mit dem der zweite enge verbunden
ist. Der dritte Zehen ist 75 Mm. lang, 20 und 32 breit. Eine
grosse schief nach aussen führende Fläche schliesst an cuneiforme
tertiwn an, mit einer schmalen Fläche berührt er den 2ten, und
mit 2 durch eine Ligament-Grube getrennten Flächen den 4ten
Zehen. Der 4te Zehen ist 90 Mm. lang, 24 und 34 breit. Die
obere Fläche stösst an das cuhoideum, 2 Flächen, eine grössere
convexe und eine kleinere concave, an den 3ten Zehen; auf der
Seite des letzten Zehen ist eine tiefliegende Grube angebracht,
in welcher eine grosse länglichte Gelenkfläche liegt, nach hinten
eine kleinere höher liegende. An dem hintern Höcker sieht man
eine deutliche Reibung durch _ein Sesambein. Der fünfte Zehen
ist der längste, 96 Mm. lang, 35 und 32 breit. Der Grube im
4ten Finger entsprechend arliculirten hier 2 Flächen, ein läng-
lichter schief stehender Höcker und eine kleine runde Fläche.
Die Ansatzfläche am cuhoideum ist klein, schliesslich erbreitert
sich der Kopf stark nach aussen, wodurch diess Glied vor allen
kenntlich wird. Die Gesammtbreite der metatarsal-GliQ&ev ist
114 Mm. Die Ansatzfläche von 3, 4, 5 liegt in Einer Linie, der
2te tiberragt wegen des zurücktretenden cuneiforme secundum diese
Linie um einige Millimeter und seitlich von ihm schUesst sich
ohne Zusammenhang die grosse Zehe an. Ueber den Isten und
2ten Phalangen, sowie über das Nagelglied ist nichts Besonderes
zu sagen.* Unter den Sesambeinen des Hinterfusses fand sich
* Vergleicht man den ganzen Fuss des Höhlenbären mit dem deg
Braunen, so findet man eine verhältnissmässig viel grössere Breite als
Länge. Es gilt dasselbe wohl auch von der Hand, aber verhältnissmässig
ist es beim Fuss noch mehr der Fall.
— 184 —
das grosse Sesambein der Kniescheibe sehr häufig. Das grösste
misst 80 Mm. in der Länge , 52 in der Breite und 35 in der
Dicke. In ihrem je nach dem nach rechts und links gezogenen
Oval gleicht sie dem Sesambein des lebenden Bären.
Aus den mehreren Tausend Bärenknochen des Hohlensteins,
welche, wie oben bemerkt, so frisch und gesund sind, dass sie ohne
Schwierigkeit gebohrt und mittelst Drähten an einander gefügt
werden können, wurden die am besten zusammenpassenden Kno-
chen ausgesucht und Ein In di vidi um zusammengesetzt, das,
wenn auch nicht tadellös vollständig, doch ein leidliches Ganzes vor-
stellt. Als Gesammtlänge des Thiers ergab sich 2,491 Meter oder
8'7"5'" württb. Maass, denkt man sich dazu Zwischen-Knorpel, Mus-
keln, Haut und Pelz, so erhalten wir reichlich 10 wtirttb. Fuss lauge
Individuen. Als Höhe des Vorderfusses ergiebt sich von der
Basis des pisiforme zum Oberrand der scapula 1,01. Darüber
reichen noch handhoch die Dornfortsätze der Brustwirbel hinaus,
so dass wir reichlich 4 württb. Fuss Höhe erhalten und mit Muskel
nnd Pelz eine Höhe von 4V2 Fuss zwischen den Schulterblättern
anzunehmen berechtigt sind. Die Gesammtlänge unseres ausge-
wachsenen russischen Bären-Skeletts beträgt nur 1,680, d. h. zwei
Dritttheile des Höhlenbären, seine Höhe 0,800.
Schliesslich noch einige \Yorte über kranke und verletzte
Knochen. Es ist wohl selbstverständlich, dass unter einer so
grossen Anzahl von Knochen eine Reihe Abnormitäten, Alters-
degenerationen und dgl. sich finden. Von solchen sei nicht die Rede,
nur von einigen Fällen, die sozusagen ein palaeochirurgisches In-
teresse haben. Zu diesem Ende führe ich das Gutachten eines
befreundeten Arztes, des Herrn Dr. Holder, hier an, der die
Gefälligkeit hatte, von seinem Standpunkt aus das Material der
kranken und missbildeten Knochen durchzugehen.
A. Krankheiten. 1) Stück des rechten Oberkiefers. Am
fehlenden 2ten Backenzahn war eine ächte Zahnfistel, in Folge
der der Alveolarfortsatz eine in die Mundhöhle führende und
eine 2te grössere mit der Nasenhöhle in Verbindung stehende
Kloake zeigt. Die Zahnhöhle ist durch caries erweitert und der
ganze Knochen in weiterer Umgebung porös (osteoporporosls). 2) Schä-
— 185 —
delstück. Am rechten Jochbein ist eine hühnereigrosse Knochen-
gesch^Yulst, am Unterrand des Jochbeins beginnend und auf den
proc. zygomaticus übergreifend. Wie der Durchschnitt beweist,
ist es kein callus, die Hülle bildet viehnehr eine sklerosirte Schale
und ein aus feinmaschigem, spongiösem Gewebe bestehendes Cent-
rum. In der Umgebung der Geschwulst ist der Knochen porös,
die Gefässfurchen auf derOberüiiche tiefer und entwickelter, und ein-
zelne zarte' Osteophyten vorhanden. Alle Theile der Knochen-
neubildung sind vollkommen organisirt und mit dem übrigen Kno-
chen verschmolzen, nirgends eine Spur von Necrose oder Caries.
3) Das Zehen-Ende eines meto^ar^ws-Knochens, kariös, mit reich-
licher, weit poröser Osteophytenbildung und zerstörter Gelenkfläche.
4) An eiuer Reihe von Wirbeln, namentlich dem ersten Brust-
wirbel, beobachtet man reichhche Osteophytenbildung, einfach die
Folgen von Knochenablagerung am Ansätze der \Yirbelbänder im
hohen Alter ; ebenso vielfach an Kiefern Resorbtion des Knochens
aus demselben Grund.
B. Verletzungen. 1) Ein sehr- schöner mit nur geringer
Verschiebung und Verkürzung geheilter Schiefbruch einer falschen
Rippe. Der c«//i^5 ist beinahe ganz glatt und vollkommen zurückgebildet.
Er bestand viele Jahre vor dem Tod des Bären. 2) Rippenbruch
so ziemlich in der Mitte der Rippe: das hintere Bruchstück nach
aussen und oben verschoben. Der Bruch ist ziemlich senkrecht,
aber zackig; iiQV callus ist noch sehr uneben porös, bestand höch-
stens einige Jahre vor dem Tod. 3) Bruch der fihula in ihrem
oberen Dritttheil unter der Gelenks-Verbindung mit der tibia^ der
callus unregelmässig mit einem grossen Loch für den Durchgang
von Gefässen und Nerven. Derselbe ist sehr alt. 4) Ein h^m-
Y\q\\qv fibula-BvvicXi. Der callus ist neueren Datums, noch uneben
und porös, die Verschiebung ist in beiden Fällen unbedeutend.
5) Nicht consolidirter Querbruch des radius in der Nähe des
Handgelenkes. Caries mit Osteophytenbildung an beiden Bruch-
Enden, die Markhöhle geöffnet und die spongiöse Substanz gleich-
falls kariös. Im Leben entsprach demselben bedeutende Anschwel-
lung des Gelenks und Fistelöffnungen. Der Bruch war wahr-
scheinlich von Anfang an mit einer Wunde verbunden. 6) Split-
— 186 —
terbrucli des hwnerus, bei welchem gleichfalls kein callus sich
bildete, wahrscheinlich weil auch hier gleichzeitig mit dem Bruch
eine äussere Wunde vorhanden war. Die Bruchstücke sind kariös
mit dicken Schichten warziger Osteophyten auch in der Markhöhle
bedeckt. An dem obersten Bruchstück ist die Fläche eines falschen
Gelenkes sichtbar. Der zum Theil enormen Mächtigkeit der Os-
teophyten nach, bestand der Eiterungsprocess wohl sehr lange und
wird wohl jedenfalls den Tod des Alten herbeigeführt haben durch
Erschöpfung der Kräfte in Folge der Schmerzen und der profusen
Eiterung, sowie durch die Unmöglichkeit auf Raub auszugehen.
Das Gesagte genüge! Es lässt uns einen Blick werfen auf
die Kämpfe des Bären um seine Existenz zu einer Zeit, da er
noch im Paradiese lebte, denn sein Erbfeind, der Mensch, existirte
noch nicht an der Lone. Wer dem Höhlenbären aller Wahr-
scheinlichkeit nach am meisten Rippen einschlug und Knochen
zerschmetterte, war das Pferd. Mit den Bärenknochen kamen
Pferdsknochen am häufigsten vor, auf 98% Bärenknochen kommt
1% Equus, von welchem Zähne, Kieferstücke, Fusswurzelknochen und
Phalangen vorliegen. Diese Reste zeigen durchaus nichts Eigen-
Ihümliches, daran sie von lebenden Pferden unterschieden werden
hönnten, und tragen theilweise noch deutliche Spuren, wie die
Zähne der Bären an ihnen gearbeitet hatten. Es kann fast kei-
nem Zweifel unterliegen, dass wir in den Pferdsresten die Reste
der Raubzüge des Bären haben. Nicht anders kann man auch
die vielen Geweihstücke von Cervus dlces ansehen, dessgleichen
Fussknochen und Unterkieferstücke von Cervus, die nicht mehr
näher zu bestimmen sind, ebenso Kieferstücke und Fussknochen
von Ochs, Ziege und Schaf. Den grössten Werth für die Beur-
theilung der geologischen Zeit hat offenbar die ausgegrabene linke
tibia von ElepJias, die zwar stark mitgenommen ist, die Epiphyse
verloren hat, aber zweifellos einem Mammut h angehörte. Das
fragliche Schienbein ist zwar kaum etwas grösser, als an unserem
Skelett des indischen Elephanten; es war demnach wohl kein
altes Thier, an das der Bär sich wagte und dessen zerfleischten
Reste schliesslich zum Hohlenstein hereingezerrt worden sind.
— 187 —
Mammuthe ähnliclier Grösse, ja selbst noch kleinere fanden sich
auch zu Canstadt bei der letztmaligen Ausgrabung in der Winter-
halde zusammen mit Unterkiefern und Zähnen von Ui^sits speiceus,
nur war dies Yerhältniss des Vorkommens das umgekehrte, dort
kam 1 Bär auf 100 Mammuthe, hier ein Mammuth auf 100 Bären.
Unter solchen Umständen wird es gerechtfertigt sein, dem
Hohlenstein den Namen einer ausschliesslichen Bärenhöhle zu
geben, als Jahrhunderte, besser vielleicht Jahrtausende langer
Behausung des Ursus speiceus. Darauf weist die Crlättung und
Polirung der Felsenwände hin, einmal da wo am Eingang zur
ersten Halle der Schlupf sich verengte und ferner rings an den
Wänden der Hallen 1 bis 2 Fuss über dem jetzigen Boden der
Höhle. Vom Dach der Höhle hängen nur an w^enigen besonders
feuchten Orten Tropfsteine nieder, sonst findet keine Auskleidung
der Höhle mit Kalksinter und Tropfstein statt; wo der weisse
Jura als das Muttergestein der Höhle am Dach oder an den
Wänden untersucht wird, zeigt er die bekannte Erosions-Erschei-
nung dieses Gesteins, es ist durchnagt und zerfressen, wie z. B.
Marmor von Salzsäure angegriffen wird. 2 Fuss über dem Boden
aber werden die Wände glatt, und wo in der Tiefe der Lehm
von der Felswand abgegraben wird, zeigt sich constant diese
Glättung. Bei genauer Untersuchung ist es jedoch weniger eine
Polirung des Jurafelsen, dass etwa dessen Unebenheiten abge-
schliffen wären auf Eine Fläche: vielmehr findet eine Ausfüllung
der kleinen Unebenheiten mit papierdicken gelblichen Schalen
statt, die kein kohlensaurer Kalk sind, vielmehr als fest aufge-
tragene, eingeriebene Lehmschichten betrachtet werden müssen,
als eine Arbeit des Bären, der seinen schmutzigen Pelz an den
Wänden rieb.
Die Resultate der Ausgrabungen im Hohlenstein und der
Untersuchung der Knochen lassen sich in wenigen Sätzen kurz
zusammenstellen.
1) Vom 1. Jahrhundert vor Christus bis zum 4. Jahrhundert
nach Christus war der Hohlenstein mehrmals von Menschen
bewohnt, beziehungsweise als Zufluchts - Stätte in Kriegszeiten
benützt.
188
2) Die Menschen- und Bären-Reste haben wohl den Ort, nicht
aber die Zeit mit einander gemein.
3) Die Bären -Reste gehören sämmtlich nur Einer Art an,
dem Ursus spelceus Bl.
4) Ursus spelceus kann mit lebenden Arten nicht zusammen-
gestellt werden, denn die beobachteten Unterschiede in der Zahl
der Zähne, Gestalt des Isten und 3ten Backenzahns, Form des
frontale, temporale, occiput, Zahl der Kreuzbein-AYirbel, Gestalt
des Beckens, Stellung des Daumens, Breite des Fusses u. s. w.
müssen als wesentlich und spezifisch angesehen werden.
5) Die Bären bewohnten lange Zeiten hindurch ausschliess-
lich den Hohlenstein.
6) Die Thiere, auf die sie Jagd machten, waren: Mammuth,
Pferd, Ochse, Elenn, Hirsch, Schaf.
Beiträge zur württembergischen Flora.
Von Dr. R. Finckli in Urach.
Seit meinem letzten Bericht im XVII. Jahrgang. S. 350
u. ff. dieser Hefte sind folgende neue Pflanzen und Standorte zu
meiner Kenntniss gelangt.
Auf der Alp, und zwar auf dem Hundsrücken, O.A. Balin-
gen fand zu Anfang Juli vor. J. Herr Pharmaceut Harz eine
nicht nur für die württembergische, sondern für die deutsche
Flora neue Pflanze, den Orohus alpestris W. K. unter Bu-
chen mit Thesium montamim. Diese dem Orohus albus L. ziem-
lich ähnliche Pflanze kommt sonst in Ungarn und Kroatien vor;
Es ist zu wünschen, dass heuer vollständigere, namentlich Frucht-
exemplare eingesendet werden, um die Diagnose dieser, übrigens
wie es scheint richtig bestimmten Pflanze ausser allen Zweifel zu
setzen. Da ich sie weder im Herbar besitze, noch das Kupfer-
werk von Waldstein und Kitaibel (Plantae rar. Hungariae) mir zu
Gebot steht, so überlasse ich es unserem verehrten Herrn von
Märten s, sich bei Gelegenheit weiter über diesen Fund zu äussern.
An Muschelkalkfelsen bei Aistaig O.A. Sulz fand Herr Regi-
mentsarzt Dr. Hegelmaier die Crepis foetida L., welche, wie
das bei Wasseralfingen vorkommende Atr'qjlex laüfolium AYahlbg.,
von den Verfassern der württ. Flora zu den Pflanzen gerechnet
wurde, die blos in den tieferen Gegenden des Landes vorkom-
men sollen.
Auf Schutt am Weg von Ebingen nach Biz fand im August
vor. J. Herr Revierförster von Entress das Xanthhnn spino-
sum, das damals auch von Herrn O.-J.-Rath Gmelin, und zwar
— 190 —
neben X. strumarium auf mit Wollabfall gedüngtem Land am
Bothnanger Weg bei Stuttgart gefunden wurde.
Auf einer sumpfigen Wiese bei Sanct Johann fand ich im
Yor. J. Galium uliginosum L. und auf Hohen -Urach eine arm-
blüthige Varietät des Hieracium lunbellatum mit unten ästigem
Stengel und sternförmig behaarten Blüthenstielen und Hüll-
blättchen.
Herr Forstassistent Schiler fand im Staatswald Hochwald
bei Altensteig Corallorhiza innata R. Br.; im Staatswald Schanz-
hard bei Spielberg O.A. Nagold Lister a cor data R. Br,; am Kat-
zenkopf MulgecUum alpinum D. C.
Die Flora des Unterlands betreffend, so fand Herr Ober-
justizrath W. GimQliiL Plantag o arenaria W. /C in einem Wein-
bergsweg des Bopser bei Stuttgart; Cerastium hrachypetaluin
Desp. am Hasenberg; Montia minor Gm. auf feuchten Aeckern bei der
Solittide ; Atriplex latifolium Wahlbg. bei Stuttgart und bei Maul-
bronn; Heleocharis ovata Br. und Juncus ohtusifloinis Ehrh. bei
Maulbronn ; Poa fertilis Host, an der Tauber bei Mergentheim.
Am Sulzerrain bei Cannstatt fand Herr Revierförster von
Entress Potentilla cinerea Chaix., und in Weinbergen bei Stutt-
gart fand Herr Regimentsarzt Dr. Hegelmaier die Crepis pul-
chra L.
Aus der Flora des Jaxtkreises trage ich hier nach als Zusatz
zu meinem Bericht im V. Jahrgang dieser Hefte: Oenanthe fistu-
losa L. bei der Aumühle O.A. Ellwangen und Asperugo procum-
hens L. an Kalkfelsen bei Höfen O.A. Neresheim (Frickhinger).
Ich führe hier noch eine Mittheilung des Herrn O.-J.-Raths
Gmelin an, wornach bei Criesbach im Kocherthal eine ganz ge-
sunde Tilia parvifolia Ehrh. sich findet, deren Stamm mindestens
30' im Umfang hat. Sonst pflegt die T. grandifolia solche Gi-
ganten hervorzubringen.
In Oberschwaben fand Herr Regimentsarzt Dr. Hegel-
maier, und zwar im Gehölz der Hier bei Wiblingen die Ange-
lica 7«on^rt7ia Schleicher, die Kocli in seiner Synopsis als eigene
Art aufführt, die jedoch nur eine Varietät von A. sylvestris ist
mit herablaufenden Fiederblättchen.
— 191 —
Von Kryptogamen fand ich in hiesiger Gegend die Ulo-
thrix valida Naeg., eine sehr hübsche und seltene Faden-Alge mit
Cladophora uisignis Kütz. und Ulothrix inaequalis Kiitz. in dem
Springbrunnen eines Gartens bei Urach, der aus der Erms sein
"Wasser erhält; forner Tetraspora natans Küiz. im Bassin bei
Güterstein und Oscillaria limosa ß) uiicinata Kiitz. im Schwimm-
bassin bei Urach. Die Tetraspora nataiis wurde seither auch von
Herrn Apotheker Valet bei Schussenried gefunden. Derselbe
fand in Wassergräben am Lindenweiher bei Unter-Essendorf die
Ell actis chrysocoma Kütz.
Von Moosen fand Herr Dr. Hegelmai er bei Rottweil Di-
stichium capillaceum Br. & S. ; Gümhelia crinita Hampe bei Tutt-
lingen und Giimbelia orhicularis H. bei Ulm.
April 1862.
8, Die Streitberger Schwammlager und ihre
Foraminifer en-Einschlü sse.
Von Bergmeister G um bei in München.
Mit Taf. III. und lY.
Seit der interessanten Entdeckung zahlreicher Foraminiferen-
Arten im Lias der Umgegend von Metz durch Ter quem* und
in gleichalterigen Schichten von Göttingen durch Bornemann**
war es ^Yohl nicht länger mehr zweifelhaft, dass auch in den
mächtigen Meeresablagerungen der oberen jurassischen Formatio-
nen Foraminiferen in zahlreicheren Arten , als sie bis dahin be-
kannt waren, nicht fehlen könnten, und dass die Lücke sicher
verschwinden werde, welche bi^^her in unserer Kenntniss dieser
microscopischen Thierformen aus Schichtengliedern mitten zwi-
schen foramiuiferenreichen Gebilden (Lias und Kreidegestein) un-
ausgeftillt geblieben waren.
Nach d' 0 r b i g n y ' s Prodrome waren diesem 1850 im Ganzen
aus den oberen jurassischen Formationen (Dogger und Jura im
engeren Sinne) 18 Arten und mit Weglassung zweifelhafter Ge-
nera nur 15 Arten bekannt. Davon treffen nur 4 resp. 3 auf die
eigentlichen Juraschichten und in diesen blos auf das d'Orbigny'sche
Corallien.
Davon scheint d'Orbigny 1825 zuerst aus dem Grossoolith
von Ranville mehrere Arten beobachtet zu haben, denen sich
1839 einige von J. A. R o em e r entdeckte Formen aus den Schichten
* Terquem: reclierches sur les foraminif. du lias, memoire de
Tacad. imper. de Metz 1858 und 2te Abth. 1862.
** Bornemann: Lias von Göttingen; luaugural-Abh. Berlin 1854.
— 193 —
des Ammonites Miirchisonae von Wrisbergholzen zugesellten. 1843
bis 1847 vervollstiiüdigte d'Orbigny die Reihe der Dogger
Foraminiferenspecies durch neue Arten von Ranville und aus
den obern Bathschichten von Aisne.
Noch 1846 lässt es d'Orbigny unentschieden, ob er die
Armuth der obersten Juraschichten an Foraminiferen dem Um-
stände zuschreiben soll, dass solche Thierformen zu jener Zeit
nicht existirt, oder dass sie bei Umbildung der Niederschläge in
festes Gestein zerstört Avurden.*
Diese Kenntniss oberjurassischer Arten scheint sich bis 1854
nicht erweitert zu haben, weilReuss** sich auf Erwähnung der
d'Orbigny 'sehen Juraarten beschränkt, ohne neuere Funde auch
nur anzudeuten, indem er bemerkt: ,,Die äusserst geringe Anzahl
von Foraminiferenarten im Jura, einer Formation, die den daran
so reichen Kreidegebilden im Alter unmittelbar vorangeht und
sich einer so bedeutenden Verbreitung erfreut, wäre gewiss
auffallend, wenn sie nicht wenigstens zum Theil in der grossen
Seltenheit weicher, schlemmbarer Gesteine ihre natürliche Erklä-
rung fände und durch künftige , sorgfältigere Forschung ohne
Zweifel noch eine wesentliche Bereicherung erfahren würde."
Bronn gibt in seinen Entwicklungsgesetzen der org. Welt,
welche auf die Erfahrungen bis zum Jahre 1850 sich stützen, in
den jurassischen Schichten 15 Genera mit 34 Species von Polythala-
mien an, erwähnt weiter noch das Vorkommen zahlreicher Arten
in dem mittleren Jura von Moskau.
Jones und Parker kennen 1860 bereits sehr zahlreiche
Foraminiferspecies aus Oxord- und Kimmeridge - Mergel. Sie
nennen darunter: Nodosarinen, Nubecularien , Trochaminen, Or-
thocerina. Polymorphinen und die Rotalia elegans, Bulimina und
Textularia. Es ist nicht weiter bekannt, welche und wie viele
Species in den englischen Juragebilden bisher gefunden wurden.
Soweit scheinen im Allgemeinen unsere Kenntnisse der obe-
ren jurassischen Foraminiferen zu reichen.
* Foraminif. von Wien p. XXVII.
** Jahresbericht der Wetterau. Gesellscb. Hanau :JS54 p. 74.
Württemb. naUmv. Jahreshefte. 1862. 26 Heft 13
194
Was nun insbesondere die Juraschichteu oberhalb der Stufe
des Ammonites macroceplicäusj anceps und Athleta (Kellowaystufe)
insbesondere im schwäbisch-fränkischen Bezirke anbelangt, so ist
in dieser Hinsicht Weniges in Bezug auf Foraminiferenein-
schlüsse weiter zu unserer Kenntniss gelangt. Selbst Quenstedt
beschränkt sich in seinem Jura (1858 p. 671) da, wo er von den
kleinen Sachen aus den Schwammschichten des weissen y spricht,
auf die Bemerkung : „selbst Foraminiferen glaubt m a n zu
sehen."
Mein längerer unfreiwilliger Aufenthalt in dem Curorte
Streitberg, jenem durch v. Münsters Auf Sammlungen und
Goldfuss Beschreibung so berühmt gewordenen Petrefactenfund-
orte, während des Sommers 1861 gab mir Veranlassung, die er-
wähnten V.Münster' Fundpunkte näher zu untersuchen. Hierbei
war ich so glücklich, durch Schlämmen des die zahlreichen' feinen
Versteinerungen umschliessenden Mergels an Ort und Stelle zahl-
reiche Foraminiferen zu entdecken, deren Artenreichthum schon
jetzt geeignet erscheint, die Aufmerksamkeit der Geognosten welche
sich mit dem Studium der jurassischen Formationen in schwäbisch-
fränkischem Bezirke befassen, auf diesen Gegenstand hinzulenken.
Hierbei glaubte ich zugleich passende Veranlassung zu finden,
über die geognostische Stellung der durch v. Münster und
Goldfuss so bekannt gewordenen Streitberger Schichten, meine
Beobachtungen mitzutheilen.
Die Schichten, in welchen bei Streitberg Foraminiferen vor-
kommen, bestehen aus einem grünlichgrauen krümmeligen Mergel,
in dem bald mehr, bald weniger häufig Knollen von Kalk und
Kalkmergel, oft die Schwämme und sonstigen org. Einschlüsse in-
krustirend, eingestreut lagern, oder auch, wie meistentheils in den
oberen Schichtenparthieeu, zu geschlossenen Bänken mit zwischen-
eingeschlossenen Lagen weichen Mergels sich vereinigen.
Diese Schichtenstreifen knolligen Kalks bilden erst Bänke von
3 — 5' Mächtigkeit und schliessen fast gleichmächtige Mergelstreifen
zwischen sich ein, werden jedoch nach oben immer mächtiger und
gehen bei fast gänzlichem Verschwinden des Mergels zuletzt in
mächtige Felsmassen über, welche hohe steile Wände bilden. Auch
— 195 —
in diesen Lagen ist die oolithisclie Struktur immer noch vor-
herrschend.
Als die unmittelbare Unterlage unter den grünlichgrauen
Mergeln zeigt sich ein fahlgelblich grauer Thon mit grtlnen,
nicht runden, sondern eckigen Körnchen und ein gelbweisser, oft
mit röthlichgefärbten grösseren oolith- artigen Partieen ausge-
zeichneter Kalk, ebenfalls voll grüner Körnchen. Hier kommen
fast ausschliesslich Ammoniten (biplex, Lamberti^ hiarmatus) und
Belemnlten vor, deren Oberfläche häufig mit einer grünlichen
Substanz von talkähnlichem Aussehen überzogen sind. Auch
fehlen rundliche Knollen von schwarzen Steinmergeln nicht, die
aber auch noch tiefer nieder gehen und hier mit Belemnites hast-
atus (in Unzahl) in einem unverwittert tiefschwarzgefärbten Mer-
gelthon liegen. Es sind diess die Grenzschichten zwischen braunem
und weissem Jura, welche Qu en st e dt in seinem Jura den grünen
Oolith der Lambertiregion (p. 518 u. 568) nennt und auch Oppel
(Juraform. p. 521 u. 619) erwähnt. Ich selbst habe diese höchst
characteristische , wenn auch nur gering mächtige Grenzschichte
der weissen Kalke mit Glauconitkörnchen und Ammonites biar-
matus durch ganz Franken vom Hesseiberg bis Kegensburg ver-
folgen und nachweisen können. .
Bei Streitberg steht diese Schicht im tiefen Grabenbache
oberhalb der Mühle und unterhalb des Grabenschusters in einem
Erdrutsch, und östlich vom Reitzensteinhause auf der Viehweide
unmittelbar oberhalb der Muggendorfer Strasse an. Unterhalb
der Muschelquelle wurde sie am oberen Ende der Wiese auf-
geschürft. Sie bildet der Lage nach, wie auch gemäss der
Beschaffenheit, das unmittelbare Liegende der Schlammmergel,
da in deren untersten Schichten noch grüne Körnchen eingesprengt
sich finden. Diesen nach entspricht die Stellung der
Schwammmergel dem Niveau des schwäbischen a. Das
unterliegt keinem Zweifel, wenn man nur nach der Lagerung
sein Urtheil fällt. Untersucht man aber die zahlreichen org. Ein-
flüsse dieser Schwammmergel, so stimmt Alles so genau mit den
feineren Sachen, die Qu enstedt von gewissen Puncten des weissen
y anführt (Taf. 79, 80 u. 81), dass man an eine Identität der Schich-
— 196 —
tencomplexe von Streitberg in solchen Schwammmergeln mit jenen
von der Lochen bei Balingen, von der Steige bei Weissenstein, an
der Raudenstrasse, am Böllart bei Zillhausen, von Gosheim und
insbesondere auch von Birmensdorf in der Schweiz kaum zu zweifeln
ist. Quenstedt stellt die meisten dieser Fundstellen mit Streitberg
selbst auf den Horizont seines weissen y (J. p. 602). Dem wider-
spricht die Lagerung entschieden. Liegt ja doch bei Streitberg das
y in ganz anderer mehr kalkigen Form auf weit höherem Horizonte.
Wir hätten mithin einen jener Ausnahmsfälle vor uns, m^o Lage-
rung und organische Einschlüsse nicht in üebereinstimmung
ständen!
Ein Blick auf die Tafeln , auf welchen die schwäbischen
Sachen aus a und y abgebildet sind, lehrt die nahe Verwandtschaft
mancher Lagen beider Gebilde. Sie wird vermehrt durch das Vor-
kommen zahlreicher org. Ueberreste in den fränkischen Schwamm-
mergeln, die sonst in den tiefsten Regionen des weissen Jura
vorzukommen pflegen, so dass auch paläontologisch eine Annähe-
rung der Schwammmergelfauna von Streitberg an das schwäbische
a sich zu erkennen gibt. Genaue Untersuchungen haben diese
Verhältnisse vollständig aufgehellt und eine Thatsache festgestellt,
von der ich glaube, dass sie des allgemeinen Interesses werth sei.
Verfolgt man nämlich die Schammmergel von einem Punkte
ihrer vollständigen Entwicklung an in ihrem Fortstreichen, so
stösst man bald an Stellen, wo diese besondere Art von Mergel-
bildung ziemlich plötzlich aufhört und auf gleichem Horizonte
Gesteine Platz greifen, welche durch den Mangel knolliger Struk-
tur, durch ihre vollkommene Schichtung und ihre vorherrschend
kalkige Beschaffenheit von der Natur der Schwammmergel ab-
weichen. So sehen wir genau auf ein und demselben Horizonte
über dem weissen Glaukouitkalk einerseits Schwammmergel, and-
rerseits wohlgeschichtete graue Mergelkalke. Beide müssen,
da von x^-.brutschungen etc. hier keine Bede sein kann, gleich al-
ter ige Gebilde sein, Entwicklungsformen desselben Niveau's,
nur unter verschiedenen äussern Bedingungen enstanden. Es ent-
sprechen sich aber nicht nur solche Bildungen an ganz benachbar-
ten Orten von gleichem Niveau wie Grabenbach und die N. Fellern-
— 197 —
dorfer Leithen, sondern man kann ihr Nebeneinanderstellnngund.
Uebergang im horizontalen Sinne auch an unmittelbar neben-
einander liegenden Punkten überblicken, wie am Reitzensteinhause
gegen die rothe Leithe.
Die Schwammmergel von Streitberg sind demnach nur eine
lokale Facies der Schichten vom Niveau der grauen wohlgeschich-
teten Kalkmergel, und es treten auf diese Weise zwei vielfach
verschiedene, obwohl gleichalterige Faunen unmittelbar neben ein-
ander auf, welche im Fall sie an von einander entfernten Orten
beobachtet würden, als über einander geordnet und ungleichalte-
rig gelten würden. Diese Thatsache, welche sich in Franken öf-
ters wieder findet, mag manche bisher unklare Schichtenverhält-
nisse, wo Lage und Fauna nicht in Einklang zu stehen schienen,
aufhellen. Dass Aehnliches auch im schwäbischen Jura vorkomme,
deutet auch Quenstedt dadurch an, dass er wiederholt von einem
tieferen Herabgreifen einer Schichte in das Niveau einer andern
spricht. Namentlich glaubt man in Schwaben annehmen zu sollen,
dass die als y Stufe angesprochene Schwammschicht einiger früher
bezeichneter Orte unregelmässig im Horizonte von a oder ß ge-
lagert erscheine. Diese Abnormität hielt man für eine Folge von
Abrutschungen der ursprünglich höher liegenden Schichten y bis
zum Niveau von « — ß; sie ist aber in der That nur Folge einer
Faciesbildung.
Eine ähnliche Verschiedenheit in der Entwicklung gleichalteri-
gen Ablagerung hat Fr aas* für die jüngsten Glieder der deutsch-
französischen Jura's durch Nachweisung dreier gleichzeitig neben
einander auftauchenden Faunen — Corallen-, Mollusken- und
Vertebraten - Facies constatirt. Ein ähnliches Verhalten zeigen
nun in tieferen Schichten die Streitbergermergel als S-chwamm-
facies und die grauen wohlgeschichteten Kalkmergel als Mol-
lusken-Facies.
Das Niveau aber, auf dem beide stehen, ist jenes unmittelbar
über der glaukonitischen Kalkbank mit Ammonites hiarmatus, d. h.
derjenigen von a, oder vom oberen a mit Einschluss der tie-
* Jahrb. für Min. etc. von Leonh. und Bronn 1850 p. 171. 299,
198
feren Lagen von ß. Für die Schwamnimergel ist diess zwar pa-
läontologisch schwer nachweisbar, w^eil ihre Fauna eine ganz ei-
genthümliche ist, welche in anderen bisher als a erkannten La-
gen wenig Analogien darbietet. Doch fehlen Anklänge nicht.
"Wir erinnern nur an die kleinen verkiesten rostfarbigen Ammo-
niten, an Asterias impressae, Belemnites pressulus u. A. m. Auch
die grauen Merkelkalke sind nicht genau dasselbe, was die schw^ä-
bischen Impressa-Thone ; aber offenbar ihre Stellvertreter. Dann
fehlt auch die ächte Terebratula impressa im Norden (am Hessel-
berge fand ich sie noch normal), so sind doch dieselben rostfar-
bigen Ammoniten da und der Fucoides Heddngenis. Dass die
Schichten in Franken mehr kalkig als thonig sind, bewirkt eben
die Eigenthümlichkeit ihrer vom schwäbischen etwas abweichen-
den Fauna.
Aber wenn man auch ganz absieht, von organischen Ein-
schlüssen spricht die unmittelbare Auflagerung der Schw^amm-
schichten auf den w^eissen Glaukonitkalkschichten mit Amm. hlplex
biarmatus, cordatus, Lamberti neben Belemnites hastatus, ja sogar
der deutliche Uebergang beider Schichten in einander klar
und bestimmt für die Schichtenstellung der Schwammmergel im
tiefsten Niveau des weissen Jura. Es wäre daher nicht nöthig, noch
weiter zu bemerken, dass das normale y Schwaben's, wie es im
Schauergraben deutlich und in fortlaufend unmittelbar zu tiber-
blickenden Entblössungen sichtbar ist, viel höher und durch später
zu beschreibende massige Kalke getrennt, in Form bröcklicher
und hornsteinreicher Kalke auftritt. Dagegen ist eben so bestimmt
zu erkennen, dass die von den bezeichneten Schlammmergeln
umschlossenen org. Reste nicht rein den Charakter besitzen, wie
ihn sonst das wohlgeschichtete a Schwabens beansprucht, viel mehr
Formen auftauchen, die einem, nach schwäbischen Mustern zu
sprechen, viel höheren Horizonte eigenthümlich zu sein pflegen.
Diese Beobachtung verliert jedoch sofort den Schein einer be-
sonders auffallenden Thatsache, wenn man sich erinnert, dass alle
die unterschiedenen unteren Glieder des weissen Jura einer
einzigen eng verbundenen Stufe angehören, deren Fauna in
andern Provinzen des anglo-francogermanischen Jurareichs wenig
— 199 —
Differenzen bieten. Dass diese Differenz in Schwaben und Franken
stellenweise stärker hervortritt, rührt zum Tlieil von dem Um-
stände her, dass hier die tieferen Schichten («—,3) meist in Form
wohlgeschichteter Kalke und Kalkmergel ausgebildet sind, während
die y entsprechenden Lagen meist in der Entwicklungsweise der
Schwamm-Korallenschichten vorkommen, mithin zu der Yerschie-
denheit, wie sie das ungleiche Niveau mit sich bringt, sich hier
noch die Verschiedenheit gesellt, wiesle die abweichende Fa-
cies bewirkt. Wo dagegen, wie bei Streitberg und an verwandten
Stellen, gleich vom tiefsten Gliede (d) an die Schwammentwick-
lungsweise anfängt und durch die ganzen Schichtenreihen bis über
y hinauf reicht, da müssen die Differenzen der Fauna geringer sein.
Merkwürdig und höchst denkwürdig bleibt jedoch für die Streit-
berger Gegeixd die unmittelbare Nebeneinanderstellung der beiden
Facies auf einem so kleinen Räume, welche auf eine Entfernung
von Streitberg bis Muggendorf die beiden Facies dreimal neben
einander auftauchen lässt.
Das Interesse, welche diese Verhältnisse an sich beanspruchen
dürfen, dann aber die grosse Unsicherheit, welche bezüglich der
von Goldfuss aus der Streitberger Gegend beschriebenen,
organischen Resten, bezüglich der genauem Bezeichnung der
Schichte, aus der sie stammen, herrscht, lassen es gerechtfertigt
erscheinen, hier noch einige weiteren Bemerkungen beizusetzen,
da ich Gelegenheit nahm, besonders in Bezug auf genaue Er-
mittlung des Horizontes, in welchen die Goldfuss-Münster'schen
Species vorkommen, die Streitberger Gegend zu untersuchen.
Das Wiesenthal schneidet bei seiner Ausmündung in die
fränkische Keuperfläche bei Forchheim noch tief in die bunten
Mergel des obersten Trias ein. Oberhalb Reut und Wiesenthau
beginnen die Liasschichten sich über den als Baustein häufig ge-
wonnenen obersten Keupersandstein in wenig mächtiger, höchst
kümmerlicher Entwicklung zu lagern. Bei Kirchehrenbach und
Unter-Weilersbach tauchen die obersten Schichten des Keupers
unter die Thalsohle unter, ihnen folgt schon unterhalb Pretzfeld
der Lias, so dass bereits an der Strasse vor Pretzfeld kleine
Mergelgruben in an Versteinerungen reichen Opalinusthon des
— 200 —
Dogger's — Münster'schen Fiindsteüe — eingegraben sind. Von
da an nehmen bis Streitberg die tieferen Theile der Thalgehänge
den Eisensandstein des Doggers, die höheren Theile und die
Bergfläche wie schon von Högelstein und der Ehrenbürg an,
Jurakalk ein. Zwischen beiden, greifen die theils kalkigen, theils
mergeligen eisenoolitische Gesteine des obern Doggers meist nicht
über 10 Fuss mächtig, Platz. Im Dorfe Streitberg und gegen-
über oberhalb N. Feilerndorf reicht der Eisensandstein noch über
50' hoch an dem Gehänge hinauf. Hier zieht quer zum Haupt-
thale von Westen her der Grabenbach oder Schauergraben im
Dorfe Streitberg herab, ihm gegenüber erhebt sich die N. Fellern-
dorfer Leithe; erstere erschliesst im sog. Schau er loch die
reichste Fundstelle der ersten tiefsten Sehwammmergel, wäh-
rend an der N. Fellerndorfer Leithe in gleichem Niveau die wohl-
geschichteten grauen Mergelkalke in einen künstlich ausgeführten
Schurfgraben unmittelbar über den Ornatenthonen und der glau-
konitischen Kalkbank blossgelegt wurden. Im Schauerloch ist
diese Grenze nicht so scharf aufgeschlossen; doch stehen im
Graben an der Mühle die schwarzen Ornatenthone an, höher
bei dem Grabenschuster, die glaukonitischen Kalke und 2 — 3' höher
hinauf die Schwammmergel. Noch weit interressanter sind die
wenn auch spärlichen Aufschlüsse an der Muggendorfer Strasse
zwischen dem Reitzensteinhause und unter der rothen Leithe. Hier
sind kleine Gruben in verschiedenem Niveau angelegt; in den
untersten stehen die gelblich verwitterten Mergeln mit schwarzen
Steinmergelkugeln und übergehend in weisse Kalke mit Glauconit-
körnchen und voll Äjmn. biarmatus hiplex^ und Belemnites hastatus an.
Darüber folgt nun gegen das Reitzensteinhaus und die Muschel-
quelle zu unmittelbar die Schwammfacies des Schauerlochs, gegen
die rothe Leithe dagegen eben so unmittelbar graue mergelige
Kalke und zahlreiche schieferige Mergelzwischenlagen, wie sie
bei N. Feilerndorf gefunden werden, und zwar sowohl topisch wie
geognostisch in gleichem Horizonte mit den Schlamm-
mergeln. Wie in dieser unteren Schichtenreihe, so geht nun
auch höher die Verschiedenheit der Entwicklung nach den beiden
Facies weiter fort.
201
Für beide soll ein vollständiges Protil mit den organischen
Einschlüssen, die ich fand, aufgezeichet werden.
A) Seliwammfacios
Das Profil ist genommen aus dem Einschnitte des Schauer-
grabens aufwärts bis zur Leinleitener Höhe.
A 1) Streitberger Schammschichten bestehend aus
graugrünlich gefärbten Mergeln mit knolligen oolitischeu Kalk-
lagern, welche sich gegen oben verstärken und ganze Schichten-
bänke bilden; 36' mächtig; die Fauna der tiefern und höhern
Schichten ist nicht verschieden. Doch sollen die bei dem Keitzen-
steinhause ausschliesslich in den tiefsten Lagen unmittelbar über
dem Glauconitkalke gefundenen Reste vorerst isolirt aufgezählt
werden. Diese sind:
Ammonites biplex*, A. convolutus, A. Ihigulatus, A. canali-
culatus, A. serratus; Belemnites hastatu^, B. pressulus; Ostrea-
gregaria, Pecten cornutusy P. suhpunctatusj P. textor ins albus;
Aucella impressae ; Nucula specr, Terebratula hisuff circinata^ T.
senticosa alhct^ T. trüoboides, T. loricata, T. nucleata, coarctata
alba; T. cf. impressa, T, guttat T. orpis, Cidar^is coronata, C. ßlo-
grana; Dysaster granulatus, Echinus nodulosus, Eugenia-
crinites Hoferiy E. caryophyll. Sphaer ites tabulatus;
Pentacrinus subteres; Ceriopora striata; Cellepora
orbiculata; Tetrapora suevica ; Schwämme spärlich, Foraminiferen
reichlich. Im Schauerloch sammelte ich selbst folgende Species
aus den tiefsten Lagen ; Ammonites biplex, co7ivolutiis, complanatus,
dentatusy Eugeni d'Orb., falcida, ßexuosus, lingidatus, Reineckianus
und serratus; Aptychus Gruppen des lamellosus und laevis;
Belemnites pressulus, hasfatus, cf. excoitralis ; Ostrea gregaria,
Spondylus teniiistriatus , Cucullaea concinnaj Astarte
spec; Pecten subtextorius Mü., subpunctatus; Posidonomia
cf. ornataCy Isoarcü t ex ata; Aucella impressae; Nucula spec,
* Die Quenstedt'schen und Goldfuss'schen Bezeichnungen sind
meist, um Missdeutungen zu vermeiden, unverändert gelassen worden;
um die Münster 'sehe Funde besonders kenntlich zu machen, dieselben
mit durchschossener Cursivschrift gedruckt.
— 202 —
Trochus cinctus; Thecidea antiqua, Crania hipartita,
porosa; Terehratula hisuffarcinata typisch, dann eine grosse msi^ms
ähnliche Form, T. nucleata, gutta, orbis, af^ lagenalis^ pectunculus, '
Kurriy loricata, senticosa alba, Rhynchonella lacunosa fast typische
Form, mit einem langen Schnabel und dichotomen Rippen, R.
triloboides, äff, Qu, Jur t. 74 Fig. 15 und t. 78. f. 32; Serpula
planorbifor litis, cingulata, sj^iralis, gordialis, capitata^
limata, spirolinites, Deshayesi^ subrugosa\ Cidaris coro-
7iatus, cucumis, propingua, ßlograna, spinosa; Diadema subor-
gulare; Euge7iiacrinites nutaiis, caryophyllatus, cidaris,
Hof er i; Solenocrinites scrobiculatus , Pentacrinus subteres,
cingulatus; Ästerias impressae, Sphcerites piinctatus,tabidatus ; Krabben
Q. Jur. t. 81 f. 40 — 42; Cellepora orbiculata, Ceriopora
clavata, striata fav psa, Alecto dichotoma, Tetrapora suevica;
Conodictyum striatum; Scyphia articulata, bipartita,
calopora, cylindrica, Manon, obliqua, pertusa, radicifor-
7nis, reticulata, rugosa; Tragos patella, pezizoides; Manori
impressum; Cneinidiumstriatopu7ictatum, rimulatum. Dazu
kommen die später beschriebenen Foraminiferen und eine Glyphea.
A 2) Unmittelbar über den weichen Schwammschichten liegen
knollig flasrige, bröckliche, lichtgrauliche, gelbe, deutlich oolitische
Kalke in dünnen Bänken mehrfach auf einander. Hier fanden
sich; Ämmönites flexuosus, striolaris, bimammatus, an.ceps albus,
lingulatus, ling, canalis, Aptychus lamellosus, Isoarca texata^
Modiola tenuistriata , Terebratula bisuff'arcinata , loricata;
Rhynehonella lacunosa (ganz typisch) Cidaris remus; Scyphiaparallela.
Mächtigkeit 4V2— 6'.
A3) Massiger, dichter, lichtgelblich, weisser, oolitischer Kalk,
wechselnd in stärkeren Bänken mit mergeligen, knollig bröcklichen
minder mächtigen Bänken im Ganzen 50' mächtig. Ich fand hier
besonders häutig A7n. ßexuosus, ferner polyplocus, striolaris, anceps
albus, canaliculatus falcula; serratus, lingidatus, canalis, dentatus;
Belemnites hastatus, Lima ovatissima, Monotis lacimosa, Terebratula
nucleata, loricata^ bissuff., reticulata; Rhynchonella lacunosa (typisch)
Ceriopora clavata mit zahlreichen Crinoideen-Stielen, Spongi-
ten und Stylolithen. Hornstein Partieen beginnen sich zu zeigen.
— 203 —
A4) Sehr dichter, feiner lichtgelblich -weisser sehr deutlich
oolitischer Kalk mit vielen an den Wänden ausgewittert vor-
stehenden verkieselten Petrefakten, namentlich Crinoideen. Dieser
nur im Grossen geschichtete Kalk bildet eine Wand von 15' Höhe. Die
Ausbeute an Versteinerungen ist wegen Härte des Gesteins gering:
Ammonites polyjjlocus^ pkmulatus parabolis, complanatus, Witteanus,
ßcxuosus, virgiilatus, Ungidatus canalis, canallculatus, inßatus, involutus,
Belemnites hastatus, Inoceramus cor, Ostr-ea Roemeri, Mo-
diola tenuistriata, Plagiostoma Q. J. t. 74Fig. 14; Pectencornutus,
'^erita jurensis^ Terehratula hlsuffarcinata, kleine aif. orhis, Rhyncho-
nella laciinosa, var dichotoma, Cidaris filograna, zahlreiche Spongiten.
A^) Dichte, weissliche Kalke, z. Th. oolitisch, in dünnen,
wellig unebenen Bänken, geschichtete Kalk voll Hornsteinknollen
mit Rhynchonella lacunosa und Terehratula bisuff. in
grosser Menge, ausser diesen T. nucleata (typisch) Ammonites po-
lyplocus, striolaris, lingulatus, dentatus, serratus. Belemnites hastatus,
Pecten suhamnatus, Pholadomja elathrata, Eugeniacrinites
cidaris. Trag ospaiella. Mächtigkeit 17'.
A6) 3' mächtige Dolomftschicht mit weissen Hornsteinknollen
voll Rhynchonella lacunosa.
A"') Bröcklich brechender, dünnbankiger Kalk, meist deutlich
oolitisch und voll Hornsteinknöllchen, oft in dolomitisches Gestein
übergehend oder mit Dolomitzwischenlagen versehen — 25' M.,
voll Rhynchonella lacunosa ohne Ammoniten.
A^) Amberger Schichten, oberes Schwammlager; sehr
dichter, weisslicher Kalk von grünlichen Thongallen durchflasert
und in unebene Schichten getheilt, so dass durch Auswitterung
des Thons häufig der Kalk in grossen Thierknochen ähnliche
Stücke zerfällt ; der Kalk ist häufig fein oolitisch, enthält Schwefelkies-
pünktchen und sehr viele grosse Hornsteinknollen, welche beim
Auswittern wie die ebenfalls verkieselten organischen Einschlüsse
ockergelb gefärbt erscheinen. Häufig geht das Gestein nach oben in
Dolomit über und stellenweise nimmt Dolomit von den tieferen
Lagern noch oben fortsetzend, die ganze Stufenreihe A^, A' und
A^ ununterbrochen ein. Ausgewitterte Hornsteinversteinerungen
von ockeriger Farbe finden sich häufig, besonders auf der Fläche
— 204 —
der Leinleitener Höhe, bei Wartleitea und Engelhardsberg und
zwar : Ammonltes Iiöchst selten (Amm : trifurcatus^ Planulaten Spu-
ren) Belemnites hastatus; Ostrea rastellaris Mü. (non Q.), 0,
nodulosa^ 0. Roemeri; Monotis subs'imiUs^= M. lacunosm; Fec-
ten s'ubspinosus, 5?<i<ie?i^a^z^5 P. velatus albus, P. äff: amhiguo;
Lima tegulata; Inoceramus laevigatus; Terebratulabisuffarc:
(typisch) dieselbe sehr gross i7isignis-2iYÜg, dann lagenalis-ähnlich;
indendata; T, nucleata: T. substriata, S. loricata, pectunculoides ;
Rhynchonella triloboides (pisum Mü. non Sow.) M. lacunosa (typisch) ;
V. dichotoma^ var. difformls , var. inconstans in allen Uebergängen
zur Normalform; Echinus sulcatus, E. granulosus; Cidaris
coronata, C, elegans, C. propinqua; C. maxima, C.
marginata, C. nobilis; Diadema sabangulare; Dysa-
ster carinatusy Galerites depressus; Apiocrinus rosa-
ceusy Pentacrmus pejüagonalis , Sphaerites scutatus; Cerio-
pora radiciformis, angolosa; Siphonia pyriformisy
Cnemidium striato punctafuin^ intermedium , C, la-
mellosum; C.rimulosum; Achilleum cheirotomum; Manon
impressum; Tragos pateUa\ Sophia articiclata, S. ca-
lopord, S. costata, S. cylindrica, jS. dictyota, S. elegajis;
S. miUepunctata, S. pertusa, S. psylopora; S. texturata.
Ferner: Serpula delphinula, i?itercepta. Im Dolomite, wel-
cher wie z. B. von Müllerberg bis zum Guckbtihel diese Region
vertritt, sind nicht selten Versteinerungen in grösster Häufigkeit
eingeschlossen, besonders: Terebratula bisiiffarcinata, T. nucleataj
T. loricata, Rhynchonella lacunosa (typisch) und difformis;
Pecten textorius albits, P. velatus albus. Die Blöcke an der Strasse
zunächst unterhalb Muggendorf, ja selbst noch die Spitze des
Guckbühel bezeugen diesen Reichthum.
Höhere Stufen kommen im ganzen Norden der fränkischen
Alp nicht vor.
Wenden wir uns nun zur Facies der wohlgeschichteten Kalke,
so bemerken wir vorerst, dass nur für die tieferen Schichten-
reihen (B 1 und B 3) in dieser Beziehung eine Differenz hervor-
tritt, die oberen aber (A ^ — A ^) überall in ganz gleicher
Weise entwickelt sind, mögen die tieferen Lagen der Schwamm-
— 205 —
facies oder der Facies wohlgeschichteter Kalke angehören. Die
Schichten über der glaukonithaltigen weissen Kalkbank, wo
sie nicht als SchAvammfacies auftreten, sondern von wohlgeschich-
teter Mergel und Kalke dargestellt werden, lassen sich in 3 sehr
leicht erkennbaren Stufen scheiden:
B *) untere graue Mergelkalke und Schief er mergel
mit rostfarbigen Ammoniten; sie folgen unmittelbar über
jener glaukonitischen Kalklage, so dass selbst in einzelnen Fällen
der grüne glaukonit-artige Anflug oder üeberzug in diese Lagen mit
übergeht. Namentlich ist es der Fucoides Hechingems, der häufig
vorkommend grünen üeberzug aufweist. Obwohl nun hier, wie im
ganzen N. Franken die typische Terehraiida impressa fehlt, so glaube
ich gleichwohl, dass die tiefste thonig-mergelige Lage diese grauen
Mergelkalke mindestens den Horizont der Impressaschicht vertrete.
Dies wird durch den Umstand sehr wahrscheinlich gemacht, dass
darin , wie im ächten Impressathon, sehr zahlreiche , rostfarbige,
meist kleine und wenig gut erhaltene hecticus-, flexuosus- und com-
2ilanatus-2i\m\\QhQ Ammoniten vorkommen. Indessen gehen diese
tiefsten Mergel so ohne irgend feste Grenze in die höheren
grauen Mergelkalke über, dass man kaum beide sicher auseinander
halten kann. Auch beim Sammeln konnte ich die org. Einschlüsse
nicht sicher trennen und führe zusammen an, was ich aus den
grauen circa 60' mächtigen Schichten erbeutete : Ammonites hi-
jilex, A. canaliculatusy A. complanatusj A. Ungidatus, A. ßexuosus-
A. virgulatiis, A. striolaris, A. himammatus, A. anceps albus, poly-
plocus ; Aptychi laeves et lamellosi; Belemnites hastatus, Nautilus
aganiticus; Ostrea Boemeri, Pecten cornutus, Muricida alba; Te-
rebratida äff. impressae, T. cf. nucleata; Dysaster granulatus.
B 2) Weisser "Werk bankkalk, wegen seines la^erhaf-
ten Bruchs, seiner ansehnlich dicken, für Mauerwerk trefflich
passenden, bankartigen Schichtung und rechtwinkeligen Zerklüf-
tung als Baustein häufig ausgebeutet und in zahlreichen Stein-
brüchen aufgeschlossen, wegen seiner grösseren Härte auch zur
Strassenbeschotterung vielfach benützt, bildet über dem grauen
Mergelkalke eine 30 — 50' mächtige, wegen geringer Yerwitter-
barkeit an den Gehängen oft als steile Felswand vorstehende"",
— 206 —
weithin erkennbare Stufe. Nach oben geht er in dünnbankig
geschichtetes Gestein mit Zwischenlagen von feinblätterigem Mer-
gel über. Darin kommen vor: Ammonites lingulatus, A. flexuosusy
(häufig), A. virgulatus, A. striolaris, A polyplocus^ A. trifurcatusy
A. irißatus binodosus, A. inßatus macrocephalus, A. Wltteakus ; Belem-
niteshastatus; OstreaEoemeri, O.aff.Exogyra suhpllcata, Pholadomya
dathrata (liäufig); Pecten cornutus, P. cardinatus, P. cf. demissus,
P. pseudoparadoxus {äff. P. paradoxus^ docli nur V2 so gross , die
10 Radial streifen, als schmale Leisten vorstehend) P. vellatus
albus, Plicatida subserrata, Astarte Q. /. t. 73 f. 55; Jnoceramus
laevigatus, Terebratula coarctata alba; T. striochicta, Dysaster
granulosus. Es ist dies die Region von ß und vielleicht von noch
etwas höheren Schichten.
B 3) Grauer Mergelkalk und schiefriger Mergel
unten oft in klotzigen Knollen brechend, die in schalig musche-
ligen Stücken zerfallen, nach oben mehr plattig geschichtet und
bedeckt von plattigen, dichten, weissen oolitischen Kalken mit
weissen Hornsteinknöllchen. Hier sind die Ammo7iiten in grösster
Häufigkeit: A. polyplocus, A. polygyratus, A. striolaris, A. inflatus,
A. Corona, A. n. sp. äff. crista galli, A. bidentosus, A^ perarmatus
A. lingulatus, A. anceps albus, A. Witteanus, A. pictus; Belemni-
tes hastatus, B. äff pressulus; Aptychi laevi et lamellosi; Ostrea
Roemeri; Opis cardissoides {^j^ so gross) ; Mo7iotis subsimilis ; Pecten
cornutus. Astarte af. Q. I. t. 73 f, 56; Äff. Q. 1. 1. 73 f. 55; Nucula
mit Schloss äff. Q. /. t. 73 f. 50; Terebratula nucleata; T. substriata.
Diese drei petrographisch so deutlich unterscheidbaren Stufen
der wohlgeschichteten Kalke sind fast durch ganz Franken zu be-
obachten. Sie scheinen, wenn auch nicht absolut genau, den 3
Stufen a, |3 und y Quenstedts zu entsprechen, xmd werden in der
Schwammfacies durch die mergelreiche nicht weiter bestimmt
trennbare Glieder A 1) bis A ^) ersetzt, wie der Augenschein au
der rothenLeithe bei Streitberg auf's bestimmteste lehrt. Beide
Partieen liegen im gleichen Niveau und gehen, was noch mehr
sagen will, in einander über. Das gleiche Niveau ist nämlich
trügerisch; nicht selten sind ganze Partieen aus höherer Lage
herabgerutscht und liegen nur scheinbar und sekundär mit wirk-
207
lieh älteren Scliichten in gleichem Niveau. Nicht selten aber
nehmen die vollständig regelmässig geschichteten Gesteine da,
wo sie in die Schlammfacies übergehen, eine Art Unregelmässig-
keit an, schwellen auf, biegen sich wellig auf und steigen so in
ein höheres Niveau aufwärts. Ein Blick von der Höhe des
Schlosses Neideck auf die gegenüber liegenden Thalgehänge vom
Hammerstein bis zum Müllcrberg zeigt diese Verhältnisse auf's
Schönste. Dadurch drängt sich unwillkürlich der Gedanke vor,
dass die Schwammschichten Korallenriff ähnliche Züge innerhalb
der Juraschichten bilden, zwischen denen die wohlgeschichteten
Partieen sich ausbreiten. An der Grenze, längs welcher beide
Facies sicli aneinander schliessen, zeigt sich kein allmähliger
Uebergang der Schichten beider Facies, sondern gleichsam schief
unter 25 — 30 ^ die wohlgeschichteten Lagen abschneidend, greifen
an ihrer Stelle die Schwammmergel Platz und schwellen zu wall-
artigen Massen an, welche gleichwohl ihre Schichtungsabsonde-
rung deutlich beibehalten.
Obwohl nun dieses Verhältniss und dasjenige der Abrut-
schungen an vielen Stellen das Erkennen in gleichem Niveau gela-
gerter und gleichaltriger Schichtenglieder erschwert, so ist doch bei
Streitberg das Verhalten der einzelnen Schichten und dieEntblössun-
gQii zu klar, als dass Zweifel über die Gleichaltrigkeit der
Schichten A i), A ^—^ mit B. i), B 2) und B 3) obwalten könnte.
Als durch Abrutschen verschobene Partieen erachte ich aber auch
hier die Schichtencomplcx von Schloss Streitberg selbst und Par-
tieen vor dem Dorfe daselbst. Wenn solche Abrutschungen
vorkommen, so dürfte das nicht das geringste Gewicht in die
Waagschale dafür einlegen , dass auch die unteren Schwammla-
gen müssen in das Niveau der Kalke a und ß herabgerutscht
sein ; ihre Stellung nebeneinander ist vielmehr für eine genetische
und primitive zu halten.
Ueberblickt man nun schliesslish noch die Fauna der in den
tieferen Ptegionen des Jura entwickelter Schichtenreihen, so tritt
uns, wenn man jedesmal die beiden Facies einer Stufe zusammeu-
berücksichtigt, eine so geringe Differenz entgegen, dass sich auf
diese eine vielfache Gliederung nicht bauen lässt. Die Unter-
208
Scheidung von 6 Stufen nach getrographischen Momenten ist hier
in Franken leicht und praktisch nützlich, sie kann in grosser
Beständigkeit durch den ganzen bayerischen Antheil der Jura-
gebilde nördlich von der Donau immer wieder erkannt werden,
aber paläontologisch lässt sie sich nicht immer durchführen; daher
behält diese Eintheilung nur lokalen Werth, aber dieser ist ihr
sicher.
1) Als erste und älteste Stufe beobachtet man constant
den durch schwarze Steinmergelkugeln und gelblich weisse Kalke
mit Glauconit kör neben ausgezeichneten wenig mächtigen
Kalkmergelstreifen, der durch die ganze württembergische und
bayerische Alp fortzieht. Hier sind Ammonites Lamherti und hi-
armatus charakteristisch; erstere endet, A. hiplex beginnt. Sie
ist paläontologisch, wie petrographisch gleich sicher festgestellt.
Die darüber folgenden 3 Stufen sind in den Facies der wohl-
geschichteten Kalke nur petrographisch, nicht aber paläontolo-
gisch scharf zu scheiden ; in ihrer Schwammfacies gelingt es auch
petrographisch nicht so bestimmt zu trennen. Die Fauna ist
ohnehin fast ganz dieselbe. In gleichem Bildungsniveau liegen
hier :
Facies der wohls:es chicliten Kalke.
Schwammfacies.
2) B 1) Untere graue Kalke und Mergel mit
Terhraiula impressa oder Verwandten
und rostigen kleinen Ammoniten.
unter grauen mer-
' eeligen Schwamm-
f ^ schichten.
3) B2) AVeisse Werksteinkalkbänke mit zahl-
reichen Planulaten.
A3) Massiger Spongiten
Kalk.
4) B3) Oberer grauer Mergelkalk — —
mit Ammonites perarmatus^ planiäatus in
Menge
A*) und vielleicht von
A 5) dichter Kalk in
hohen Wanden an-
stehend.
5) A6) u. A7) Für beide Facies gleiche bröcklich brechende, dünnbankige,
oft dolomitische Kalke. *
6) AS) Dichte, w^eisse hornstelnreiche Schwammkalke oder Dolomit —
Amberffer Schichten —
— 209 —
Fast höher in mehr nach Süden und Südost gelegenen Lan-
destheilen folgen dann die plumpen Felsenkalke und die Solen-
hofer Platten mit den oberen Kalken der Korallenfauna (Diceras-
Schichten und Plattenhalke). In der ganzen Reihe 2 — 6 tritt kein
bedeutender Unterschied der Fauna hervor, so dass sie zusammen
ein Glied des Oxfordjura ausmachen. Die einzelnen Stufen gehen
zwar bei Streitberg auch paläontologisch schwach auseinander, aber
die beobachteten Charaktere haben sich bis jetzt nur von dieser be-
schränkten Lokalität festgestellt und lassen erst allgemeinere
Schlüsse zu , wenn gleiche Beobachtungen bestätigend auch an
andern Punkten angestellt worden sind. Auffallend bleibt das
Fehlen oder die grosse Seltenheit von Ammoniten in dem oberen
Schwammkalke, wogegen für die Schichte B 3) A. perarmatus be-
zeichnend und für die tiefste Lage von B ^) Terehratula impressa
doch zunächst stehende Formen charakteristisch sind.
Die oberen Kalkbildungen kann ich trotz ihrer grossen Horn-
steinknollen nicht für Schichten vom Niveau des schwäbischen g,
halten. Es fehlen nicht nur selbst die geringsten Spuren von
Sternkorallen, dann die Rhynchochella trilohata und ächte inconsta7is,
sondern es kommen auch ganz typisch gebildete Rh. lacunosa und
Terehratula bisufarcinata noch in grösster Häufigkeit vor. Die
mit Rh. lacunosa vorkomniende ungleichseitig entwikelte Tere-
bratel ist die cVfformis und leicht von der mconstans des plumpen
Felsenkalkes zu unterscheiden, deren Vorläufer sie allerdings sein
mag. Dem entsprechend gehört die Hauptmasse des fränkischen
Dolomits nicht der Region des schwäbischen g an, sondern ver-
tritt, wie der häufige Einschluss der typischen Rh. lacunosa und
T. hisuff. lehrt, zum grössten Theil im nördlichen Franken
und bei Streitberg zumal die Stufe der oberen Schwammkalke,
der Amberger Hornsteinkalke.
Wie schon erwähnt, finden sich Foraminiferen vorherrschend
in den tiefsten Schwammlagen A i) , obwohl in allen anderen
Schichtenstufen Spuren und Querschnitte beobachtet wurden; aber
isoliren lassen sich diese meist gar nicht. Diese Foraminiferen-
führende Schwammmergel lieferten allein unser Material.
Wärtterab. natur\r. Jahreshefte. 1862. 2s Heft. 14
— 210 —
Nach Feststellung des Horizontes , auf welchem bei Streit-
berg die Foramini feren sich finden (A *) und welcher den unteren
Schichten der Oxfordstufe entspricht, erübrigt noch Einiges über
die Natur der hier aufgeschlossenen Rhyzopodenarten im Allge-
meinen zu sagen.
Auch bei den Juraformen fällt vor Allem der Umstand auf,
dass, ähnlich wie beim Lias, fast nur solche Genera vorkommen,
welche auch in jüngeren Formationen und grösstentheils lebend
zu beobachten sind. Eigenthümliche Geschlechter sind höcht spär-
lich vorhanden, ja selbst besonders ausgezeichnete Arten gehören
zu den seltenen Erscheinungen.
Die bei Streitberg gefundenen Species gehören 16 Genera
an, wenn man die unsicher ermittelten und zweifelhaften nicht
mitzählt; mit letzteren sind es ungefähr 20 Genera; sie ver-
theilen sich in folgender Weise auf die verschiedenen Gruppen,
wobei, um die Vergleichung mit früheren Arbeiten zu erleichtern,
die d'Orbigny'sche Eintheilung beizubehalten für zweckmässig ge-
funden wurde.
I. Monosteaia mit dem
III. Helicostegia
IV. Enallostegia
V. Agathisteg ia
lus Lagena
in 3
Arten
era Nodosarla
4
5?
Dentalina
2
55
Vaginulina
1
5?
Frondicularia
1
55
Marginulina
5
5)
Cristellaria
6
55
Rohulina
1
55
Nonionina
2
55
SpiriUina
2
55
Rotalina
2
55
Pohjstomella (?)
1
55
Spiralina (?)
1
5)
Rosalina
1
55
Textilaria
2
'55
Guttulina
2
55
(?) Biloculina
1
55
—
;. 37 Arten.
. — 211
zweifelhaft
in
1
Art
1
5»
1
35
1
5?
Siderolina
Bulimina
GlobuUna
(?)
Zusammen oder im Ganzen 41 Arten.
Die Foraminiferenfauna der Streitberger Schwammschicliten
zeichnet sich diesem nach durch das Vorherrschen der Stichoste-
gier in zahlreichen Arten besonders aus, nächst diesen ragt das
Genus Cristellaria unter den Helicostegier vor den andern her-
vor. Bemerkenswerth ist die Armuth an Enallostegier und Aga-
thistegier. Durch alle diese Verhältnisse schliesst sich diese ober-
jurassische Fauna aufs engste an die liasische an, welche einen
ganz ähnlichen Charakter aufw^eist. Auch die einzelnen Species
haben ihre nächsten Verwandten unter Formen des Lias und
Doggers.
Was den Erhaltungszustand der Foraminifereü in den Schwamm-
mergehi anbelangt, so ist derselbe keineswegs sehr vollkommen.
Die Oberfläche ist sehr häufig wie zerfressen oder ausgenagt, oft
wie durch Verwitterung rauh oder auch incrustirt; namentlich ist
es schwierig, bei einzelnen Fällen die Form der Oeifnung zu be-
stimmen.
Neben der Fülle kleiner, meist erst mit Hülfe der Loupe
deutlicher erkennbarer org. Einschlüsse, welche die Forami-
niferen begleiten, ist der Mangel an Ostrakopoden auffallend,
während äusserst kleine Crinoideen, insbesondere Stacheln von
Cidarisarten, die fast nicht grösser als Foraminiferen selbst sind,
die zierlichen Diadema subangulure und Echinus nodulosus, fer-
ner das schöne Conodictyum mit zahlreichen Formen von Bryo-
zoen, endlich ganz kleine Brachiopoden und Serpulen leicht auf
bestimmte Thierformen sich beziehen lassen, findet man unter
dem Mikroscope noch eine Menge von Fragmenten, welche meist
haarähnlich, oft auch crenulirt, oft wie Belemniten gestalten, bald
sternartig verbunden, bald unförmig und wie Körner der Oolithe
gebildet, eine sichere Deutung schwierig machen. Diess ist noch
ein weites Feld der Forschung.
Doch nicht bloss die Juraschichten (im Gegensatz zu Dogger
und Lias speciell aufgefasst) beherbergen in Franken Foramini-
— 212 —
feren. Nach meiner Entdeckung derselben in den Streitberger
Schwammmergeln glückte es mir bei fortgesetzten Untersuchun-
gen bald in fast jeder auflockerbaren mergeligen Schichtencom-
plexe der jurassischen Formationen (Lias, Dogger und Jura zu-
&;ammengefasst) mindestens Spuren davon nachzuweisen.
Als die tiefste Schicht, in der ich sie auffinden konnte, darf
der oft mergelige Kalk mit grossen wasserhellen Quarzkörnchen
gelten, welcher die Gryphcea ohliqua (bei Amberg die Form der
G. gigas) umschliesst und auf der G-renze zwischen unterem und
mittlerem Lias steht. Diese Schicht führt in den am Fusse des
Hesseibergs durch viele Steinbrüche aufgeschlossenen Lagen:
Nodosaria Simoniana d'Orb. N. nitida Terq., Frondicularia nitida Terq.
F. aß: Terquemi d'Orb., Dentalina Terquemi d'Orb., D. matutina
d'Orb., Marginulina fabacea Terq. Cristellaria matutina d'Orb. C.
prima d'Orb. C. Terquemi d'Orb. C. incisa Terq. und Robulina metensis
Terq. Auch in der Gesteinsmasse, welche die grosse Gryphcea von
Amberg (Paulersdorf) ausfüllen, fand ich einige dieser Arten, aber
meist sehr zerfressen. Seltener sind die Foraminiferen in dem
den Ammonites costatus umhüllenden Thon. Vom Drimeusel bei
Kloster Berg stammenden Massen lieferten mir wenigstens eine
Art, die Cristellaria rustica d'Orb.
Relativ am häufigsten fand ich jurassische Foraminiferen
ausser Streitberg in einem weichen, etwas schwierig schlämmbaren
Mergel voll der kleinen Crinoideen, Bryozoen etc., wie sie Quen-
stedt aus seinem y abbildet, an dem Wege von Oerhausen zu Dr.
Leube's Cementbruch bei Blaubeuren. Nodosarien, Cristeliarien,
Marginulinen konnte ich reichlich in dem kleinen Stückchen be-
obachten, das icli von jener Stelle mitnahm. Die Schicht liegt
tief unter dem Cementkalke und noch etwas im Liegenden eines
weissen, oolithischen, fast schiefrigen Kalksteins, in welchem an
dem bezeichneten Fahrwege ein Steinbruch betrieben wird und ge-
hört wahrscheinlich den jüngsten Schichten der Oxfordstufe an.
Da ich derzeit zu geringes Material von dieser Stelle besitze,
habe ich einstweilen die hier vorkommenden Foraminiferen un-
berücksichtigt gelassen, hoffe aber später in die Lage zu kommen,
auch diese zu untersuchen.
— 213 —
Beschreibung- der Arten.
I. Spirillina.
Bei Streitberg finden sich 2 sehr nahe verwandte Formen,
welche einestheils sich an die Operculina cretacea Reuss und das
Genus Spirillina^ anderentheils an (?) CydoUna impressa Egger
von Passau und der liasischen Involut'ma Terquem's anschlies-
sen; aber wegen ihrer, wenn auch nun sehr wenig ungleichseiti-
gen Gestalt, und wegen einer halbrunden (statt dreieckigen)
Mündung weder zum Genus Operculina, noch wegen der nicht cy-
clischen, sondern spiralen Windungen zum Genus CydoUna zu
gehören scheinen. Es sind flache scheibenförmige Gehäuse
mit sehr schmalen, zahlreichen, rundlichen Windungen, welche
Planorbis-artig spiral dicht neben einander gerollt liegen, dass
eine kaum bemerkbare Furche die einzelnen sämmtlich sichtba-
ren Windungen trennt. Nach Oben schliessen die Windungen
zu einer fast ebenen Fläche zusammen, nach Unten sind diesel-
ben gegen die Mitte flach vertieft. Das Ende ist senkrecht zur
Spiralen Röhre abgesetzt und auf dieser Endfläche scheint dicht
an der folgenden Windung eine fast kreisförmige Mündung zu
liegen. Kammerwände konnten trotz der Durchsichtigkeit des
Gehäuses und trotz Anschleifens sowie Anätzens mittelst Säuren
keine wahrgenommen werden. Die Schale ist kalkig und porös.
Diese Hauptmerkmale scheinen sich bei Operculina creatacea und
CydoUna impressa gleichfalls vorzufinden und es dürften diese
4 Arten der Familie der Spirillideen nahe zusammengehören,
denen sich dem Aeussern nach noch Terquems Invohdina an-
reiht.
Herr Professor Reuss, welchem ich Exemplare vorlegte,
hatte die Güte, mir brieflich seine Ansicht dahin auszusprechen,
dass diese Juraforaminiferen ohne Zweifel Arten der Gattung
SpiriUina sind, wie auch Egger's CydoUna impressa zu Spirillina
gehöre.
214
1) Spirillina polygyrata n. sp.
mit Taf. VI. Fig. IIa, IIb u. 11c.
Gelläuse mit schmalen, nach dem Mittelpunkt immer schmä-
ler werdenden, durch schräge Ausbauchungen und Buchtungen
unregelmässig dicken "Windungen, welche in ihrer Mitte meist
durch Gesteinssubstanz erfüllt, an den sich berührenden Wänden
durchscheinend werden; gegen das Ceiitrum ist der ganze Kör-
per pellucid; im Ganzen sind 10 — 12 Windungen zu unterschei-
den, die 3 äusseren sind im Innern ununterbrochen ausgefüllt. Das
Uebrige wie bei dem Genus angegeben.
Durchmesser: 1 Mm.,
Höhe der äussersten Windung: 0,12.
An einem Exemplar wurde deutlich wahrgenommen, dass die
senkrecht stehende Endfläche aus der Windungsebene herausge-
treten ist; doch scheint diess nicht bei allen der Fall zu sein.
Die Porosität des Gehäuses stellt Fig. U^^ dar.
Fundort: Eine der häufigsten Arten in den Schwammschich-
ten bei Streitberg,
2) Spirillina tenuissima n. sp.
Taf. IV. Fig. 12a und 12b.
Gehäuse ähnlich wie bei der vorigen Art, doch viel kleiner,
mit noch schmäleren, und dabei zahlreicheren Windungen, welche
beiderseits gegen die Mitte zu flach sich einsenken; im Centrum
selbst bemerkt man keine Windungen mehr , es scheint daselbst
eine verhältnissmässig grosse Anfangszelle zu liegen. Der Körper
ist mehr ganz pellucid, aber trotzdem von Kammerwänden keine
Spur zu sehen.
Durchmesser: 1 Mm.,
Höhe der äussersten Windung: 0,07 Mm.
Fundort: Häufig mit voriger um Streitberg.
II. Lagena Walk.
3) Lagena franeoniea n. sp.
Taf. III. Fig. la und b.
Das spindelförmige Gehäuse verjüngt sich nach unten all-
mählig und endigt in eine Spitze; nach oben läuft dasselbe min-
— 215 —
der rasch abnehmend zu einem schmalen kurzen Halse zu, der
auf seinem ^venig er\Yeiterten Ende eine runde Oeffnung trägt;
die Schalenoberfläche ist glatt, nach oben mit G nur schwach an-
gedeuteten Längslinien versehen, welche, wie es scheint, die Kan-
ten von Flächen vorstellen ; die letzteren scheinen das. nach oben
ins 6flächige übergehende Gehäuse zu begrenzen,
Grösste Länge: 5 Mm.,
Grösster Durchmesser: i Mm.
Diese Art ist mit Oolina aciculai^isTerq, verwandt, unterscheidet
sich jedoch durch kürzeren, dünneren Hals, stärkere Zuspitzung
nach unten und nähert sich dadurch mehr der 0. clavata d'Orb.
Fundort: Sehr selten Grabenbach bei Streitberg.
4) Lagena compressula n. sp.
Taf. III. Fig. 2a, 2b und 2c.
Das Gehäuse ist dick, linsenförmig und wird längs des seit-
lichen Randes von einem rings um bis zum Halse verlaufenden
leistenähnlichen Wulste umsäumt, der ununterbrochen über das
untere Ende fortlauft; gegen oben an dem zu einem kurzen Halse
ausgezogenen, die runde Oeffnung tragenden Ende verschwächt
sich das Gehäuse zu einem wenig erhabenen Hofe um den Hals;
die Oberfläche ist ohne sonstige Verzierung.
Grösste Länge: 1 Mm.,
Grösste Dicke: i Mm.
Diese Art steht in nächster Nähe der lebenden Oolina com-
pressa d'Oi*b., unterscheidet sich jedoch sehr bestimmt durch
schwächere Wülste an dem Seitenrande, grössere Dicke bei regel-
mässigerer Rundung und durch einen längeren , viel dünneren
Hals.
Fundort: Sehr selten Mergelgrube in der Nähe des Reitzen-
steinhauses in Streitberg.
5) Lagena (?) Steitbergensis n. sp.
Taf. m. Fig. 3a und 3b.
Gehäuse kugelig, nach unten mit einer kurzen scharfen Spitze,
in welche die Kugel rasch zulaufend endigt; nach Oben sitzt
— 216 —
eine kurze fast cylinderische Spitze etwas excentrisch auf dem
kugelförmigen Gehäuse gerade auf, ohne dass letzteres von der
regelmässigen Form abweichend gegen diese Spitze merklich zu-
läuft; die Oberfläche ist ohne Verzierung.
Grösste Länge 0,62 Mm.
Grösste Dicke 0,56 Mm.
Obwohl der ganze Habitus gut zu Genus Lagena passt, so
glaubte ich doch, da mir nur ein Exemplar dieser Art zu Ge-
sichte kam, desshalb die Zuzählung zu dieser Gattung vorläufig
noch fraglich zu lassen, weil die als oberes Ende angenommene
Spitze etwas excentrisch und schief aufgesetzt ist, so dass die
Möglichkeit vorliegt, nur die letzte, untere Kammer des Gehäu-
ses einer Dentalina ^ ähnlich wie bei D. giittifera, D. simplex
etc. etc. vor sich zu haben. Zu Gunsten der Zurechnung zu La-
gena spricht dagegen die Grösse des Gehäuses, die für das End-
stück einer Dentalina eine ungewöhnliche wäre.
Fundort : Sehr selten bei dem Reitzensteinhause.
III. Nodosaria Lamk.
6) Nodosaria nitidula n. sp.
♦ Taf. in. Fig. 4a, 4b ; 5a, 5b ; 6a und 6b.
Gehäuse puppenförmig , mit sechs durch ziemlich tiefe Ein-
schnürungen abgegrenzten, kugelig gewölbten Kammern, die nach
unten rasch an Grösse abnehmen ; die unterste letzte Kammer ist
kugelig, so gross als die vorhergehende, oder doch nicht im Ver-
hältniss zu der Verjüngung der übrigen Kammern verkleinert;
die oberste Kammer endigt in einer derben, fast cylinderischen
Spitze, welche die runde Oeffnung trägt; die Oberfläche ist glatt,
fast glänzend,
Länge 0,62—0,77 Mm.
Dicke der ersten obersten Kammer 0,20—0,27 Mm.
Diese Art unterscheidet sich von der sehr verwandten liasi-
schen N. nitida Terq-. durch minder tiefe Einschnürungen zwischen
den Kammern, durch etwas mehr länglich runde Form der Kam-
mern und eine im Allgemeinen etwas schlankere Gestalt.
— 217 —
Besonders ausgezeichnet ist die Form, welche auf Taf. III. Fig.
5 a, 5b dargestellt ist, und als Yar. suhdougata ausgeschieden
werden könnte. Sämmtliche Kammern sind mehr in die Länge
gezogen und die Zuspitzung, welche die Oeffnung trägt, ist länger
und schmäler, üebergänge scheinen sie mit der Stammform zu
verbinden.
Fundort: Sehr häufig im Grabenbache, unter der Muschel-
quelle und am Reitzensteinhause in Streitberg.
7) Nodosaria Münsterana n. sp,
Taf. m. Fig. 7a u. 7b; Sa u. 8b.
Gehäuse puppenförmig, in die Länge gezogen mit zahlreichen
kugelig gewölbten Kammern, welche mit breiter Basis sich
an einander reihen und durch tiefeinschneidende Nähte im Uebri-
gen getrennt werden. Die Kammern vergrössern sich nach oben
stetig und langsam, die unterste letzte ist abgerundet, ohne Spitz;
die Oberfläche ist von 16 schmalen, hohen Längsleisten verziert,
w eiche durch die Einschnürungen fortziehen. An einem 2ten Exem-
plar finden sich nur an der grösseren Kammer IG Längsrippchen,
an den folgenden kleineren dagegen nur 8; auch ist hier die
grösste Kammer etwas mehr länglich rund. Die Zwischenräume
zwischen den Längsrippchen sind breiter als letztere, etwas
rauh.
Grösste Länge: 1,00—1,12 ]\Im.
Dicke der grössten Kammer 0,25 — 0,37 Mm.
Diese Art hat die grösste Aehnlichkeit mit der basischen
N. prima d'Orb, aus der Gruppe der iV. badenensis d'Orb.; unter-
scheidet sich jedoch von ersteren durch stärkere Einschnürungen,
mehr länglich runde Form der einzelnen Kammern und durch
breitere Zwischenräume zwischen den schmäleren Rippchen.
Fundort : Selten im Grabenbache.
8) Nodosaria jurassiea n. sp.
Taf. ni, Fig. 9a u. 9b.
Das fast stabförmige, abgesetzt gegliederte Gehäuse besteht
aus langen, wenig ausgebauchten, an den Nähten durch deutliche
aber nicht tiefe Einschnitte getrennte Kammern, welche alle fast
— 218 —
gleich lang und gleich dick sind. Die Oberfläche ist mit 10
schmalen Längsrippchen verziert, welche in der untersten Kammer
zu ein spitzer Ende zusammen laufen.
Länge des Skammerigen Fragmentes: 1,12 Mm.
Grösste Dicke: 0,21 Mm.
Diese Species besitzt einige Aehnlichkeit mit der N'. sexco-
stata Terq. des Lias, unterscheidet sich leicht von dieser Art
durch die fast gleich dicken, an Länge fast ganz gleichen Kam-
mern, wodurch die Form einer Walze bedingt ist und durch die
zahlreicheren Längsrippchen. Das vorliegende Skammerige Bruch-
stück deutet auf eine sehr bedeutende Grösse dieser Art.
Fundort: Selten im Grabenbache bei Streitberg.
9) Nodosaria eorallina n. sp.
Taf. III. Fig. 10a u. 10b.
Gehäuse fast walzenförmig, nur schwach und allmählig nach
unten an Dicke abnehmend, an den Kammernähten schwach ein-
geschnitten und abgegliedert; die in der Mitte nur wenig ausge-
bauchten Kammern besitzen fast gleiche Länge, die letzte, un-
terste ist durch eine Wulst an der Naht und eine kugelige Ab-
rundung ausgezeichnet; die Oberfläche trägt 8 schmale Längs-
rippchen, welche auf der untersten Kammer nur angedeutet sind.
Länge: 1,12 Mm.
Grösste Dicke oben: 0,25 Mm.
Die grösste Verwandtschaft mit dieser Art zeigt die liasische
N. Shnoniana d'Orb., welch letztere jedoch nur 6 Längsrippchen
trägt, mehr kugelig ausgebauchte Kammern besitzt und sich stär-
ker verjüngt.
Fundort: Grabenbach bei Streitberg.
III. Dentalina d'Orb.
10) Dentalina Goldfussana n. sp.
Taf. III. Fig. IIa u. IIb.
Gehäuse puppenförmig, gekrümmt, glatt; die kugelig ausge-
bauchten Kammern sind durch tiefe Einschnürungen abgegliedert
und nehmen nach unten rasch an Dicke ab; die oberste letzte
ist etwas eiförmig, die unterste letzte kugelig, ohne (?) Spitze.
. — 219 —
Länge: 1 19 Mm.
Grösste Dicke der obersten Kammer: 0,27 Mm.
Auch für diese Art finden wir die nächste Verwandtschaft
bei der D. simjylex Terq. des Lias. Das Yerhältniss geringerer
Länge in Verbindung mit rascher Abnahme der weit beträcht-
lich-dickeren Kammern dürfte für die Juraart ausreichen, sie
von der Liasspecies zu unterscheiden, üebrigens ist erstere auch
viel stärker gekrümmt.
11) Dentalina raphanistriformis n. sp.
Taf. III. Fig. 12a. u. 12b.
Gehäuse puppenförmig, unregelmässig gebogen, ungleich ab-
gesetzt gegliedert; die Kammern sind 'schwach gewölbt, durch
seichte Einschnürungen abgegrenzt, sehr ungleich dick und lang;
die letzte unterste endigt in einer kurzen Spitze. 16 Längsripp-
chen bedecken die Oberfläche und laufen ohne Unterbrechung
durch die seichten Einschnürungen hindurch; sie sind etwa so
breit, als ihre Zwischenräume.
Länge des Exemplars: 1,28 Mm.
Grösste Dicke der obersten Kammer: 0,34 Mm.
„ „ „ untersten Kammer: 0,27 Mm.
D. ornata Terq. aus dem Lias von Metz hat einige Aehn-
lichkeit mit der als neu aufgestellten Art des Jura. Seichtere
Einschnürungen zwischen den Kammern, stärkere Biegung des
Gehäuses und die in eine Spitze endigende, unterste Kammer un-
terscheidet die letztere von der Liasart.
Fundort: Sehr selten im Grabenbache bei Streitberg.
V. Frondiciilaria, Defrance.
12) Frondieularia franconica n. sp.
Taf. in. Fig. 13a, 13b u. 13c.
Gehäuse flach, zusammengedrückt, fast gleich dick, im Um-
risse birnförmig, nach oben zu einem kurzen Halse zulaufend,
nach unten in einer etwas verdickten Kammer endigend; Kam-
mern zahlreich, die Nähte kaum sichtbar; die Oberfläche scheint
etwas rauh, ist wenigstens nicht glänzend glatt.
— 220 —
Grösste Länge: 1,12 Mm.
Grösste Breite: 0,44 Mm.
Grösste Dicke: 0,15 Mm.
Diese Art steht in der Nachbarschaft der liasischen F. nitita
Terq., unterscheidet sich aber von dieser und allen ähnlichen For-
men der Kreide durch ihre Umrisse und fast ebenen Seitenflächen,
welche gegen die Mitte hin sogar etwas vertieft erscheinen; der
Rand ist schwach gewölbt und abgerundet.
Fundort: Selten im Grabenbache bei Streitberg.
YI. Yagiiiuliiia d'Orp.
13) Vaginulina jurensis n. sp.
Taf. III. Fig. 14a, 14b und 14c.
Gehäuse länglich, spindelförmig, etwas einseitig schief gebo-
gen, nach beiden Enden langsam zulaufend, im Querschnitt läng-
lich oval; die Mündung liegt ausser der Mitte der obersten Kam-
mer und ist sehr klein, rund. Die 5 — 6 Kammern sind durch
zur Achse schief gestellte , nicht über die Oberfläche vorragende
Scheidewände und kaum bemerkbaren Einschnürungen des Ge-
häuses getrennt; die Oberfläche ist glatt und glänzend.
Länge: 1,02 Mm.
Grösste Dicke: 0,17 Mm.
Diese Art hat einige Aehnlichkeit mit der liasischen Denta-
Una vetusta d'Orb; scheint mir aber zu Vaginulina gestellt wer-
den zu müssen. Die spindelförmige, etwas breit gedrückte Form
und das fast gänzliche Fehlen von Einschnürungen lassen diese
Species leicht und sicher erkennen. Bei dem in Fig. 14c abge-
bildeten Exemplare scheint das obere Ende abgebrochen,
Fundort: Grabenbach bei Streitberg.
YII. >Iapgmiilina d'Orb.
14) Margiuulina irregularis n. sp.
Taf. III. Fig. 15a, 15b. 17 u. 18.
Gehäuse unregelmässig, walzenförmig, glatt oder durch kno-
tige Erhöhungen und seichte Vertiefungen puppenförmig , nach
— 221 —
unten mit einem verdickten Knopfe seitlich gekrümmt, nach oben
in einen kurzen nach hinten stehenden Hals zulaufend, im Quer-
schnitte etwas elliptisch. Die Kammern sind nicht deutlich er-
kennbar, jedoch durch mehr oder weniger deutliches Ausbauchen
des Gehäuses angedeutet.
Länge des Normalexemplars Fig. 15: 0,88 Mm.
Dicke: 0,20 Mm.
Hier sind einige sehr häufig bei Streitberg vorkommende
Formen unter einem gemeinsamen Namen vereinigt, deren Zu-
sammengehörigkeit ich zwar nicht verbärgen kann, welche aber
zugleich durch Uebergänge und Zwischenfoi'men so eng verbun-
den sind, dass ich eine bestimmte Grenze der Abscheidung nicht
erkennen konnte; wie denn überhaupt der Umstand, dass der
Körper nicht durchscheinend ist, die Genauigkeit der Bestimmung
schwierig macht. Die Oberfläche ist wie incrustirt und rauh,
durch die an vielen Exemplaren bemerkbaren knolligen Erhöhun-
gen noch besonders uuregelmässig gestaltet. An einem Exem-
plar, das in Fig. 18 abgebildet ist, zeigt sich sogar eine knie-
förmige Krümmung. Trotz dieser Besonderheit und einer über
das gewöhnliche Maas weit hinaus reichende Grösse dieses Indi-
viduums konnte dasselbe doch nicht specifisch von der Normal-
form abgetrennt werden; da es durch die Zwischenformen F. 16
und F. 17 mit demselben eng verbunden ist.
Fundort: Grabenbach, Muschelquelle und Reitzenstein-
haus bei Streitberg.
15) Marginulina Beierana n. sp.
Taf. III. Fig. 20a und 20b.
Gehäuse in die Länge ausgedehnt, schmal zusammengedrückt,
nach oben gerade, nach unten seitlich gekrümmt, fast gleich breit,
nach Oben nur um Weniges breiter, glatt, mit 10— 12 schiefstehen-
den Kammern ohne Einschnürungen. Die Seitenflächen sind nur
wenig gewölbt, fast eben, so dass im Querschnitte sie fast als
gerade Linien erscheinen.
Länge 1,10 Mm.
Grösste Breite oben: 0,34, unten: 0,29 Mm.
— 222 —
Diese Art besitzt eine Aelmlichkßit mit Cristellaria antiquata
d'Orb. des Lias, ist jedoch viel stärker zusammengedrückt, daher
viel flächer, kürzer und am untern Ende nur seitlich gekrümmt,
nicht eingerollt, wesshalb diese Form zu Marglmdina gestellt wer-
den musste.
Fundort: Grabenbach bei Streitberg,
16) Marginulina jtirassiea n. sp.
Taf. III. Fig. 21a ii. 21b.
und var. substriata
Taf. III. Fig. 22.
Gehäuse kurz, breit, stark zusammengedrückt, Seitenflächen
nur schwach gewölbt, nach unten verschmälert, in einer etwas
verdickten, seitlich gebogeneu Anfangskammer endigend; Quer-
schnitt länglich elliptisch; Kammern wenig zahlreich, sehr schief
gestellt, Oberfläche glatt oder bei der Varietät substriata mit ganz
schwachen Längsstreifchen verziert.
Länge: 0,90 Mm.
Grösste Breite: 0,37 Mm.
Dicke: 0,15 Mm.
Hiermit ist die liasische *M. Terquemi d'Orb. zu vergleichen,
welche jedoch nicht flach gedrückt ist und deutliche Einschnü-
rungen an den Kammeruähten zeigt, während bei der Juraform
solche Einschnürungen nicht bemerkbar sind. Die als Yar. substriata
hierhergezogene Form scheint trotz einer grösseren Breite und
gedrungener Gestalt kaum von der Normalform getrennt werden
zu können, weil bei der Zartheit, der Streifen diese selbst leicht
unsichtbar werden, die Dimensionen gewiss grösseren Schwan-
kungen unterworfen sind und andere Momente der Unterscheidung
nicht vorliegen.
Fundort: Grabenbach bei Streitberg.
17) Marginulina serratoeostata n. sp.
Taf. III. Fig. 23a und 23b.
Gehäuse in die Länge gestreckt, dreiseitig, nach unten stark
verjüngt und in einer seitlichen Krümmung endigend; die nacli vorn
— 223 —
gerichtete Fläche mit 3 dornig gezackten Längsrippchen und die
dornartigen Zacken unter sich verbindenden Querleistchen ver-
ziert, zwischen diesen Hervor Agungen vertieft, die spitzwinklig
nach hinten zusammenstossenden Seitenflächen schwach gewölbt
mit 3 — 4 schwachen Längsstreifchen bedeckt, welche von den An-
deutungen der Kammernähte in schiefer Richtung durchkreuzt
werden. Die sehr zahlreichen Kammern sind zur Achse schief
gestellt; die obere Endfläche gewölbt.
Länge: P/^ Mm.
Grösste Breite: 0,33 Mm.
Grösste Dicke: 0,30 Mm.
Diese unter allen Formen jurassischer Foraminiferen die
eigenthümlichste und ausgezeichnetste hat nur in der liasischen
M. spinata Terq. eine aber sehr entfernte Verwandte.
Fundort: Mergelgrube am Reitzensteinhaus bei Streitberg.
18) Marginulina flabellata n. sp.
Taf. III. Fig. 24a, 24b. u. 24c.
Gehäuse sehr flach, glatt gedrückt, breit nach unten rasch
sich verschmälernd in eine kugelige Erdkammer verlaufend; die
breiten Seitenflächen etwas gewölbt, wellig uneben, nach vorn
und hinten mit einer abgerundeten Kaute zusammenstossend, von
fächerförmig aus einander laufenden Längsrippchen verziert, der
vordere Rand ist an den Kammernähteu schwach vertieft, daher
grob gekerbt; weniger deutlich ist diess am hinteren Rande der
Fall. Die zahlreichen schief verlaufenden Kammern sind nur un-
deuthch kenntlich; die Endfläche ist gewölbt und trägt nach
hinten eine kurze Spitze mit der runden, von kurzen radialen
Streifchen umgebenen Oefihung.
Länge: 1,64 Mm.
Breite: 0,56 Mm.
Dicke: 0,19 Mm.
Auch diese Form ist einzig in ilirer Art, nähert sich jedoch
wieder mehr denen des Lias: M. undulata und Mete^isis Terq.
Zu ihrer Unterscheidung bedarf es keiner weiteren Auseinander-
setzung.
Fundort: Sehr selten im Grabenbache bei Streitberg,
— 224 — •
VIII. Cristellaria Lamarck.
19) Cristellaria jurassiea n. sp.
Tat IlL Fig. 2oa, 25b u. 25c.
Gehäuse breit, sehr flach gedrückt, nach unten rasch und
stark verschmälert, kurz eingerollt ; Seitenflächen fast eben, schwach
gewölbt, Rücken und Bauch schmal abgerundet, ohne Einker-
bungen an den Nähten; Kammern zahlreich sehr schief gestellt
nach oben sehr erweitert; Oberfläche glatt, matt.
Länge: 1,12.
Grösste Breite: 0,54,
Dicke: 0,25.
Aehnliche Formen finden sich in mehreren Formationen:
C. simplex d'Orb. C. intermedia Rss. unter dem liasischen C.
matutina d'Orb. Die Juraart unterscheidet sich von diesen durch
ihre zusammengedrückte Form und die deutliche Abgrenzung des
kleinen eingerollten Tbeiles.
Fundort: Nicht selten im Grabenbache bei Streitberg.
20) Cristellaria spongiphila n. sp.
Taf. III. Fig. 26.
Gehäuse in die Länge gestreckt, flachgedrückt, nach oben fast
gerade, wenig erweitert, nach unten kurz eingerollt, an den
Kammernähten schwach eingekerbt; Seitenflächen etwas gewölbt,
Rücken- und Bauchrand abgerundet; Kammern nicht, sehr zahl-
reich, schief gestellt; Oberfläche glatt.
Länge: 0,69.
Breite: 0,29.
Dicke: 0,12.
Diese Art, welche mit der vorigen sehr nahe verwandt ist,
bleibt viel kleiner und zeichnet sich besonders durch die fast
gleiche Breite des oben gerade gestreckten Theiles, so wie durch
eine geringere Anzahl wenig schief gestellter Kammern so sehr
vor jener aus, dass ich nicht wagen konnte, sie damit zu ver-
einigen.
Fundort: Häutig im Grabenbache, an der Muschelquelle und
am Keitzensteinhause bei Streitberg.
225
21) Cristellaria franconica n. sp.
Taf. III. Fig. 27a, 27b u. 27c.
Gehäuse länglich, von der Seite schwach zusammengedrückt,
so dass der Querschnitt länglich elliptisch erscheint, die Seiten
sind gewölbt, wie der vordere und hintere Rand; das nach unten
rasch verschmälerte Gehäuse ist stark eingerollt; doch reichen
die eingerollten Kammern nicht bis zur halben Höhe des ganzen
Gehäuses, aber über den halben vorderen Rand; die Kammern
sind nicht sehr zahlreich, dabei sehr schief gestellt und an ihren
Nähten oberflächlich schwach, aber merklich vertieft, so dass auf
dem hintern Rande flache Einschnürungen sich bemerkbar machen.
Die Oberfläche ist glatt.
Länge: 1,06 Mm.
Breite: 0,62 Mm.
Dicke: 0,44 Mm.
G. prima d'Orb aus dem Lias von Metz steht der oben ge-
nannten Art nahe; die letztere lässt jedoch wegen grösserer Dicke
geringerer Einrollung und Fehlen der Kieles eine Verwechslung
mit jener nicht wohl zu.
Fundort: Grabenbach bei Streitberg.
22) Cristellaria triquetra n. sp.
Taf. III. Fig. 28a, 28b u. 28c.
Gehäuse in die Länge gestreckt, dreiseitig, nach unten schwach
verjüngt und eingerollt, nach oben fast gerade, die Seitenflächen
wenig gewölbt, nach hinten in einer gekielten Kante zusammen-
laufend, nach vorn mit abgerundeten Kanten an die schwach
concave, vordere Seite stossend, der eingerollte Theil reicht nur
bis über das untere Drittel der vorderen Seite hinauf; die obere
Endfläche ist stark gewölbt, von einem wulstigen Rand umgrenzt,
der nach vorn sich convex ausbiegt. Die Nähte der schiefstehen-
den Kammern ragen um ein Weniges (vielleicht in Folge einer
Abwitterung?) über die Oberfläche, welche etwas rauh erscheint, vor.
Länge: 1,12 Mm.
Dicke: 0,56 Mm.
Breite: 0,62 Mm.
Württemb. natunv. Jalireshefte. 1862. 2s HetU 15
• 226 -
Diese sehr ausgezeichnete Species schliesst sich zunächst an
C. arcuata d'Orb. von Wien und Passau, ohne jedoch mehr, als
eine entfernte Aehnlichkeit damit zu besitzen. Nach den ange-
gebenen Merkmalen ist diese Art leicht zu erkennen.
Fundort: Grabenbach bei Streitberg, selten,
23) Cristellaria alata n. sp.
Taf. IV. Fig. la u. Ib.
Gehäuse flach, zusammengedrückt, breit mit schmalem abge-
plattetem Rücken, welcher von fast ganz flachen, breiten Seiten-
flächen beiderseits durch eine kielartige Leiste abgegrenzt wird; die
Einrollung ist sehr stark, so dass sie bis zu der weit herabrei-
chenden Endfläche emporreicht; die Kammern sind stark gekrümmt,
an ihren bogenförmigen Nähten ist die Oberfläche vertieft, zwischen
ihnen gewölbt, rauh oder mit kleinen Höckerchen besetzt; die
schmale hohe Endfläche ist gegen den Rand von einer Leiste
begrenzt, flach oder etwas vertieft.
Länge: 1,00 Mm.
Breite: 0,63 Mm.
Dicke: 0,19 Mm.
Diese ganz flache, durch ihren schmalen, glatten, gekielten
Rücken ausgezeichnete Form gehört wegen der in einer ausgezo-
genen Spitze befindlichen runden Mündung zum Genus Cristel-
laria; ob die vertieften Nahtränder an der Oberfläche nur ein-
fach rauh, oder vielleicht durchlöchert sind, konnte, nicht deut-
lich erkannt werden, wie überhaupt die Oberflächenverzierung
selten gut erhalten scheint.
Fundort: Selten im Grabenbache bei Streitberg,
24) Cristellaria Quenstedti n. sp.
Taf. lY. Fig. 2a u. 2b.
Gehäuse scheibenförmig, rundlich, etwas zusammengedrückt,
gegen die Mitte schwach vertieft, stark eingerollt, deutlich gekielt;
die Nahtränder der stra'k gebogenen Kammern stehen über den
gewölbten Seitenflächen leistenartig vor und verlaufen aus der
etwas vertieften Mitte mit einer nach vorn convexen, grossen
Biegung gegen den Kiel, wo sie sich nach vorn concav umbiegen
— 227 —
und au den Kiel anschlicssen; die Oberflüche ist glatt, matt; die
breite, berandete Endfläche hochgewölbt.
Grüsste Höhe: 1,45 Mm.
Breite: 1,06 Mm.
„ Dicke: 0,56 Mm.
Diese stattliche Art hat unter den Liasarten von Metz kei-
nen Repräsentanten; sie zeichnet sich in gleicher Weise durch
Grösse und Verzierung der Oberfläche vor den übrigen verwand-
ten Formen aus.
Fundort : Selten Mergelgrube am Eeitzensteinhause bei
Streitberg.
XI. Robullna, d'Orbigny.
25) Robulina jurassofraneoniea n. sp.
Taf. rv^ Fig. .3a u. 3b.
Gehäuse scheibenförmig, rundlich, hoch gewölbt, eingerollt,
mit einer Nabelschwiele in der Mitte, stark gekielt; an den Naht-
rändern schwach vertieft; Oberfläche rauh, d. h. zwischen glatten
glänzenden Stellen, feinkörnig, matt schimmernd. Mündung drei-
eckig, am obern Ende der gewölbten, breiten Endfläche.
Länge: 1,62 Mm.
Breite: 1,11 Mm.
Dicke: 0,87 Mm.
Diese grosse Ai't sclieint einigen Veränderungen unterworfen
zu sein, indem sich Exemplare, vorzüglich grössere, fanden, bei
denen der Kiel weniger deutlich bemerkbar war, bei anderen, na-
mentlich kleineren Individuen, stand die Nabelschwiele weiter vor
und sie besassen zugleich auch eine glatte, glänzende Oberfläche,
die wie durch Abreibung, nur stellenweise rauh erschien. E. clypei-
formis d'Orb. ist eine verwandte, doch viel glättere Form.
Fundort: Nicht selten im Grabenbache bei Streitberg.
X. Outlulina d'Orbigny.
26) Guttulina strumosa n. sp.
Taf. IV. Fig. 13a, 13b, 14a u. 14b.
Gehäuse birnförmig, oval, nach oben zugespitzt in einen die
runde Mündung tragenden Hals verlängert, flach zusammenge-
— 228 —
drückt, nach unten in einen kropfartig erweiterten, abgerundeten,
etwas seitlich gerückten Ende auslaufend, mit 4 Kammern, welche
länglich convex durch seichte Einbuchtungen getrennt, schräg an
einander gereiht sind. Die Oberfläche ist glatt.
Länge: 0,62—0,75 Mm.
Breite: 0,22—0,31 Mm.
Dicke: 0,12—0,17 Mm.
Es sind hier zw^ei Formen, welche in ihren Extremen ziem-
lich auffallende Unterschiede zeigen, vereinigt, weil Uebergänge
zwischen beiden vorkommen. Die kleinere Form zeichnet, sich
durch ihre mehr grade Gestalt und den kurzen Hals, die grössere,
durch die einseitige Entwicklung das seitliche Vortreten des ku-
geligen unteren Endes und den langen Hals aus. Einige Aehn-
lichkeit zeigte G. austriaca d'Orb.
Fundort: Ziemlich häufig im Grabenbache bei Streitberg.
27) Guttulina jurassiea n. sp.
Taf. IV. Fig. 15a u. 15b.
Gehäuse spindelförmig, oval, wenig zusammengedrückt, nach
oben und unten spitz zulaufend, mit 4 convexen, dicht an einan-
der schliessenden , schräggestellten Kammern. Die Oberfläche ist
glatt, fast ohne Vertiefungen zwischen den Kammern.
Länge : 1 Mm,
Breite: \ Mm.
Dicke: 0,34 Mm.
Diese mit der vorigen Art verwandte Form unterscheidet sich,
abgesehen von ihrer beträchtlicheren Grösse, durch ihre ziemlich
gleiche Zuspitzung nach beiden Enden und grösserer Abrundung
der Kammern.
Fundort: Selten in der Mergelgrube am Reitzeusteinhause bei
Streitberg.
XI. Textilaria. Defraiice.
28) Textilaria jurassiea n. sp.
Taf. IV. Fig. 17a u. 17b.
Gehäuse keilförmig, langgestreckt, plattgedrückt, aus zahlrei-
chen schiefgestellten keilförmig in einander greifenden Kammern
— 229 —
bestehend, welche wenig gewölbt und an den Wänden nur schwach
eingetieft sind; Oberfläche glatt, die schmalen Seitenränder abge-
rundet, nicht gekielt.
Länge: 1,06 Mm.
Grösste Breite: 0,37 Mm.
Dicke: 0,12 Mm.
T. Icevigata d'Orb. hat Aehnlichkeit mit dieser Art, welche sich
durch ihre glatte Form und die Abrundung an den schmalen häufig
kielartig zugeschärften Randseiten kenntlich macht. Die Dicke
nimmt nach Unten etwas ab , die Anfangszeile ist kugelig etwas
dicker, als die nächsten Kammern.
Fundort: Grrabenbach bei Streitberg.
29) Textilaria franconiea n. sp.
Taf. IV. Fig. 18a u. 18b.
Gehäuse keilförmig, geradegestreckt, flachgedrückt mit zahl-
reichen, gewölbten, an den Nähten schwachvertieften schiefgestell-
ten, keilförmig in einander greifenden Kammern, die schmalen
Randseiten abgerundet, durch die Vertiefungen der Kammernähte
gekerbt; Oberfläche glatt.
Länge: 0,81 Mm.
Grösste Breite: 0,31 Mm.
'Dicke: 0,19 Mm.
Diese mit der vorigen sehr verwandte Art unterscheidet sich
von dieser durch ihre verhältnissmässig kürzere, dicker gedrun-
genere Form, durch höhere Wölbung der Kammern und tiefere
Vertiefungen an den Nähten ; die Kammern selbst sind im Umrisse
mehr kugelig, die Anfangskammern gross und dick.
Fundort: Mergelgrube am Reitzensteinhause bei Streitberg.
XII. Rotalina, d'Orbigny.
30) Rotalina franconiea n. sp.
Taf. lY. Fig. 9a u. 9b.
Gehäuse scheibenförmig, ungleichseitig, rundlich, gekielt, nach
oben conisch zulaufend zu einer grossen Nabelschwiele, nach un-
ten convex gewölbt, gegen die Mitte vertieft, Windungen hoch mit
— 230 —
zahlreichen Kammern, deren Wände über die Oberfläche leisten-
artig vorstehen; die Oberfläche ist glatt, glänzend, mit rauhen
Erhöhungen.
Durchmesser: 1,06 Mm.
Höhe: 0,44 Mm.
Diese Art, welche in die Gruppe der R. Partsclüana d'Orb.
gehört, ist in dem vorliegenden Exemplare an der Mündung zu-
sammengebrochen und undeutlich.
Fundort: Grabenbach bei Streitberg.
31) Rotalina turbinella u. sp.
Taf. IV. Fig. 10 a u. 10b.
Gehäuse flach, conisch, im (Jmriss rundlich, unten flach, nicht
vertieft nach oben conisch zulaufend, in der Mitte mit einer klei-
nen, glatten Nabelschwiele versehen; Windungen nicht sehr zahl-
reich mit nicht deutlich erkennbaren Kammern; Oberfläche kör-
nig rauh.
Durchmesser: \ Mm.
Höhe: 0,19 Mm.
Diese kleine, häufig vorkommende Art, lässt sich sogleich an
ihrer geringen Grösse , rauhen Oberfläche , und ebenen unteren
Fläche leicht und sicher erkennen.
Fundort: Häufig im Grabenbache, an der Muschelquelle und
am Reitzensteinhause bei Streitberg.
XIII. Rosalina, d'Orbigny.
32) Rosalina aspera n. sp.
Taf IV. Fig. 8a u. 81).
Gehäuse flach, scheibenförmig, zusammengedrückt rundlich,
unten nach der Mitte zu stark vertieft, oben flachconisch zulau-
fend; Windungen spiral eingerollt, nicht hoch, am Rücken abge-
rundet, mit zahlreichen engen Kammern, deren Wände schwach
durchscheinen; Oberfläche rauh, feinkörnig.
Grösster Durchmesser: 1,10.
Grösste Höhe: 0,56.
231
Diese Art hat einige Aehnlichkeit mit Rosalina dubia d'Orb.
von Wien. Die schmalen Windungen, die durch keine Einschnitte
von einander getrennt sind, die fast nicht bemerkbare Einschnü-
rungen an den Kammerwünden , lassen die jurassische Art leicht
erkennen.
Fundort: Sehr selten im Grabenbach bei Streitberg.
XIV. Polystomella, Lamaick.
33) Polystomella (?) polypora n. sp.
Taf. lY. Fig. 6a u. Gb.
Gehäuse länglichrund, stark zusammengedrückt, flach, einge-
rollt, die Seitenflächen wenig gewölbt, der Rücken gerundet; Kam-
mern zahlreich, ihre Wände bogenförmig gekrümmt, über die Ober-
fläche vorstehend und von grösseren Poren dicht besetzt; die Ober-
fläche zwischen den Rippchen ist körnig, porös (?); die Endfläche
berandet, mit Poren dicht besetzt, nach oben in eine Art Spitze
zulaufend; grössere Mündung nicht deutlich wahrnehmbar.
Länge: 1,31 Mm.
Breite: 0,81 Mm.
Dicke: 0,29 Mm.
Das Genus dieser ausgezeichnet verzierten Art konnte wegen Ge-
steinsausfüllung nicht sicher festgestellt werden. Während die ganze,
in die Länge gedehnte, flache Form, das Vorhandensein einer Spitze,
ähnlich wie bei Cristellaria^ eine Zugehörigkeit zu diesem Genus
in der Nähe der hier beschriebenen Cristellaina alata vermuthen
lässt, ohne dass jedoch die runde Oefi'nung in dieser Spitze er-
kannt werden konnte, sprechen andere Merkmale, namentlich das
Vorhandensein einer Mündung ähnlichen Vertiefung am unteren
Ende der Mündungsfläche für das Genus Nonionina. Das mit
grösster Wahrscheinlichkeit anzunehmende Vorhandensein mehr-
facher Mündungen entscheidet endlich zu Gunsten von Polystomella,
Fundort: Sehr selten im Grabenbache bei Streitberg.
Daran reiht sich als von zweifelhafter Genus vielleicht zu Spi-
ralina gehörig:
— 232 —
34) Spiralina (?) Streitbergensis n. sp.
Taf, IV. Fig. 7 a u. 7 h.
Gehäuse in die Länge ausgedehnt, oben fast gleich breit, zu-
sammengedrückt, nach unten bis zur Hälfte des vorderen Randes
eingerollt und mit einer Nabelschwiele versehen; der Rücken ist
abgerundet, ungekielt, die vordere Randfläche neben den 2 seit-
lichen rinnenartigen Depressionen in der Mitte leistenartig erhöht,
Kammern zahlreich, schief gestellt, ihre Wände nicht vorstehend;
die Oberfläche matt, die Endfläche schwach concav, neben der
. leistenartigen Randwulst mit Poren (?) besetzt.
Länge: 1,30 Mm.
Breite: 0,44—0,50 Mm.
Der allgemeine Habitus erinnert sehr an Cristellaria^ wozu
auch eine spitzenartige Erhöhung der obersten Kammer überein-
stimmen würde. Da sich jedoch auf der Endfläche mehrfache
Oeffnungen (Mündungen?) vorfinden, so konnte denn doch eine
Zurechnung zu diesem Genus nicht gewagt werden. Erst das
Auffinden mehrerer und vollständiger erhaltener Exemplare wird
über die generische Stellung klaren Aufschluss bringen.
Fundort: Sehr selten im Grabenbache bei Streitberg.
XV. Nonionina, d'Orbigny.
35) Nonionina maeromphalus n. sp.
Taf. IV. Fig, 4a u. 4b.
Gehäuse dick, scheibenförmig, rundlich, eingerollt, in der
Mitte mit einer abgegrenzt vorstehenden Nabelschwiele versehen,
scharf gekielt; Oberfläche glatt, glänzend, an den Nahträndern
etwas eingesenkt.
Länge: 0,85 Mm.
Breite: 0,69 Mm.
Dicke: 0,48 Mm.
Das Genus Nonionina ist aus den Lias noch nicht bekannt,
die nächsten Formen sind tertiäre, aber auch unter diesen fehlen
sehr ähnliche.
Fundort: Selten im Grabenbache bei Streitberg.
233
36) Nonionina Fraasana n. sp.
Taf. lY. Fig. 5a u. 5b.
Gehäuse länglich rund, stark eingewickelt, gegen die Mitte
abgerundet, vertieft, mit .breitem, vollständig abgerundetem Rücken,
ungekielt, durch die etwas über die Oberfläche vorstehenden Kam-
nierwände im Umriss troppenförmig eckig; Kammern zahlreich,
ihre Wände fast ganz radial gestellt, unmerklich ausgebogen; die
Oberfläche hinter denselben schwach eingeschnürt, glatt, doch
nicht glänzend, sondern matt schimmernd.
Länge: 0,88 Mm.
Breite: 0,69 Mm.
Dicke: 0,40 Mm.
Diese bei Streitberg nicht seltene Art ist meist nur dürftig
erhalten, so dass die rundliche Mündung auf der Endfläche nicht
absolut sicher erkannt werden konnte. Es wäre daher wohl
möglich, dass sie zu einem andern Genus gehört. Uebrigens sind
die angeführten Merkmale so eigenthümlich , dass die Species
sicher daraus zu erkennen ist. ~
Fundort: Nicht selten bei Streitberg.
XYI. Biloeiilina, d'Orbigny.
37) Biloculina applanata n. sp.
Taf. lY. Fig. 16a, 16b u. 16c.
Gehäuse linsenförmig kreisrund, einerseits flach, andernseits
gewölbt, an den Seitenrändern mit einem w^ulstigen Saume ver-
sehen: Oberfläche rauh, wie gerissen; Mündung auf einer vor-
stehenden Verlängerung des Gehäuses, schmal, spaltenförmig.
Länge: 0,75 Mm.
Breite: 0,50 Mm.
Dicke: 0,21 Mm.
Diese etwas fremdartige Form glaubte ich am besten in die-
sem Genus unterzubringen, obgleich die Undeutlichkeit der Mün-
dungsbeschaffenheit keine volle Sicherheit gewährt, dass diese
Auffassung die richtige sei.
Unter den Biloculinen kommen ähnliche Formen vor; doch
ist an der jurassischen Art die einseitig flache Beschaffenheit,
— 234 —
die Verlängerung zu einem die Mündung tragenden Halse und
die Abrundung des wulstigen Randes (statt einer scharfen Kante)
auffallend. Leider fand sich bis jetzt nur ein Exemplar die-
ser Art.
Fundort: Mergelgrube am Reitzensteinhause bei Streitberg.
Damit schliesst die Reihe der den Foraminiferen mit Sicher-
heit zuzuzählenden, bestimmbaren Formen aus den Schwamm-
schichten bei Streitberg. Es muss aber bemerkt werden, dass
damit keineswegs die ganze Fülle der Arten erschöpft ist, welche
sich daselbst finden, vielmehr kamen mir noch so viele meist nur
in kleinen Fragmenten erhaltene oder undeutlichere Reste vor,
dass die Fauna sicher noch eine namhafte Bereicherung in dieser
Richtung erwarten lässt. Einige der minder deutlichen Formen,
welche mit Sicherheit den Foraminiferen nicht zuzuweisen waren,
kommen so häufig vor und scheinen so charakteristisch für diese
Schwammmergel, dass sie hier in einem Anhange einer kurzen
Erwähnung wohl werth erscheinen.
Es sei hier noch ausdrücklich bemerkt, dass das bei Streit-
berg in den Formaniferen-Schwammmergeln entdeckte Couo-
dictyum striatum Mü., welches neuerdings fragweise von
Reuss der Familie der Ainmodiscineen angeschlossen wurde, nach
meinen wiederholten Untersuchungen nicht zu den Formaniferen
gestellt werden kann. Der kreiseiförmige Körper ist im Innern
ganz von Gestein ausgefüllt, ohne Spur einer Kammerung, und
allseitig von einer dünnen Kalkkruste umschlossen, welche netz-
artig, wie bei Bryozoen, gestaltet ist. Diese Kruste ist zusammen-
gesetzt aus eng an einander schliessenden- 6seitigen Zellen, welche
in ihrer Mitte eine w^ite Mündung zeigen. Zumeist ist diese Mün-
dung von Gestein ausgefüllt und nicht sichtbar und tritt erst nach
Auswitterung des Mergels hervor. Ob an dem unteren stielartigen
Ende eine Oeifnung sich vorfindet, konnte nicht coustatirt werden.
— 235 —
Zweifelhafte Foraminiferen-ähnlielie Thierreste.
1) Siderolina-ähnliche Formen. (Taf. lY. Fig. 19) bestehen
aus 4 gleich Langen nach aussen stumpf zuUxuf enden, gegen die
Mitte sich zu einem breiten Körper vereinigenden Aesten, welche
in ihrer Mitte einen leistenartigen Yorsprung tragen ; das Centrum
der Yereinigung nimmt eine nabelschwieleähnliche, rundliche Er-
höhung ein, um welche die Astleisten sich vereinigend eine Art
Hof bilden; die Oberfläche ist sonst glatt; Mündung konnte keine
beobachtet werden; beide Seiten sind gleich; Durchmesser: 1 Mm.
Diese mit Siderolina grosse Aehnlichkeit zeigende, weisse
opake Sternchen kommen bei Streitberg häuhg vor, zugleich mit
ähnlichen, aber sehr unregelmässig gestalteten kreuzfvörmigen
Körperchen, welche eher für Accessorien von Schwämmen etc, als
für selbsständige Gehäuse zu halten sind. Uebergänge zwischen
solchen kreuzförmigen Gestalten in die oben beschriebenen For-
men machen es zweifelhaft, ob auch diese für mehr, als für Stern-
haare anzusehen sind.
2) Bulimina- ähnliche Körperchen (Taf. lY. Fig. 20) von
puppenähnlicher Gestalt, bestehen ganz aus Gesteinssubstanz und
lassen weder Kammern, noch eine Oeifnung erkennen. Doch kehren
diese Formen in dieser ganz bestimmten Gestaltung zu häufig
wieder, um in ihnen eine blosse Yereinigung kleiner, oolitischer
Klümpchen annehmen zu können. Häufig bei Streitberg,
3) Gl obulina- artige Formen haben die Gestalt einer Flasche
und lassen weder Kammern, noch Mündung erkennen. Ihre Ober-
fläche besteht aus einer krumösen Masse, welche, wie durch
Sprünge, in eine Menge kleiner, rauher Wärzchen zertheilt ist.
(Taf. lY. Fig. 21.) Sie finden sich im Grabenbache bei Streitberg.
4) Grosse, länglich runde bis eiförmige Körperchen, gehören
zu den häufigsten Begleitern der Foraminiferen von Streitberg.
Sie erinnern zunächst an Oolithkörner; der Mangel jeder Spur
einer schaligen Struktur und ihre bemessene Grösse widersprechen
dieser Zuweisung, wogegen der Mangel von erkennbaren Kammern
und einer Mündung nicht erlaubt, sie den Foraminiferen anzu-
schliessen. Der steinige Körper ist oberflächlich rauh oder matt
— 236 —
und durch kleine Erhöhungen und Vertiefungen wellig knollig,
wie gewisse Sorten länglich runder Kartoffeln. Zuweilen glaubt
man eine Mündung zu sehen (Taf. IV. Fig. 22), doch ist diese
sehr unbestimmt. Auch bei einem angeschliffenen Exemplare
konnte ich keine Kammerwände wahrnehmen.
Erklärung der Abbildungen.
Sämmtliche Figuren sind gleichförmig im 20faclien (linear") der
natürlichen Grösse gezeichnet.
Tafel III.
Figur 1 a. Lagena franconica, Seitenansicht.
„ Ib. ,, ,, von oben gesehen.
,, 2 a. Lagena compressula, Seitenansicht.
„2 b. 5, „ von oben gesehen.
,, 2 c. ,, ,, von unten gesehen.
,, 3 a. Lagena (?) Streitbergensis, Seitenanansicht.
j, 3 b. ,j ,, von oben gesehen.
,, 4, 5 und 6. Nodosaria nitidula.
„ 4 a, 5 a und 6 a. Seitenansicht verschiedener Formen.
,, 4 b, 5 b und 6 b. dieselben von oben gesehen,
„ 7 a und 8 a. Nodosaria Münsterana, Seitenansicht.
„ 7 b und 8 b. ,, ,, von oben gesehen.
,, 9 a. Nodosaria jurassica, Seitenansicht.
,, 9 b. ,, ,, von oben gesehen.
,, 10 a. Nodosaria corallina, Seitenansicht.
5, 10 b. ,, ,, von oben gesehen.
„ IIa, Dentalina Goldfussana, Seitenansicht.
„ 11 b. „ „ von oben gesehen.
„ 12 a. Dentalina raphanistriformis, Seitenansicht.
„ 12 b. ,, „ von oben gesehen,
j, 13 a. Frondicularia franconica, Seitenansicht.
j, 13 b. ,, ,, von vorn gesehen.
„ 13 c. ,, ,, von oben gesehen.
,, 14 a. Vaginulina jurensis, Seitenansicht.
,, 14 b. ,, „ von oben *; gesehen.
„ 1 4c. „ „ besondere Form.
„ l5a, 16, 17, 18. Marginulina irregularis, Seitenansicht.
5, 19.^ ' ,, ,, Fig. 15a von oben gesehen.
— 237 —
Figur 20 a. Marginulina Beierana, Seitenansicht.
„ 20 b. „ ,, von oben gesehen.
„ 21 a. Marginulina jurassica, Seitenansicht.
,, 21 b. • ,, , „ von oben gesehen.
,, 22, ,, ,, var. substriata.
„ 23 a. Marginulina serratooostata, Seitenansicht,
„ 23 b. „ „ Frontansicht,
„ 24 a. Marginulina flabellata, Seitenansicht.
,, 24 b. ,, ,, von vorn gesehen,
,, 24 c. ,, ,, von oben gesehen.
,, 25 a, Cristellaria jurassica, Seitenansicht,
„ 25 b. ,, „ von vorn gesehen.
„ 25 c. ,, ,, von oben gesehen.
„ 26. Cristellaria spongiphila, Seitenansicht.
„ 27 a. Cristellaria, franconica, Seitenansicht.
,, 27 b. ,, ,, von vorn gesehen.
,, 27 c. ,, ,, von oben gesehen.
„ 28 a. Cristellaria triquetra, Seitenansicht.
,, 28 b. ,, ,, von vorn gesehen.
„ 28 c. „ -„ von oben gesehen.
Tafel lY.
Figur 1 a. Cristellaria alata, Seitenansicht.
,, 1 b. ,, ,, von vorn gesehen.
„ 2 a. Cristellaria Quenstedti. Seitenansicht.
,, 2 b. ,, ,, Frontansicht.
,, 3 a. Robuiina jurassofranconica, Seitenansicht.
„ 3 b. ,, ,, ,, Frontansicht,
,, 4 a, Xonionina macromphalus, Seitenansicht.
,, 4 b. ,, ,, Frontansicht.
,, 5 a. Noninonina Fraasana, Seitenansicht.
,, 5 b. „ „ Frontansicht.
,, 6 a. Polystomella (?j polypora, Seitenansicht.
,, 6 b. „ „ P'rontansicht.
„ 7 a. Spiralina (?) Streitbergensis, Seitenansicht.
„ 7 b. „ „ Frontansicht.
,, 8 a. Rosalina aspera, Seitenansicht.
}, 8 b. „ „ Frontansicht.
,, 9 a. Rotalina franconica, Seitenansicht.
,, 9 b. „ „ Frontansicht.
„ 10 a. Rotalina turbinella, Seitenansicht.
V 10 b. y,' „ Frontansicht.
„ IIa. Spirillina polygyrata, Seitenansicht.
^ 11 b. „ „ Frontansicht.
« llc. „ , stark vergrössertcb Stück d. Oberfläch».
— 238 —
Figur 12 a. Spirillina tenuissima, Seitenansicht.
„12 b. „ „ Frontansicht.
„ 13 a, 14a. Guttulina strumosa Seitenansicht.
„ 13 b, 14b. „ „ von oben gesehen.
„ 15 a. Guttulina jurassica, Seitenansicht.
„ 15 b. „ „ von oben gesehen.
„ 16 a. Biloculina applanata, von vorn gesehen.
« 16 b. „ „ von hinten gesehen.
« 16 c. „ „ von oben gesehen.
„ 17 a. Textilaria jurassica, Seitenansicht.
„ 17 b. „ „ von vorn gesehen.
„ 18 a. Textilaria franconica, Seitenansicht.
„18 b. p „ von vorn gesehen,
„ 19. Siderolina-ähnliche Körperchen.
„ 20. Bulimina- ähnliche Körperchen.
„ 21. Globulina-ähnliche Körperchen.
„ 22. Oolith-artige Körperchen.
9. Die Farben der Pflanzen.
Von Georg von jNIartens.
Mit Tafel V.
I. Der Regenbogen.
Siehe den Regenbogen an, und lobe den, der ihn gemacht hat ;
denn er hat sehr schöne Farben,
Sirach Cap. 43, V; 12.
Wenn auf einer Seite des Himmels Regen fällt, während auf
der gegenüberstellenden Seite die Sonne scheint, so erblickt man,
der Sonne den Rücken zuwendend, im grauen Regenschleier einen
bunten Bogen. Die auf die kugelförmigen Wassertropfen treffen-
den Sonnenstrahlen werden auf der vorderen W^and des Tropfens
bei ihrem Eintreten aus der dünneren Luft in das dichtere Wasser
abwärts gebrochen, von der liinteren Wand des Tropfens theil-
weise auf die vordere wie von einem Spiegel zurückgeworfen
und hier bei* ihrem Austreten aus dem dichteren Wasser in die
dünnere Luft aufv/ärts gebrochen.
Während dieses doppelten Durchgangs durch die Wasser-
tropfen wird der weisse Strahl in farbige Strahlen von verschie-
dener Brechbarkeit zerlegt, der am schwächsten gebrochene, rothe
Strahl gelangt unter einem Winkel von 40^2' in das Auge des
Beobachters, der am stärksten gebrochene, violette Strahl unter
einem Winkel von 42^17', wodurch der Bogen eine Breite von
20 15' erhält.
So bestimmen die Stellen der Sonne, des Tropfens und des
Beobachters die der Farbe, jeder Zuschauer sieht den Bogen an
einer andern Stelle, jeder Tropfen spiegelt nur eine Farbe« auf
240
einmal, aber fallend schnell nach einander alle, so rasch von sei-
nen Nachfolgern ersetzt, dass der in raschem Wechsel begriffene
Bogen, wie das Bild der Sonne in schnell fliessendem Wasser,
als ruhend erscheint.
Diese Ruhe ist jedoch noch in einer weiteren Beziehung nur
scheinbar, der Regenbogen hält gleichen Schritt mit der Sonne,
aber in entgegengesetzter Richtung, wie das Gegengewicht an dem
Zeiger einer Thurmuhr ; der Morgenregenbogen senkt sich daher
und rückt dabei von Süden nach Norden, der Abendregenbogen,
steigt und rückt von Norden nach Süden, zusammen mit einer
Geschwindigkeit von 15 Minuten eines Grades auf eine Minute Zeit.
Der Mittelpunkt des Kreises, w^ovon der Bogen ein Abschnitt
ist, befindet sich der Sonne gegenüber an der Stelle, v-ohin der
Schatten des Kopfes des Beobachters fällt, d. h. in drr Verlän-
gerung einer von der Sonne durch seinen Kopf gezo5,enen Linie,
da also die Sonne nothwendig über dem Horizont stehen muss, um
einen Regenbogen zu bilden, so fällt er mit gleicher Nothwendig-
keit immer unter den Horizont ; der Regenbogen übersteigt daher
selbst im günstigsten Falle des Sonnenuntergangs im Meere nicht
die Hälfte des Kreises und wird um so flacher, je höher die Sonne
steht, da seine Höhe schneller abnimmt, als seine Breite; dieses
verleiht ihm eine grosse architektonische Schönheit der Form, leb-
haft an unsere schönsten Brückenwölbungen erinnernd.
Erreicht die Höhe der Sonne über dem Horizont 42<^, so
fällt der ganze Kreis unter den Horizont und damit die Möglich-
keit weg, dass ein Regenbogen erscheine.
Je stärker es regnet, je reiner der Sonnenschein ist und je
dunkler der Hintergrund, desto lebhafter und schöner ist der Re-
genbogen, in grösster Vollkommenheit erscheint er mit einem
Neben regen bogen; dieser entsteht über dem Hauptbogen durch
eine ähnliche Strahlenbrechung, aber so, dass ein auf die untere
Oberfläche der Wasserkugel treffender Strahl gebrochen wird,
während es bei dem Hauptbogen ein die obere Oberfläche der-
selben treffender ist, und dass die Strahlen erst nach einer dop-
pelten Zurückwerfung an der hinteren Wand des Tropfens sechs-
mal schwächer als am Hauptbogen und in umgekehrter Ordnung
— 241 —
unter einem Winkel von 50*^44' bis 54^24' in das Auge gelangen,
er ist daher 3^40' breit, also um 1^25' mehr als ein Drittheil,
breiter als der Hauptbogen.
Der 8^27' betragende Zwischenraum zwischen beiden Bogen
erscheint dunkler als der übrige Himmel, der Kugelabschnitt
zwischen dem Hauptbogen und dem Horizont heller, weil die
oberhalb des Hauptbogens fallenden Tropfen uns nur von ihrer
Vorderseite zurückgeworfene Strahlen zusenden, die unterhalb
derselben fallenden aber auch von ihrer hinteren Wand.
Eine Folge davon ist es, dass die äussere Seite des Haupt-
regenbogens schärfer begrenzt ist, als die innere, dagegen bei
dem Nebenregenbogen die innere schärfer als die äussere.
Zuweilen sieht man am inneren oder unteren Rande des
Hauptbogens noch eine melirfache Wiederholung der Farben in
schmäleren Bändern, doch nur am obersten oder mittelsten Theil
desselben.
Bei beschränkterem Regeufall und theilweisem Hervortreten
des blauen Himmels ersheint nur ein Theil des Bogens, eine
Wassergalle; man sieht daher auch selten einen vollständigen
Regenbogen auf einmal erscheinen, noch seltener auf einmal ver-
schwinden, auch ist er gewöhnlich von ungleicher Stärke an ver-
schiedenen Stellen, von rechts gegen links oder umgekehrt be-
ginnend, zunehmend, abnehmend, verschwindend.
Sehr selten sind Regenbogen in der Abend- oder Morgen-
röthe, mit stark vorherrschendem Roth und ohne Blau; ich habe
in meinem langen Leben keinen in der Abendröthe, nur zwei in
der Morgenröthe gesehen.
Ebenso habe ich nur einmal einen Mondregenbogen ge-
sehen, da hier zu den übrigen Bedingungen noch die eines star-
ken Mondscheins, also um die Zeit des Vollmondes herum, hin-
zukommt.
In unserer gemässigten Zone treten die Bedingungen des
Regenbogens am häufigsten im Sommer bei Gewittern ein und
zwar nie vor, immer nach dem Gewitter; diese Beobachtung ist
sehr alt: Gleichwie der Regenbogen stehet in den Wolken, wenn
es geregnet hat, sagt schon Hesekiel c. 1, v. 28 ; sie hat die Deu-
Württemb. naturw. Jahresliefte. löG2. 2s Heft. 16
— 242 —
tung des Regenbogens als Zeichen, dass keine Sündfluth mehr
kommen solle, veranlasst (1 Buch Moses c. 9, v. 12 — 15); der
Grund davon ist, dass die Sommer- und Herbstgewitter Nachmit-
tags von Westen heraufziehen, also vor ihrem Ausbruch die Sonne
verdecken, welche erst hervortreten kann, wenn sie schon vor-
übergezogen sind und in Osten den dunkeln Hintergrund bilden.
Im Frühling hat man zwar bis zur Sonnenwende zuweilen
verkehrte Gewitter, welche von der Ostseite kommen, diese treten
aber in den Morgenstunden ein und verhalten sich also zur Sonne
gleich den andern.
Gegen den Winter wird die Erscheinung immer seltener,
bis sie ganz wegfällt, eben so gegen die Pole, während sie gegen
den Aequator an Glanz und Häufigkeit zunimmt, innerhalb der
Wendekreise ihr Maximum erreicht, obgleich der Stand der Sonne
ihr innerhalb der Polarkreise, wo er nie 42 ^ erreicht, am günstig-
sten wäre, innerhalb der Wendekreise dagegen, wo er 90^ er-
reicht, über die Hälfte des Tages hindurch den Regenbogen un-
möglich macht, aber die Gewitter sind in den Tropenländern stets
Nachmittagsgewitter, sie haben einen um so rascheren Verlauf
um so grössere und häufigere Regentropfen, je höher die Tem-
peratur ist, und liefern gegen die Pole bei niedriger Temperatur
wegen allgemeiner Verbreitung der Wolken und Kleinheit der
Wassertropfen keine Regenbogen mehr, schon lange ehe solche unter
0. sinkend dieselben ganz unmöglich macht.
Es wäre interessant, die Grenze des Regenbogens nach Klima
und Jahreszeit zu bestimmen, allein so weit hat es die Meteorolo-
gie noch nicht gebracht.
Die Sprachen der germanischen Stämme bezeichnen die schöne
Erscheinung mit dem prosaischen, nüchternen Namen Regenbo-
gen, holländisch Regenboog, englisch Bainbow, bei den romani-
schen Stämmen hört man im Volke von Venedig bis Lissabon
ganz gleichlautend den poetischen Ärco Celeste, französisch Arc-en-
ciel, himmlischer Bogen, wahrscheinlich schon uritalienisch, wäh-
rend die Dichter den mythologischen, griechischen Namen Iris,
Iride anwenden. In Toskana hört man ihn auch Arco haüno.
Blitzbogen, nennen, ein Name, der die Erscheinung an Gewitter
— 243 —
knüpft, und in Portugal hat man neben dem vorherrschenden
Arco Celeste der Römer auch den germanischen Regenbogen, -^rco
chuvoso und den sich an Zaubersagen knüpfenden Arco da velhe^
Bogen des alten Weibes. #
II. Das Prisma.
Ganz nach denselben Gesetzen und unter denselben Bedin-
gungen, wie bei Gewitterregen, erscheinen grössere oder kleinere
Bruchstücke eines Regenbogens an Wasserfällen, Springbrunnen,
Mühlrädern. In dem beim Rudern aufspritzenden Wasser beob-
achtete sie schon Aristoteles, was damals, als alle grossen Schiffe
Galeeren waren, viel häufiger und besser geschehen konnte, als
später; jetzt kann man dieses Farbenspiel wieder häufig an den
Rädern der Dampfboote beobachten.
An diese irdischen Farbenbogen schliesst sich die ebenfalls
durch Reflexion entstehende Erscheinung des Irisirens an, ein lieb-
liches Spiel der sich bei jeder Bewegung des irisireuden Körpers
oder des Beobachters ändernden Regenbogenfarben; man sieht sie
au den Federn mehi-erer Vögel, dem Pfau, dem Halse der wilden
und der diesen ähnlich gefärbten zahmen Tauben, beschränkter an
den Flügeln der darnach benannten Schmetterlinge, an den Flügel-
decken einiger Käfer, an den silbernen Schuppen vieler Fische, be-
sonders schön an vielen Schalthieren, der inneren und der von der
Oberhaut entblössten äusseren Fläche der Kreiselschnecken fTro-
chusj, Mondschnecken (Turbo) ^ Meerohren (Haliotis) und Perlen-
muscheln (Meleagrina), dem Labradorstein, Chalcedon, verwittern-
dem Glase, Seifenblasen, aber nie an Pflanzen.
Dass eckige Glasstücke das Farbenspiel der Iris auch am
durchgehenden Licht hervorbringen, erwähnt schon Seneca und
wendet diese Beobachtung zur Erklärung des Regenbogens an
(Quaest. nat. Liber /, cap. 7) ; diess führte zum bunten Luxus
der gläsernen Kronleuchter, wurde aber noch durch das blitzende
Farbenspiel geschliffener Diamanten übertroffen, welche davon
den Xamen Brillanten erhielten.
244
Vitellio, der im 13ten Jahrhundert lebte, erwähnt in seiner
Optik, dass ein mit Wasser gefülltes Glas im Sonnenschein ein
Farbenbild auf den Boden werfe.
So %elangte man zur Hervorbringung eines Farbenbildes,
welches die Farben des Regenbogens in gleicher Ordnung enthält,
vermittelst eines dreiseitig geschliffenen Glases, Prisma genannt.
Francesco Maria Grimaldi, der im Jahr 1663 starb, warder erste,
welchem die längliche Gestalt dieses Farbenbildes auffiel und
der daraus den Schluss zog, dass bei der Brechung die beiden
Seiten des Lichtstrahls aus einander giengen.
Im Jahr 1666 verfinsterte Isak Newton ein von der Sonne
beschienenes Zimmer durch genau schliessende Läden, nur ein La-
den hatte eine kleine, runde Oeffnung, durch diese fiel das Son-
nenlicht auf einen weissen Papierbogen als kreisrundes Sonnen-
bild. Nun hielt er ein Prisma so vor die Oeffnung, dass die
eine Kante, die Brechungskante genannt, nach unten gekehrt war.
Jetzt erschien das Sonnenbild nicht an der früheren Stelle, son-
dern über derselben, nicht kreisrund, sondern fünf Mal länger
als breit und nicht weiss, sondern regenbogenfarbig. Hierauf
fing er das ganze Farbenbild durch ein Brennglas auf und erhielt
so ein dem früheren gleiches, rundes, weisses Sonnenbild an der
früheren Stelle.
Aus diesen Versuchen schloss Newton, dass das weisse Licht
kein einfaches, sondern ein aus einer unzählbaren Menge farbiger
Strahlen zusammengesetztes Licht sei. Mit einander vereint mach-
ten diese Strahlen das weisse Licht aus, da sie aber eine ver-
schiedene Brechbarkeit hätten, so entfernten sie sich durch die
Brechung in dem Prisma von einander und bildeten so das Spec-
trum genannte Farbenbild.
In dieser ebenso zahlreichen, als wegen der unmerklichen
Uebergänge schwer zu unterscheidenden Farbenreihe nahm New-
ton sieben einfache oder Grundfarben an, nach der steigenden
Brechbarkeit von unten nach oben gezählt: Both, Orange, Gelb,
Grün, Hellblau, Dunkelblau. Violett.
Diese 7 Farben haben weder eine gleiche Breite, noch eine
gleiche Lebhaftigkeit. Theilt man das Farbenbild nach seiner
— 245 —
Länge in 360 Grade oder Theile, so kommen davon auf Roth 45,
Orange 27, Gelb 48, Grün 60, Hellblau 60, Dunkelblau 40, Violett
80, hiebei steigt die Lebhaftigkeit oder Stärke des farbigen Lichtes
von Roth an, erreicht in Gelb und Grün ihr Maximum und nimmt
von da an eben so gleichförmig wieder ab.
Man kann dieselbe Schrift, von dem gelben oder grünen
Lichte erhellt, in einer grösseren Entfernung lesen, als von dem
rothen oder violetten beleuchtet.
III. Die Farbentafel.
Lange vor Newton zählte auch Franz Maurolycus von Mes-
sina im Regenbogen sieben Farben, diess mochte Newton wohl
unbekannt geblieben sein, indessen scheint es doch, dass er diese
Zahl nicht erfunden, sondern sich einem alten Volksglauben an-
geschlossen habe. Die urälteste auf die Mondsviertel gegründete
Zeiteintheilung erhob die Zahl sieben zu einer Wichtigkeit, welche
ihre Uebertragung auf die heterogensten Dinge veranlasste. So
finden wir in der heiligen Schrift sieben Schöpfungstage, Kains
Tod soll siebenfach gerochen werden, Lamech sieben und siebzig
Mal, in Egypten folgen 7 Theurungsjahre auf 7 fruchtbare, 7
Lampen brennen in der Stiftshütte, in der Offenbarung Johannis
7 Sterne und 7 Leuchter der 7 Gemeinden, ein Buch mit 7 Siegeln,
7 Engel mit 7 Posaunen, 7 andere mit den 7 letzten Plagen und
7 goldenen Schalen, hei den Griechen 7 Wunderwerke und 7
Weise, und so sollte auch der himmlische Bogen 7 Farben haben.
Allein schon Aristoteles zählte am Regenbogen nur 3 deut-
liche Hauptfarben, ebenso Tobias Mayer in Göttingen. Diese
drei einfachen Grundfarben sind Roth, Gelb und Blau, jede der-
selben vermischt sich mit ihren beiden Nachbarn, an Stärke ab-
nehmend, je näher sie ihnen kommt; so bilden sich, wo zwei an^
grenzende Farben sich auf halbem Wege zu einander das Gleich-
gewicht halten, drei secundäre Farben : Orange, Grün und Violett,
zwischen diesen secundären Mittelfarben und den Hauptfarben
tertiäre Mittelfarben und so in's Unendliche fort.
In von Middendorffs trefflicher Reise in den äussersten Nor-
den und Osten Sibiriens, St. Petersburg 1848—1851, 11 Bände 4,,
246
äussert der Bearbeiter der Meergewächse, Dr. F. J. Ruprecht,
den Wunsch nach einer vollständigen Farhentafel, auf die man
sich bei Angabe der Farben, für welche die Sprache oft kein
Wort hat, beziehen könnte, ein Wunsch, dem die bisherigen Ta-
feln, z. B. Mirbels und Willdenows, nicht genügend entsprechen
und dem ich mit der anliegenden Tafel entgegenzukommen hoffe.
Auf dieser Tafel wird eine kreisrunde Scheibe durch Radien
in 24 keilförmige Abschnitte getheilt, welche die Farben des Re-
genbogens und Spectrums in ihrer Reihenfolge bis zur vierten
Abstufung darstellen. Der Mittelpunkt des Kreises, den man
mit 0 bezeichnen kann, ist der Abwesenheit alles Lichts, schwarz,
gewidmet, der Rand oder die Peripherie, mit O zu bezeichnen,
der Anwesenheit des vollen Lichtes, weiss. Zwischen beiden
bilden 9 concentrische Kreise in jedem Fache 8, die Intensität
der Farbe angebende, mit a bis h bezeichnete Vierecke, 8 Far-
bentöne des üebergangs von der Nähe der schwarzen zu der
der weissen Farbe gebend, so erhält man 192 Farben, die ganz
kurz durch Angabe der Zahl und des Buchstabens, z. B. rosen-
roth 24 f, himmelblau 17 e, bezeichnet werden.
Diese Farben sind indessen, wie die des Regenbogens, sämmt-
lich, so weit sie nicht /einfach sind, binär, es fehlt also die grös-
sere Zahl der aus allen drei Grundfarben zusammengesetzten ter-
nären Farben, die aber, wie Misstöne in der Musik, trüb und
düster sind, lividus, luridus, squalidus, und leichter entbehrt wer-
den können, und ebenso eine Abstufung des reinen Schwarz durch
Dunkelgrau und Hellgrau bis zu Weiss.
Ich hatte schon lange meine Farbentafel durch meine Tochter
Luise ausführen lassen, ein Exemplar derselben meinem Sohn
Eduard auf seine Reise nach Ostasien mitgegeben, auch diese
Tafel in der Vorrede zu meinem Bohnenbuch beschrieben, als
ich von meinem verehrten Freunde Dr. Schnitzlein, Professor
der Botanik in Erlangen, des geistreichen Lecoq pflanzengeogra-
phische Studien erhielt und zu meiner Ueberraschung des be-
rühmten Chevreul Plan einer ähnlichen Farbentafel darin fand.
Chevreul nimmt dieselben drei Grundfarben Roth, Gelb und
Blau und dieselben drei secundäre Farben Orange, Grün und
— 247 —
Violett an, dann Uebergänge dritter, vierter Stufe u. s. w. Die
von mir mit Zahlen bezeichneten Farben nennt er Abstufungen
(Nuances)^ die von mir mit Buchstaben bezeichneten Grade der
Intensität Töne (Tons)^ eine ganze Reihe solcher Töne in einer
Abstufung eine Tonleiter (Gamme). Jede Farbentonleiter besteht
aus einer Normalfarbe, die sich in einer Kichtung durch Zusätze
von Schwarz verdunkelt, in der entgegengesetzten durch Zusätze
von Weiss erhellt, bis sie diese beiden Farben erreicht.
Soweit stimmen wir vollkommen mit einander überein, statt
aber dass mir bei Entwerfung meiner Tafeln das Bild einer Wind-
rose oder eines Schiffskompasses vorschwebte, soll die seinige die
Nachahmung einer Erdkarte, eines Planiglobs sein. Schwarz
und Weiss wären die beiden Pole, im Aequator oder richtiger
in der Ekliptik lägen die Normalfarben, die sich mit allmähliger
Verengerung ihres Feldes einerseits verdunkelnd dem schwarzen,
andererseits erblassend dem weissen Pol nähern würden; die
Bezeichnung der Stufe geschähe durch den Längengrad, die des
Tons durch den Breitengrad, da aber die Eintheilung mit 360
Graden zu schwierig und überflüssig sei, so genüge es an Feldern
von 10 Graden Länge und Breite, so dass jede Hemisphäre 18
Abstufungen und in jeder Abstufung 18 Töne hätte, eine
Hemisphäre wäre den binären Farben gewidmet, die andere den
ternären. Durch Wendekreise und Polarkreise könnte man grös-
sere Abtheilungen der Töne bezeichnen.
Ob eine solche Farbentafel auch wirklich ausgeführt worden
ist, wird niclit gesagt, es scheint bei dem Vorschlag geblieben zu
sein; mir scheinen nach den von mir gemachten Erfahrungen
und angestellten Versuchen 18 Abstufungen zu wenig und 18 Töne
zu viel zu sein, auch scheint es mir passender, die Verdunke-
lung durch Verengerung, das Lichterwerden durch Erweiterung der
Felder zu bezeichnen.
Ich habe versucht, den vorhandenen Farbenbenennungen durch
meine Tafel einen festen Sinn zu geben, den sie bisher nicht hat-
ten, wie man aus den Beispielen mancher Blumen sehen kann, welche
bei gleichen von der Farbe entlehnten Beinamen abweichende Far-
ben haben; indessen ist es mir nicht gelungen, für jeden Farben-
— 248 —
ton einen passenden Namen zu finden oder zu erfinden, und so
sind in der Nomenklatur einige Lücken stehen geblieben.
Die Farben sind nach Analogie des Schiffskompasses:
1.
Roth.
2.
'/s Roth,
Vs Gelb.
Roth-Orange-Roth.
3.
3/4 Roth,
V4 Gelb.
Orange-Roth.
4.
% Roth,
3/8 Gelb.
Orange-Orange-Roth.
5.
1/2 Roth,
1/2 Gelb,
Orange.
6.
'k (>elb,
3/8 Roth.
Orange-Orange-Gelb.
7.
3/4 Gelb,
1/4 Roth.
Orange-Gelb.
8.
'/s (>elb.
i/s Roth.
Gelb-Orange-Gelb.
9.
Gelb.
10.
'/s Gelb,
i/s Blau.
Gelb-Grün-Gelb.
11.
3/4 Gelb,
1/4 Blau.
Grün-Gelb.
12.
% C^elb,
3/8 Blau.
Grün-Grün-Gelb.
13.
1/2 Gelb,
1/2 Blau.
Grün.
14.
% Blau,
3/8 Gelb.
Grün-Grün-Blau.
15.
3/4 Blau,
1/4 Gelb.
Grün-Blau.
16.
"/s Blau,
Vs Gelb.
Blau-Grün-Blau.
17.
Blau.
18.
'k Blau,
i/s Roth.
Blau-Violett-Blau.
19.
3/4 Blau,
1/4 Roth.
Violett-Blau.
20.
5/8 Blau,
3/s Roth.
Violett-Vlolett-Blau.
21.
V2 Blau,
1/2 Roth.
Violett.
22.
% Roth,
3/8 Blau.
Violett-Violett-Roth.
23.
3/4 Roth,
1/4 Blau.
Violett-Roth.
24.
Vs Roth,
Vs Blau.
Roth-Violett-Roth.
Bestimmuung der lateinischen und deutschen Farbennamen
nach der Tafel:
0 Ater. Kohlschwarz, Pechschwarz.
1, a. Atrorubens. Schwarzroth, Tiefroth.
b. Ruberrimus. Hochroth.
c. Cinnabarinus. Zinnoberroth.
d. Corallinus. Corallenroth.
e. Ruber, Roth.
f. RubeUus. Hellroth.
g. Rubens. Röthlich.
h. Alborubescens. Röthlichweiss.
— 249 —
2, a. Rubiaceus. Krapproth.
b. Obscure coccineus. Dunkel- Scharlachroth,
e. Coccineus. Scharlachroth.
d. Balaustinus. Granatblüthe.
e. Auroreus. Morgenroth.
f. Carneus. Incarnat.
g. Pallide carneus. Hellincarnat.
h. Rutilans. Blassröthlich.
3, a. Obscure rubens. Indisch-Roth.
b. Candens. Glühendroth.
c. Tgneus. Feuerroth.
d. Flammeus. Flammroth.
e. Lateritius. Ziegelroth.
f. Rubescente heholus. Gelbröthlich.
g. Pallens. Bleich,
h. Pallidus. Blass.
4, a. Hepaticus. Leberfarbig.
b. Cuprinus. Kupferroth.
c. Rufus. Fuehsroth.
d. Testaceus. Topfroth.
e. Pallide testaceus. Hell-Topfroth.
f. Helvolus. Rothgelblich.
g. Rufescens. Hellfuchsröthlich.
h, Alborufescens. Fuchsröthlichweiss.
5, a. Brunnens. Rothbraun.
b. Miniatus. Meunigroth.
c. Aurantiacus. Orange, Pomeranzengelb.
d. Flavescente-rufus. Rothgelb.
e. Pallide aurantiacus. Hellorange.
f. Carneo-lutescens. Gelblich-incarnat.
g. Flavescente-rubens. Orangeröthlich.
h. Alutaceus. Rothgelblichweiss.
6, a. Badius. Kastanienbraun.
b. Ferrugineus, Rubiginosus. Rostgelb.
■ c. Croceus. Safrangelb.
d. Fulvus. Fahl.
e. Aureo-rubescens. Messinggelb.
f. Rubescente Intens. Röthlichgelb.
g. Rubescente-ochroleucus. Blassröthlichgelb.
h. Fulvescens. Fahlgelblichweiss.
— 250 —
7, a. Cinnamomeus. Zirametfarbig.
b. Spadiceus. Braungelb.
c. Ochraceus. Ockergelb. (Siena Erde.)
d. Vitellinus. Dottergelb.
e. Aureus. Goldgelb.
f. Rubescente-flavus. Hellröthlichgelb.
g. Isabellinus. Isabellfarbig.
h. Eburneiis. Elfenbeinfarbig.
8, a. ruscus. Braun.
b. Fuscesciis. Hellbraun.
c. Fuscoluteus. Bräunlichgelb.
d. Intensive luteus. Indisch Gelb.
e. Luteo-aureus. Dunkelgoldgelb.
f. Gilvus. Fahlgelb.
g. Ochroleucus. Blassgelblich.
h. Obsolete ochroleucus. Gelblichweiss.
9, a. Olivaceo-fuscus. Olivenbraun.
b. Argillaceus. Thonfarbig.
c. Corneus. Hornfarbig.
d. Luteus. Dunkelgelb.
e. Flavus. Gelb.
f. Citrinus. Citronengelb.
g. Sulfureus. Schwefelgelb.
h. Cereus. Wachsgelb.
10, a. Olivaceus. Olivengrtin.
b. Pallide olivaceus. Hellolivengrün.
c. Luteoviridis. Dunkelgelbgrün.
d. Flavovirens. Apfelgrün.
e. Flavicante-virens. Gelbgrünlich.*)
11, b. Vernalis. Frühlingsgrün.
d. Flavescente-viridis. Gelblichgrün.
e. Prasinus. Lauchgrün.
f. Pallide prasinus. Hell-Lauchgrün.
g. Dilute prasinus. Yerwaschen-Lauchgrün.
h. Prasino-albus. Lauchgrünlich weiss.
12, a. Aestivalis. Sommergrün.
c. Herbaceus. Grasgrün.
*) Für die Farbentöne 10, f bis h unb die in den folgenden Stufen
ausgelassenen Buchstaben fehlen mir passende Namen.
— 251 —
13, a. Atrovirens. Schwarzgrün.
b. Obscure viridis. Dunkelgrün.
c. Viridis. Grün.
d. Virens. Hellgrün.
e. Dilute-viridis. Yerwaschengrün.
f. Chrysoprasiniis. Chrysoprasfarbig.
g. Yirescens. Grünlich.
h. Albovirescens. Grünlichweiss.
14, b. Smaragdinus. Smaragdgrün.
f. Beryllinus. Beryllgrün.
15, d. Caerulescente-viridis. Bläulichgrün,
e. Aeruginosus. Kupfergrün.
g. Viridi-caesius. Graugrünlich.
16, a. Caerulescente-niger. Schwarzblau,
b. Chalybeus, Stahlblau.
e. Virescente-caeruleus. Grünlichblau.
f. Glaucus. Wasserblau.
, g. Glaucescens. Wasserbläulich.
h. Alboglaucescens. Hellwasserbläulich.
17, a. Atro-coeruleus. Tiefülau.
b. Azureus. Azurblau.
c. ültramarinus. Ultramarinblau.
d. Coeruleus. Blau.
e. Coelestis. Himmelblau.
f. Caesius. Hellblau.
g. Caerulescens. Bläulich.
h. Lacteus. Milchweiss.
18, a. Cyanomelas. Schwärzlichblau.
b. Lapis Lazuli. Königsblau, Victoriablau,
h. Argenteus. Silberfarbig.
19, a. Indigoticus. Indigoblau.
b. Violaceo-coeruleus. Violettblau.
c. Cyaneus. Kornbluinenblau.
d. Obscure-lilacinus. Dunkel Lilafarbig.
e. Lilacinus. Lilafarbig.
f. Pallide-lilacinus, Hell Lilafarbig.
h. Obsolete lilacinus. Lilafarbig weiss.
20, d. Coeruleo-rufescens. Röthlichblau.
21, a. Obscure violaceus. Dunkelviolett.
— 252 —
21, b. Violaceus. Violett.
c. Janthinus. Hellviolett.
h, Yiolaceo-albus. Weissviolett.
22, a. Caeruleo purpureus. Bläulich purpurroth.
b. Yiolaceo-purpureus. Purpurröthlich-violett.
c. Amethystinus. Ametliystfarbig.
f. Pallide-amethystinus. Hell Amethystfarbig.
23, a. Xerampelinus. Dunkelpurpurroth.
b. Purpureus, Puniceus. Purpurroth.
c. Amarantinus. Amaräntroth.
d. Malinus. Apfelblüthroth.
e. Persicinus. Pfirsichblüthfarbig.
f. Pallide purpureus. Hellpurpurroth.
g. Purpurascens. Purpurröthlich.
h. Purpurascente-albus. Purpurröthlich weiss.
24, a. Sanguineus. Blutroth.
b. Carmosinus. Karminroth.
c. Pallide-carmosinus. Hellkarminroth.
e. Obscure-roseus. Dunkelrosenroth.
f. Roseus. Rosenroth.
g. Pallide-roseus. Hell Rosenroth,
h. Roseo-albus. Rosenröthlichweiss.
O Albus. Candidus. Mveus. Weiss.
Von der Tafel ausgeschlossene Farben.
1) Der Uebergang von Schwarz in Weiss.
© b. Niger. Negerfarbig.
c. Schistaceus. Schieferfarbig.
d. Murinus. Mausfarbig.
e. Griseus. Grau.
f. Cinereus. Aschgrau.
g. Incanus. Hellgrau,
h. Albidus. Weisslich.
2) Aus allen drei Grundfarben zusammengesetzte Farben.
Aeneus. Erzfarbig.
Cervinus. Hirschbraun.
Fuligineus. Russfarbig.
Fumosus. Rauchfarbig.
Leucophaeus. Hellbraun.
Lividus. Livid. Todtenfarbig.
— 253
Luridus. Lederfarbig,
Pullus. Dunkelbraungrau.
Squalidus. Sohmutzigbraun.
Tabacinus. Tabakfarbig.
Umbrinus. Umberbraun.
Das Farbenspiel in der Pflanzenwelt.
I. Die Wurzel.
Jede Gefässpflanze hat eine indifferente Stelle, eine Scheibe
oder einen idealen Querschnitt, von welchem an die sich ent-
wickelten Theile ein entgegengesetztes Streben zeigen, die un-
teren nach unten centripetal, dem Mittelpunkte der Erde zu,
in der Kichtung der Schwerkraft, die oberen centrifugal, der
Sonne zu, in der Richtung der Schwungkraft. Mit der Benen-
nung eines negativen und eines positiven Pols hat man diese
Ei'scheinung bezeichnet, keineswegs erklärt. Mir scheint dieses
Streben ein praktisches zu sein, die Pflanze strebt, sich durch
die Wurzel Wohnung und Nahrung zu erringen, einen festen,
sichern Halt und hinreichende Feuchtigkeit, beides findet sie
unter der Oberfläche der Erde und opfert für ihren untern Theil
den Genuss des Lichtes, zum Theil auch der Wlirme, dafür auf.
Je weicher, wärmer, trockener der Boden ist, je gerader
und tiefer dringt die Wurzel senki'echt in denselben hinab, so
bei Sandpflanzen, Echinophora, Daucus, ^pocynum venetum^ bei
vielen Doldengewächsen, deren senkrechte Wurzel dem senk-
rechten Stengel entspricht.
Wo aber die Pflanze das Gesuchte nicht in der Tiefe findet,
auf Hindernisse stösst, nehmen ihre Wurzeln eine andere Rich-
tung an, so Linaria Cymbalaria Mill, Ceterach officinarum Sw.,
Asplenium trichomanoides und Euta muraria L. , an senkrechten
Mauern wachsend, eine völlig wagerechte; auf dem Bopser bei
Stuttgart steht ein Forchenwald auf einer Bank von Keupersand-
stein, die Wurzeln erreichten bald dieselbe und sahen sich
— 254 —
genöthigt, eine horizontale Richtung anzunehmen, der Regen
hat im Laufe der Jahre die schwache Schicht von Pflanzenerde
und verwittertem Sande weggespült, und die Wurzeln liegen
vielfach verschlungen und gebogen zu Tage; im Eisenharzer-
Wald in Oberschwaben traf ich einen Fichtenwald auf Torfboden ;
obschon der Torf die senkrechte Richtung der Wurzeln mecha-
nisch nicht verhindert hat, drangen die Wurzeln der Fichten
doch nicht in denselben ein, sondern breiteten sich wagerecht
in der oberen schwachen Schichte von Pflanzenerde aus, dem
Bedtirfniss der Nahrung den der Festigkeit aufopfernd, wie einige
vom Sturm umgerissene Bäume bewiesen.
In der höhern Alpenregion und in den Polarländern findet
man die höchste Temperatur, das Maximum der Wärme da, wo
"der Boden die Sonnenstrahlen auffängt, ein paar Zoll über und
unter der Erdoberfläche ; hier ist das Bedürfniss der Wärme das
vorherrschende, denn was hilft das Wasser, wenn es gefroren
ist; Wurzeln und Stengel ziehen daher die wagerechte Stellung
der senkrechten vor und wachsen parallel statt in entgegengesetzter
Richtung, so auffallend bei Arctostaphylos alpina Spr. , -^zdlea
procumhens 1j. ^ Empetriim nigrum L., Salix Mysinites^ reticulata^
retusa, herbacea L.
An steilen Ufern gepflanzte Weiden und Pappeln senden
gerne ihre Wurzeln wagerecht ins Wasser hinaus, selbst das
Licht nicht scheuend, welches sie röthlich färbt.
Indem nämlich die Wurzeln auf Licht verzichten, verzich-
ten sie auch auf Farbe ; in der ersten Jugend glasartig farblos,
zeigen sie später nur eine bleiche Mischung von Gelb, Schwarz
und Roth, aber ohne eine Spur von Blau, eine unendliche Ton-
folge einer trüben, braunen Färbung von braun f bis h, selten
an der Oberhaut der dunkleren Hälfte der Farbentöne angehö-
rend, wie bei der hienach benannten Schwarzwurzel {Scorzonera
hispanica L.,) der schwarzen Nieswurz {Hellehorus niger L.), dem
Winterrettig {Raphanus sativus a niger Dec.) und manchen an-
dern nie rein schwarzen, sondern nur tief dunkelbraunen, den-
noch auffallenden Wurzeln.
— 255 —
Anders gefärbte Wurzeln sind seltene Ausnahmen, oft Cul-
turprodukte; am häufigsten findet man noch die der braunen
nächst verwandte gelbe Farbe, doch selten rein, gewöhnlich mit
einem kleinen Zusatz von Roth, so bei dem Sauerdorn (Berbe-
ris vulgaris L.) 9 f, dem Maulbeerbaum (Monis alba L.) 8 f,
den zahlreichen gelben Thalictrum- Arten, der gelben Rübe
(Daucus Carola L.), deren verschiedene Spielarten von Blassgelb
8 f, durch dunkelgelb 8 d bis in Orange 5 c und 4 c tiber-
gehen, während die vergebens angepriesene Riesenmöhre und
die wilde Stammart weissliche Wurzeln haben, die Curcuma
longa L., von den Franzosen Safran de terre genannt 7 e, der
Costus arablcus L. 7 f, der Rhabarber und mehrere andere
Rheumarten, wie einige Rumexarten 6 e, die Runkelrübe
{Beta altissima Beckmann) schon zu Ende des vorigen Jahrhun-
derts als Surrogat des Zuckerrohrs empfohlen, 5 c, d.
Näher an Roth stehen die Wurzeln der Asperula t'mctoria
und cynanchica L. 4 d, der berühmten, das türkische Garn und
die Knochen der sie fressenden Thiere färbenden Färberröthe,
2 b, und der ihr ähnlichen wilden Färberröthe (Rubia pere-
grina L.) 2 d, auch einiger andern Rubiaceen.
Seltener findet man an Wurzeln die rothe Farbe mit einem
kleinen Zusätze von Blau, also der janthinischen Farbenreihe
angehörend, so bei der rothen Rübe 23 b, dem rotlien Monat-
rettig 23 b — e, theilweise an der Runkelrübe 23 c und d, am obern
Ende der weissen Rübe 23 e, bei Änchusa tinctorla L. und
Lithos per räum tinctorum L. 22 a und selbst bei unserem Acker-
steinsamen (Lithospermwn arvense L.) 22 b.
Bei den von mir beobachteten Pflanzenwui'zeln ist sonach
22, Violett- Violett-Roth ^/^ Roth und % Blau die äusserste Grenze
der farbigen gegen Blau, 21 Violett bis 17 Blau fehlen gänz-
lich, und Grün kommt nur abnorm am obersten Theile ein-
zelner Wurzeln vor, welche aus der Erde hervorstehend, mit der
Stellung des Stengels auch eine Annäherung an seine Farbe er-
halten. Aus demselben Grunde sind die Wurzeln der Mistel
(Viscura und Loranthus) gi'ün, weil sie im Lichte keimen und
— 256 —
im Fortgang ihres Wachsthums mehr von den späteren Holz-
schichten überwachsen werden, als tief in den Ast eindringen.
Die bei den Pflanzenwurzeln ausser den höchst entschieden vor-
herrschenden Farben Weiss und Braun noch vereinzelt vorkom-
menden beschränken sich sonach auf 2 bis 9 und 22 bis 23,
noch nicht die Hälfte der 24 Farben der Tafel.
II. Der Stengel.
Die Stengel und Stämme der Pflanzen und ihre Verzwei-
gungen haben in der Jugend die Farben der Blätter, bei den
einjährigen Gewähcsen, welche ihr Leben auf die Dauer von 6
bis 8 Monate beschränkend in kälteren Gegenden dem Froste
des Winters, in wärmeren der Trockenheit des Sommers ent-
gehen, also immer, eben so bei den zweijährigen, wie Disteln,
Wollenblumen, vielen Doldengewächsen, Kohl, Rüben u. s. w.,
welche zweijährige Wurzeln, aber nur einjährige Stengel haben
und den mit der Abnahme der Temperatur an Zahl zunehmenden
perennirenden Pflanzen, welche zwar mehrere oft viele Jahre
lebende Wurzeln, aber auch nur einjährige Stengel haben und
sich so unter der Erde und der schützenden Schneedecke der
Strenge polarer und alpinischer Winter entziehen.
Im Alter zeigen dagegen die Stengel und Stämme der Pflan-
zen die Farben der Wurzeln, grau oder braun in allen Abstu-
fungen, oft mit vorherrschender gelber oder rother Farbe, so
orange bei Crataegus Oxyacantha L., Fraxinus aurea Wild., roth
bei Cornus sanguinea und alba L., beinahe violett 22 a, bei
AngeUca sylvestris L. bis violettblau bei mehreren Eryngium-
Arten, beinahe schwarz wie Ebenholz bei Datura fastuosa L.
Auch der an den Früchten häufigere bläulich graue, staub-
artige Duft tritt schon am Stengel einzelner Gewächse auf, so
besonders schön am Wuuderbaum {Ricinus) und an der AngeUca,
nie aber rein binär und häufig durch den Einfluss des Lichtes
dunkler, so dass die Farben der Wurzeln in die oberen Töne
e bis h, die der Stämme und Aeste in die unteren a bis d fallen
und man diese Farben denen der Säugethiere vergleichen könnte,
die der Stämme denen des dem Lichte zugekehrten Rückens,
— 257 —
die der Wurzeln denen des davon abgewendeten Bauches. Wurzel-
farbig sind die Stengel und Stämme der von den Polen gegen den
Aequator an Zahl der Arten wie der Individuen absolut wie
relativ zunehmenden über dem Boden ausdauernden Gewächse.
Bunte Stämme, wie am gestreiften Ahorn, oder Stengel, wie
am Conium maculatum L. und einigen andern Doldenpfianzen, sind
seltene Ausnahmen.
Von den merkwürdigen Schmarozerpflanzen , welche ihren
Nahrungssaft schon verarbeitet aus andern Pflanzen saugen, theilen
die auf den Zweigen der Bäume zwischen den Blättern wachsenden
die grüne Farbe der letzteren, so viele tropische Orchideen und
Tillandsien, in Europa die Misteln; den Parasiten der Wurzeln
aber fehlt mit den Spaltöffnungen und dem Athmungsprozess auch
die Fähigkeit, Chlorophyll zu bilden und somit die grüne Farbe, ihre
Stengel sind, sich an die Wurzelfarbe anschllesend, um so farb-
loser, bleicher, weiss oder röthlichgelb , je schattiger und licht-
ärmer ihr Standort ist, bei stärkerem Lichte, wie die Stämme,
braun oder trübroth; die Blätter, ihres wichtigen Dienstes bei
andern Gewächsen enthoben, verkümmern zu unscheinbaren, stiel-
losen Schuppen und theilen wie die Deckblätter und Kelche, wo
letztere vorkommen, die Farbe des Stengels.
Wir haben in Württemberg sechszelm in vier Familien ver-
theilte Pflanzen dieser Lebensart, die bleichste ist die in schat-
tigen Wäldern auf den Wurzeln der Buchen tief im modernden
Laub und Moos vergraben lebende Schuppenwurz {Lathraea squa-
maria i..), lebend beinahe rein weiss, getrocknet aber schwarz.
An sie schliesst sich der ebenfalls im Waldschatten auf den
Wurzeln der Buchen und Kiefern wachsende Baumsauger {Mono-
tropa Hypopitys L.) an, die ganze Pflanze sammt der Blume bleich-
röthlichgelb, 5 g.
Die verhasste Flachsseide, auch Teufelszwirn genannt {Cus-
cuta europaea L., C. Epithymum L. und C. Epilinum '[Veihe), be-
sonders dem Leine und der Lucerne schädlich, ist nach Umständen
weiss, z. B. in dichten Leinfeldern, oder purpurröthlich, 23 e.
Aehnlich verhält es sich mit unsern schmarozenden Orchideen,
die Korallenwurzel {Corallorhiza innata R. Br.) ist die bleichste,
WUrtt*:mb. miturw. Jahre&hefte. 1862. 2ä HciU 1<
— 258 —
11 g, dann folgt das seltene, auf faulendem Holz wachsende
Epipogium Gmelini Rieh. 6 g. und das blassbräunliche Vogelnest
(Neottia Nidus avis Rieh.).
Die dunkelsten, rothbraunen Farben, doch auch stets ohne
Spur Yon grün, zeigen die zahlreichen Gewächse der Erbsen-
würgerfamilie {Orohancheae)^ weil sie, meist auf niedrigen Pflanzen
echmarozend, von allen am meisten Licht empfangen, auch er-
halten sie sich im Herbar am Besten.
In den Urwäldern der heissen Zone erreicht auch diese
Pflanzenform, wie viele andere, ihre höchste Entwicklung, sich
den Pilzen nähernd, eben so lichtscheu, so rasch sich entwickelnd
und verwesend, eben so bleich und grünscheu. Endlicher hat die
beiden hieher g ehörigen Familien, Balanophoren und Rafflesiaceen^
mit den subtropischen Cytineen unter dem Namen Rhizantheae,
Wurzelblumen, vereinigt und tiefer als die Gräser unter die
Acrobrya gestellt, oft ohne Stengel, oder wenn einer auftritt, mit
sehr unvollkommenen Gefässen, die zu Schuppen verkümmerten
Blätter ganz ohne solche, aus blossen Zellen zusammengesetzt, wie
bei den Cryptogamen.
Die berühmtesten dieser Schmafozer sind die Rafflesien auf
den Sundainseln ; Rafflesia Horsßeldi R. Broitm erscheint auf Java
im dichten Urwalde auf den Wurzeln der Lianen, Cissus, zuerst
wie ein trüb blauröthlicher Kohlkopf, dann sich öffnend als Blume
von drei Fuss Durchmesser, in Farbe und Geruch verwesendem
Fleische gleichend, w-ie die kapische Stapelia hirsuta, und so wie
diese eine Menge Fliegen anlockend, welche ihre Befruchtung
fördern, während die eigene Brut als Opfer ihres Irrthums umkommt,
III. Die Knospen.
Die Knospen der Bäume sind anfangs, wenn sie sich im
August bilden, hellbraun, werden aber mit dem Abfallen der
Blätter immer dunkler , a der Farben zwischen Roth und Gelb,
gewöhnlich noch dunkler, bei den Eschen völlig schwarz, was
von der Kälte veranlasst Wärme gibt t diese Farbe zeigt sich aber
nur an den frei der unmittelbaren Einwirkung des Lichts und
der Kälte ausgesetzten Theilen der Schuppen; die bedeckten
— 259 —
Theile strecken sich im Frühling hellgrün oder geröthet, wie bei
der Hainbuche, hervor, sehr schön kann man diese Zweifarbig-
keit an den grossen, sich öffnenden Knospen der Rosskastanien
sehen. Die innern Schuppen gehen in abfallende Deckblätter
über, so bei Carpimis, Fagtcsj oder in Blätter, wie bei Lonicera.
Cornus hat durch ungeschützte Blattembryonen gebildete Knospen,
und auch an den Endlmospen der Esche sah ich solche Blattem-
bryonen, kammartig zusammengelegt, eben so schwarz, wie die
Schuppen der Seitenknospen.
IV. Die Blätter.
1) Fr ühlings tr ach t.
Dem Lichte vollständig entzogen, im geschlossenen Keime,
im Samen unter dem Boden, in den Köpfen unseres Kohls und
Salats, in den gebundenen Endivienbüscheln, in den keimenden
Spargeln, an den Trieben der in dunkeln Kellern aufbewahi'ten
Gemüsen sind Stengel und Blätter farblos, dann weiss, dann mit
fortschreitender Entwicklung dem Lichte zustrebend gelb, wenige
Stunden Sonnenlicht aber genügen, die blaue Farbe hervorzurufen,
welche, indem sie sich mit der gelben verbinde^, beide grün färbt;
so fand ich an einer Lauchpflanze {AUiwa Porrum Z.), die ich
im Januar untersuchte, die Wurzel, Zwiebel und den untersten
Theil der sich als Scheiden umschliessenden Blätter rein weiss,
weiter nach oben giengen die verhüllten Blätter die Stufen der
rein gelben Farbe 9 von h durch g bis zu f, Citronengelb, durch,
dann sich öffnend und dem Lichte- zugewendet schnell ergi-ünend
durcli 11 e prasinus, lauchgrün, in 12 e, 12 d und endlich
13 c, rein Grün, über. Ebenso war Selleri im Keller 9 f, wurde
bald 10 d e und im Freien endlich 11 a bis 12 a. Dieselbe
Lrscheimmg zeigt sich im Früliling, die an das Licht tretenden
Blätter sind nicht nur heller, sondern auch gelber als späler; die
beständigste Pfiaiizenfarbe, Gelb, tritt zuerst schon in der Knospe
auf, die flüchtigste, Blau, gesellt sich um so reichlicher zur gelben,
je längeren und wärmeren Sonnenschein das Blatt erhält, so fiel
die Farbe der Blätter von dreizehn am 28. März 1862 vergliche-
nen Pflanzen bei sieben auf 11 b, einer auf 11 e und fünf auf
— 260 —
12 b bis d, kein Blatt hatte ein reines Grün, 13, keines den
tiefsten Ton a seiner Stufe erreicht. Gegen den Sommer findet
bei den einzelnen Blättern zugleich mit dem dunkler werden ein
Fortrücken von Gelb gegen Blau statt; so fand ich bei dem Mas-
holder (Acer campestre L.J die eben geöffneten Blätter 10 c, ent-
wickeltere 11 b, vollendete 12 a, die Hainbuche zeigte die Ueber-
gänge 10 a, 11 b, 12 a, 13 a, der Geisfuss (Aegopodium Poda-
graria L.) 10 c, dann 11 b, zuletzt 13 b. Birnbaumblätter gehen
von 11 b bis 14 a. Eschenlaub von 11 a bis 13 a. Espen-
laub von 11 b bis 13 a, Buchenlaub von 11 c bis 13 a, die
Rothtanne von 11 e bis 12 a. Die Silbertanne von 11 e bis
13 a, die untere Seite von 11 e bis 14 g. Andere, wie es scheint,
vorzüglich Monokotyledoneen , schreiten nur in einer Stufe vom
Hellen zum Dunkeln fort, ohne das Yerhältniss der gelben zur
blauen Farbe zu ändern; so fand ich die Blätter der Gartenhya-
ciuthe innerhalb der Zwiebel weiss, nach oben zu unmerklich,
aber schnell in dem Masse, als sie auseinander giengen, die ganze
Tonleiter von 11 h bis 11 a durchlaufend, ohne durch hinzu-
kommendes Blau in 12 überzugehen. Ebenso fand ich die Blätter
der gelbrothen Eintagsblume (Hemeroccdlis fulva L.) den 25. März
11 e, im August 11 a.
Diese Farbenreihen kann man an denselben Zweigen gleich-
zeitig wahrnehmen, so lange sich dieselben fortentwickeln, beson-
ders schön an der Rebe, zugleich kann man an den Blättern den
Wechsel längerer Epochen heiterer und trüber, bewölkter Tage
bemerken, da die im Sonnenschein gedunkelten ilire Farbe unver-
ändert beibehalten haben, während diejenigen, welche sich in den
nachfolgenden trüben Tagen entwickelten, nocli bleich geblieben
sind. Dieser Unterschied zwischen dem Grün der jüngsten und
dem der älteren Blätter einer und derselben Pflanze ist in der
heissen Zone eben so auffallend, so fand mein Sohn in Singapur
an demselben Strauch die Blätter der frischen Sprosse 10 d und
selbst 10 e, der älteren Zweige II a.
Tritt im Frühling und Vorsommer rauhe, kalte Witterung ein,
so röthen sich die jungen empfindlichen Blätter, da aber die rothe
Farbe, 1 b, die grüne nicht verdrängt, sondern sich nur ihr zu-
, — 261 —
gesellt, so entsteht dadurch eine ternäre Farbe, ein trübes Brann-
roth, am tiefsten am Rande und an der Spitze des Blattes, mei-
stens beschränkt auf das Parenchym, so dass häufig die Gefäss-
bündel (Blattnerven) grün bleiben, und bei der Farbentwicklung
des Blattes allmählig wieder verschwindend.
So sah ich bei der Sommereiche die Frühlingsfarbe 11 c
durch 2 b getrübt, bei der Zimmtrose 11 c durch 24 b, bei
der canadi?chen Himbeere 11 a durch 1 a, bei Spiraea cha-
maedri/foUa Z. 11 a durch 24 b, bei dem Sauerdorn (Berheris
vulgaris L.) 11 a durch 2 b, ein ähnliches Erröthen zeigten die
Espe und die Hainbuche. Den 3. Mai gesäte Lychnis Haageana
und Lupinus Hartwegii giengen grün auf und blieben es längere
Zeit, als aber anfangs Juni nach starken Hagel- Gewittern die
Temperatur schnell von 22 ^ auf 12^ sank, trat Roth zum Grün,
und Cotyledonen, Blattstiele und untere Blattfläche färbten sich
braunroth.
Dieselbe Erscheinung tritt häufig bei Pflanzen ein, welche
aus den Gewächshäusern in die freie Luft versetzt werden, so
fand ich bei Begrmia nitida a alba Ait. die jungen Blätter 12 b
mit purpurnem Anflug, die erwachsenen 12 a ohne Roth. Bei
manchen Pflanzen tritt die dunkelrothe oder braune Farbe der
noch unentwickelten Blätter regelmässig ein, so bei einer darnach
benannten Taubnessel {Lamium purpureum L.), bei Ampelopsis he-
deracea Dec, einigen amerikanischen Ahornarten, besond^'s Acer
laciniatum Duroi, bei Glechoma hederacea Z/., Euphorbia sylvatica
Jacq,, Erythroniwn Deni canis L., Scilla hifolia Z., Gagea lutea R.
et. S., bei der Monatrose, der Stechpalme, dem Nussbaum und
vorzüglich auffallend, gleichsam die dunkelrothe Blume im Voraus
ankündigend, 24 b durch 13c getrübt, bei den frühe und kräftig
dem Boden entsteigenden Gichtrosen (Pceonia oßcinalis L.).
Diese Jugendröthe tritt im ganzen Gebiet der Vegetation
von den Polen bis zur Linie ein, dass sie mit der Kälte zunimmt,
liegt in der Natur der Sache, aber auch innerhalb der Tropen
begegnet man ihr. Seitdem ich hier darauf achte, schrieb mir
mein Sohn den 6. März aus Bukif Tima auf Singapur, l^N. Br.,
finde ich viele Kräuter und Sträucher, deren jüngste Blätter roth
— 262 —
sind, sei es auf beiden, sei es nur auf der unteren Seite, ersteres
meist bei hellerem Roth , etwa 23 d , letzteres bei dunklem
Araarantroth, 23 a bis b, das Roth ist aber immer durch
Beimischung von Grün getrübt, selbst ein Farn {Blechnum) ist
darunter und zwar unter den beiderseits rothen. Da es jetzt hier
viel regnet und die Temperatur nicht besonders drückend heiss
ist, so würde dieses der Annahme nicht widersprechen, dass die
TOthe Farbe der jungen Blätter Folge niedrigerer Temperatur sei.
2) Sommertracht.
Bei einer Vergleichung der Sommertracht der Pflanzen-
welt mit meiner Farbentafel fiel mir zuerst auf, dass die Farben
der Blätter denen der Tafel an Schönheit und Lebhaftigkeit um
eben so viel nachstehen, als die der Blumen sie übertreffen, es
zeigt sich bei allen eine matte Trübung, welche auf eine ternäre
Farbenverbindung hinweist, das Chlorophyll der inneren Zellen
wird durch farbigen Zellensaft, durch die oberste chlorophyllleere
Zellenschicht und durch Duft, Flaum oder Haare bald stärker,
bald schwächer getrübt.
Sodann fand ich das Grün der Pflanzen mit dem der Tafel
verglichen sehr einförmig, die Tafel hat zwischen Gelb und Blau
sieben Farbenstufen, jede mit 8 Farbentönen, zusammen 56 Far-
ben; bei der Untersuchung der Sommerfarbe von 640 Pflanzen-
arten aus den verschiedensten Familien hatten
LO a. __ — — — — — 2.
10 b bis h. keine.
U a. — — __'— 129
IIb. — _ — _ _ 44
11 c. — — — — — 6^ ^^^•
11 d. — — — — — 3
11 e bis h. keine.
12 a. — _ — — — 173
12 b. — — — — — 90, ^^„
12 c. 23^ 2^^-
12d. — — — — ~ 1
12 e bis h. keine.
— 263 —
13 a. _- — — — — 49
13.b. _ — — — _ 36
13 c. 9l ^^^
13 (i. — _ — — —
13 e. — — _ — — 3\
13 f. — — — — — 2 ''
13 g und h keine.
14 a. _ _ _ — - 14
14 b. — — — — — 6 1
14 c. _ _ — _ — 12/
14 d. ll 40.
'S
14 e. — — — — -
14 f. ______
14 g. _ _ _ - _
14 h keine.
15 a. — — — — - 1
15 b. — — — — — 4
15 c. — — — — — 2j
15 d. — — — — — 9V 22.
15 e. — — — — — 2|
15 f. _____ _ 1
15 g. _____ _ 3
15 h. keine.
16 a bis h keine.
Es sind also von den 56 Farben der Tafel in diesen 640
Pflanzenarten nur 29 vertreten.
Gelbgrüngelb mit "/§ Gelb sind nur zwei Pflanzen, aber Grün-
gelb mit % Gelb schon 182, und auf Grüngrüngelb mit ^/g Gelb
fällt die höchste Zahl mit 287, so dass diese zwei Stufen schon
über zwei Drittheile der Gesammtzahl enthalten. Grün mit Gelb
und Blau im Gleichgewicht hat mit 107 Arten noch den sechsten
Theil der Gesammtzahl, aber mit dem Uebergewicht der blauen
Farbe sinkt die Zahl schnell herab, Grüngrünblau mit % Gelb
hat nur 40 Arten, Grünblau mit ^4 Grelb nur 22, und Blaugrün-
blau mit % Gelb fehlt gänzlich. Es fällt sonach nicht einmal
der zehnte Theil der beobachteten Pflanzen auf die drei Stufen
mit überwiegendem Blau, im vollständig ausgebildeten Chlorophyll
der Sommertracht überwiegt in der grossen Mehrzahl der Fälle
— 264 —
die gelbe Grundfarbe das hinzugetretene Blau, wenn auch nicht
so stark, wie in dem unausgebildeten der Frühlingstracht.
Zugleich zeigt sich eine bedeutende Intensität der Farbe, ein
dunkler werden als Hauptzug der Sommertracht, Folge der Ein-
wirkung des Sonnenlichts, welches alles Lebende färbt, alles
Todte bleicht ; von den 640 Pflanzen fallen nicht weniger als 548
auf die zwei tiefsten Töne a und b, 74 auf die zwei anderen der
dunkleren Hälfte der Töne c und d. und nur 18 auf die lichtere
Hälfte der Tonleiter e bis h. Hiebei kommt noch in Erwägung,
dass selbst in diesen seltenen Fällen der Grund der helleren,
meistens zugleich blaueren Farbe nicht im Chlorophyll liegt, son-
dern in einem milchweissen oder lichtgrauen Dufte, wie bei dem
echten Rohr {Arundo Donax Z.), der grauen Segge {Carex
gkmca Scop.), der grauen Calandrinie (Calandrmia glauca Schrad.)^
dem Kohl, dem Meerkohl {Crambe maritima L.), dem Gartenmohn
und vielen Aloen, Cactus, Sedum und andern Fettpflanzen, oder
in einer weissen oder grauen Behaarung, welche das Chlorophyll
des Zellgewebes nur wenig durchschimmern lässt, wie bei der
"Wollenblume {Verhascum Tapsus L.), der Balvia aethiops jL., der
Salvia argentea Z., einigen Potentillen und Gnaphalien, der Arti-
schoke und als zusammentreffende Extreme bei vielen Alpen-
und Meerstrandpflanzen, z. B. Senecio iyicanus L., Artemisia
glacialis L. nnd maritima L., A.coerulescens L. und Cineraria mari-
tima L. Auch der schöne, sammtartige, blaugraue Schimmer des
Blaublattes {Cyanophyllum speciosum und magnificum) entsteht
durch die Behaarung der an sich grünen Blätter.
Dieses lichte Graugrün auf die Alpen- und Meerstrandi-egion,
Sandwüsten und tropische Felsenberge beschränkend, kann man
im Grossen für den Eindruck der Gesammtvegetation nur drei
Farbentöne annehmen :
1) Das Grasgrün der Saaten und Wiesen, grüngrüngelb,
um 12 c, im lichtarmen Norden vorherrschend, vielgeriihmt im
nebelreichen Albion, an welches sich in Mitteleuropa das Grün
der ausserhalb ihres natürlichen Verbreitungsbezirks unmalerischen
Rebe anschliesst.
— 265 —
2) Das Dunkelgrün der Laubwälder, grüngrünblau, um
14 a, im August culminireud, wenn nach vollendetem Wachstimm
der diessjährigen Blätter sich die Knospen der nächstkünftigen
zu bilden beginnen. Die verschiedenen Baumarten zeigen hier
sehr geringe Abweichungen, oft genaue üebereinstimmung, so
dass man sie aus der Ferne wohl nach ihren 1 mrissen, nicht
leicht aber nach ihrer Farbe unterscheiden kann; endlich
3) Das Schwarz grün der immergrünen Bäume und Sträu-
cher, in den Tropenländern vorherrschend, in Südeuropa durch
immergrüne Eichen (Quercus Jlex L. und Suber L.y, durch Lor-
beerbäume, Vihurnum Tinus Z., Pistacia Lentiscua i>., Cypressen,
Pinien und mehrere andere Zapfenbäume, im übrigen Europa bei-
nahe nur durch die Nadelwälder vertreten, welche die treffenden
Benennungen des Schwarzwaldes, des Harzes, Schwarzenberg,
Montenegro^ Tschernagora veranlasst haben.
Trotz dieser Eintönigkeit der grossen Massen herrscht auch
in der Sommertracht der Pflanzenwelt ausser diesen Gegensätzen
noch, wie bei dem einfarbigen Himmel und Meer, eine unendliche
Mannigfaltigkeit durch den Lichtwechsel der Tai-cs/eiten, die be-
rühmte, unerschöpfliche und fast unerreichbare Stimmung der
Landschaft. Bei Nacht sind alle Bäume, wie nach dem Sprüch-
wort alle Kühe, schwarz, aber schon der Mond bringt silber-
schimmernde Partien in die schwarze Masse, bei anbrechendem
Tage ist die Landschaft einfarbig, aber unaussprechlich schön
ist das Farbenspiel der Morgenröthe und der ihr entsprechenden
Abendröthe mit seinen Uebergängen von weiss durch gelb in
roth, als würde sie durch eine ganze Reihe gefärbter Gläser an-
geschaut, Lieblingsstimmungen der Maler, leider so flüchtig und
so sparsam vorkommend, dass sie nur von sehr begabten Künst-
lern in völhger Treue festgehalten werden können, während an-
dere bald zurückbleibend, bald übertreibend ein Phantasiegebilde
statt der Wahrheit geben.
Einen andern Wechsel der Stimmung bewirkt die Witterung;
bei niederem Barometerstande, bedecktem Himmel und durchsich-
tiger Luft die grösste Eintönigkeit, während bei hohem Baro-
meterstande und heiterem Himmel ein leichter Duft die Abstufungen
— 266 —
des Vor-, Mittel- und Hintergrundes stark hervorhebt, der Nähe
ein dunkleres Grün gibt, die Ferne mit dem lichten Blau der
Meerstrandpflanzen umhüllt.
Andere Farbenabstufungen bildet der Regen, andere der
Wechsel vorüberziehender, nur einzelne Stellen beschattender Wol-
ken, ein schönes Farbenspiel bringen die Strömungen der Luft
durch ümkehrung der Blätter an den sich neigenden Halmen
und Zweigen hervor, die untere Blattfläche ist, weil vom Lichte
abgewendet, wie die untere Seite der Thiere, bleicher als die
obere, wechselt sie nun mit dieser im Spiel des Windes ab, so
zeigen wallende Saatfelder ganz den Farbenwechsel der Meeres-
wellen, ebenso die Bäume, besonders schön die Weiden, am schön-
sten die Silberpappel.
Das Hinzutreten der blauen Farbe zu der ursprünglichen
gelben, die Verwandlung des Xantophylls der Chemiker in ihr
Chlorophyll, hält gleichen Schritt mit dem Athmungsprozesse des
Blattes, der Aushauchung des Sauerstoifes durch die obere Blatt-
fläche im Sonnenlichte; diese Fläche wird um so tiefer grün, je
länger und stärker die Sonne sie bescheint. So ist Sonnenschein
dringendes Bedürfniss der Blätter, und es ist wunderbar, welche
Anstrengungen die Pflanzen machen, um mit möglichst vielen
Blättern das Sonnenlicht zu geniessen; am Rande eines Waldes,
vor Allem am östlichen und südlichen, treiben alle Bäume ihre
stärksten, längsten Zweige und Aeste nach aussen; wird eine
Strasse durch einen Wald gebahnt, so beeilen sich die stehen ge-
bliebenen Bäume, sie zu überwölben, mit ihren Aesten die von
den gefallenen hinterlassene Lücke wieder auszufüllen ; je dichter di-e
Pflanzen stehen, im Druck nennen es die Forstmänner, j€ mehr stre-
ben sie nach oben, entwickeln kräftig ihren Gipfel, während die
unteren, des Sonnenlichts ganz beraubten Aeste absterben, wie
man am schönsten an den stets beschattenden Nadelhölzern und
in den Urwäldern der heissen Zone sieht. Wie so die ganz^
Pflanzen in die Wette einander auszuweichen, das Sonnenlicht zu
gewinnen streben, ebenso die Blätter der einzelnen Pflanzen, sie
stellen sich stets so, dass möglichst viele von der Sonne beschie-
nen werden, die unteren die von den oberen gelassenen Lücken
— 267 —
ausfüllen, kein Sonnenstrahl verloren gehe. Die Zweige, welche,
so lange sie grün sind, das gleiche Bedürfniss haben, unterstützen
dieses Streben; der Winkel, den sie mit dem Stamme machen,
steht im Verhältniss zu der Grösse und Zahl der bald spiral, bald
kreuzständig entgegengesetzt, bald im Kreise gestellten Blätter, und
tritt einmal der Fall ein, dass der Zweig, unfähig die Last der
Blätter und Früchte zu tragen, sich zur Erde neigt, so helfen
sich die Blätter durch Verdrehung des Stiels, um am Zweige eine
verkehrte Stellung einzunehmen, die Unterseite des Blattes der
Spitze des Zweiges zugewendet.
Hängende Zweige sind indessen in der freien Natur eine sel-
tene Erscheinung, in Europa fast nur an der Birke und der Roth-
tanne, seltener an der Weisstanne , in ximerika an Schinus Molle
L. und Amyris polygama Cavanilles, in Australien an den blatt-
losen Casuarinen. Häufiger sind sie ein Kunstprodukt der Gärt-
ner, wie die unnatürliche Hangesche, deren steife, zähe Zweige
nicht einmal durch ihr Gewicht herabgezogen werden, ja selbst
unsere viel besprochene Trauerweide {Salix babylonica L.) dürfte
ein solches, wahrscheinlich in China zu Stande gekommenes Kunst-
produkt sein; sie war den Alten unbekannt, liinne hat sie zwar
für den in der Bibel, Psalm 137 Vers 2 erwähnten und von
Rauwolf Seite 1S2 beschriebenen und Nro. 160 abgebildeten Garb
gehalten, allein der angeführte Psalm sagt von dieser Weide nichts,
als dass sie am Wasser wachse, was bei vielen Weiden der Fall
ist, und dass die Juden ihre Harfen daran hingen, wozu die
Trauerweide am wenigsten passt; nach Rauwolf sind ihre Zweige
stärker als die der deutschen Weiden, die Blätter zwei Finger
breit, was wieder nicht passt, und das auffallendste Hauptkenn-
zeichen der Trauerweide, die hängenden Zweige, erwähnt keine der
beiden Stellen. Nach Sprengel hist. rei herbarice /., pag. 270
wäre sie der Garb des Avicenna, allein dieser sagt von solchem
gar nichts, als dass dessen Rinde, Blätter, Blumen als Arznei
angewendet und 'eine der besten Sorten Borax darauf gesammelt
werde, was Alles nicht auf die Trauerweide passt.
Gegenwärtig ist die Trauerweide über die ganze gemässigte
Zone von Asien, Europa und Amerika, von Japan bis zum Missisippi
— 268 —
verbreitet, allein nirgends -wild, der Umstand, dass es überall nur
weibliche Blume sind, lässt vermuthen, dass sie nur die unermess-
liche Verm3hrung eines einzigen Baumes durch Stecklinge sind,
und der Mangel an Samen, durch welche der Baum [zu seiner
Stammart zurückgeführt werden könnte, schneidet jede Möglich-
keit einer Widerlegung oder Bestcätigung jener Vermuthung ab.
Ob die Cypressen mit hängenden Zweigen (Ciqyressus pendula
Tli'xnh. aus Japan und C.glauca Lam. aus Goa) naturwüchsig oder
Kunsterzeugnisse sind, getraue ich mir nicht zu entscheiden.
3) Herbstracht.
Hat die Pflanze ihren Lebenslauf von der Keimung bis zur
Reifung der Frucht, bei den Bäumen vom Aufbrechen der Knospe
bis zur Ausbildung der nächstjährigen, vollendet, so beginnt
das Athmen der Blätter abzunehmen, und mit der Abnahme der
Saaerstoffaushauchung hält das Abnehmen der blauen Farbe glei-
chen Schritt: hat erstere ganz aufgehört, so ist auch die letztere
gan^ verschwunden, die Blätter kehren, die ältesten zuerst, zur gel-
ben Farbe der Kindheit zurück, der ^Yind, der ihr ganzes Leben hin-
durch bald sanft, bald unsanft, mit ihnen gespielt hat, löst sie fort-
spielend von den schwankenden Zweigen ab und legt sie in's Grab.
Diese gelbe Farbe ist aber selten rein, unter 126 von mir
beobachteten Fällen zeigten nur in 15 die Blätter ein reines Gelb,
9 b bis g, drei ein mittleres Gelbgrüngelb, 10 c und e; wäh-
rend sich nehmlich die in den inneren Zellen enthaltenen Chloro-
phyllkörner wieder in Xanthophyllkörner umwandeln, nimmt der
wasserhelle Zellsaft eine rothe Farbe an , und da beide Farben
neben einander auftreten, so entsteht oft an einem und demselben
Blatte , immer im Gesammteindruck der Herbstlandschaft , eine
unendliche Mannigfaltigkeit von Farben, welche sich im auffallend-
stea Gegensatze zu der Einförmigkeit des sommerlichen Grüns
der Fülle der Farbenabstufungen der Blumenblätter anschliesst.
Ich beobachtete in 108 Fällen 43 Farbenstufen und Töne,
am häufigsten, in 12 Fällen, ein mittleres Orangegelb 7 e , in
10 Fällen ein mittleres Gelborangegelb 8 d. Die äussersten
— 269 —
Grenzen dieses dreizehn Stufen umfassenden Farbenspiels waren
ein mittleres Gelbgrtingelb , 10 e bei der schwarzen Maulbeere
und bei Cydonia japonica Fers, und Violettviolettroth bei der
Gichtrose, 22, a, und dem Wasserholder {Viburnuni Opulus L.)
22 c, es beginnt also die Reihe dicht an der Grenze des Blatt-
grüns, ohne je auch nur den halben Weg von Rotli zu Blau in
der violetten Farbe zu erreichen.
Dafür, dass diese rothe Färbung durch starkes Licht bei nied-
riger Temperatur enstehe, habe ich entscheidende Beweise er-
halten. Die gelbe Farbe der sterbenden Blätter tritt um so rei-
nei- und lichter auf, je tiefer im Waldschatten der Strauch steht
oder je mehr diese Blätter von den andern desselben Baumes
beschattet und verdunkelt werden. Die oben als die äusserste
Grenze gegen Grün erwähnten Blätter der schwarzen Maulbeere
und der japanischen Quitte waren ganz vom Sonnenlicht abge-
schnitten, an einem grossen, von kleineren Obstbäumen umgebenen
Birnbaum färbten sich alle Blätter der unteren viel im Schatten
stehenden Zweige lebhaft gelborangegelb 8 e, die der oberen im
vollen Sonnenschein stehenden dunkel violettroth 23 a; an dem
amerikanischen Epheu {Ämpelopsis hederacea Dec.) an der Mittags-
seite einer Gartenlaube hatte sich ein Blatt dicht über das an-
dere gelegt, das ganze obere Blatt und die hervorschauenden
Theile des unteren hatten im Herbst die gewöhnliche tiefe Kar-
minfarbe 24 a b, dieses beliebten Strauches angenommen, als
ich aber das obere wegnahm, zeigte das untere, so weit es bedeckt
gewesen war, eine scharf begrenzte lichtgelbe Farbe 8 f.
Dieses bunte, schöne Farbenspiel der Herbstblättor tritt am
lebhaftesten im wärmeren Theile der gemässigten Zone auf, z. B.
im südlichen Jiluropa, wo die Holzpflanzen mit abfallenden Blät-
tern im Mittelpunkt ihres Verbreitungskreises, ungestört ihren
jährlichen Lebenslauf vollenden können. Dem Wendekreise nähert
sich dieser Trachtenwochsel um so mehr, je continentaler oder
ostküstiger die Temperaturen sind. So schildert Fortune *j die
*) Robert Fortune's Wanderungen in China während der Jahre 1843
bis 1815^ nebst dessen Reisen in die Theegegenden Chinas und Indiens
1848 bis 1851, aus dem Englischen übersetzt von Dr. J. Th. Zenker.
Leipzig 1854. 8 0.
— 270 —
Herbsttracht auf Kintang (der Silberinsel) an Chinas Ostküste unter
300 nördlicher Breite mit folgenden Worten: Ein ruhiges und schö-
nes Thal lag zu meinen Füssen, hie und da sah man eine kleine
Bauernhütte, und das ganze Thal war auf allen Seiten von reich mit
Sträuchern und Bäumen bekleideten Hügeln umschlossen. Es war
ein schöner Herbsttag und viele Blätter waren schon roth und
gelb gefärbt, die des Talgbaums (Stillingia sebifera Michx.) und
eines Ahorns hatten eine leuchtende blutrothe Farbe angenommen,
andere waren beinahe weiss, und der Abstand zwischen diesen
Farben und dem dunkeln Nadelholze machte einen höchst eigen-
thümlichen Eindruck, während Büsche von schönem Bambus und
der Sing, eine Fächerpalme {Chamcerops excelsa Thunb.^ die nörd-
lichste Palme in Ostasien wie Chamcerops hamilis L. in Europa)
der Landschaft einen tropischen Charakter gaben.
Je weiter man dagegen nach Norden geht, je grösser wird
die Zahl der Pflanzen, die sich der Polargrenze ihrer Verbrei-
tung nähernd oder künstUch über dieselbe noch hinaus versetzt,
mitten in. ihrem Sommerleben vom Herbstfroste überrascht, eines
gewaltsamen Todes sterben. So sah ich bei Trient Ende Octo-
bers die Abhänge der Berge vom dichten Gebüsch des Perüken-
baumes {Rhus Cotinus L.) glühend roth gefärbt, in Stuttgarts
Gärten aber fielen die von den Octoberfrösten getödteten Blätter
in voller grüner Sommertracht ab. Auch die Thränen weide und
der Flieder {Syringa vulgaris L.) erinnern durch ihren Uebergang
zum Tode ' ohne vorgängiges Erbleichen an ihre Herkunft aus
wärmerer Heimath, und wie viele unserer Gartengewächse fallen
im Herbste bald früher, bald später, ohne Farbenwechsel dem
Froste zum Raub, wie die Sonne an trüben Tagen ohne Abend-
roth von uns scheidet.
Innerhalb der Wendekreise fällt mit unsern Jahreszeiten auch
die deutliche Trennu^ig einer Frühlings-, Sommer- und Herbst-
tracht der Pflanzenwelt weg, an die Stelle des Wechsels der ge-
mässigten Zonen tritt dort der einfachere der nassen und trockenen
Jahreszeit; erstere mit der Sonne im Zenith, dennoch durch
die ungeheure Wassermasse tropischer Regen, w^elche die Tempe-
ratur der oberen xitm' -^ph^re der unteren zuführen, weniger heiss,
— 271 —
wird der Sommer genannt, weil die Zeit der raschesten Ent-
wicklung der üppigen Vegetation, letztere der Winter, weil der
Wassermangel ähnlich dem Froste wirkt, es ist für die organische
Natur gleich schlimm, wenn das Wasser als Wasser fehlt, ob es
zu Dampf verflüchtigt oder ob es zu Eis erstarrt sei.
Mein Sohn Eduard schildert mir in seinen Briefen aus
Ostindien einen solchen tropischen Winter. Es ist gegenwärtig
(19. Januar) hier in Siam, etwa 13 <* Nordbreite, Winter; ein
frisch angekommener Europäer wird es freilich nicht einsehen,
wenn ihn die Hitze schon um 9 Uhr Morgens nach Hause treibt,
wenn er den Staub der Strassen, das Grün der Wälder, die
Menge reifer Orangen, Bananen und Cocosnüsse sieht, Schlangen
und Eidechsen im Hause umherlaufen und er im Kalender eine
Mitteltemperatur von 20 ^ R. für diesen Monat findet ; aber
bald fällt ihm eine Reihe grosser Bäume auf {Plumieria acuminata
Alton) voll weisser Blüthen an den Spitzen der glatten dichoto-
mischen Aeste, ohne alle grüne Blätter oder mit solchen, die eben
gelb 11 b aus den Knospen hervorbrechen, er denkt an unsere
Obstbäume und glaubt sich im Frühling: dann sieht er die er-
bleichenden, oft schön gelben g e Blätter der durstenden Bana-
nen, einzelne rothe Blätter an andern Bäumen und denkt: es ist
Herbst. Die Knospen sind auch hier gelb, die sich entwickelnden
Blätter gehen durch Aufnahme von Blau stufenAveise von 11 b
und 12 b in das tiefe satte Grüü 13 a der gleichzeitig vor-
handenen, im Ton der Landschaft vorherrschenden alten über,
diese wieder nicht gleichzeitig, sondern nach und nach einzeln in
unsere Herbsttracht, so dass alle drei Trachten an den meisten
Bäumen gleichzeitig vorhanden sind. Gelb gewordene Blätter
habe ich an Musa paradisiaca L. , Carica Papaya Z., einigen
Bambusarten und einigen andern Bäumen bemerkt, rothe und
zwar schön vermillion nur an Einem Baume mit grossen , etwas
wolligen Blättern, an diesem aber sehr häufig; abgefallen findet
man dann auf dem Boden vielerlei Abstufungen von Roth 1 b
zum gewöhnlichen Hellbraun des verwelkten Laubes, so reichen
sich Frühling und Herbst hier die Hand.
— 272 —
Von Bukit Tima, dem Aequator näher, schreibt er: Blätter,
die erst mit dem Alter roth werden, tinde ich hier nicht viele,
doch einige, namentlich die grossen Blätter der Terminalia Catappa
L., dann einer Melastoma. Die Farbe ist eine andere, als die
der jnngen rothen Blätter, mehr scharlachroth, 1 b, 2 c, 3 d.
Diese Gleichzeitigkeit der verschiedenen Trachten kann man
auch bei uns an tropischen und subtropischen Pflanzen in Ge-
wächshäusern beobachten, besonders an solchen, welche im
Sommer in's Freie gestellt werden. So fand ich den 8. Juli 1861
an einer jungen cac?a Aiophantha Willd. aus Neuholland den Stamm
trüb braunroth 23 a, das noch' geschlossene Blatt 6 c. eiu
junges schon offenes Blatt gelbgrün 12 c mit purpurnem 23 b
Baume an der untern Seite der Blättchen, während ihre obere,
im Schiat geschlossene und geschützte Fläche ganz grün war.
Aeltere Blätter befanden sich in voller Sommertracht, lebhaft
grün 13 c. das unterste, absterbende Blatt endlich war röth-
lich-gelb 8 c mit tiefrothem Saume 1 a.
Die Herbsttracht der Blätter erhält sich im Freien nur so
lange, als noch etwas Leben in ihnen ist, ganz todt verfallen sie
der allgemeinen braunen Farbe der Pflanzenleichen, im Trockenen
erbleichend, in der Nässe verdunkelt bis zum Schwarzbraun des
Humus; schnell für das Herbar getrocknet erhält sich aber die
rothe und noch mehr die gelbe Farbe dieser Herbsttracht viel
besser, als das leicht in Braun, zuweilen, wie bei den darnach
benannten Cytisus nigricans L. und Orohus niger L., auch bei
vielen Rhinanthaceen selbst in Schwarz übergehende Grün der
Frühlings- und Somm.ertracht.
4) W i n t e r t r a c h t.
Unser berühmter von Mohl hat auf einen periodischen, mit
jedem Winter bei ausdauernden Blättern sich wiederholenden
Farbenwechsel aufmerksam gemacht, indem sich die gelbliche
Wintertracht solcher Blätter mit kommendem Frühling wieder
in die sommerliche grüne Farbe umwandle, und nachgewiesen,
dass hiebei das Chlorophyll selbst seine sattgrüne Farbe einbüsse
und eine gelbliche annehme.
273
Der ausgezeichnete Handelsgärtner Hvass in Stuttgart ver-
sicherte mich ebenfalls, dass die im Winter braunen Nadeln der
Coniferen im Sommer wieder grün werden.
Mein Freund von Kurr hatte die Güte, mich am 23. Febr.
1861 nach einem strengen Winter, in welchem wir eine Kälte
von mehr als 20^ R. unter Null überstanden hatten, in den Gar-
ten des Herrn Gutsbesitzers Klein einzuführen; den 31. Juli des-
selben Jahres wiederholten wir diesen Besuch, und ich erhielt
mit Hinzufügung der in andern Gärten und im Walde gemachten
Aufzeichnungen folgende Ergebnisse :
Farbe immergrüner Blätter im
Sommer.
Neue.
Alte.
Winter.
Geschützte. BlosgesteUte
Abies excelsa Dec i 11 e.
— pectinata Dec. . . . 11 e.
Buxus sempervirens L. . . 12 b.
Calluna vulgaris Salisb.
Cryptomeria japonica Don . 11 d.
Hex Aquifolhim L. , .
Juniperus communis L.
— Sabina L.
— virginiana L. . , ! 13 d.
Mahonia Aquifolium Nutall. . 11 c.
Pinus austriaca Trattinik . 13 c.
— balsamea L 11 c.
— canadensis Aiton.
— coerulea Loddiges
— Pinea L 15 d.
— Pinsapo Steudel.
— Pumilio Haenke. . . 12 b
— Sabiniana Douglas
— Strobus L IIb. c.
— sylvestris L. . .
Taxus baccata L. . .
Thuja aurea Hort 11 a,
— compacta Hort. . , . 11 a.
— occidentalis L. . . . 12 b.
— Orientalis L. . .
— : Wareana Hort. .
Wellingtonia gigantea Hort.
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1862. 2s Heft.
12 a.
13 a.
12 a.
12 b.
12 b.
13 b.
15 e.
13 a.
14 b.
11 a. b.
13 a.
13 a. b.
12 c.
Uc.
14 b..
13 a.
12 a.
15 d.
42 a. b.
13 c.
13 a. 14 a.
11 b.
13 a.
12 a.
13 a.
12 b.
11 a.
12 b.
13 b.
8 c.
13 a. b.
3 b.
13 c.
12 c.
10 c.
14 a.
12 b.
10 a.
12 a.
1 a.
2 a.
4 a.
Iabis2a.
2 a.-
1 a.
1 a. b. c.
0 c.
13 a. b.
8 b.
3 b.
12 c.
10 a.
7 a.
1 a.
1 a.
2 a.
1 a.
2 a.
18
274
Es hatten sich nehmlich im Winter die Blätter an einer und
derselben Pflanze sehr verschieden gefärbt, die innersten, am
meisten durch die äussern bedeckten und geschützten hatten ihre
Sommerfarbe wenig oder gar nicht verändert, die äussern aber
sich um so mehr durch Verlust von Blau und Hinzutritt von
Roth geröthet und gebräunt, je mehr sie dem Sonnenlicht, der
Kälte, dem Thau und Reif ausgesetzt waren und je wärmer die
natürliche Heimath der Pflanze war.
Dieses Braunwerden der Nadelwaidungen und der Heiden
gibt im Norden, noch erhöht durch den Gegensatz des Schnees,
der Landschaft im Winter die ernste, dunkle Stimmung, welche
in südlicheren Gegenden die trockene Hitze des Spätsommers
bewirkt.
Dass diese Farbenveränderungen lediglich in der Temperatur
ihren Grand haben, die Folge trockener Kälte bei starkem Lichte,
bei uns der Ostwinde sind, beweist der Umstand, dass die Arau-
carien und Cupressus pendula Thunb. im Winter im Gewächshause
lebhaft grün 12 c waren, im Mai aber in's Freie gestellt sich
rötheten und so die umgekehrte Erscheinung durch die gleiche
Ursache hervorgebracht wurde.
Im Allgemeinen waren stark geröthete Nadeln verloren und
fielen im Frühling ab oder vertrockneten, schwach gebräunte aber
wurden im Sommer wieder grün.
Wie oft sich dieser Wechsel wiederhole, darüber sind mir
keine Beobachtungen bekannt geworden, ich selbst fand an der
Kiefer oder Forche, die Zwischenräume des Stammes zwischen
den Astkreisen als Jahre gezählt, 4 — 5jährige Nadeln, aber keine
älteren.
5) Farbige und bunte Blätter.
Wir haben gesehen, dass die Blätter in der Kindheit und im
Alter gelb und roth sind, auch haben kränkelnde oder, wie die
Gärtner sagen, zurückgehende Pflanzen oft die Bleichsucht und
gehen vor der Zeit von grün in gelb zurück, aber in voller
Kraft und. Gesundheit, in der Sommertracht, sind die Blätter
weitaus überwiegend grün. Indessen fehlt es in der freien Natur
— 275 —
nicht an zahlreichen Fällen andersfarbiger Blätter, und die uner-
müdlich nach Neuigkeiten und Sonderbarkeiten strebenden Han-
delsgärtner haben von uralten Zeiten bis auf heute, von Jeddo
und Peking bis Paris und London ihre ganze Kunst aufgeboten,
um die Pflanzenliebhaber mit nicht grünen oder buntblätterigen
Pflanzen zu versehen. Allein das Blau lässt sich von einem ge-
sunden Blatte nicht leicht verdrängen, das Gelb gar nicht, es
gibt daher keine weissen und keine blauen Blätter, sehr wenig
gelbe. Nur die rothe Farbe entschliesst sich leicht zu bleiben,
ohne jedoch die beiden andern verdrängen zu können, daher sie
während der Sommertracht trüb und dunkel bleibt, nur dann in
ihrer ganzen Schönheit auftretend, 'wenn das Blau noch nicht er-
schienen oder schon wieder verschwunden ist.
Kunstprodukte dieser Art sehen wir häutig in unsern Gärten,
so die Blutbuche , deren jüngste Blätter im Sonnenschein das
schönste Karmin 24 a durchschimmern lassen, während die äl-
teren an der oberen Fläche beinahe schwarz, an der unteren bei-
nahe violett 22 a gefär])t sind, der rothe Wunder1)aum {Rici-
7ms sanguüieus Hort.), die indische Melisse (Perilla ocymoides L.)
22 a, das rothe Basilienkraut 22 a, die rothe Gartenmelde
23 b, der rothe Gänsefuss {Chenopodium atriplicis L.) 23 b,
mehrere Amarante {Amarantus sanguineus L., caudatus L., hypo-
chondriacus L., melanchoUcus L., cdropurpureiis Moxb., cruentus L.,
purpurascens Otto 23 a), neuere Spielarten der Cardinalsblume
{Lolelia fulgens Willd.) und des Blumenrohrs (Canna coccinea Äit.),
die rothe Rübe, deren purpurne Blätter 23 a später durch grün
getrübt beinahe schwarz erscheinen und der rothe Kohl; merk-
würdig ist es an den beiden letzten Pflanzen, dass während die
blaue Farbe streng überall fehlt, wo das Licht fehlt, die purpurne
sich auch in der Finsterniss entwickelt, so in der Wurzel der
rothen Ptübe. Bei dem rothen Kohl sind die äussersten freien
Blätter durch grün und durch einen grauen Duft getrübt, die
des geschlossenen Kopfes aber noch lebhafter und schöner pur-
purroth 22 b, als die Farbentafel, die innersten eng zusammen-
gepressten, nie dem Lichte zugänglich gewesenen Blätter sind die
schönsten, am lebhaftesten gefärbten, doch nur in den äussersten
— 276 —
Zellenschicliten beider Oberflächen, niacM man einen Durchschnitt,
so zeigt sich das Innere des Stengels, der Blattnerven und selbst
des Zellgewebes ganz weiss, ohne eine Spur von störendem Gelb
oder Grün.
Eine andere Spielart des Kohls fand ich weisslichgelb 9 h,
nur die Rippe und Nerve purpurroth 22 e, die innersten gelber,
8 f. Eben so hat man Spielarten des kraussen Winterkohls, woran,
nur der krausse Rand grün ist, die innere Fläche rosenroth oder
geljjlichweiss.
Von wildwachsenden Pflanzen mit ganz rothen Blättern habe
ich nur den Drachenblutbaum in Gewächshäusern gesehen, Dracaena
ferrea L. 23 a, Dracaena terminaUs L. 23 b; auch könnte man
die zahlreichen Orohayichen hieher rechnen, deren zu Schuppen
verkümmerte Blätter wie der Stengel und die Kelche roth-
braun sind.
Dagegen gibt es viele Pflanzen, bei denen sich die bleiche
untere Blattfläche röthet, während die obere grün ist, so sehr schön
bei vielen Begonien, z.B. B. orega?ia Hort., kommend oben 10 b,
unten 1 b, erwachsen oben 12 a bis 13 b, unten 23 b bis 24 b,
bei allen Cyclamenarten, z. B. C. europceum L. oben 14 a mit
hellen I*lecken 14 d, unten 22 b, bei Calandrinia glauc.a Schrader
oben 14 c, unten 23 c, bei Anemone Hepatica L. , Tradescantia
discolor Herit.
Oefters wird die obere grüne Fläche der Blätter durch an ein-
zelnen Stellen auftretendes Rothbraun gefleckt, so bei Armm macu-
latumLi., Erythronium Dens canis Ij..^ Orchis macidatalj., Phyteuma
spicatum L., Ranuncidus acris L., Äjuga reptans L. , Sanseviera
guineensis Willd., Oxalis maculata Desf., fuscata Jacq., punctata. L.,
tetraphylla Cav., Medicago maculata Willd., Hypochoeris maculata
L. Bei Pelargo?iiu7n zonale L. und einigen andern hat der roth-
braune Flecken die Gestalt eines Gürtels oder Halbkreise, bei
Trifolium pictum Savi die eines Pfeils, bei Polygonum Persicaria
L., lapatliifolium L., tenuiflorum Spr. die eines Halbmondes, bei
Coleus Blumei Bentham und Coleus Verschaffelti Hort, aus Java
die eines Dreieckes. Bei allen diesen Pflanzen sind die Flecken
an jungen Blättern am dunkelsten, aber nicht sehr beständig,
— 277 —
treten zuweilen gar nicht auf und verschwinden oft auf den
erwaclisenen BHtttern.
Ein reines Gelb 9 ist jnir bei normalen Blättern nie vor-
gekommen, sie fallen immer der rothen oder der blauen Farbe
zu, am nächsten kommt ihm eine ziemlich unbeständige Spielart
des Riesenkürbisses (Cucurbita maxima Duchesne)^ an welcher
Stengel, Blätter und unreife Früchte lebhaft gelb-orange-gelb
8 e gefärbt sind.
Nicht häufig, weil leicht ausartend und durch Verschwinden
der rothen, der gelben oder dieser beiden Farben zum normalen
Grün zurückkehrend, aber doch wohl bekannt ist das Tausend-
schön oder die Papageifeder, dessen Blätter der Quere nack
scharf abgetrennt, gegen den Stiel tiefroth 1 a, in der Mitte licht
orangegelb 7 f , gegen die Spitze grasgrün 12 c sind. Es scheint
eine sehr alte Erfindung der Chinesen und von China schon
frühe über Ostindien und Arabien nach Europa gekommen zu
sein. Sprengeis Annahme, dass es die- Gromphena alternis viri-
dibus foseisque per caulem foliis des Plmius hist. nat. Lib. 26,
cap. 7 sei, ist zwar unsicher, sicher dag"egen, dass es die Gelisia
der im Jahr 1180 verstorbenen Aebtissin von Bingen, Hildegard
(Physica 2, 153) -ei, das grün, roth und gelbe Kraut fühi't
nämlich in Spanion den Namen Celosia, Eifersucht, Fleur de
Jalousie in Frankreich, welchen Linne durch Verwechslung auf
den ächten Amarant {Celosia cristata L.) übergetragen hat, der
getrocknet seine Gestalt und Farbe behält, während er unpassend
das vergängliche Tausendschön Amarantus tricolor, den dreifar-
bigen Unverweiklichen, genannt hat.
Blätter mit helleren Flecken kommen an wilden Gewächsen
noch häufiger vor, als solche mit dunkleren Flecken, meistens
sind aber die Flecken nur lichter gefärbte Stellen in gleicher
Farbenstufe, so bei Ranuuculus repeiis L. 12 a mit 12 b gefleckt,
bei dem Wiesenklee 12 a mit 12 c, Trifolium repens L. 11 a
mit 11 g, mehreren andern Kleearten, dem Gartenmohn, der
Wachsblume (Ceriiithe minor L. und alpina Kit) 13 c mit 13 f,
der italienischen Katzenmünze (Nepeta italica L.y*, einer Taub-
nessel, Lamium maculatum L., 11 a mit 11 h Flecken; auch diese
— 278 —
Flecken sind an den jüngsten, den Frühlingsblättern am deut-
lichsten und verschwinden oft gegen den Sommer.
Beständiger sind die lichten Flecken mehrerer Aloen, z. B.
bei Aloe acinacifolia Jacq. 13 c, die Flecken 13 g, dann die
Warzen, bei Aloe Radida Jacq, 15 h auf dunklem 15 b Grunde,
ebenso bei A. margaritifera Alton und A subfasciata Sahn Dyck.
Auch die Blätter sind beständiger, auf welchen die lichten
Flecken netzartig den Blattrippen folgen, wie bei Arum italicum L.,
Saxifraga sarmentosa L., einigen Abarten des Kürbisses, Cucurbita
polymorpha Duchesne 13 a und f, Carduus leucographus L., der
in Roms Campagna häufigen, in deutschen Gärten leicht ver-
wildernden Mariendistel {Carduus marianus L.), deren milchweisse
Flecken 13 g auf 12 c eine alte Yolkssage der von Maria auf
der Flucht nach Egypten verschütteten Milch zuschreibt.
Es ist der Kunst der Gärtner gelungen, bei einer grossen
Zahl von Pflanzen Spielarten mit Gelb bis elfenbeinfarbig 9 h
gefleckten oder am Rande eingefassten Blättern, wie sie im
wilden Zustande oft im Herbst oder an kränkelnden Pflanzen
einzeln vorkommen*), hervorzubringen, doch können diese pana-
schirten Pflanzen nicht durch Aussaat, nur durch Wurzeltheilung,
Ableger, Stecklinge oder Propfen vermehrt werden, kommen also
nur bei ausdauernden, am schönsten bei immer grünen Gewächsen
vor. Eine in den Jahresheften des Yereins für vaterländische
Naturkunde, Jahrgang 1854, S. 30 angegebene Ausnahme, dass
sich eine Rosskastanie mit panaschirten Blättern auch durch Aus-
saat erhalten habe, bedarf noch sehr der Bestätigung.
Beispiele solcher künstlich hervorgebrachten Pflanzen mit
hellgefleckten Blättern sind unter den Dicotjdedoneen:
Acer Negundo L. 12 b mit 10 g.
Aesculus Hippocastanum L. 12 a mit 8 e.
Aphelandra Leopoldii Hort.
Aucuba japonica L. 12 b mit 8 g.
Boßhmeria argentea Hort,
*) Weinmann hat in seiner Phytantoza-Jconographica 14 dieser
Pflanzen abgebildet.
— 279 —
Buxus sempervirens L. 12 a mit 7 f oder mit 9 h gefleckt
oder umsäumt.
Coronilla vakntina L. 13 d mit 9 f.
Evonymus japonicus L.
Fagus sylvatica L. 13 a mit 9 e.
Hedera Helix L. 13 a mit 9 f oder 9 h.
Hydrangea japonka Siehold.
Hex Aquifolium L. 13 b und 9 f.
Ligiistrum vulgare L. 13 a und 8 g.
Lonicera Caprifolium L. 13 c und 9 f.
Myrtus commmm L. 14 e mit 8 g oder mit 9 h.
Pelargonium marginatum Willd. 11 a, margine lÖ g.
Rhammis Akiternus L. 13 a mit 8 e oder 9 h umsäumt.
Salvia officinalis L. 15b mit 10 e oder 9f oder 9 g umsäumt.
Sambucus nigra L. 12 a mit 10 li.
Sempervivum arhoreum L. 12 d mit 23 g umsäumt, das sich
am Rande zu 23 e verdunkelt.
Thymus SerpyUum L. 12 b mit 8 e.
,, vulgaris L. 13 d init 9 e.
Vinca major L. 12 a und 10 f.
,. i^osea L. 12 a und 12 h.
Witheringia pogonandra Hort.
Bei den Monocotyledoneen reilien sicli in Folge ihres Baues
mit meist geringer Breite und parallelen Nerven, die lichten
Flecken wie die Blattpilze zu schmalen langen Bändern, so be-
sonders schön' bei dem allgemein beliebten und verbreiteten
Bandgras {Phalaris arundinacea p' picta L.) 12 a bis 13 b, ge-
bändert mit 8 g bis 9 h und in Stideuropa bei dem noch schöneren
Bandrohr (Ärundo Donax L.) 14 e und 8 h; da die Monocoty-
ledoneen keine abgegliederten Stiele und aus diesem Grunde keine
abfallenden Blätter haben, so laufen die Bänder bei diesen Grrä-
sern ununterbrochen an der Blattscheide bis zum Knoten herab,
bei einer gebänderten, der Blüthe nahen Agave americana L. im
botanischen Garten zu Neapel sah ich die Bänder 8 g auf 15 b
ununterbrochen am Stamm herablaufen, bis sie auf ein anderes
Blatt trafen.
— 280 —
Ebenso verhält es sich mit den gebänderten Blättern bei
dem goldgestreiften Blumenrohr, Canna aureovittata Loddiges, der
Kaiserkrone (FritÜlaria imperialis L.^, der Maiblume IIa mit 10 g
und der 12 a mit 12 h gestreiften Plectogyne variegata Hort. Eine
Schwertlilie fand ich 13 c mit 11 Ti gebäudert und gesäumt, bei
der Tradesca7itia vittata Hort., einer panaschirten Spielart der
Tr. discolor Heritier, ist die Unterseite der Blätter schön purpur-
roth mit durchscheinenden hellen Längsstreifen. Die Blätter der
Yucca rufoclncta Haworth sind dreifarbig gebändert, in der Mitte
grasgrün 12 c, zu beiden Seiten weissgrün 12 h und am Rande
lichtkarmin 24 c umsäumt.
Diese lichten Flecken und Bänder dürften Stellen des Blattes
sein, an welchen das Chlorophyll in den Zellen sparsam vorhanden
ist, ganz weisse, also chlorophyilleere Blätter hat man aber nicht
zu Stande gebracht, die sogenannten weissen Abarten der Gai ten-
melde (Atriplex hortensis 1j. ß albaj 11 e und des Mangolds fBeta
vulgaris ß alba Bauhin) sind nur heller grün, wie Atrij)leT alba
Scopoli, Tilia alba Michaicx, Abics alba Poiret, Basella alba L.
und manche andere.
Nach Courtin (Grartenzeitung I, 90) ist die Panaschirung
beständig, wenn sie sich gleichmässig am Rande der Blätter zeigt,
veränderlich aber, wenn sie nur als zerstreute Flecken erscheint,
wovon nur Äucuba japonica L. eine Ausnahme mache, deren
unregelmässig gefleckte Blätter doch nie ganz grün sind. Mit
andern Worten dürfte man dieses Gesetz dahin ausdrücken, dass
die Flecken und Streifen der Blätter um so unbeständiger sind,
je unregelmässiger sie auftreten.
Y. Die Nebenblätter.
Die Nebenblätter (stipulaej^ welche bei einer grossen Zahl
dicotyledonischer Familien vorkommen, bei den monocotyledo-
nischen aber fehlen und eben so häufig durch Blattscheiden er-
setzt werden, haben die Bestimmung, die Blätter in ihrer frühesten
Jugend zu beschützen, gehen daher denselben in der Entwicklung
voraus und entwickeln sich nicht weiter oder fallen ab, sobald
281
das Hauptblatt herangewachsen ist, in der Farbe unterscheiden
sie sich nicht von den Blättern, höchstens sind die schuppen-
förmigen bleicher, von der Farbe des Blattstiels.
\I. l>ie Deckblätter.
Die Deckblätter (hracteae) sind im Fortschreiten der
Pflanzenmetamorphose vereinfachte und verkleinerte Blätter, welche
die noch schlummernden Biüthen auf gleiche Weise schützen, wie
die Schuppen die Knospen und die Nebenblätter die Blätter,
sich also aucli ebenso vor den Biüthen entwickeln und stehen
bleiben oder abfallen, wenn die Reihe der Entwicklung an die
Blumen kommt. Bei den Monocotyledoneen treten sie häufig als
Scheiden (spathae) auf, so bei allen Palmen und vielen Li-
liaceen.
Ihre Farbe ist gewöhnlich die der Blätter, dasselbe Grün,
und wenn die Blätterfarbe durcli roth getrübt ist, dasselbe Roth,
so bei Perilla ocymoides L. Die Farbe der künftigen Blume
kündigt sich aber häufig im Voraus an, oft schon am Stengel,
wie bei den Kartoffeln, Dahlien, Fuchsien, Heliotropien, der dun-
kelrotheu Cardinalsblume' '{Lobelia falgens Willd.) und dem dunkel-
rothen Blumenrohr {Caima coccinea Alt.), weniger an den Blät-
tern, denen grün su sein Bedürfniss ist, stärker aber au den Deck;
blättern, w^elche den Blumen viel näher stehen. Die Deckblätter
sind daher bleicher als die Blätter , wenn die Blumen bleich
sind; so an den Linden die Blätter 11 a, das Deckblatt 11 f,
die Blumenblätter 7 g; bei der Wiesendistel {cirsium oleraceum
Scop.) die Deckblätter lOf, die Blumenblätter 5 g; bei einer Daklia
fand ich die äussersten zurückgeschlagenen Blätter der Blüthen-
hülle dunkelgrün wie die Blätter, 13 a, die inneren angedrückten
hellgelb-grüngelb 10 d, die Blumenblätter hellrosenfarbig 23 g,
am Grunde gelb 9 e. Ebenso sind die Blüthenscheiden der hell-
blumigen Monocotyledoneen häufig bleich, Alllum^ Narcissus, oder
vertrocknend und farblos, Iris pallida Lam.^ bei Arum maculatum
und itcdicuia L. hellgrün-grüngelb 12 g, bei Calla aethiopica und
palustris L. schneeweiss.
— 282 —
Stehen die Blumen in der blaurothen Beihe, so sind häufig
auch die Deckblätter geröthet, ^yie bei den Taubnesseln, der
Stachys alpina Z. , Ajuga reptans und genevensis L. , Origanum
vulgare L. 22 b, Salvia sylvestris L . 22 c, Monarda^ Thymus und
vielen anderen Pflanzen der Labiatenfamilie, in welcher sowohl
Deckblätter als blaurothe Blumen vorherrschen, bei den Astrantie?!,
Ist die Blüthe gelb, so gehen oft auch die Deckblätter in
diese Farbe über, so bei Chrysosple^iium stuienv^eise von dem
tiefen Grüngrüngelb 12 b der Wurzelblätter bis in das reine
Gelb 9e der Blumenblätter, 'bQv Bupleurum protractum Link, ei-
nigen Wolfsmilcharten, Eupliorhia Cyparissias L., verrucosa Lam.,
palustris L. , mehreren Compositen mit vertrocknender Blüthen-
hüiie, wie Gnaphallmn Stoechas L., angustifolium Lam, und splen-
didum Thunh. 8 6, Gnaphalium Orientale L., arenarium L. und
siculura Spr,_ 9 f.
Zuweilen tritt die reinste Farbe der Blumenkrone verfrüht
schon in den Deckblättern auf, so erscheinen an der westindischen
Äjjhelandra cristata R. Br-. Deckblätter, Blumenstiele, Kelch und
Krone vom reinsten Gelb 9 e, an der Brasilianischen Salvia
splendens Ker dieselben Theile vom schönsten Scharlachroth 2 c.
Yf eicht die Farbe des gefärbten Deckblattes von der der
Blume ab, so ist ersteres röther, so bei unserem die Kornfelder
schmückenden Kuhweizen {Melampyrum arvense L.) die Blumen-
kronen violett- violett-roth 22 b und gelb 9 f-, die Deckblätter ganz
von ersterer Farbe 22 c, bei dem Muskatellerkraut (Salvia Sclarea
L.) die Blumen milchweiss 17 g, die Deckblätter licht rosenroth
24 g. Bei heterochromen Compositen vertreten oft die inneren
Blätter der trockenen Blüthenhülie die strahlenden Eandblüthen,
so sind bei Aimnohium alatum R. Br. die Blüthenhülie weiss, die
Büthen 9 e, bei Helichrysum fulgidum Willd. erstere weiss-gelb 9 e,
8 d e, orange 5 c, orangeroth 3 b bis purpurroth 23 a, während die
Blüthen hellgelb 9 f bleiben, weil die Kunst der Gärtner sich
lediglich mit der Hülle, nicht mit den unscheinbaren Blüthen be-
schäftigt hat, ebenso bei den Strohblumen (Xeranthemum annuum
L.y), die man in Gärten mit weisser und purpurröthlicher 23 c,
— 283 —
22 e f bis carminrother 24 b Blüthenhülle bei blassgelblichen
Blüthen antrifft.
Als seltener Fall treten über den normalen Deckblättern der
Blumen an der Spitze des Stengels noch einige Paare blüthen-
loser, grösserer, lebhaft gefärbter Deckblätter auf, welche gleich-
sam die unscheinbaren Blumen vertreten, dieses ist bei Melam-
pi/rum nemorosum L. der Fall, mit kleinen lichtgelben 9 f Blu-
men und licht-violett-violett-blauem 20 f Schöpfe, noch schöner bei
Salviallorminum L. mit violetten 21 b u. g Blumen, hier ist der Schopf
gewöhnlich violettroth 23 e, bei einer selteneren Spielart dunkel-
violett 21 a und getrocknet dunkel violett-blau 19 a, der äusser-
sten Grenze der Deckblätterfarbe von Roth gegen Blau, welches
ganz fehlt, da selbst die schönen Farben der Zweige und Dolden-
Irnllen einiger Mannstreu -Arten nicht über Violett-violett-blau,
Eryngiurn auietliysünum L., planum L. und creticum Lam. 20 c, und
Violettblau , Eryngiinn maritimum L. 19 g, triquetrum Vahl 19 e,
hinausgehen.
Die Deckblätter der Gräser {glumae) haben häufig, wie die
andern Theile der Pflanze, auf der Sonnenseite einen violetten
Anflug, um so lebhafter, je kälter der Standort, so in der
Alpenregion und in Grönland, die der Cyperaceen sind häufig
gelbbraun oder rothbraun, wie bei den meisten Cyperusarten, wo-
von mehrere davon den Namen führen, a, adustus Presl^ auran-
tiacus H. et B., aureus Tenor e, auricomus Sieber ^ badius Desf.^ ca-
staneus Willd., chrysomelimis Link, cinnamomeus Metz, croceus
Vahl, cruentus Rottboell, cupreus Presl, ferrugineus Po\r., flavescens
L. , flavicom'is Michi:, flavidus Retz, flavissimus Schrad., fiavus
Presl, fidvus R, Br., fuscescens Willd., haematodes End,, ochraceus
Vahl, olivaceus Vahl, j)urpurascens Vahl, rubicundus Vahl, rufus
H. B., sanguinevs Balbis, bei vielen Scirpus- und Schoenusarten.
Andere sind beinahe schwarz oder völlig geschwärzt, wie
bei Cyperua fuscus L., atropurpureus P,, ater Vahl, niger R. et
P., melanocephalus R, Br., melanostachys TL et B.^ ustulatus Rieh.,
Schoenus nigricans L. und in der Alpenregion Carex atrata L.,
aterriina Hoppe, atrofusca Steven, nigra Torrey, nigricans Meyer,
während es in Grönland wohl braune, aber keine schwarze Ried-
— 284 —
gräser gibt, weil das Licht nicht hinreichend intensiv dazu ist.
Diese Verdiinkhmg der Farbe, in kalten Regionen auch an den
Insekten, Käfern, Schmetterlingen häufig, begünstigt die Erwär-
mung durch das Sonnenlicht. Andere sind beinahe weiss, wie
bei Cyperus albus Presl, alhidus Retz^ alhostriatus Schind., ccmus
PresI, leucocephalus Retz, leucostachys Wüld., margaritaceus Vahl,
niveus Retz, pallesce7is Desf.^ paUidus Nees, ßchoenus albus L.,
Carex baldensis L., alba ßcop.
Bei vielen Pdedgräsern hat das grüne Deckblatt zwei braune
oder schwarze Striche.
Die Binsen (Juncaceae) verhalten sich ganz wie . die Cype-
raceen, man hat auch einen Juncus castaiieus Smith, fuscoate'f
Schreb., atratus Lam., melananthus Rchb., melanocephahu: Frivaldshy^
eine Luzula spadicea Dec, albida Dec,^ nivea Desv.
Auf ähnliche Weise sind die Deckblätter der kätzchentragen-
den Pflanzen {Amentaceae) häufig braun, um so dunkler, je näher
der Schneeregion.
Merkwürdig ist die Familie der Zapfenträger (Coniferae)
nebst vielen anderen Eigenthümlichkeiten auch dadurch, dass bei
ihr die Deckblätter zur Frucht werden, entweder kapseiartig ver-
trocknend und die grüne Farbe in die des Todes, braun, ver-
wandelnd, wie bei den Tannen, Fichten, Föhren, Pinien, Zirbel-
nüssen, Araucarien, Cypressen und Lebensbäumen, oder selbst
zu einer Beere zusammenwachsend und deren Farben annehmend,
roth 1 c bei dem Eibenbaum {Taxus baccata L.), dunkelroth mit
bläulichem Dufte bei Juniperus macrocarpa Sibth., Oxycedrus
L., phoenicea L., schwarz mit gleichem Dufte bei unserem Wach-
holder, dem virginischen Wachholder und dem Sewenbaum (/.
Sabina L.).
YII. Dei- Kelch.
Der Kelch {calyx) ist der Abschluss des Zweiges oder Sten-
gels und der Anfang der Blume, einer Endknospe, welche statt
weiterer Knospen die Keime getrennter Individuen entwickelt
und so das Wachsthum des alten beschliesst. Er hat daher,
wie die Deckblätter, in der Regel die Farbe der Blätter, vor-
285
herrschend grün, häufig mehr oder weniger geröthet und' zwar
stärker als dieselben, weil das Grün leichter zurücktritt, nament-
lich gerade an seiner, dem Lichte durch die anderen BHithen-
theile entzogenen oberen Seite, so bei allen Pflanzen mit rothen
Blättern, bei mehreren Amaranten 23 a, dem Hahnenkamm 23 a b,
24 a, dem Kugelamarant {Gomphreiia globosa L.) 22 b, den roth-
blühenden Sileneen, z. B. Dianthus carthuslanorum L. 23 d, Lych-
nis diurna Sibth. 23 b, während er bei der nahe verwandten L.
vespertina Sibth. grün bleibt, Lychnis Flos Cuculi L. 23 a, L. Vis-
caria L. 23 c, Saponaria ocymoides L. 23 c, bei vielen Labiaten,
z. B. Origanum vulgare L. 22 b, Thymus Serpyllum L. 22 e,
dann bei Dictamnus Fraxinella Lam. 23 a, Epilobium angustifoiium
L. 22 b, bei der Pfirsche, der Aprikose 23 e, dem Granatapfel
3 d, der klebrigen Robinie 2 b.
Wie bei den Deckblättern, so verursacht auch an den Kelch-
spelzen der Gräser die Kälte eine violette Färbung, so stark in
Grönland, wo Calamagrostis purpurascens R. Br., Dupontia psi-
losantha liupr., Foa ceni^ia All., Agrostis rubra L., Glyceria va-
ginata Lange^ Festuca ovina L., Triticum violaceum Hornemann
21 c und 22 c angeflogen sind.
Auch in anderen Farben schliesst sich der Kelch gern an
die Farbe der Krone an, so sind bei Lopezia miniata Dec. beide
rein roth 1 e, bei Lopezia coronata der Kelch 1 c, die Krone
carminroth 24 b bis f, bei Echeveria secunda Bot. Reg. aus
Mexico der Kelch 2 c, die Krone äusserlich ebenso, innen gelb-
orange-gelb 8 e , bei den Gartenvarietäten des Vanillenkrauts
{Heliotropium peruvianum L.) der Kelch um so dunkler, je dunkler
die Krone, an der Etoile de Nancy bis 20 a; b'ei dem Lavendel
ist die Krone 20 d, der Kelch, weil durch grün getrübt, 20 c,
bei Calamintha alpina Lam. ebenso; blüht dagegen die Pflanze
gelb, so ist der Kelch oft heller als die Krone, so bei dem
Sauerdorn {Berberis vulgaris L.), ersterer 9 f, letztere 9 e, bei
Rhinanthus major Ehrh. der Kelch 11 f, die Krone 9 e, bei
Anthyllis Viäneraria L. der Kelch 9 h, die Krone 9 e, dieses
Wundkraut erhält in den Alpen oft eine rothe Farbe 24 b, (A.
V. ß rubriflora Dec) und dann ist auch der Kelch roth.
— 286 —
Ungewöhnlich gefärbte Kelche sind die weissen der Celosia
argentea L., der Christwnrz {Hellehorus niger L.), der Hydrangea
arhorescens L., der Schneeballen (Viburmtm Opulus L.). Die Kelche
der Hortensia sind anfangs hellgrünlich 11 f, dann heller 11 g,
endlich rosenroth 24 f bis e. Man hat sich sehr bemüht, durch
künstliche Erden blaue Hortensien zu erhalten, aber es höchstens
bis auf Violettblau 19 d gebracht.
Der Kelch der durch ihre zierlichen hängenden Blumen so
beliebt gewordenen südamerikanischen Fuchsien ist schön karmin-
roth 24 b, die Krone dunkehiolett 21 a, Staubfäden und Griffel
wieder von der Farbe des Kelchs; die Kunstgärtner haben sich
viele Mühe gegeben, andere Farben zu erhalten, aber mit ge-
ringem Erfolg, indem man kaum um 2 Stufen gegen gelb vor-
rückte durch 1 c bis 2 d, dagegen gar nicht gegen blau, die
Krone brachte man von 21 a bis auf 2 d und erzielte so statt
eines stärkeren Gegensatzes oft völlige Uebereinstimmung ihrer
Farbe mit derjenigen der übrigen Biumentheiie.
Etwas besseren Erfolg hatte das Bestreben, weisse Fuchsien
zu erlangen, zwar blieb die Krone dunkel, kam nicht über den
Farbenton d in 2 hinaus, aber den Kelch erhielt man durch alle
Töne bis weiss, nur an der Aussenseite etwas grünlich.
Den Hahnenkamm hat m^n nicht weiter gebracht, als von
karminroth 24 a bis eine Stufe über orange hinaus 6 b, c, d.
Die artenreiche, meerliebende Gattung Statice hat trockene,
gelblich-weisse Kelche und schön violettblaue Kronen, bei einer
Art aber, der mittelländischen Statice smuat'a L. kehrt sich dieses
Verhältniss um, der ansehnliche Kelch ist lebhaft violett- violett-
blau 20 d , die Krone gelblich-weiss 9 h.
Bei den einquirligen Dicotyledoneen (ilio^^ocA/^wft/e«?) fehlt die
Krone, die Metamorphose der Blätter springt vom Kelch unmittel-
bar auf die Staubgefässe über, häufig bleibt dann der Kelch
grün, Urticece, Che7iopodecB, mehrere Amaranten und Ampfer, oft
aber sucht er die Lücke dadurch auszufüllen, dass er sich mehr
oder weniger vollkommen kronenartig verdünnt und färbt, am
häufigsten roth, wie bei den Sauerampfern, bei Polygonum Persi-
caria L. 23 c d, Orientale L, 23 c, amphibium L. und Bistorta L.
— 287 —
23 e, Hf/drojjiperh. minus Huch. und mite Sc]ircüik2^ f, vivipariim
L. und Fagopyrum L. 24 f, Daphnc Cneorum L. 23 d, Z). Mezereum
L. 22 b, Sanguisorba offic inal is 1j. 22 a, Empetrum nigrumlj, 22 c,
Anemone pavonina und stellata Lam. 24 b, hepatica L. 22 c, y«/>o-
Tizc« Äo?'^. 22 d, seltener violett, Anemone Pidsatilla L. 21 b, coro-
naria \^. 21 d, hepatica L. 29 c, bei welcher 3 Deckblätter den
Kelch, 5 Kelchblätter die Krone vollständig vertreten , welche
nur in den gefüllten Gartenspielarten durch rückschreitende
Metamorphose der Staubgefässe gleichfarbig auftritt, die Leber-
blume ist zugleich die äusserstc Grenze des Roth gegen das
fehlende Blau, zuweilen weiss, Polygoniim aviculare L., Thesium,
Anemone nemorosa L., narcissißora L., sylvestris L., selten gelb,
Aristolochia Clematitis L. 8 f, Anemone ranunculoides L. 8 e,
Cattha palustris L. 8 e.
Aber auch da, wo sich eine Krone vollständig entwickelt,
schliesst sich ihr oft der Kelch in Gestalt und Färbung so innig
an, dass er selbst von vielen Botanikern nicht von ihr unter-
schieden wird, nur an dem etwas derberen Bau und der Lage
als unterer wechselständiger Quirl noch erkennbar ist. Dieses ist
besonders häufig bei den Monocotyledoneen der Fall, bei denen
als der niedriger stehenden Klasse eine entschiedene Trennung
des Kelchs von der Krone laiige nicht so häufig wie bei den
Dicotyledoueen vorhanden ist. Zuweilen bleibt dieser kronenar-
tige Kelch noch an der untern oder äussern Seite seiner 3 Blät-
ter der Länge nach in der Mitte grün, so bei der wilden Tulpe,
{Tidipa sylvestris L.) 11 d, bei Getliyllis, Hypoxis, den vielen
Arten der gelben und weissen Vogelmilch, Gagea 12 c und Or-
nithogalwn 13 d, welche geschlossen grün, der Sonne geöffnet
goldgelb oder silberweiss schimmern, wie das liebliche Ornitho-
galum umhellatum L., von den Engländern der Stern von Betlehem,
von den Franzosen, weil sich spät der Sonne öffnend, die Dame
der elften Stunde genannt, der gemeinen Zwiebel, 15 c, und
mehreren andern Alliumarten.
Bei den durch keine Scheiden in ihrer Kindheit geschützten
Tulpen haben die 3 Kelchblätter in der Blumenknospe völlig
die Farbe der Stengelblätter, 13 c, zuweilen bleibt eines dieser
— 288 —
3 Kelchblätter bei raschem "Wachsthiim an dem Stengel zurück,
bleibt der Länge nach zur Hälfte grün und nimmt auf der an-
dern Hälfte die bunten Farben der andern 5 Blumenblätter an;
man erhält dann durch diese Missbildung eine höchst klare An-
schauung der Metamorphose der Stengelblätter in Kelch- und
Blumenblätter, indem das Blatt auf halbem Wege stehen bleibt.
Zuweilen nehmen die Kelchblätter mit abweichender Richtung
auch abweichende Farbenstufen und Töne an, wie bei den Schwert-
lilien (/m), meist aber werden sie den Kronenblättern völlig gleich-
farbig, so bei dem Sturmhut {Äco7iitnm), vielen Ritterspornen
(Delphinium)^ bei Trollius^ Clematis, Ati^agene, Nuphar^ der gan-
zen Familie der Liliaceen, AmarT/lUdeen, Asparageen und Col-
chicaceen.
Eine einzeln stehende, aber dieser allgemeinen nahe ver-
Avandte Erscheinung kann man oft in Gärten an Schlüsselblumen
sehen, der Kelch verwandelt sich in eine Krone, die eigentliche
Krone lässt sich dadurch in ihrer Entwicklung nicht stören, und
so entstehen zwei Kronen gleich zwei in einander gesteckten
Trichtern, ich beobachtete diese Erscheinung nur an rother Pri-
mula elatior Jacq, 3 b und 23 c.
Bei den nicht durch Deckblätter geschützten papaveraceen
besorgt ein meist den Blättern, gleichfarbiger, wohl schliessender
Kelch diesen Schutz, fällt aber ab, sobald die Krone erwacht
und sich ihrer Wiege entwindet, die Blume scheint dann nie
einen Kelch gehabt zu haben.
Je mehr dagegen das Deckblatt diesen Schutz übernommen
hat, je weniger betheiligt sich der Kelch daran, er bleibt während
der Blüthezeit in der Entwicklung zurück, um sich später als
Hülle oder Schale der Frucht zu entwickeln, Umhelliferae, Dip-
saceae, Compositae, Evon^miis, Phi/saUs, Nicandra^ oft besorgt er bei-
des zugleich, der obere, die Krone schützende Theil verwelkt dann
mit ihr, der untere bildet sich, Grösse und Farbe verändernd, zur
Schale der Frucht aus, Cucurhitaceae^ Pomaceae, Rosa.
— 289 —
VIII. Die Krone.
Das Blattgrün hat sich in der fortschreitenden Metamorphose
der Pflanze von den Blättern durch die Deckblätter bis zum
Kelche fortgesetzt, hier aber abgeschlossen, um nur zuletzt noch
einmal in der unreifen Frucht wieder aufzutreten, mit ihm endigt
auch die davon untrennbare Aushauchung von Sauerstoff.
Es tritt nun die Blumen kröne (corolla) als zweiter Quirl
{verticillus) der Blumen auf, welche den Sauerstoff einsaugt und
Kohlensäure aushaucht, der Grund, warum Blumen in geschlosse-
nen Bäumen der Gesundheit nachtheilig sind. Da der Krone die
Chlorophyllkörner fehlen, so liegt der Sitz ihrer Farben allein
im Zellensaft, die grosse Durchsichtigkeit der ausserordentlich
zarten Zellenwandungen lässt diese Farben ungetrübt in ihrer
höchsten Vollkommenheit durchschimmern, so dass nur ein Theil
davon. Gelb, Orange, Karminroth, Blau, in der Farbentafel er-
reicht werden konnte, ein anderer Theil, besonders die blaurotheij
Stufen 20 bis 23 unerreiclibar geblieben ist, während umgekehrt
die Farben der andern Pflanzentheile gewöhnlicli von den ent-
sprechenden der Tafel an Glanz und Lebhaftigkeit übertroffen werden.
So tritt die Krone, stets in der Kindheit durch Deckblätter,
Kelch oder beide zugleich geschützt, schnell entwickelt, zart und
leicht in blendender Schönlieit als "iiöchster Schmuck der Pflanze,
als ihr Hochzeitkleid auf, aber flüchtig und durch ihre Vergänglich-
keit eben so berühmt, wie durch ihren Glanz und Wohlgeruch*);
die Eintagsschöne ( Hemer ocallis), welche ihren Namen von dieser
Vergänglichkeit erhielt, theilt solche mit vielen, besonders tropi-
schen Blumen; so öffnet sich die prächtige Blume des west-
indischen Cereus grandifloinis Miller nach Sonnenuntergang, um
sich vor Sonnenaufgang auf immer zu schliessen, die peruanische
Wunderblume {Mirahilis lalapa L.) hält es bei hoher Temperatur
eben so, was ihr die Namen Belle de nidt, Don Diego de noclie^
Fior di notte, Boas noytes (gute Nacht) verschafft hat, welche aus
gleichem Grunde zum Theil aucli einer Winde, Ipomoea Bona
*) Flores vero odoresque in diem gignit magna admonitione ho miyiiLm
quae sjpectatissime ßoreant, cejlerime marcescere. Plin. hist. nat. XXI. 1.
Württejjib. naturw. Jahreshefte. 1862. 2s Heft. 19
— 290 —
fiox L. gegeben werden. Die tropische Stundenblume {mhiscus
mutahilis L.) geht Morgens weiss auf, ist Mittags rosenfarbig,
Abends purpurroth und den andern Morgen verwelkt. Unsere
Leinfelder prangen an heitern Sommermorgen mit vielen tausend
blauen Blüthen, deren Blätter Abends auf dem Boden liegen.
Ungemein kurz ist die Dauer 4er zahlreichen bunten Irideen,
welche die weiten Gefilde des südlichsten Afrikas zwischen den
Winterregen und der Sommerdürre auf kurze Zeit schmücken,
und mehrere haben von dieser Flüchtigkeit den Beinamen erhal-
ten, so Moraea fugax Jacq.^ Viesseuxia fugax Delaroche, Ms fu-
gax Pers., deren Blumen nur eine Dauer von drei Stunden
haben.
Derbe Blumenkronen sind grosse Seltenheiten, so die flei-
schigen der Stapelien, der Wachsblume {Hoya carnosa R. Br.)
und einiger andern Asdepiadeen^ die kleinen der gelben Seerosen
(Nuphar), die steifen der Xüopien, häufiger sind unansehnliche,
verkümmerte, Cardamine impatiens L., Lepidhim ruderale L., Ce-
rastium hrachypetalum Desportes, oft fehlen sie ganz und werden
durch den Kelch ersetzt und vertreten.
Im Sonnenschein sind die Farben der Blumen glühender, die
der blaurothen Reihe, z. B. der durchscheinenden Glockenblumen
(Campanula pyramidalis L., rotundifolia L.. pusilla Haenke) röther,
manche Maler stellen daher die Blumen, welche sie malen wollen,
in die Sonne.
1) Farbenverhältnisse der Blumenkronen in Württem-
bergs freier und Garten-Flora.
Um die Gesetze der Farbenvertheilung in den Blumen zu
erforschen, habe ich die Farben der in Württemberg wild wach-
senden Pflanzen aufgezeichnet; unsere Flora umfasst 1341 Pflan-
zenarten, wovon aber 364 ohne Blumenkrone blühen, es bleiben
sonach- 977 Arten, die in den Bereich dieser Untersuchungen
fallen, da ich jedoch bei diesen die bunten, gefleckten, zweifar-
bigen, wie viele Gorymhiferen, bei jeder ihrer Farben aufgezeich-
net habe und ebenso die Farbenvarietäten, z. B. bei Polygala vid-
— 291 —
garis L. blau, roth und weiss, so ist die Zahl der Farben dadurch
auf 1088 gestiegen.
Sodann habe ich zur Vergleichung und Gegenprobe die Far-
ben von 1200 in Gemüs- und Blumengärten, kalten und warmen
Gewächshäusern gezogenen Pflanzen verzeichnet; hier übersteigt
die Farbenzahl noch weit mehr die der Arten und beträgt 2159,
theils weil man unter diesen aus allen Welttheilen vorzugsweise
ihrer Schönheit wegen eingeführten Blumen mehr bunte, wie
Convolvulus tricolor L., Gilia tricolor Lodd., Schwertlilien und
Gladiolen findet, theils und vorzüglich aber in Folge des Bestre-
bens der Handelsgärtner, neue Farben zu erzielen und in Um-
lauf zu bringen.
So gelangte ich zu folgenden Ergebnissen:
Die gelbe Farbe, von allen die leuchtendste, tritt als Grund-
ton der ganzen Pflanzenwelt in der Blumenkrone sehr häufig auf,
meist ganz rein oder nur um eine Stufe der Nachbarfarbe ge-
nähert, grössere Annäherungen sind seltener, sie zeigt, seitdem
sie mit (^em Zurückbleiben des Chlorophylls sich von der blauen
getrennt hat, nicht die mindeste Neigung, sich mit derselben zu
verbinden, und es ist ein Hauptcharakter der Blumenkrone, dass
sie höcht selten grün ist.
Während unter den 977 Blumen der württembergischen Flora
die rein gelbe Farbe in 253 auftritt, hat schon Gelbgrüngelb mit Vg
Blau nur 20 aufzuzählen, und von diesen haben nur die Spitzen der 3
Ki'onenblätter der Frühlingsglocke, welche, indem sie ihr Weiss an die
3 Kelchblätter mittheilten, deren Grün angenommen haben, eine
etwas tiefere Farbe, 10 d, die anderen bilden eine Reihe von
bleichen, unscheinbaren Blumen, wie die Einbeere {Paris qua-
drifolia L.) 10 e, Astragalus ghjcyphyllus L. 10 f, der Wau und
die gelbe Reseda 10 g, Trifolium ochroleucum L. 10 g, der
Epheu 10 g, Pyrola chlor antha Sw, 10 g, das Beinholz {Lonicera
Xylosteum L.) 10 h, vier Orchideen 10 h.
In der folgenden Stufe, Grüngelb, sinkt die Zahl schon auf
15 herab. Grüngelb blühen unsere Niesswurzarten , Ilellehorus
viridis und foetidus L. 11 b, drei Convallarien 11 d, die seltene
Adoxa moschatellina L. 11 e, fünf Orchideen Hg, die Zaunrübe
— 292 —
11 g, der Kreuzdorn 11 g, Ribes alpinum L. 11 g, der Spindel-
baum 11s ii.
Grimgrüngelb finden wir nur noch bei 4 Blumen, an der
lebiiaft violetten Krone des Solanum Dulcamara L. au der Basis
jedes Abschnittes zwei schön grüne, 12 b, durch einen weissen
Saum von der violetten Farbe getrennte Flecken, die Kroneu-
blätter der zierlichen Schneetropfen haben an der Spitze einen
grünen Flecken, 12 c, Veratrum albumlj. blüht 12 f, Streptopus
amplexifolius Dec, 12 g.
Hier schliesst sich in der württembergischen Flora die An-
näherung der gelben, stets das Uebergewicht behauptenden Farbe
gegen die blaue ab, ein reines Grün und der dreistufige üeber-
gang von Grün zu Blau fehlen gänzlich.
Die rothe Farbe sondert sich in den Blumenkronen nicht
so schroff, wie die blaue, von der gelben ai), die Zahl der gelben
Blumen, welche in der achten Stufe durch V^ roth eine wärmere
-Farbe angenommen haben, 57, beträgt beinahe das dreifache der
grünlichen der zehenten Stufe, 17 haben ^1^ roth, 4 % roth, und
12 stellen sich in Orange zwischen beiden Hauptfarbeu in die
Mitte; '% roth haben, doch nur theiiweise, 5 Blumen, Hypericum'
pidchrum L. und Pedicidaris Sceptrum Carolinum L. 4 c, Gcum
rivale L,, Orohanche ruhens Wallroth und Orohanche minor Button
4 f. Drei andere Orohanchen und die schöne Adonis aestivalis
L., ein Schmuck unserer Getreidefelder, haben ^l^ roth, und 7,
darunter die hübsche Anagallis arvensis L., '/§ roth , es tritt so-
nach in dieser Flora die gelbe Farbe in 253 Blumen rein auf,
in 106 in Verbindung mit roth, in 39 in Verbindung mit blau,
im Ganzen also in 398 Blumen oder % der Gesammtzahl.
Die gelben Blumen gehören überwiegend den helleren Tönen
an, das Braun der tiefsten meidend und sich in den leuchtenden
mittleren Normaltönen e und f am Besten gefallend. Von den
erwähnten 253 Blumen fallen nur 19 auf d, eine auf c, keine
auf a und b, dagegen 175 auf e, 52 auf f, 5 auf g und 9 auf h,
von den 106 der rothgelben Stufen fallen 83 auf die vier lich-
teren Töne, nur IS auf die 4 dunkleren und von den 41 der grün-
gelben Stufen 31 auf die 4 licliteren, 10 auf die 4 dunkleren Stufen.
— 293 —
Bei den 1200 verglichenen Cnlturgewäclisen treten einige Ab-
weichungen von diesen Ergebnissen der freien Flora eines ge-
mässigten Himmelsstrichs auf, es macht sich der Eintluss tropi-
scher und subtropischer Floren geltend und mehr noch das Stre-
ben der Kunst- und Handelsgärtner nach Prachtblumen, blenden-
den und ungewölmlichen Farben und Abbeugungen von dem ge-
wöhnlichen Gange der Xatur.
Die gelbe Farbe tritt hier mächtiger auf, in 656 Blumer,
etwas über die Hälfte der Gesammtzahl, aber von diesen blühen
nur 237, also wenig über ein Drittheil, rein gelb, weil die gelbe
Farbe in Europa nicht, wie in China, die Lieblingsfarbe ist.
Noch weniger beliebt ist die grüne Farbe in den Blumen,
doch duldet man sie an vielen Pflanzen, welche nicht der Blume
wegen cultivirt werden, so an mehreren Bäumen, dem Perücken-
baum (JRhus Cotinus L.) 10 e, dem Tulpenbaum 10 f, Acer laci-
niatwn Duroi 10 f, Acer Xegundo L. 10 g- ^ophor japonicci L.,
welche in Stuttgart die Winterkälte aushält, aber keine Früchte
ansetzt, was sie in Rom tliut, 10 h. Rhus TodcocJendron L.
und typhinum L. 11 f , Ampelopsis hederacea Dec. 11 f, Acer ta-
taricura L. und Gleclitschia triacanthos L. 12 f, bei einigen zu
ökonomischen Zwecken gebauten Gewächsen, wie ein paar Ta-
baksarten {Nicotiana rustlca und panicidcäa L.) 10 f. Petersilien
10 h, Stachelbeere 11 c, Zwetschge 11 g, Rebe 12 f, so dass
sich im Ganzen unter jenen 1200 Pflanzen 50 auf die Stufen 10
bis 14 fallende befinden, der 24. Theil, bei der Flora Württem-
bergs nur der 25.
Sehr auiiallendist dagegen die Vermehrung der Blumen der roth-
gelbeu Reihe in den Gärten, da Orange und Scharlacliroth zu den l)e-
liebtesten Farben gehören, die aus allen Welttheilen lierbei zu
holen und mit der grössten Geduld und Ausdauer künstlicli her-
vorzubringen gestrebt wird.
Wer kennt nicht die Ringelblume {Ccdendida arvensis L.) 6
b c, mit welcher der Italiener seine Todten schmückt, die perua-
nische Kapuzinerkresse {Tropaeolum majus L.) 5 a bis c, die
Feuerlilie 5 b, den Saflor 5 b, wie glänzen die Farben von
Phlornis Leonurus L. 5 c, Gesneria bidbosa L. 5 c, Aquüegia cana-
— 294 —
densis L. 5 c, Asclepias curassavica L. 5 c, Papaver Orientale L.
4 b, Hemerocallis fulva L. 4 d. Pelargonium inquinans L. 3 c bis
2 c, Canna indica L. 2 c, Salvia splendens Ker 2 c, Emilia son-
chifolia Dec. 2 c und Ipomoca coccinca L. 2 d.
So ist es gekommen, dass ich in der Gartenflora im Gegen-
satz zur wilden nicht weniger als 369 Blumen erhalten habe,
welche der rothgelben Reihe 2 bis 8 angehören, mehr als die
Hälfte der ganzen gelben Farbe.
Die gleiche Erscheinung zeigt sich in der Intensität der
Farbe, von den 237 rein gelben Blumen fällt keine auf a bis c,
8 fallen auf d, 154 auf e, 47 auf f, 21 auf g und 7 auf h.
Ebenso fallen von den 50 Blumen der grüngelben Stufen
nur 8 auf die 4 dunkleren Töne, 47 auf die 4 helleren, selbst
die grünen Farben einiger nach denselben als einem auffallen-
den Kennzeichen benannten Blumen, der Aquilegia viridiflora Pal-
las, Correa viridis Fischer, Iloya viridiflora R. Br,, Gonolohus vi-
ridiflorus Nutall, Solanum viridiflorum Ruiz et Pavon, Erica viri-
diflora Andrew, Erica virescens Link, Ixia viridiflora Lam. fallen
alle in die helleren Töne der überwiegend gelben Stufen 10 bis 12.
Nicht so in der gelbrothen Reihe, zwar folgt die gelbe Farbe
in 8 demselben Gesetze, indem von 131 Blumen nur 29 auf die
4 dunkleren, 102 auf die 4 helleren Töne fallen, allein schon in
der folgenden Stufe 7 bei ein Yiertheil Roth theilen sich die 46
Blumen in zwei gleiche Hälften, und von 6 an tritt ein üeber-
gewicht der dunklen Töne immer stärker auf, bis in 2 mit sie-
ben Achtel Roth 51 Blumen auf a bis d, nur 5 auf e bis h
kommen, die tiefen Töne die hohen um das zehnfache übertreffen.
Es ist eine besondere Eigenthümlichkeit der gelben Farbe,
dass sie bei bunten Blumen immer die innerste, tiefste, dem grünen
Kelche am nächsten stehende Stelle einnimmt, so bei der drei-
farbigen Winde, der Ackerwinde, bei allen Vergissmeinnichtarten,
den Löwenmäulern, bei Euphrasia officinalis L., Linum catharti-
cum L., Rosa Thea Hort.^ Ormenis bicolor Cassini, Chrysanthe-
mum tricolor Andr,, Nierembergia gracilis Hooker, den Schlüssel-
blumen, Aurikeln, Narcissus poeticus L., Gladiolus psittacinus Lind-
ley, Tigridia pavonia Pers., Erythronium Dens canis L.; die Ta-
— 295 —
zette S e, Nectarium 8 d, ändert ab mit weissen Blumenblättern,
der innere Becher bleibt aber dunkelgelb 8 d oder wird höch-
stens um einen Ton heller, 8 e, auf weiss hat man ihn nicht
bringen können; bei den Gorymhiferen mögen die zungeuförmigen
Strahlenblüthen jede beliebige Farbe haben, blau wie bei Aster,
roth wie bei Se?iecio elegans L., Erigeron, weiss wie bei Bellis^
Chrysanthemum, Matricaria, Anthemis^ stets sind die röhrenförmi-
gen Scheibenblüthen gelb, beinahe immer rein gelb 9 e, in den
seltenen Fällen einer dunkleren Färbung braun oder dunkelorange,
wie bei Sonvitalia procumhens Lam. 5 a, bei Gazania, Rudbeckia
purpurea L., einigen Astern, getrübt, aber nie ganz der gelben
Reihe entfremdet, ebenso bei den Randblumen der Calliopsis hi-
color Rchh. 8 e, am Grunde 4 a, der Gaillardia aristata Pursh
8 e, am Grunde 3 b.
Die gelbe Farbe der Blumen ist die dauerhafteste und er-
hält sich in Herbarien von allen am Besten, nur wenige haben
die sonderbare Eigenheit, bei zu langsamem Trocknen oder in
feuchten Herbarien grün zu werden, so die Blumen des Schoten-
klee's {Lotus comiculatus L.), der Chlorocrepis staticifolia Griese-
hach, des Arnopogoii Dalechampii L., der Gattung Tolpis, die
gelben Schlüsselblumen.
Bei verwelkenden Blumen steigt die gelbe Farbe gewöhnlich
zu einem tieferen Ton derselben Stufe herab oder macht einige
Schritte gegen Roth, wie bei Gaura mutabilis Cav., welche hie-
von den Beinamen erhielt, bei mehreren Nachtkerzen {Ceiiothera
suaveölens L., hienriis L. etc.) aufgehend 9 e, welkend 3 c; bei
einigen Kleearten gehen die Blüthen schön goldgelb auf, ver-
trocknen dann ohne einzuschrumpfen, nehmen aber eine dunkel-
braune Farbe an, so geht Trifolium agrarium L. von 9 d in 7
0 über, Trifolium hadium Schreher von 8 e in Zimmtbraun 7 a,
Trifolium spadiceum L. von 9 e in ein tiefes Schwarzbraun; bei
Aster mutabilis L. ist die Scheibe aufgehend 9 e, welkend 3 a,
die weissen Blumenblätter der Rosskastanie haben in der Jugend
am Grunde gelbe Flecken 8 e, welche alternd in karminroth 24,
b übergehen, was den grossen Blüthensträussen, in welchen siclu
die Blumen nicht gleichzeitig öffnen, ein buntes Aussehen gibtp
— 296 —
bei den Lantanen rückt die anfangs am Saume der Krone auf-
tretende rothe Farbe gegen den Schlund vor, bis sie die gelbe
ganz verdrängt, Lantana Camara L. ist in der Knospe hellroth
1 e, offen gelb 9 e mit rothgelbem Schlünde 7 e, alternd kar-
minroth 24 c mit orangerothem Schlünde 3 b, was sie, da ihre
Blumen ebenfalls nicht gleichzeitig aufgehen, auch vielfarbig macht :
nach Lecoq sind die Blumenblätter des dem Alpenmohn verwand-
ten pyrenäischen Styloplioruni cainbricuni Spr., so lange sie noch
im Kelche eingeschlossen sind, orange, offen vom reinsten Gelb;
legt man aber die Pflanze ein, so sind die getrockneten Blumen
wieder rothgelb.
Nur in seltenen Fällen bleicht die gelbe Krone alternd in
Weiss aus, so bei den kleinen Blüthen des Alyssum calycinum L.,
bei Kerria japonica Dec, der Duc van Thol Tulpe und der gel-
ben Hyacinthe.
Der geistreiche Decandolle nahm, auf die Trennung der in
den Ernährungsorganen vereinigten zwei Grundfarben in den Ee-
produktionsorganen anspielend, in den Blumen zwei Farbenreihen
an, welche er die xanthische und die kyanische nannte: allein
mit diesem Gegensatze linden wir einen zweiten innig vereinigt,
den zuerst von Arago klar erkannten und ausgesprochenen der
sich ergänzenden, das heisst zur Herstellung des weissen Lichts
nöthigen Farben.
Da nämlich die Farbentafel nicht zwei, sondern drei Haupt-
farben hat, so tritt der merkwürdige Umstand ein, dass der eine
Hauptfarbe bezeichnende Radius des Kreises, 1^ 9, 17, zum Durch-
messer der Scheibe verlängert, nicht auf eine andere Hauptfarbe,
sondern auf die beiden andern im Gleichgewichte trifft, Roth auf
Grün, Gelb auf Violett, Blau auf Orange; nehmen wir also Gelb
als Grundton der Pflanzenfarben an, so tritt in den Blumen an
die Stelle eines Gegensatzes von Gelb und Blau der vollständige
n'ou Gelb und Violett; die der xanthi sehen gegenüber stehende
Jieihe muss also nicht als die kyanische, sondern als die jan-
t h i n i s c h e bezeichnet werden.
Ich zähle zu der xanthi sehen Farbenreihe alle Stufen der
1 «"arbentafel, welche noch etwas Gelb, wenn auch nur ein Achtel,
— 297 —
entlialten, also 15 Stufen, 2 bis 16. So bleiben für die ganz
gelbfreie Jan tili ni sehe Reihe nur 9 Stufen, von 17 rein blau
bis 1 rein roth, übrig, dennoch tibenviegt die Zahl der in dieser
Reihe blühenden Arten die der xanthischen, in der Flora von
Württemberg stehen den 398 Blumen der zweiten bis sechszehenten
Stufe 435 der siebenzehenten bis ersten gegenüber, in der Garten-
flora den -656 der ersteren 1149 der letzteren, der Grund davon
ist, dass hier, wie im Lomberspiel, zwei gegen einen stehen; wollte
mau die Hauptfarben nach ihrem Ueberwiegen so theilen, dass
jede 8 Stufen erhielte, Gelb die Hälfte von 5 bis zur Hälfte von
13, Blau von der Hälfte von 13 bis zur Hälfte von 21 und Roth
von da bis zur Hälfte von 5 , so träte die Ueberlegenheit der
gelben Farbe trotz ihrer engeren Begrenzung jedem der beiden
andern gegenüber in der württembergischen Flora Aviedcr hervor,
wir erhielten eine xanthische Reihe von 376 Arten, eine ery-
thrinische von 322 Vo und eine k panische A^on 1 34 V2 Arten.
Die blaue Farbe spielt hiernach im bunten Farbenspiel der
Blumen die kleinste Rolle, und dieses erklärt wieder, warum in
der janthinischen Reihe die meisten Blumen nicht violett, sondern
purpurroth, näher bei Roth blühen, die Verbündeten treten
so auf, dass in 261 Arten die rothe Farbe überwiegt, in 69
beide sich das Gleichgewicht halten und nur in 92 die blaue
Farbe vorherrscht.
Etwas anders würde sich bei dieser Vertheilung die Garten-
flora verhalten, 4971/2 Arten der xanthischen Reihe, 1028 '/o der
erythrinischen und 269 der kyanischen, hier spielt also die
xantliische Reihe eine kleinere Rolle, die kyanische ist zwar
wieder die kleinste, übersteigt aber doch die Hälfte der gelben,
die sie dort weit nicht erreicht; am auffallendsten ist die Menge
der rothen Blumen, anderthalb mal so viel, als gelbe und blaue
zusammengenommen, was wieder auf wärmere Himmelsstriche
Auswahl der Sammler und Liebhaberei der Blumenfreunde be-
ruht, die rothe Farbe ist als die glänzendste und lebhafteste bei
weitem den meisten Menschen die angenehmste, die rothe Blume
die schönste, so die Rose, von welcher der Name der Farbe
stammt. Die rothen Blumen haben, wie Lecoq treffend bemerkt,
— 298 —
vor den andern allen den Vortheil voraus, beinahe immer das
Grün der andern Pflanzentheile als Unterlage zu haben, welches als
Ergänzungsfarbe durch den Gegensatz ihre Fai'be lebhafter her-
vorhebt, als wo dieser volle Accord fehlt.
Als weitere Folgen des Gegensatzes der beiden Ergänzungs-
farben gegen die Hauptgrundfarbe tritt die auffallend geringe
Zahl der rein roth oder blau blühenden Pflanzen, besonders in
gemässigten und kalten Himmelsstrichen auf; wir finden in unserer
Flora nur vier ganz rein roth blühende Pflanzen, alle vier nicht
ursprünglich einheimisch, sondern mit dem Getreide aus Asien
eingeführt, Ädonis ßammea Jacq, und die Klatschrose oder
Ackerschnalle 1 b, dann Papaver Argemone und duhium L. 1 d. Die
Zahl der rein blauen Blumen ist, wenn auch doppelt so gross, doch
sehr gering und fällt überdem noch meist auf die lichteren Töne,
am lebhaftesten 17 d blüht die mehr als Gartenflüchtling zu be-
trachtende Sternhyacinthe (Scilla amoena L.) ; unsere vier Yergiss-
meinnichtarten blühen hellblau 17 e, noch heller 17 f Echino-
spermum Lappula Lehm, und Glohularia vulgaris L., endlich der
Schwarzkümmel {Nigella arvensis L.) 17 g; alle andern blauen
Blumen, unsere Gentianen, Ehrenpreisarten, Kornblumen, Cichorien,
Glockenblumen, Wiesensalbei, Sinngrüu, Natternkopf u. s. w.
sind nicht ganz frei von Roth und fallen in die Stufen 18 bis 20.
In der Gartenflora tritt der vorhin erwähnte Umstand ein,
dass ein reines Roth als Lieblingsfarbe stark, durch 84 Arten,
vertreten ist, freilich immer noch wenig über den dritten Theil
der rein gelben, indessen befinden sich viele theils natürliche,
theils künstlich hervorgebrachte, sehr häufige und verbreitete
Blumen darunter, welche sämmthch den alten Griechen und
Römern unbekannt waren; zu der in der Blüthezeit der italieni-
schen Republiken aufgekommenen Gartennelke, der wie diese eben-
falls aus der Flora der Mittelmeerländer stammenden Sulla {Redy-
sarum coronarium L.) und der im sechszehenten Jahrhundert aus
dem Orient eingeführten Tulpe {Tulipa sylvestris L.) lieferte
Ostindien durch die Portugiesen die Balsamine und das Blumen-
rohr (Ca7ina coccinea Aito?i), durch die Britten die Potentilla atro-
sanguinea und fonnosa Don, erstere als Kinder des Tieflandes
— 299 —
vom leichtesten Froste getödtet, letztere als vom Himalaja herab-
gestiegen unserem Winterfroste ti'otzend, aus Japan erhielten
unsere Gärten die frühblühende japanische Quitte, unsere Ge-
wächshäuser die schon in Genua im Freien gedeihenden
Camellien, von der Südspitze von Afrika ihre zahlreichen, nun
durch Kunst zahllosen Pelargonien, die meisten rein rothen Blumen
aber lieferte das wärmere Amerika, so die prächtigen Dahlien,
Fuchsien und Verbenen, die Kai'dinalsblumen {Lobelia cardinalis
L. und fulgens Willd.) , den Scharlachsalbei (Salvia cocciriea L.
und Pseudococci7iea Jacq.), den vierblättrigen Sauerklee, den
Korallenbaum {Erythrina Corallodendron und Crista galli L.),
die schönste aller Cactusblumen [Cereus speciosissimus Dec), die
kletternde Trompetenblume {Bignonia radicans L.) und den
grossblumigen Portulak.
In der rein blauen Stufe dagegen herrscht in der Garten-
flora eine ebenso grosse Armuth, wie in der wilden, ich fand
unter 1200 Arten nur 7, den chinesischen Rittersporn 17 b, die
japanische Commeline und eine Farbenvarietät der Akelei 17 c,
Scilla amoena L. 17 d, Scilla italica L. und ein Lithospermum
17 e und Gretchen im Busch (Nigella damascena L.) 17 f. Zwar
fehlt es unsern Gärten so wenig, als unseren Wiesen und Wäl-
dern, an blauen Blumen, allein mit einem Zusatz von roth, so
sind Borago offiicinalis L., mehrere Rittersporne, der Rosmarin, der
Hyssop, dsiS Echiumfastuosum Jacq., die Purpurwinde, die blauen
Seerosen {Nymphaea coerulea Sav, und cyanea Roxh.), das Garten-
vergissmeinnicht {Omphalodes verna Moench), einige Salbeiarten,
besonders die prächtige mexikanische Salvia patens L., Symphytum
asperrimum und Centaurea depressa Bieb. aus dem Kaukasus, Clitoria
ternatea L , PonteAeria azurea Sw., plumbago coeruleaH. etB. präch-
tig blau, aber nicht Kobaltblau 17, sondern ültramarinblau 18.
Die blaue Farbe nimmt als die lichtbedürftigste im Gegen-
satz zur gelben immer den obersten oder äussersten Theil der
Blumen ein und geht oft nach Innen zu in weiss über, so bei
Lohelia Erinus L., Browallia elata L., Borago officinalis L., Con-
volvulus tricolor L., Omphalodes verna Moench, Nemophila insignis
Benth.
' — 300 —
Ein weiterer Gegensatz der janthinischen Reihe zur xanthischen
ist das viel liäiiiigere Auftreten der tieferen Farbentöne in der
ersteren; während in der gelben Farbe der 5te Ton e als die
Normalfarbe erscheint, welche am häufigsten vorkommt, tritt m
der blauen und rothen Farbe schon der zweite Ton b als solche
auf, wir zählen in Württembergs Flora in den 4 dunkleren Tönen
der janthinischen Farbenreihe 300, in den 4 helleren 220 Arten,
in der Gartenflora in ersteren 702, in letzteren 447.
Dass bei eingelegten Pflanzen die biaurothen Farben sich
nicht so gut erhalten, wie die gelben, hat seinen Grund darin,
dass es gemischte, Süchtigere Farben sind, am schlimmsten ist der
Sammler mit den überwiegend blauen Blumen daran; gelingt es
ihm auch, durch möglichst rasches Trocknen zwischen erwärmtem,
täglich zweimal gewechseltem Fliesspapier Gentianen, Glocken-
blumen oder Kornblumen in ihrer ganzen Schönheit zu erhalten,
wie dieses bei dem grossen Meister in der Einlegekunst, Hoppe
in Regensburg, der Fall war, so bleichen sie doch im wohlver-
wahrten Fascikel allmählig aus und haben häufig im zweiten
oder dritten Jahr ihre ursprüngliche Farbe ganz eingebüsst: nur
der Rittersporn macht eine rühmliche Ausnahme und behält auch
flüchtig eingelegt sein prächtiges Violett 21 b c fast unver-
ändert bei.
Aufblühend schreiten die Knospen der janthinischen Reihe
häufig, durch Desoxydation, wie nicht ohne Widerspruch ange-
nommen wird, von roth gegen blau vor, besonders auifallend in
der an blauen Blumen reichen Familie der Boragineen, Linne's
Asperifolien, so bei Symphytum asperrimum Bieb. von 24 c auf
18 c, bei Borago oß-lcinaUs L. von 23 f auf 18 c, ebenso bei
Lithospermiim purpureo-coeruleum L., bei Myosotls j^cihistris Witli.
von 23 f auf 17 e, Myosotis versicolor p. von 7f auf 19 d, bei
Echium vulgare L. von 23 e auf 23 c, Anchusa officinaUs L. von
23 c auf 21b, Tulmonaria virginica L. von 22 d auf 19 e. Auch
die Purpurwinde ist in der Knospe 23 c, geöffnet 18 e. Vey^hena
officinaUs von 24 c auf 22 c bis f, Vicia Cirtcca L. von 22 c
auf 21 b; auch bei mehreren Arten der Gattung Campamda tritt
die blaue Farbe später zur rothen.
— 301 —
Bei dem Ver)}lühen nehmen auch die Blumen dieser Reihe
gleichsam trauernd dunklere Töne an und schreiten dabei öfters
von roth gegen blau vor, wenn auch nicht so stark wie bei dem
Aufblühen, so Aesculus Pavia L. von 24 d auf 22 b, Malva mau-
ritiana L. von 23 a und d auf 21 a und c, Petunia violacea
Hooker von 21 g auf 19 d und eine Spielart derselben von 23 a
auf 20 b, Rosa Lord Raglan Hort, von 23 b auf 22 b, Rubus
odoratus L. von 23 c auf 22 c, ebenso Swainsonia pur pur ea Hort.
Ein reines Schw^arz, die Verneinung aller Farbe, mit all
seinen Tönen durch dunkelgrau und hellgrau kommt an den
Blumenkronen nie vor, alle Versuche der Kunstgärtner und Blu-
menliebhaber, es zu erhalten, sind vergeblich gewesen, sie spre-
chen zwar wohl von schwarzen Kosen, Nelken, Dahlien, Herbst-
rosen, haben es aber, wie der flüchtigste Blick zeigt, nur dahin
gebracht, die ursprüngliche rothe oder purpurne Farbe dieser
Blumen durch ihre Verdunkelung der schwarzen möglichst zu
nähern, oft noch über den tiefsten Ton a hinaus, während die
überwiegend blauen Stufen der janthinischen Reihe und die der
ganzen xanthischen Reihe nicht die geringste Neigung zu einer
solchen Verdunkelung zeigen, wenn gleich die blaue Farbe nach
Göthe der schwarzen am nächsten verwandt sein soll.
Ein solches dunkles Purpurroth oder Violett sind auch genau,
besonders gegen das Licht betrachtet, die Flecken, Striche und
Zeichnungen an der chinesischen Iselke, am Grunde der Gilia
tricolor Benth. und des Gossypium puniceuin Jacq.^ am Schlünde
der Viola tricolor L. und an den beiden oberen Blättern mehre-
rer Pelargonien^ endlich alle die Blumen, welche wiegen der auf-
fallenden Tiefe ihrer Farbe den Beinamen der schwarzen erhal-
ten haben, wie Pelargonimn raelananthos Jacq.^ Erica nigrita L.,
Empetrurn nigrum L. , Satyimim nigrum L., Veratrum nigrum L.,
Nigrina viscosa L., Hyoscyamus niger L., tief violett geädert, ist
so Wenig schwarz, als Hyoscyamus cdhus L. weiss: freilich
getrocknet, besonder» langsam getrocknet, werden diese Blu-
men zuweilen wirklich schwarz, daher manche von ihnen
nach dergleichen ' Exemplaren benannt worden sein mögen,
wie Orobus niger L. und Cytisus nigricans L. nach ihren
. — 302 —
schwarE werdenden Blättern. Am reinsten scheint die schwarze
Farbe, wie schon Pythagoras annahm, in den Flecken der weissen
Blume der Ackerbohnen ( Vicia Faba L.) aufzutreten, allein auch
hier beweist die rothblühende Spielart dieser Bohne, da&s man
nur ein verdunkeltes Purpurroth vor sich habe.
An diese angeblich schwarzen Blumen reihen sich einige
wenige an, in welchen ein schwaches Gelb mit dunklem Purpur
oder Violett vermischt, nicht stark genug, den vollen Accord der:
weissen Farbe zu bewirken, einen trüben Misston hervorbringt.
Hieher gehören unsere zwei berüchtigsten Giftpflanzen, das Bil-
senkraut {Hyoscyamus niger L.) und die Tollkirsche {Atropa Bella-
donna L.), ersteres mit trübviolettem Netze 22 a auf trübroth-
gelblichem Grunde 6 f, letztere düster braunroth 23 a, Dr. Schüz
in Calw entdeckte aber in einem Fichtenwalde eine Tollkirschen-
staude mit lauter trübgelblichen Blumen 4 f, die sich auch in
der zweiten Generation im botanischen Garten zu München im
vollen Sonnenschein unverändert erhielten, hier hatte sich das
bleiche Gelb behauptet, während von den beiden dunklen Farben
kaum eine Spur zurückblieb. Aehnliche trübdunkle ternäre Far-
ben zeigen Gerariium phaeum L., Comarum palustre L. und meh-
rere unserer Orchideen, Ophrys muscifera, aranifera und apifera
Hudson, Ophrys arachnites Reichard und Cypripedium Calceolus L.
Unter unsern Gartenblumen finden wir ähnliche Missfarben an
manchen Aurikelu, dem Gewürzstrauch {calycanthus floridus L.),
der Auciiba japonica L., der Tolpis barhata Oaertn., dem Jakobsklee
{Lotus jacohaeus L.) und mehreren Asciepiadeen , so an den capi-
schen Stapelien, der Periploca graeca L.,. der ostindischen Cero-
pegia juncea Roxh.^ dem karolinischen Gonolohus macrophyllus
Michaux^ besonders aber an einigen Schwertlilien, (7m sambucina
L. und lurida Aiton), denen man den Kampf zwischen violett und
gelb ansieht, und vor Allem der prächtigen Wittwe im Trauer-
flor, Lirio franciscano der Spanier (Iris susiana L.); durch Kunst
hat man wider Willen solche schwankende Farben durch die
Versuche hervorgebracht, in den Blumen die gelbe Farbe durch
die blaurothe zu verdrängen, so bei der schmalblätterigen Schwert-
lilie {Iris Xiphium L.) , den Pensees {Viola tricolor L.) und den
Aurikeln; endlich verbinden drei in unsern Gärten selten gewor-
— 303 —
dene Blumen mit der sonderbaren Eigenschaft, im Sonnenlicht
geruchlos, bei Nacht einen starken Wohlgeruch zu verbreiten,
trübe ternäre Farben, welche durch ihren Namen angedeutet
werden, die Nachtviole [Hesperis tristis L.) hat trüb grüngelbliche
11 g, schwärzlich 23 a geäderte Blumen, ähnliche Farben zeigt
die Nachtlevkoje {Mathiola tristis Dec.)^ das Nachtgeranium {Pe-
largojiium triste L.), eine schwärzliche 23 a Palmenzeichnung auf
leichenfarbigem Grunde.
Weiss, die Vereinigung aller Farben, die volle Zurück-
strahlung des begierig gesuchten Lichtes, an sich nur Ein Ton,
verbindet sich in allen Stufen mit allen andern Farben und schliesst,
unmittelbar an h grenzend, wie schwarz an a, die Leiter ihrer
Töne ab. Ich fand ein reines Weiss in der württembergischen
Flora an 255, in der Gartenflora an 337 Blumen, in beiden
also an nicht viel weniger als einem Drittheil der Gesammtzahl.
2) Farbenäuderungen der Blumenkronen.
Im freien Naturzustande hat jede Blume ihre bestimmte feste
Farbe, und Ausnahmen von dieser Regel bleiben immer seltene
isolirte Erscheinungen.
Am seltensten ändern Blumen der xanthischen Reihe ihre
Farbe, die Flora von Württemberg liefert zwei Beispiele davon,
welche jedoch von den jetzigen Botanikern verneint werden, in-
dem sie die Linne'sche Art in zwei besondere spalten, so die
violettblaue AnagalUs coeruUa Schreb. 19 b von der normalen
rothorangerothen Aiiagallis arvensis L. 2 d, das violett-violettrothe
Symphytum patens Sibih. 22 c von dem normalen weissgelben
Symphytwn officinale L. 9 g. Bei dem Schotenklee {Lotus corni-
culatus L.) und dem Wundkraut (AnthyUis Vuhieraria L.) tritt
oft bei starkem Lichte und geringer Wärme an der normal gel-
ben Blume ein scharlachrother Anflug auf.
Die gelbe Medicago falcata L. erzeugt zuweilen mit dem vio-
letten Luzernerklee die sonderbarsten Uebergänge durch grün in
violett, eine ganze Farbenreihe, welche man unter dem Namen
Medicago media P., richtiger M. hyhrida Gaudin, zusammenge-
fasst hat ; sie lauft ganz parallel mit dem Uebergang der schma-
len Blätter der M. falcata L. in die breiten der M. sativa L.
— 304 —
In andern Fällen beschränkt sich die Aenderung auf ein
blosses bleicher werden, so geht in den Kornfeldern oft die feuer-
rotiie Ado7iis aestivalis L. 3 d in ein blasses Orangegelb 7 f über,
Impatiens Noli längere L. von 8 e in 8 f, Verbascum Lychnitis L.
von 9 f in 9 h, Melilotus oßicinalis L. von 9 e in weiss^ die so-
genannte M. Petltplerreana Willd.
Bei den Grartenblumen finden wir üebergänge von gelb in
roth, meist mit gleichzeitiger Verdunkelung, bei Tidipa sylvestris
L. von 8 f in 1 b, bei Tulipa suaveolens Roth von 9 e in 2 b,
bei Tidipa Gesneriana L. von 9 e in 2 a. bei den Aurikeln von
8 f in 3 a, Primida elatior Jacq. 9 f bis 3 b, Frimala oficincdis
L. 8 6 bis 2 a, Ranunculus asiaticus L. 8 e bis 2 b, bei den
peruanischen Calceolarien von 9 e bis 2 a, bei CaUiopsis bicolor
Rchh. von 8 e in 4 a, bei dem Goldlack von 8 d in 3 a, bei
der Kapuzinerkresse von 5 a und c bis 9 a und bei der gelben
Rose in der Spielart Rosa bicolor L. von 9 e ohne üebergänge
auf 3 b.
Uebergriffe der xanthisclien Reihe in die janthinische sind
seltener, sie finden Statt bei Calceolaria von 9 e bis 22 a, bei
Primida elatior Jacq. von 9 f bis 22 c, bei den xlurikeln von 8
f bis 20 c, bei der Gartenranunkel von 8 e bis 22 b, bei Tulipa
Gesneriana L. von 9 e bis 21 c, bei Tulipa sylvestris L. von 8
f bis 22 a, bei Priimda acaidis Jacq, von 9 g bis 21 d.
Lichter werden kommt hier nicht oft vor, doch geht die
Ringelblume von 6 b bis 9 e, 8 f und 5 g, die Sonnenblume
von 8 e in 9 f, Tagefes erecfa L. von 7 d in 8 f und 9 f,
Tagetes patida L. von 3 durch 4 b, 5 a b, Gab, 7 c d bis 8
d e, die Granatblüthe von 2 d ohne üebergänge auf 8 e, die
Kaiserkrone von 4 c auf 9 e und 4 h, das Malteserkreuz (Lychnis
clicdcedonica L.J von 2 b auf 2 f, Calceolaria von 9 e bis 9 h.
Noch seltener ist der üebergang einer Blume der xanthischen
Reihe in weiss: in der Flora von ^Württemberg kommt er gar
nicht vor, in den Gärten bei der Feuerbohne von 3 d durch 2 c
und f in der zweifarbigen zu weiss in der weissen Spielart, bei
Chrysanthemum coronarium L. von 9 e, bei der Tazette von 8 e,
— 305 —
bei Primula elatior Jacq.^ bei Primula acaulis Jacq.^ bei den Tul-
pen und nach Weinmann auch bei der Gartenranunkel und der
Aurikel.
Eine merkwürdige Eigenthümlichkeit der Familie der Corym-
biferen ist das häufige Vorhandensein von zweierlei ganz ver-
schieden gestalteten und gefärbten Blumen in einem Blumenkopf,
die inneren sind kleiner, röhrenförmig, gelb, die Randblumen
dagegen zungenförmig und von allen Farben ; indem man nun bei
den unrichtig gefüllt genannten Gartenblumen die kleinen Röh-
renblumen in grosse Zungenblumen verwandelt, nehmen erstere
mit der Gestalt auch die Farbe der letzteren an, roth z. B. bei
Senecio elegans L., Chrysanthemum indicum L., Bellis pei^ejinis L.,
weiss bei Matricaria Parthenium L., Anthemis iiobilis L., Achillea
Ptarmica L. und selbst blau oder richtiger violett 20 f bei Aster
chinensis L., während sonst die Farbenänderungen der xanthischen
Reihe in die janthinische nie weiter hereinreichen, als höchstens
um drei Stufen, bis 22 violett-violettroth.
In der janthinischen Farbenreihe kommen auch Uebergänge
von einer Farbe in die andere bei der freien Pflanzenwelt nicht
oft vor, so bei Polygala vulgaris L. von violett -violettblau 20 c
in violett-violettroth 22 c, bei der Sternhyacinthe (Scilla Ufolia
L.) von violettbLau 19 b in lichtrosa 23 h, bei der Ackerscabiose
von violett 21 e in 21 c d, 20 e bis 22 f, bei Scabiosa columbaria
L. von 20 d im Spätherbst erröthend in 21 c d oder erbleichend
in 20 e bis f, seltener bei Succisa pratensis Mmnch von 21 c in
23 e, bei dem Yergissmeinnicht von 17 e in rosa 23 f, bei dem
Wiesensalbei von violett 2 1 b c in violett-violettblau 20 b d oder
Violettroth 23 e, bei Ajuga reptans L. von 19 c in 24 e oder g,
so dass die Farbenänderung in der Regel von blau in roth geht.
Ziemlich häufig, doch in geringer Zahl von Exemplaren, fin-
det man in der freien Natur den Albinismus, das Ueberspringen
einer Blume von ihrer normalen Farbe in weiss, meist bei zu
sehr beschatteten oder kränklichen Pflanzen, zuweilen mit Ueber-
gangstönen, häufiger aber ohne solche, so bleibt bei Polygala vul-
garis L. zuerst die blaue Farbe aus, dann auch die rothe, das
Heidekraut bleicht von 22 d durch e bis h endlich in o aus, Ajuga
Württtimb. naturw. Jalireshefte. 1862. 2s Hett- 20
_ 306 —
reptans L. 19 c wird lebhaft rotli 23 e, dann bleichroth 23 g,
endlich weiss, ebenso der Wiesensalbei ; im Ganzen hat man schon
47 unserer württembergischen rothblauen Blumen weiss angetrof-
fen und zwar von der Stufe
17 blau 1
18 blau-violettblau 3
19 violettblau 3
20 violett-violettblau 2
21 violett 12
22 violett- Violettroth 18
23 Violettroth 7
24 roth-violettroth , . 1,
so dass es scheinen könnte, dass die violetten und purpurnen
Blumen am meisten dem Albinismus ausgesetzt seien; dem ist
aber nicht so, die Vertheilung ist sehr unregelmässig und das
regelmässige Zu- und Abnehmen in vorstehender Uebersicht mehr
Folge der Zu- und Abnahme der in den einzelnen Farben blü-
henden Arten, es bilden nehmlich die zuweilen weissblühenden Ge-
wächse in der Stufe
17 den achten Theil der Gesammtzahl, in
18 den fünften, in
19 den neunten, in
20 nur den fünfundzwauzigsten, dagegen in
21 den fünften, in
22 den sechsten, in
23 den fünfzehnten und in
24 nur den dreiundvierzigsten Theil derselben.
Bei weitem häufiger als im freien Zustande ändern die Blu-
men der janthinischen Reihe ihre Farbe unter der Hand der
Kunstgärtner, welche hier ihren weitesten Spielraum gefunden
haben; zwar ist mir von einer Versetzung einer rein blauen Blume
der Stufe 17 in eine andere Stufe nichts bekannt geworden, da-
gegen ist es häufig gelungen, Blumen der drei folgenden Stufen
nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch dadurch von blau in
roth zu verwandeln, dass bei dem Erbleichen in weiss die blaue
Farbe als die flüchtigste bälder ausbleibt als die rothe; so gehen
— 307 —
in der Stufe 18 Hyaciuthen und Hyssop bis in hellkarmin 24 c
bis f über, in der neunzehnten Iponma purpurea L. bis 23 c,
Centaurea Cyanus L. bis 24 e bis h, in der zwanzigsten Anemone
hepatica L. von 20 c durch 22 c bis 22 g, Aquilegia vulgaris L.
von 20 b bis 22 b bis f, der Rittersporn (Delphinium Consolida L.)
von 20 b bis 24 e und da, wo viele Cichorie gebaut wird, auch
diese von 20 c bis 24 d.
Dasselbe ist der Fall bei einigen sehr häufigen violetten
Blumen, Aster chiiiensis L. 21 b bis 24 c bis g, Delphinium Aja-
eis L. 21 b bis 23 d bis f und Papaver somniferum L. 21 e bis
1 b bis d, die viel bearbeiteten Pensees aber hat man in dieser
Richtung nicht weiter treiben können als von 21 a bis zu 22 a
bis g.
In der violett-violettrothen Stufe hat man die beliebten Bal-
saminen, in Venedig schöne Männer genannt, von 22 c durch
23 und 24 bis 1 b d gebracht, die noch beliebteren Levkojen
aber nur um eine Stufe von 22 a und b bis 23 b bis e, ebenso
die chinesische Schlüsselblume von 22 d auf 23 f, Senecio cruentus
Dec. von 22 d bis 24 e und Petunia violacea Hooker von 22 c
auf 23 a bis h; in violettroth finden wir noch die Bartnelke,
welche von 23 c bis 24 a bis e geht.
Rückwärts, durch Verlust von roth gegen blau, gehen von
den drei Stufen, in welchen die blaue Farbe schon die überwie-
gende ist, nur zwei in der letzten dieser Stufen 20 stehende
Blumen, Aquilegia vulgaris L. von 20 b auf 17 c und Delphinium
Consolida L. von 20 d auf 19 g ; von den violetten Blumen geht
Aster chinensislj . von 21 b auf 20 f g, Delphinium Ajacis L. von
21 b auf 20 d bis g und Viola tricolor L. von 21 a auf 20 a
bis d.
In der nächsten Stufe geht die Sommerlevkoje von 22 b auf
21 d bis f, Malcolmia maritima Br. von 22 d auf 21 d bis h,
Petunia violacea Hook, von 22 c auf 20 c und Senecio cruentus
Dec. von 22 d bis auf 18 c d.
In der Purpurstufe finden wir die Vexirnelke (Agrostemma
coronaria L.) von 23 e auf 20 g zurückgeliend, die Herbstrose
von 23 c auf 21 a bis f, die Löwenmäuler von 23 c auf 22 c d,
— 308 —
die Dahlien von 23 b auf 22 a bis h, die Bartuelke von 23 c auf
22 a bis e, Paeonia Moutaii Sims von 23 b auf 21 f, Fritillaria
Meleagris L. von 23 b und e auf 22 c und h, endlich Pelargonien
von 23 e auf 22 a bis e.
In der karminrothen Stufe geht Azalea indica L. von 24 c
auf 22 c zurück, Diantims chinensis L. von 24 a auf 22 a bis f,
Phlox Dru77imondi Hooker \on 24: h auf 21 f, Portulaca grandiflora
Hook, von 24 b auf 23 b c und Rosa indica L. von 24 f auf
22 a b.
Von rein rothen Blumen geht Camellia japonica L. von 1 c
bis 24 b c d, die in Süddeutschland sehr selten gewordene schöne
Gartenanemone von 1 b bis 21 c f, die Gartennelke von 1 a bis
22 a bis g und die diesen weit nachstehende, dennoch zur Mode-
blume gewordene Verhena chamaedryfolia Juss. von 1 c bis auf 20 d.
Zu diesen 19 Fällen einer von blau gegen roth vorschrei-
tenden Blume und 25 einer von roth gegen blau schreitenden
kommen noch 17 Fälle, wo Blumen der janthinischen Reihe die
Grenze derselben überschreitend sich der gelben Farbe nähern
oder dieselbe sogar erreichen. Von blauviolettblau 18 d hat man
die Hyacinthe bis auf blass orange 5 g gebracht, die Fuchsien
von dunkelviolett 21 a auf scharlachroth 2 d, den chinesischen
Aster auf 9 f und h, doch stehen diese drei Fälle sehr isolirt da,
in den übrigen sind es überwiegend rothe Blumen der drei äus-
sersten Stufen 23, 24 und 1, die Herbstrose von 23 c bis 7 f,
Chrysanthemum indicmn L., etwas aus der Mode gekommen, von
23 b bis 9 e, die Dahlien von 23 b bis 9 e, die Schweizerhose
von 23 b bis 8 d, die Modepelargonien von 23 e nur auf 2 b
und Zinnia elegans Jacq. von 23 e bis 8 e.
Aus der Karminstufe ist Azalea indica L. von 24 c bis auf
8 f gekommen, Portulaca grandiflora Hook, von 24 b bis 9 e und
f, die bengalische oder Monatrose {Rosa iiidica L.) von 24 f bis
9 e f h ; endlich sind unter den reinrothen Blumen die Klatsch-
rose von 1 b auf 4 c, das Scharlachgeranium von 1 d auf 3 c,
die Gartenanemone von 1 b auf 9 e, die Gartennelke von 1 a
auf 9 g und Verhena chamaedryfolia Juss, von 1 c auf 2 c ge-
bracht worden.
— 309 —
Weit besser, als die Hinüberleitung in eine andere Stufe, ist
die Veränderung des Farbentons, ein dunkler oder heller werden
desselben gelungen, die Verdunkelung bei den Herbstrosen c auf
a, Gartenanemonen b auf a, Löwenmäulern c auf b, Aquilegia
vulgaris L. b auf a, Aster chineiisis L. b auf a, Dahlien b auf a,
Paeonia Moutan Sims b auf beinahe schwarz, Bartnelken c auf a,
Hyacinthen d auf a. Balsaminen c auf a, Petunia violacea Hook.
c auf a, Phlox Drummondi Hook, b auf a , Vinca minor L. d auf
a, Sejiecio cruentus Dec. d auf b, Verbe?ia chamaedryfoUa Juss. c
auf a, und selbst bei Normaltönen der lichteren Hälfte bei dem
Gartenmohn, den Pelargonien und Zimiia elegans Jacq. von e
auf a der bengalischen Rose und den x\urikeln von f auf a.
Bei weitem häutiger als die Verdunkelung kommt das lichter
werden bis zum reinsten weiss vor, bald schrittweise, wie bei
Rosen, Dahlien, Xelken, Levkojen, Verbenen, Paeonia Moutan
Sims, bald als plötzliclier Sprung ohne vermittelnde Uebergänge,
wie bei der dreifarbigen Winde, den Glockenblumen, dem Laven-
del, Polenionium coeruleum L., Syringa vulgaris L., Galega offici-
nalis L., Tradescantia virginica L., Agrostemma coronaria L., Dic-
tamnus Fraxinella P. , Hibiscus syriacus L., Iris germanica L.,
Lavatera trimestris L., Hedysarum coronarium L,, Lunaria annua L.,
dem Oleander und manchen andern.
Sehr auffallend ist es, dass während ich in der xanthischen
Reihe 9, in der janthinischen 77 bis in weiss übergehende Blu-
men gefunden habe, die von Natur weissen Blumen so ganz und
gar keine Neigung zeigen, eine andere Farbe anzunehmen, so
geht in unserer Flora keine Alsinee, kein Anthericum, Arabis,
Thlaspi, Lepidium, Capsella, Prunus, Fragaria, Daucus, Pimpi-
nella u. s. w. je in eine andere Farbe über, nur bei wenigen
Arten erscheint die Blume bei niederer Temperatur hell purpur-
roth 23 gefärbt, so bei Chaerophyllum hirsutam L. , Heracleum
Sphondylium L., Achillea Millefolium L. oder an der unteren
Fläche der Blumenblätter gegen die Spitze, d. h. so weit sie aus
der Knospe schutzlos hervorstanden, purpurroth angeflogen, wie
bei Staphylea pinnata L., Anemone nemorosa L., der Apfelblüthe
und den den Frühling verkündigenden Erstlingen der lieblichen
— 310 — '
Blume, welche in den romanischen Sprachen Marguerite , Mar-
gherita, Margarita (Perle), in Krain Marietizza (Mariechen), in
Deutschland allzuprosaisch Gänseblume genannt wird.
Dieser Gänseblume haben sich die Gärtner angenommen, sie
haben ihre Scheibenblüthen in Zungenblüthen verwandelt und
sie dahin gebracht, alle Töne ihres natürlichen Anflugs 23 a bis
h anzunehmen, in eine andere Stufe hat sie sich aber nicht hin-
überziehen lassen, und drei weitere weisse Blumen, die zu färben
es gelungen ist, sind merkwürdigerweise in die gleiche Stufe ge-
kommen, der rothblühende Weissdorn 23 e, das Basilicum, welchem
bei dem schwarzroth färben der Stengel und Blätter die Röthe,
wenn auch lichter 23 d, bis in die Krone drang, und die Mai-
blume 23 f.
Fassen wir das Ergebniss der angeführten Thatsachen zu-
sammen, so erhalten wir für die Farbenmetamorphose der Blumen
folgende Regeln:
1) Weisse Blumen lassen sich nicht verändern , von diesem
Gesetze fand ich unter 337 Gartenblumen nur drei Ausnahmen,
nicht einmal ein Procent.
2) Mit den gelben Blumen ist auch nicht viel anzufangen,
die ganze xanthische Reihe hält an ihren Normalstufen fest, unter
den von mir aufgezeichneten 656 Gartenblumen dieser Reihe
fand ich, wenn man die Metamorphose der gelben Scheiben-
blüthen der Corymbiferen in anders gestaltete und gefärbte
Randblüthen ausser Berechnung lässt, nur 18 Blumen, kaum drei
Procent, welche in andere Stufen übergehen, darunter zwei-
stufige 6, drei-, vier-, fünf-, sechs-, acht- und zehenstufige je eine,
zwölfstutige 3, dreizehenstufige 2 und als höchste Zahl die Aurikel
mit sechszehen Stufen, 1 bis 9 und 20 bis 24 und als Versuche,
die blaue Farbe von der andern Seite zu erreichen, IIb und
15 b. Die Aurikel, ursprünglich Alpenpflanze, früher noch be-
liebter und häufiger als gegenwärtig, hat überhaupt die äussersten
Grenzen der Farbenänderungen einer Blume erreicht, nur fünf
grüne und drei blaue Stufen blieben der ursprünglich gelben
Blume unerreichbar.
— 311 —
3) Am ehesten gehen noch gelbe Blumen in rothe über, von
jenen 18 nehmlich 15, dagegen in' violett nur 2, in violett-violett-
blau nur die erwähnte Aurikel, in noch blauere Stufen gar keine.
4) In der janthinischen Reihe ist das Verhältniss der ver-
änderlichen Blumen zu den unveränderlichen den ersteren gün-
stiger, ich fand unter 1149 Gartenblumen dieser Reihe 44, bei-
nahe vier Procent, .veränderlich, darunter zweistufige 12, drei-
und vierstufige je 6, fünfstufige 2, sechsstufige 7, siebenstufige 2,
aclit-, neun- und zehenstufige je eine, elfstufige 2, zwölfstufige J
und dreizehenstufige eine.
5) Von den Farben dieser Reihe erwiedern die rothen die
freundnachbarliche Zuneigung der gelben, vierzehen kommen ihnen
bis in die xanthische Reihe entgegen, darunter drei bis gelb-
orange-gelb 8, sechs bis rein gelb 9.
6) Bei den violetten und blauen Blumen ist es dagegen nie
gelungen, eine einzige bis zu einem ordentlichen Gelb zu bringen,
von dem näheren Weg durch grün konnte gar keine Rede sein,
und auf dem langen durch roth brachte man die Fuchsien nur
auf scharlachroth, den chinesischen Aster als Erinnerung an die
ursprüngliche Farbe seiner Scheibenblüthen auf ein bleiches Gelb
9 f bis h, endlich die Hyacinthe als die einzige von einer über-
wiegend blaaen Stufe bis in die 'Nähe von gelb gebrachte Blume
auf ein sehr bleiches und flüchtiges Orange 5 g und h.
7) Die überwiegend rothen Blumen der janthinischen Reihe
haben gar keine Neigung, in überwiegend blaue überzugehen,
von 29 Arten sind nur 3 um eine Stufe über violett hinaus auf
20 gekommen, unASenecio cruentus Dec. (die Cinerarien der Gärtner)
steht als einziges Beispiel da, dass eine zwar dicht au violett
grenzende rothe Blume bis auf die an reines Blau grenzende
Ultramarinstufe gebracht worden ist ; man hat, durch dieses
ausserordentliche Ereigniss ermuthigt, in England einen hohen
Preis auf die Erzeugung einer blauen Dahlie gesetzt, doch bis
jetzt ohne Erfolg, und die Angabe der Chinesen, dass sie Paeonia
Moutan Sims auf blau und auf gelb gebracht hätten , hat sich
als unwahr erwiesen.
8) Keine rein blaue Blume hat sich jemals geröthet, dagegen
— 312 —
zeigen sioh die 9 vorwiegend blauen veränderlichen Blumen der
Stufen 18 bis 20 geneigter, in überwiegend rothe überzugehen,
als diese in jene, drei erreichen violett- violett-roth, eine purpur-
roth und die übrigen 5 sogar karminroth mit nur % blau, zu
reinem Roth gelangt jedoch auch von diesen keine. Mit andern
Worten, in der blaurothen Farbenreihe gelingt leicht eine Stei-
gerung der rothen^Farbe, fast nie eine der blauen, der isolirtesten
aller Blumenfarben.
9) Am leichtesten und häufigsten kommt die Veränderung
des Tons der Farbe vor, besonders das durch geringere Stärke
des Lichts bedingte Erbleichen derselben, ich beobachtete an den
1200 Arten von Gartenblumen eine solche Veränderung, bald mit
üebergängen, bald sprungweise, bei 101 Arten, also etwas über
8 Procent.
3) P a n a s c h i r t e Blumen.
Ist einmal eine farbige Blume in die Reihe der w' eissen tiber-
getreten, so theilt sie mit diesen die Abneigung gegen die An-
nahme anderer Farben, eine schrittweise Rückkehr zur Normal-
farbe von Ton zu Ton findet nicht Statt, dagegen kann eine
andere merkwürdige Erscheinung eintreten ; die Panaschirung der
Blütheu, sagt der erfahrene Stuttgarter Kunstgärtner Albert
Courtin in der dort erscheinenden Gartenzeitung (Band I von
1857, S. 15), ist das theilweise Zurückgehen einer hellfarbigen
Varietät auf die Grundfarbe der Species, von welcher sie ur-
sprünglich abstammte, und zeigt sich bei der ersten Generation
nur schwach, bei den darauf folgenden aber viel deutlicher und
in breiteren, dunkleren Streifen. Lecoq bestätigt unbewusst dieses
Gesetz, wenn er (Seite 341) sagt, dass die Belle de nuit lange
nur rothe oder gelbe Blumen gehabt habe und die panaschirten
erst später erzielt worden seien, wann sagt er freilich nicht, und
Weinmann hat schon im Jahr 1742 gute Abbildungen davon ge-
liefert. Auch die Dahlien haben nach Lecoq lange der Pana-
schirung widerstanden.
Diese Blumen, welche man gesprenkelte oder gestreifte nen-
nen könnte, zeichnen sich durch einen hellen, weissen, gelben
— 313 —
oder lichtrothen Grund aus, auf welchem statt einer allgemeinen
Farbenänderung nur einzelne scharf begrenzte kürzere oder
längere dunkle Streifen auftreten, an denen man keine andere Regel-
mässigkeit -wahrnimmt, als dass sie alle der Länge der freien
oder yerwachsenen "Blumenblätter nach in der Richtung der
Blattnerven vom Mittelpunkt der Blume ausstrahlen, ohne die
mindeste Biegung zu machen, wohl aber mit Zunahme der Breite
in ihrem Fortschreiten gegen den Rand der Blume; zunehmend
fliessen diese Keile oft zusammen, und zuweilen findet man einzelne
Blumen, welche in der Längenrichtung genau zur Hälfte hell, zur
andern Hälfte dunkel gefärbt sind; solche Blumen fand ich bei
den Schweizerhoseu, dem Rittersporn und der Nelke, einmal auch
als gewaltigeren Sprung bei Iris ßorentina L. , deren weisse
Blume zur Hälfte zur Stammart Iris germanica L. zurückgekehrt
war, von jedem der drei Kreise, den 3 herabgebogenen Kelch-
blättern, den 3 aufrechten Kronenblättern und den 3 Abschnitten
der Narbe fielen je anderthalb auf jede Farbe, einander deckend,
so dass eine haarscharf gezogene Linie die Blume senkrecht in
zwei gleiche Hälften theilte, deren eine blau-violett-blau, die andere
milchweiss war; alle andern Blumen dieser Pflanze waren weiss
und lieferten den Beweis, dass es sich hier um eine Rückkehr
zur ursprünglichen Farbe handelte*).
Gestreifte oder panaschirte Blumenkronen beobachtete ich
theils selbst, theils fand ich sie in Weinmanns Blumenwerk**)
bei folgenden Blumen:
I. In der janthinischen Reihe.
1) Bei normal rothen Blumen:
Dianthus Caryophyllus L. in grosser Mannigfaltigkeit, der
Grund weiss oder hell 9, 8, 24, 23, 22, die Streifen dunkel 3,
1, 24, 23, 22.
Anemone coronaria L. Grund weiss oder licht 9, 8, 5, 1,
*) Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württem-
berg 1853. S. 366 bis 369.
**) Johann Wilhelm Weinmann Phytanthoza iconographica, Regens-
burg 1737 bis 1745. lY Bände. Fol.
— 314 —
23, Streifen umgekehrt, unten zusammenfliessend, nach oben ge-
theilt und zugespitzt, tief 1, 24 oder 23.
Papaver Rhoeas L. O "^^^ 1 h.
Caviellia japonica L. O init 1 c.
2) Bei überwiegend rothen Blumen:
Paeonia offichialis L. 24 f mit 24 b.
Pelargonium VAvenii^ Duhus Q ^i^ 24 b und d.
Azalea indica L. Q mit 1 b.
Mirahills Jalapa L. Q ^^^^ ^^ ^ *^^®^ ^ ^ ^^^ ^^ ^' ^^^^
Lecoq höchst selten auch Q ^^^^ ^ ^•
Dahlia variabilis Willd. 9 e oder f mit 23 b.
Antirrhinum majus L. Q mit 23 c.
i?05a gallica L. 23 f oder g mit 23 d.
Zinnia elegans Jacq. 8 h mit 23 e.
Matthiola incana R. Br. Q ^i* 22 c oder 23 c.
Hesperis mcitro7ialis L. Q mit 22 d.
Petimia violacea Hook Q "^i^ 22 c.
Impatiens Balsamina L. Q ^^^i^ ^2 c oder 23 c oder 1 b.
Amygdalus Persica L. Fortune's gefüllte Pfirschenblüthe aus
China Q "^it 23 f.
3) Bei -violetten Blumen :
Viola odorata L. Q ^it 21 b.
F/o?a tricolor L. 9 e oder f mit 21b.
Aster chinensis L. Q ^^^^ 21 b oder 23 b.
4} Bei überwiegend blauen Blumen :
Aquilegia vulgaris L. Q ^^^ 20 b oder 22 b.
Delphinium Consolida L. Q ^^^i' 22 f mit 20 b.
Coiwolvulus tricolor L. erst seit 1861, Q ^^^ ^^ ^•
Ipomcea purpurea L. seit 1859, O ^^it 19 b.
II. In der xanthischen Reihe.
Tulipa Gesneriana L. Q o^^^' ^ ^ ^^^r 9 f mit 8, 6, 3, 2,
24, 23, 22, 21 oder ternärem Braun.
Tulipa suaveolens Roth 9 e mit 2 b.
Tidipa sylvestris L. 8 f oder 9 e mit 7, 6, 4, 3, 2, 1, 24,
23, 22.
— 315 —
Ranunculus asiaticus L. Q oder 8 e mit 24 a b oder c.
Tagetes patida L. 8 d mit 5 a oder 4 b.
Primida Auricida L. Q ^^^i^ 24 e oder 8 e mit 2 c.
Die Panascliirung tritt sonach bei rein oder doch überwiegend
rothen Blumen häutiger auf, als bei allen andern zusammen ge-
nommen, von 30 Fällen gehören 17 hieher, bei violetten
Blumen kommen drei, bei überwiegend blauen vier Fälle vor,
bei rein blauen keiner.
Sodann ist es auffallend, dass von diesen 30 gestreiften
Blumen 27 den Dicotyledoneen angehören, den Monocotyledoneen
nur die Tulpen, welche etwas abnorm mehr geflammt als ge-
streift sind.
In den alten griechischen und römischen Schriftstellern habe
ich keine sichere Spur dieser buntgestreiften Blumen finden
können, die Alten scheinen keine grossen Blumenkünstler ge-
wesen zu sein, von obigen 29 Blumen, bei welchen eine
Panaschirung vorkommt, waren ihnen nur 8 bekannt, und auch
von diesen mag kaum die Hälfte in den Gärten gezogen, von
den Blumenhändlerinnen zu Kränzen geflochten worden sein, sie
legten auf den Geruch der Blumen einen grösseren Werth, als
auf die Farbe, daher Rosen, Lilien, Levkojen und Goldlack ihre
Lieblingsblumen waren, paucissima nostri genera coronamentorum
inter hortensia novere^ ac pene violas rosasque tantum, Plhiius hist.
nat. Liher 21. cap. 3.
Dass indessen die Cultur panaschirter Blumen alt ist, be-
weist schon ihre französische, von unserri deutschen Gärtnern
und Blumenliebhabern angenommene Benennung fleurs panachees^
gefederbuschte Blumen, von Panache, Federbusch, eine Yer-
gleichung derselben mit den bunten Federbüschen auf den Helmen
der Ritter.
Mehrere dieser gestreiften Blumen sind seit Jahrhunderten
bekannt und stammen aus der Zeit, wo die Blumencultur vom
Morgenland und von dem Vaterlande der ältesten botanischen
Gärten, Italien, welches vielleicht selbst die Anregung dazu von
den Saracenen erhielt, aus verbreitet wurde, so die Nelken, Ane-
monen, Ranunkeln, Rittersporne, Tulpen.
— 316 —
Als später die Fortschritte in Kunst und Wissenschaft ihren
Antrieb von Nord-Europa erhielten, nahm der Geschmack an
schönen Farben ab, man sieht jetzt mehr auf Grösse und Bau
der Blume als auf die Farbe, hat die gestreiften Balsaminen
theilweise durch die minder schönen, mit bleichen runden Flecken
auf rothem Grunde verdrängt, zahlreiche Verbenen, Fuchsien und
Pensees mit minder schönen Farben, als der ursprünglichen,
erzeugt und hält es , nur auf Neuigkeiten bedacht , für Gewinn,
die purpurne Dahlie, die hellrothe chinesische Schlüsselblume
und die ultramarinblaue Lohelia Erinus in weisse verwandelt zu
haben; so führt der ausgezeichnete Kunstgärtner Adolph Hvass
in Stuttgart in seinem Pflanzenverzeichnisse von 1857 nicht
weniger als 174 mit eigenen Namen bezeichnete Pelargonien auf,
deren unendliche Mannigfaltigkeit in Bau, Grösse und Farbe sich
innerhalb der engen Grenzen von fünf Farbenstufen, 22 bis 2
bewegt, sich von der ursprünglichen Farbe nach jeder Seite
kaum um zwei Stufen entfernt.
4) Normal bunte Blumen.
Der chinesische Aster und die Sammtblume, bei welchen die
helle Farbe immer die Mitte, die dunkle den Rand jeder zungen-
förmigen Blüthe einnimmt, bilden den Uebergang von den pana-
schirten Blumen zu den regelmässig gezeichneten, bei welchen
alle Blumen einer Pflanze genau die gleiche Zeichnung haben
und deren die Kunst auch einige zu Stande gebracht hat, so
Phlox Radezkü und eine Yerbene mit schmalem weissem Bande
auf jedem Abschnitte, den weissumsäumten Feldmohn und einige
Pensees und Dahlien, und diese bilden wieder den Uebergang zu
den ursprünglich bunten Blumen, mit dunklen Flecken an der
Basis jeden Blattes, wie bei Ilibiscus syriacus L., JZ Trionum L.,
dem Baumwollenstrauch, vielen Papaveraceen und einigen Cistus ;
bunt getüpfelt oder gefleckt, wie viele Saxifragen^ Dianthus su-
perbus, barbatus, Armeria und chiiiensis L., Bignonia Catalpa L., die
Rosskastanie, Campanula punctata Lani., Gentiana punctata L.,
Digitalis purpurea L., die Calceolarien, sehr viele Orchideen^ Li-
lium Martagon L. und L. tigrinum Gawh, Tigridia pavonia P.,
317
Pardanthus chinensis Ker\ der Länge nach gestreift wie einige
Malven und Geranien^ Oralis Acetosella L. ; seltener der Quere
nacli wie Stapelia variegata L. und >S^^. europaea Guss.; anasto-
mosirend geädert wie J7c/a sylvatlca L., Dictamnus Fraxinella
Lam.^ Hi/oscyamiis niger L., Abutilon striatum Herit., Momordica
Elaterium L., Iris susiaiia und var^iegata L. ; oder endlich mit re-
gelmässiger dunklerer oder hellerer Zeichnung, wie bei vielen
Pelargonien, manchen Rhododendron, am häufigsten an Blumen
aus den von Linne in der Classe Didynamia zusammengefassten
Familien.
Unter starker Vergrössei'ung, dem Sonnen- oder Lampenmi-
ki-oskop, erblickt man diese Zeichnungen wunderschön als regel-
mässige Anordnung gleicher Zellen, gefüllt mit verschieden ge-
färbtem Safte.
Lecoq macht (S. 402) darauf aufmerksam, dass in manchen
Fällen die zweite Farbe der zweifarbigen Blumen die Ergänzung
der Farbentrias ist, und führt als Beispiele Tigridia coelestis Hort.^
Gilia tricolor Benfh., Corydalis nohiUs P., Iris persica L., Strelitzia
reginae Ait. und Linaria alpina Miller an, doch sind solche Fälle
nicht häufig, in den meisten treten nur mehr als ein Farbenton,
nicht mehr als eine Farbenstufe auf.
Die Farbe der normal bunten Blumen steht in enger Bezie-
hung zu der Gestalt derselben, mögen die Kronenblätter frei
(Corolla polypetala) oder mit einander verwachsen (Corolla mono-
petalaj sein, stets haben sie, wenn sie gleichgestaltet sind, auch
gleiche Farben, Cruciferce, Bosacece, Älalvacece, Boraginece^ Pri-
midacece. Sind dagegen die Kronenblätter einander nicht gleicli-
gestaltet, so sind sie auch nicht gleich gefärbt, Papilionacece, Vio-
larice, Pelargonium, Rhododendron, Labiatee, Personatoi^ Scrophu-
larinecB, Orchideoi.
Linne hat für die ersteren den schon früher üblichen Namen
regelmässige Blumen, für die letzteren den der unregelmässigen
Blumen beibehalten, ich möchte sie lieber gleichblättrige (flores
isopetali) und ungleichblättrige fflores heteropetali) nennen, denn
regelmässig sind alle gebaut, der ganze Unterschied besteht da-
rin, dass bei den gleichblättrigen so viele durch ihren Mittel-
— 318 —
punkt gezogene gerade Linien, als die Blume Blätter hat, die-
selbe in zwei gleiche sich symmetrisch entsprechende Hälften thei-
len, bei dem Spindelbaum z. B. 4, bei der Nelke und der Auri-
kel 5, bei Tulpen und Hyacinthen 6, bei den ungleicliblättrigen,
z. B. den Feyisees, dem Löwenmaul, aber nur eine einzige Linie;
erstere entsprechen hierin gerade den untersten Thierklassen,
Radiarien und Zoophyten, die in einen Kreis gestellten Blätter
bilden einen Stern, daher Anspielungen darauf in den Namen
Stellaria L., Stellanthe Benth,^ Asterias Reneahn, Asteranemia Rchb.,
Asteranthos Desf. und manchen andern, letztere den höheren
Thierklassen, der strengen Symmetrie der Schmetterlingsflügel,
dem Bau der Wirbelthiere, daher Anspielungen auf diese Thier-
klassen in den Bezeichnungen als Papilionacece, Perso?iatce, Gale-
opsis L,, Oriiithidium Salisb., Ornithocephalus Hooker, Orchis 7ni-
litaris L., Orchis Sinüa Lam., Ophrys Scolopax Cav., Ophrys an-
thropophora L. und die vielen nach Insekten benannten.
Die Blumen der in unsern Gärten gezogenen Gewächse zei-
gen nur da mannigfaltige Farbenänderungen, wo diese der Zweck
des Anbaues sind; baut man eine Pflanze der Wurzel, Blätter
oder Frucht wegen, so variirt nur der bezweckte Theil derselben,
und die Blume erhält sich bei allen Spielarten unverändert, so
bei dem Kohl, dem Rettig, den gelben Rüben, allen Obstarten;
kaum dass sich hie und da eine Spielart schon in der Farbe
ihrer Blumen leise andeutet, so bei Aepfeln durch grössere oder
geringere Röthe, bei weissen, rothen und blauen Kartoffeln, bei
den Gartenbohnen schwarz durch lichtviolett, roth durch blass-
rosa, gelb gar nicht, da alle gelben Bohnen so weiss wie die
weissen blühen.
5) Farbenverhältnisse der Blumenkrone in andern
Floren.
Nachdem ich die Gesetze der Farbenvertheilung in den Blu-
men an denen unserer freien und Gartenflora zu erforschen ver-
sucht hatte, gieng ich zu ähnlichen Nachforschungen und Ver-
gleichungen in andere Floren über, welche hinreichend von den
— 319 —
ersteren verschieden wären, um nicht blos als Echo, sondern als
Probe für diese Gesetze zu dienen.
Ich wählte drei kältere, der Alpen, von Grönland und von
Spitzbergen, dann als wärmere und eigenthümlichste die Strand-
und Küstenflora Europas; für die Alpen- und Strandflora hatte
ich schon viele eigene Beobachtungen, ich ergänzte sie durch
Aufzeichnungen nach guten Abbildungen, vorzüglich der Flora
Danica^ Jacquins Prachtwerken Flor^a Austriaca und Hortus
Vindobonensis und Sturms Deutschlands Flora; Grönlands Blu-
men konnte ich ganz nach den meisterhaften Abbildungen der
Flora Danica bestimmen, für Spitzbergen freilich musste ich mich
begnügen, die wenigen Arten dieser Flora nach alpinen und grön-
ländischen Exemplaren zu bestimmen. So gelangte ich zu folgen-
den Ergebnissen.
1. Flora der Alpenregion.
Die Alpenregion unserer Alpenkette, 45 bis 47 ^ Breite und
von 6000 p. Fuss über der Meeresfläche aufwärts, bietet den
Pflanzen einen kurzen, durch Nebel, Regen und Schnee oft ge-
störten Sommer, viele nasse, wenige windstille, licht- und wärme-
reiche Tage, endlich einen langen, strengen Winter, aber in die-
sem Schutz zum Winterschlafe durch eine reichliche Schneedecke.
Die mittlere Temperatur der sechs Herbst- und Wintermonate
fällt auf diesen Höhen überall unter den Gefrierpunkt, im Früh-
ling übersteigt sie solchen nur am geschützten Posthause des an
seltenen Gewächsen so reichen Mont Cenis, 45<^ 14' Br. 6000 p.
F. Höhe, mit + 4,67 o. Die für die Flora entscheidende mittlere
Temperatur des Juni bis August beträgt auf dem Mont Cenis
+ 11,13^, so ziemlich die höchste der ganzen Alpenregion, denn
am Hospiz des Set. Gotthard, 46» 32' Br. 6650 p. F. über das
Meer, beträgt sie schon nur -|- 5,67*^, am Hospiz des Set. Bern-
hard, 450 50' Br. 7670 p. F. Höhe, -j- 4,90 <^ und auf dem Faul-
horn, 460 40' Br. 8250' Höhe, + 2'670 R.
Ueberfluss an Wasser und doch Mangel an Wasserpflanzen
wegen dessen niedriger Temperatur und wenig Sonnenschein hat
320
die Alpenregion mit der Polarregion gemein, aber der höhere
Stand der Sonne und die viel geringere Dichtigkeit der Atmos-
phäre bedingen eine weit grössere Stärke des Lichts und diese
intensivere Farben der Pflanzentheile.
Grössere Blumen als das Tiefland besitzt die Alpenflora nicht,
sondern nur verkürzte Gewächse mit gleich grossen Blumen, da-
her die Täuschung, wie bei Zwergen, denen man grosse Köpfe
zuschreibt, weil man diese nicht mit denen erwachsener Männer,
sondern mit den Köpfen gleich grosser Kinder vergleicht.
Mein Verzeichniss der in der Alpenregion lebenden Phäno-
gamen enthält 400 Arten von Dicotyledoneen und 81 von Mono-
cotyledoneen , zusammen 481 , von den Dicotyledoneen haben
nur 19 Apetalae und Amentacece^ also der einundzwanzigste Theil
oder 5 Procent keine Blumenkrone, von den Monocotj'ledoneen
dagegen 74 Glujiiacece oder 91 Procent, und auch bei den 7 üb-
rigen kommen nur corallenartige Blumenhüllen ohne deutliche
Scheidung des Kelchs von der Krone vor.
• Nach Abzug dieser 93 kronenlosen Blüthen bleiben 388, und
zählt man 61 derselben, welche mit zwei Farben blühen, jeder
dieser Farbe zu, also doppelt, so erhält man 449 Arten.
Von diesen 449 Arten blühen 115, also 25 Procenl oder ein
Viertheil weiss.
Gehen wir die übrigen 334 nach der Farbentafel durch, so
finden wir< zwei rein rothe Blumen 1 , Pedicularis acaulis Scop,
und atrorubens Schi.
Tief Orangeroth 5, eine ganz isolirte Erscheinung in Floren
kalter Länder, blüht ein schönes Habichtskraut [Hleracium auran-
tiacum L.y*, drei andere Blumen, Valeriana celtica L., Cirsium
spinosisshmim Scop. und Fhaca frigida L. zählen zwar auch zur
fünften Stufe, aber nur zu deren bleichen Tönen, und zu orange-
orange-gelb 6 kann man Sedum atratum L., Androsace carnea L.
und die Punkte auf den gelben Blumenblättern der häufigen
Saxifraga aizoides L. zählen. So haben wir für die ersten sechs
Stufen nur 9 Blumen, aber so wie wir uns der gelben nähern, ändert
sich schnell das Verhältniss, 10 Blumen halten schon in der
siebenten Stufe die Mitte zwischen orange und gelb, 27 nähern
321
sich auf der achten nur um einen Schritt der rothen, und 108
blühen rein gelb, beinahe eben so viele, als rein weiss, vorzüglich
Rosaceen, Corymbiferen und Cichoraceen.
Mit diesem Culminationspunkte bricht aber die selbstständige
gelbe Blumenfarbe ab, der Verbindung mit blau noch abgeneigter,
als der mit roth. Schon den nächsten Schritt 10 deuten nur
zwei bleiche Blumen leise an, Heracleum sibiricum L. und ChamoB-
orchis alpina Rieh., beide wenig verbreitet, 11 fehlt, 12 g blüht
Zahlhruknera paradoxa Rchb., 13 g Sempervivum Braunii Funk
und S. Widfeni Hoppe, 14, 15 und 16 sind gar nicht vertreten.
Ein Hauptzug in dem Charakter der Alpenflora ist ihr
Reichthum an blauen Blumen, 13 Pflanzenarten blühen rein blau,
14 blau- violett-blau , 12 violett-blau und 19 violett- violett-blau,
so das« 58 Blumen, das ist 13 Procent, auf die Farbenstufe rein
blau bis an die Grenze yon violett fallen; es sind vorzüglich die
Familien der Veilchen, Schmetterlingsblumen, Glockenblumen,
Gentianen und Boragineen, welche mit oft weit verbreiteten und
gesellig in grosser Anzahl auftretenden Arten diesen Reichthum
an blauen Blumen bewirken.
Violett blühen 26 Arten, violett-violett-roth 23, violettroth
oder purpurfarbig 55, und roth-violett-roth oder karminroth 14,
so dass 92 Arten zwischen violett und roth stehen.
Es tritt als Hauptergebniss die entschiedene Selbstständig-
keit der gelben Farbe hervor, 108 rein gelbe Blumen gegen 44
mit einem Zusätze von roth und 4 mit einem Zusätze von blau,
und als schroffer Gegensatz die enge Verwandtschaft der beiden
andern Grundfarben, rein roth nur 2, rein blau 13, aber zwischen
blau und roth 163 oder etwas über 36 Procent.
Forscht man aber nach dem Umfange jeder der drei Grund-
farben in ihrer Verschmelzung mit ihren beiden Nachbarn, so
stellt sich ein anderes Verhältniss heraus, gelb finden wir in den
Farbenstufen 2 bis 16 bei 157 Arten, blau in 10 bis 24 bei 181
und roth in 1 bis 8 und 18 bis 24 bei 209 Arten, also gelb bei
35 Procent, blau bei 40 Procent und roth bei 47 Procent der
farbig blühenden Alpenpflanzen.
Württemb. natura. Jahresheft». 1862. 3s Heft, 21
— 322 —
Es wird nehmlich hier z. B. eine Blume, deren Farbe 24
aus Vs roth und i/s ^^^^ gemischt ist, beiden Farben gleich zu-
gezählt, und da gelb sich am wenigsten mit den Xachbarfarben
mischt, bleibt es in der Zahl zurück; berechnet man aber die
Farben nach Quotienten, so dass z. B. von 8 Arten obiger Far-
benstufe 24, sieben der rothen, eine der blauen Farbe zugezählt
werden, so stellt sich das wirkliche Verhältniss wieder heraus,
die Zahl der blauen Farbe ist dann 81 "4 ? der rothen 104^^4,
der gelben 144 Vs.
Die Intensität der Farben betreffend, finden wir auf dem
tiefsten Tone- a 12 Arten, auf b 24, also doppelt so viele, auf
c 52 als nochmalige Verdoppelung, dann in d mit 43 eine kleine
Abnahme, in e aber mit 105 die dritte Verdoppelung, f hat 59
Arten, wenig über die Hälfte von e, g mit 27 kaum die Hälfte
von f und h mit 12 kaum die Hälfte von g.
Zu den vier tiefsten Tönen a bis d gehören 131 Arten, zu
den vier helleren e bis h 203, zieht man aber von den letzteren
e als die besonders in den gelben Blumen vorherrschende Normal-
farbe mit 105 ab, so bleiben für die Töne f bis h nur 98 Arten,
bedeutend weniger, als für die vier tiefsten Töne, etwas über 29
Procent aller farbigen Blumen, während bei den 3 folgenden Floren
die drei hellsten Töne die vier dunkelsten übersteigen und bei
der Meerstrandflora gegen 37 Procent, bei der von Grönland 41
Procent und bei der von Spitzbergen beinahe 57 Procent aller
farbigen Blumen umfasst.
Auch in der Mannigfaltigkeit der Farben übertrifft die Alpen?
flora diese drei aus dem natürlichen Grunde, dass sie viel reicher
an Arten ist, von den 26 Farben unserer Tafel sind hier 19
vorhanden, von den 194 Tönen 77.
2. Flora von Grönland.
Grönlands Südspitze liegt unter 59^ 40' nördlicher Bmte,
gegen den Pol ist Kane bis 8P vorgedrungen, ohne das nörd-
lichste Ende der Insel oder die Eisgrenze ihrer Flora zu erreichen.
Die mittlere Temperatur des Frühlings und Herbstes ist in
Gtodhaab, 64^ 10' Br., unter dem Gefrierpunkt, in Lichtenau,
— 323 —
6O0 35' Br., erreicht sie nicht lOR., so bleiben der Vegetation
nur die drei Soimnermonate , deren mittlere Wärme kaum in
Godhaab 4«, in Lichtenau 5^ erreicht.*
Die Flora beschränkt sich, wie Grönlands Fauna, auf die
Küsten bis höchstens zehen Meilen landeinwärts, denn ein unge-
heurer Gletscher bedeckt das ganze völlig unzugängliche Inland.
Man hat bis jetzt an diesen Küsten 329 Phänogamen ge-
funden, von welchen 137, also 42 Procent oder über zwei Fünf-
theile ohne Blumenkrone blühen (Apetalae , Amentaceae und
Glumaceac).
Von den übrigen 192 blühen 69, also beinahe 36 Procent
oder über ein Drittheil rein weiss.
Gehen wir die 123 oder die 4 zweifarbigen doppelt zählend
die 127 farbigen Blumen nach der Farbentafel durch, so finden
wir keine rein roth 1, ein üebergang zu orange 5 fehlt, wie
diese warme Farbe selbst, erst jenseits derselben hndet man in
Plantago maritima L. eine leise Andeutung der sechsten Stufe,
von hier an steigt aber rasch die Häufigkeit der Farbe, wir be-
gegnen 3 orangegelb, dann 6 gelb-orange-gelb blühenden Pflanzen
und gelangen zu 51 rein gelben Blumen.
Zwischen gelb und blau treffen wir auf die grösste Kluft,
schon die nächste Stufe 10 gelb-grün-gelb ist nur durch vier
Arten vertreten, Potentilla pulchella R. Brown, Pyrola chlorantha
Sw. und zwei Orchideen, Gymnadenia albida R. Br. und Flatan-
thera hyperhorea Lindley; zwei andere Mitglieder dieser sonder-
baren Familie, Piatanthera Königii Retz und Corallorhiza innata
R. Br., gehen noch einen Schritt weiter zu 11 grüngelb, aber
selbst diese geringe Annäherung an grün findet ihre Erklärung
darin, dass bei den Orchideen die Krone zugleich den Kelch
vertritt.
Die fünf Stufen 12 bis 16 fehlen, und rein blau sind nur
zwei Blumen, die kleine Gentiana nivalis L. und die bleiche
Draba lactea Adams.
Nun nehmen die Farben mit Schwankungen gegen roth zu,
drei Arten, Gentiana serrata Gunner, Vcronica alpina L. und
Pinguicula vulgaris L. sind blau- violett-blau , eine, Pleurogyne
— 324 —
rotata Griesebach, ist violettblau, die violett-violett-blaue Farbe
schmückt 5 Arten, die violette deren 9, die violett- violett-rothe,
6, und Violettroth erreicht mit 22 Arten die höchste Zahl, denn
roth-violett-roth blühen nur noch 12 Arten.
So tritt auch in dieser Flora als Hauptergebniss die Selbst-
ständigkeit der gelben Grundfarbe hervor, 51 rein gelbe Blumen
gegen 11 mit roth und 5 mit blau gemischte, und als Gegensatz
die innige Schwesterschaft der beiden andern, keine Blume rein
roth, nur zwei rein blau, aber 58, deren Farbe eine Mischung
von blau und roth ist.
Zählt man jede Blume der Grundfarbe zu, die in ihrer
Mischung, wenn auch in noch so geringem Grade, vorkommt,
also die meisten bei zwei Grundfarben, so stellen sich die Farben
beinahe gleich, roth bei 58 Arten, blau bei (iC^^ gelb bei 67;
um die wirkliche Ungleichheit hervortreten zu lassen, muss man
daher die Quotienten berechnen, dann erhält man für blau 23 V4,
für roth 38'/^, für gelb 64Vs5 also für gelb mehr als für blau
und roth zusammen.
Forschen wir nach der Intensität der Farben, so linden wir
in a 2 Arten, in b 4, in c 11, in d 12, in e 46, in f 37, in g
10 und in h 5, also von der Grenze der schwarzen Farbe an
ein Steigen bis e, das als die Normalfarbe betrachtet werden
kann, dann ein Sinken bis an die Grenze von weiss.
Zugleich zeigt sich ein Ueberwiegen der hellen über die
dunkeln Farben, auf die vier tiefsten Töne fallen 27 Arten, auf
die vier hohen 98, und wenn man auch e abzieht, bleiben immer
noch für die drei hellsten Töne 52 Arten, doppelt so viel, als
die vier tiefsten haben.
Ein Versuch, Grönland durch den Polarkreis in Nord- und
Süd-Grönland abzutheilen, lieferte für die Farbenverhältnisse keine
erhebliche Verschiedenheit, da auch Südgrönland, von Inlandeis
und Treibeis rings umgeben, ganz der arktischen Flora angehört.
3. Flora von Spitzbergen.
Spitzbergen liegt unter 75 bis 81 0 nördlicher Breite, die
mittlere Temperatur der drei Sommermonate beträgt wenig über
325
10 R. , die der andern neun Monate bleibt tief unter dem
Gefrierpunkt.
Ton dieser nördlichsten Flora der Erde kennt man 74
Phänogamen, und von diesen haben 22, also 30 Procent, keine
Blumenkrone.
Eben so viele blühen rein weiss, obschon keine im Schatten
wachsen, denn an die Stelle des Waldschattens treten hier die
langen Schatten der Berge wegen des niederen Standes der
Sonne und die vorherrschende Trübung der Luft durch Wolken
und Nebel.
So bleiben nur 30 farbig blühende Arten, und gehen wir
diese nach der Farbentafel durch, so fehlen rein rothe bis
orangegelbe Blumen 1 bis 7 gänzlich.
Dagegen bilden rein gelbe Blumen 9, wenn wir den 14 ganz
gelben noch Erigeron uniflorum L. wegen seiner Scheibenblüthen
hinzufügen, die Hälfte aller farbigen.
Drei weitere Arten, Ranunculus nivalis L., Potentilla emar-
ginata Pursli und Saxifraga ßagellaris Willd., nähern sich durch
etwas wärmere Farbe in 8 nur um einen Schritt der rothen,
und Potentilla imXchdla R. Br. scheint sich mit 10 c eben so
viel der grünen Farbe zu nähern.
Es bilden sonach die gelben Blumen 60 Procent oder drei
Fünftheile aller farbigen Blumen von Spitzbergen.
Nun folgt die grosse Kluft der grünen Farben, aber auch
die blauen fehlen, wir finden eine Lücke von 11 grüngelb bis
20 violett-violett-blau.
Auf der violetten Stufe finden wir nur die Wiesenkresse
{Cardamine pratensis L.^; die Rauschbeere vertritt die violett-
violett-rothe Stufe, die Farbe von 6 Arten ist violettroth, und
4 Arten blühen roth-violettroth.
So gehören die Blumen der sieben zwischen blau und roth
stehenden Farben sämmtlich der überwiegend rothen Hälfte dieser
Stufen an und bilden mit einander 40 Procent oder zwei Fünf-
theile aller farbigen Blumen von Spitzbergen.
Wir haben auch hier, wie in Grönland, ein bedeutendes
Uebergewicht der gelben Farbe über die beiden andern, sowohl
— 326 —
in Bezug auf Häufigkeit, als auf Reinheit , denn blau und rotli
kommen nicht nur rein gar nicht vor, sondern es fehlen auch
ihre Uebergangsfarben zu gelb, orange und grün.
Eine Zusammenstellung der drei Grundfarben nach ihrem
ganzen Umfange liefert in Spitzbergen abweichend von den andern
Floren das natürliche Yerhältniss, blau ist mit 12 Arten die
seltenste Farbe, roth tritt in 14 auf, gelb in 18, und die Be-
rechnung nach Quotienten lässt das gleiche Ergebniss nur schärfer
hervortreten, blau 2^/s, roth 8% gelb ISi/o-
Die Intensität der Farben betreffend, finden wir auch hier
ein Steigen bis zur Normalfarbe, dann ein Sinken bis in die
Nähe von weiss, aber mit der grösseren Nähe des Pols blassere
Farben, a und b fehlen gänzlich, der dritte Ton ist nur durch
zwei Arten vertreten, Saxifraga oppositifolia L. 22 c und Pedi-
cularis Ursuta L. 24 c; d fehlt wieder, e hat 11 Arten, f 10,
g 5 und h 2.
Es sind also die 2 dunkelsten purpurroth, von den 11 nor-
malfarbigen 10 gelb, von dem Tone f 6, also über die Hälfte,
wogegen in g und h nur je eine Art der gelben Farbe angehört.
Den 4 dunkelsten Tönen gehören nur 2 Arten an, den 4
andern 28 und auch nach Abzug der Normalfarbe noch 17, also
den drei hellsten Tönen mehr als acht Mal so viele, als den
vier dunkelsten.
Von den 26 Farben der Tafel kommen an den Blumen von
Spitzbergen 8 vor,' nur halb so viele als in Grönland, von den
194 Farbentönen 16, nur ein Drittheil der in Grönland gefundenen.
4. Europäische Meerstrandflora.
In der mir näher bekannten europäischen Pflanzenwelt bildet
die Küsten- und Strandflora den stärksten Gegensatz zur Flora
der Alpenregion und zu den dieser verwandten polaren Floren.
Ich habe daher eine Zusammenstellung der maritimen Phä-
nogamen von Dänemark, Deutschland und Italien zur Untersu-
chung ihrer Farbenverhältnisse versucht und folgendes Ergebniss
erhalten.
— 327 —
Die zwar sehr eigenthümliche, aber doch arme und mono-
tone Flora der im Bereich des Salzwassers liegenden Ufer jener
Länder zählt nur 217 Arten von Phänogamon, 143 mehr als die
von Spitzbergen, aber 112 weniger als die von Grönland.
Von diesen 34 Familien angehörenden, salzliebenden Pflanzen
blühen 87, also 40 Procent oder zwei Fünitheile, ohne Blumen-
krone (Apetalm und Glumacecß).
Von den andern 130 blühen 25, also etwas über 19 Procent
oder beinahe ein Fünftheil weiss.
Zählt man von den übrigen 105 Arten vier mit zweifarbigen
Blumen {Aster Tripoliuvi L., Tripleurospermum maritimwn Schultz^
Btachys maritima L. und Teuer tum Polium L.) zu beiden Farben,
so erhält man 109 farbig blühende Salzpflanzen.
Von diesen blühen nur die sehr unscheinbare Euphorbia Pe-
plis L. hellroth 1 f, Scabiosa rutaefolia Vahl hell incarnat 3 g,
aber vier rothgelblichweiss 5 h, es zeigt sich also schon ein An-
fang der in der Tropenflora culminirenden rothgeiben Blumen-
farben.
Die gelbe Farbe tritt eben so häufig als rein auf, vorherr-
schend in den Papilionaceen und Compositen, dann in einzelnen
Arten aus Familien, welche gewöhnlich andere Farben zeigen,
so in den Papaveraceen mit Glaucium luteum Scop., in den Li-
neen mit Linum maritimum h., in den Convolvulaceen mit Cressa
cretica L., in den Gentianeen mit Erythraea maritima Tenore-^
ich zählte 28 Arten, welche rein gelb blühen, 12, die nur einen
Schritt gegen roth machen und eine mit einem Schritte gegen
blau, die unscheinbare Artcmisia variabilis Tenore, zusammen 41
Arten, beinahe 38 Procent oder über ein Drittheil aller farbigen.
Wie immer und überall fehlen auch hier den Blumenkronen
die grünen Farben der Blätter und Kelche, von den sechs Stu-
fen 11 bis 16 ist eine einzige, 12 grüngrüngelb, bei zwei Blumen
leicht angedeutet, ßilene Mandralisci Farlatore 12 g und Crith-
murn maritimum L. 12 h.
Eine andere häufige Doldenpflanze, die Seemannstreue {Eryn-
gium maritimum L.), hat rein bläuliche ßlüthen 17 g.
— 328 —
Den drei Stufen zwischen blau und violett gehören 16 Arten
an, und -8 blühen violett, eine ungewöhnlich starke Zahl, bewirkt
durch die mit 20 Arten auftretende Gattung der Meernelken
(Statice).
Zwischen violett und roth fallen 35 Arten.
Wir haben also auch hier das gleiche Ergebniss, wie in den
andern Floren, doch weniger entschieden, 21 rein gelbe Blumen
gegen 17 sich zu roth und 3 sich zu blau neigende, und als Ge-
gensatz nur eine rein rothe und eine rein blaue gegen 59 üeber-
gänge von blau in roth. Der ganzen janthinischen Reihe von 17
bis 1 gehören 61 Arten an, das ist 56 Procent, die Blumen die-
ser Reihe überwiegen die der xanthischen 2 bis 16 und ver-
halten sich zu ihnen wie 61 zu 41 oder drei Fünftheile zu zwei
Fünftheilen.
Zählt man jede Blume der Grundfarbe zu, die in ihrer Mi-
schung noch vorkommt, wenn auch nur zu Vs? so kommt gelb bei
48 Arten vor, blau bei 63, roth bei 77. Berechnet man aber
jede Farbe nur nach ihren Quotienten, so erhält man die Zahlen
27^4 für blau, 40% für roth und 42 "^/s für gelb, blau bleibt be-
deutend in der Minderzahl, aber gelb hat nur ein geringes Ueber-
gewicht über roth.
Diese Verhältnisszahlen mit denen der Flora von Grönland
verglichen zeigen
1) eine beinahe gleiche Zahl von Blüthen ohne Blumen-
krone, indem die zahlreichen Chenopodeen der Strand-
flora den zahlreichen Riedgräsern des Nordens das
Gleichgewicht halten, dagegen
3) beinahe nur halb so viele weisse Blumen,
3) weniger gelbe,
4) etwas mehr rothe und
5) beinahe doppelt so viele blaue.
Forschen wir auch hier nach der Tiefe der Farben, so fin-
den wir in a 2 Arten, in b 8, in c 11, in d 13, in e 35, in f
15, in g 15, in h 10, also ein Steigen bis zum Normalton, dann
ein langsames Sinken; die Farben sind lebhafter, als in den Po-
larfloren, das Ueberwiegen der bleichen Farben über die tiefen
329
ist zwar auch vorhanden, aber in geringerem Grade, den \ier
tiefsten Tönen gehören 34 Arten an, den vier hohen 75, und
wenn man e als Normalfarbe abzieht, bleiben nur noch 40, also
für die drei hellsten Töne nur ein Siebentel mehr, als für die
vier dunkelsten.
Die Mannigfaltigkeit der Farben ist nicht so gross als man
glauben sollte, durch ein sonderbares Zusammentreffen stimmen
die Zahlen der in dieser Flora an den Blüthen vorkommenden
Farben der Tafel genau mit denen der grönländischen überein,
16 Farbenstufen mit 43 Farbentönen, hierin liegt nur in so fern
eine grössere Mannigfaltigkeit, als diese gleichen Zahlen bei einer
geringeren Zahl von Pflanzenarten vorliegen, in Grönland bei
192, hier bei 130 Arten.
6) V e r t h e i 1 u n g der Farben der B 1 u m e n k r o n e
nach den Jahreszeiten.
Nach Linne*) blühen die Pflanzen im Frühling vorzugs-
weise weiss, im Sommer roth, im Herbst gelb; ich habe nun die
Jahreszeiten nach Dove so getheilt, dass die Monate März bis
Mai den Frühling, Juni bis August den Sommer, September bis
November den Herbst bilden und erhielt nun in der Flora von
Württemberg 438 Frühlingsblumen, 1033 Sommerblumen und 288
Herbstblumen.
Die Zahlen fielen darum so gross aus, weil ich mehrfarbige
Blumen in jeder ihrer Farben aufnahm und Blumen, welche in
mehr als einer Jahreszeit blühen, in jeder derselben; so haben
von den 438 Frühlingsblumen nur 134 am ersten Juni schon
vollständig abgeblüht, und von den 288 Herbstblumen beginnen
sogar nur 6, die Zeitlose und der Epheu, welche die Samen erst
im folgenden Frühling reifen, und vier Gentianen, erst nachdem
31. August zu blühen, weitaus die meisten sind Nachblumen
des Sommers, besonders auf den Wiesen, wo die durch die
*) Caroli Linnaei Phüosophia botanica. Editio 4ta itudio Curtn
Sprengel. Halae ad Salam 1809. S o.
— 330 —
Sense verstümmelten Pflanzen ihr Aeusserstes thun, um wie die
Vögel, denen die Eier geraubt wurden, eine zweite Brut zu Stande
zu bringen, freilich meist vergebens, da die zweite Blüthe der
Oehmdernte zum Opfer fällt , wie die erste , wenn sie sich nicht
«ehr beeilte, der Heuernte.
Es blühen nun
I. im Frühling:
1, rein roth 1 = V438 '
2 bis 4, überwiegend roth gegen gelb 5 = 1/9 s
5, orange 3 = Vi 46
6 bis 12, überwiegend oder rein gelb 142 = 1/3
17, rein blau 6 = Vßo
18 bis 20, überwiegend blau 56 = Vg
21, violett 29 = V15
22 bis 24, überwiegend roth gegen blau 88 = V5
0, weiss 108 = V4
II. im Sommer:
1, rein roth 5 = V207
2 bis 4, überwiegend roth gegen gelb 15 = ^69
5, orange 11 == 1/94
6 bis 12, überwiegend oder rein gelb 340 = V3
17, rein blau 8 = Vi 2 9
18 bis 20, überwiegend blau 79 = V13
21, violett 68 = 1/15
22 bis 24, überwiegend roth gegen blau 298 = 1/3
0, weiss 209 = 1/5
III. im Herbst:
1, rein roth keine
2 bis 4, überwiegend roth gegen gelb 2 == Vi 4 4
5, orange 2 = 1/144
6 bis 12, überwiegend oder rein gelb 100 = V3
17, rein blau 3 = 1/9 g
18 bis 20, überwiegend blau 20 = Vi 4
21, violett 21 = Vi4
22 bis 24, überwiegend, roth gegen blau 99 = V3
0, weiss 41 = Vt
331
oder die Farbentafel nach den drei Grundfarben abgetheilt:
I. im Frühling:
von der Hälfte von 5 bis zur Hälfte von 13 gelb 143
= V3
von der Hälfte von 13 bis zur Hälfte von 21 blau 76= Ve
von der Hälfte von 21 bis zur Hälfte von 5 roth 112= V4
weiss 108 = 1/4
II. Im Sommer eben so
gelb 345 = V3
blau 121 = Vs
roth 357 = V3
weiss 209 = V5
III. im Herbst:
gelb 101 etwas über V3
blau 33 = Vi)
roth 112, über V3
weiss 41 = V7.
Hiernach ist es richtig, dass die weissen Hlumen im Früh-
ling am häufigsten sind, wenn gleich nur der vierte Theil aller
Frühlingsblumen, da im Sommer nur der fünfte, im Herbst nur
der siebente Theil weiss blüht; dieses Verhältniss scheint mit
der Temperatur im Zusammenhang zu stehen, so dass eine Jahres-
zeit um so mehr weisse Blumen hat, je niedriger ihre Tempera-
tur ist, denn die mittlere Temperatur von Stuttgart ist im Früh-
ling 7,57 R. , im Sommer 14,38, im Herbst 7,86, wobei freilich
die Störung eintritt, 'dass der Sommer noch viele Frühlingsblumen,
der Herbst aber noch weit mehr Sommerblumen und desswegen die
geringste Zahl von weissen hat.
Dagegen hat der Sommer zwar etwas mehr rothe Blumen,
als der Frühling, aber nicht ganz so viele als der Herbst, und
was die gelben Blumen betrifft, so bilden solche in jeder der
drei Jahreszeiten den dritten Theil der blühenden Gesammtzahl.
Die relative Zahl der blauen Blumen ist im Frühhng am
grössten, ein Sechstel, und nimmt wie die weisse mit dem Fort-
gang des Jahres ab, ein Achtel im Sommer, ein Neuntel im
Herbst.
332
7) Vertheilung der Farben der Blumenkrone in den
Familien der Pflanzen.
Für die Vertheilung der Farben der Blumen in den Pflan-
zenfamilien habe ich kein anderes Gesetz entdecken können, als
das sich von selbst verstehende , dass eine Farbe in einer um
so grösseren Zahl von Familien auftritt, je häufiger sie überhaupt
vorkommt.
Ich habe zur Bestimmung dieser Farben, da grün 13 fehlt,
eben so schwarz, die andern Stufen der Tafel in sechs Farben
abgetheilt,
1) rein oder überwiegend gelb 6 bis 12,
2) gelb und roth im Gleichgewicht, orange 5,
3) rein oder überwiegend roth 1 bis 4 und 22 bis 24,
4) roth und blau im Gleichgewicht, violett 2!,
5) rein oder überwiegend blau 14 bis 20 und
6) vreiss 0.
Die Flora von AYürttemberg umfasst 111 Familien, von wel-
chen 27 keine Blumenkrone haben, also 84 hieher gehören.
Gelbe Blumen findet man in 52 dieser 84 Familien, und
unter diesen 52 Familien befinden sich 9, in welchen die gelben
Blumen die Hälfte der Gesammtzahl übersteigen, die also vor-
wiegend gelb blühen, darunter 5 mit mehr als 10 Arten in jeder,
die Ranunculaceen mit 45 Arten, wovon 23 gelb blühen, die Co-
rymbiferen mit 52 gelben unter 63, die Cichoraceen mit 49 gelben
und nur 4 anders gefärbten, die Rhinanthaceen mit 10 gelben
unter 16 und die Primulaceen mit 10 unter 15 Arten.
Bei zwei grossen Familien kommt die Zahl der gelben
Blumen der Hälfte der Gesammtzahl nahe , bei den Cruciferen
30 unter 63 und bei den Papilionaceen 31 von 70; dass in elf
Familien ausschliesslich nur gelbe Blumen vorkommen, wie bei
deli Berberideen, den Hypericineen, den Balsamineen, fällt wie
bei den folgenden Farben weniger in's Gewicht , weil es lauter
Familien sind, welche nur wenige Vertreter, oft nur einen, in
dieser Flera haben.
Die rothen Blumen schliessen sich, in 51 FamiHen auftre-
tend, dicht an die gelben an: unter diesen 51 Familien befinden
— 333 —
sich 11, in welchen mehr als die Hälfte der Arten roth blühen,
darunter die Sileneen mit 19 von 25 Arten, die Onagrarien mit
11 von 15, die Cynarocephalen mit 24 von 30 und die Labiaten
mit 28 von 53. In zwei monocotyledonischen Familien kommt
die Zahl der rothblühenden Arten der Hälfte der Gesammtzahl
nahe, bei den Orchideen mit 20 unter 45 , bei den Liliaceen mit
10 unter 23 ; endlich haben 9 Familien, darunter die Malvaceen,
dia Lythrarieen, die Tamariscineen und die Ericineen, in unserer
Flora nur rothe Blumen.
Weiss ist die dritte Farbe, welche in Württemberg bei mehr
als der Hälfte der 84 Familien vorkommt, man hndet sie in 46.
Mehr als die Hälfte der Arten blüht in sechs dieser Familien
weiss, am auffallendsten bei den Alsineen, von denen 26 schnee-
weiss und nur zwei der kleineren, Lepigonum medium und rubrum
Wahlenb., hell purpurrotli 23 g und e blühen, dann in der grossen
Familie der Umbelliferen 47 unter 54 und bei den Stellaten 11
unter 18. Nicht viel unter der Hälfte beträgt die Zahl der weiss-
blühenden Cruciferen, 27 von 63, und 9 Familien haben nur
weisse Blumen, darunter die Amygdaleen, die Pomaceen, die Olea-
ceen, die Corneen und die Amaryllideen.
Blau ist die einzige Hauptfarbe, welche in weniger als der
Hälfte der hier in Frage stehenden Familien vorkommt, von den
84 haben nur 22, also wenig über den vierten Theil, blaue Blu-
men, in vier blüht mehr als die Hälfte der Arten blau, bei den
Polygaleen 4 von 5, bei den Gentianeen 7 von 13, bei den Bo-
ragineen 15 von 23 und bei den Antirrhineen, vorzüglich durch
die Gattung Yeronica, 17 von 33; die drei Familien, welche
wild nur blau blühen, sind die Apocyneen mit Vmca minor L.,
die Polemoniaceen mit Polemonium coeruleum L. und die Globu-
larien mit Globularia vulgaris L., drei wenig verbreitete, cultivirt
leicht in weiss übergehende Pflanzen.
Von den zwei vorkommenden Mittelfarben, findet man Vio-
lett in 17 Famiüen, darunter die der Farbe den Namen geben-
den Violarieen mit 8 unter 13 Arten, die Campanulaceen mit
12 unter 18.
- 334 —
Orange kommt am wenigsten vor, nur in 10 Familien,
meist bleich , wie in Monotropa Hipopitys L. 5 g , welche die
einzige ausschliesslich in dieser Farbe blühende Familie bildet.
Die Farben sind in den 84 Familien der württembergischen
Flora so vertheilt, dass die Zahl der Familien in dem Grade zu-
nimmt, in welchem die der Farben abnimmt, wobei freilich die
an Farben ärmsten Familien auch die ärmsten an Arten sind.
Alle sechs Farben kommen nur in zwei Familien vor, den Corym-
biferen und den Labiaten, in beiden sind auch zweifarbige Blumen
häufig, sieben Familien blühen in fünf Farben, zehen in vier,
dreizehn in drei , neunzehen in zwei und drei und dreissig nur
in einer Farbe.
Oft tritt eine Farbe ganz isolirt und fremdartig in einer Fa-
milie auf, so unter den wesentlich gelben Cichoraceen die rothe
Pvenanthes purpurea L. 23 d, die blaue Lactuca perennis L. 19
d, die der Familie den Namen gebende Cichorie 19 d, Mulgedium
alpinum Lessing 18 d, das schöne violette Fragopogon porrifolium
L. 21 d, dagegen unter den rothen Cynarocephalen die ihnen
den Namen gebende Artischoke blau 18 d, der Saflor orange
5 b, die Gattung Scolymus lebhaft gelb 8 e und in der grossen
Gattung Centaurea neben den vorherrschenden purpurrothen
Arten die blauen Kornblumen 19 c, C. montana L. 20 b, C. de-
pressa Bieberst. 18 c, die goldgelben C. solstitialis L. , C. meli-
tensis L., C. benedicta L.
Unter den Labiaten zeichnen sich die Arten der Salbeigat-
tung durch die Mannigfaltigkeit ihrer Farben eben so selir aus,
wie durch die Schönheit derselben, schon unter den einheimischen
finden wir Salvia pratemis L. blau 20 c, S. verticillata L. roth
22 d und die bleiche, weil im Waldschatten lebende S. glutinosa
L. schwefelgelb 9 f, unter den tropischen unserer Gärten aber
neben der ultramarinblauen S. patens Cav. 18 b, der hellblauen
S. Sdarea L. 19 g und der violetten S. officinalis L. 21 c und
S. Horminum L. 21 b die karminrothe 8. dulcis Hort. 24 b und
die schar lachrothen S. cardinalis H. et B. 2 c, S. coccinea L. 1
b und )S. splendens Ker 2 c.
— 335 —
Lecoq macht auf das häutige Auftreten gelber Blumen mitten
uirter blauen aufmerksam, so Aconitum Lycoctonum und A. Anthorah.,
Linum maritimum und L. fiavum L., Viola hiflora L.. Lupinus
luteus L., Geiitiana lutea L. , Campanula aurea L. iil., Gyanella
lutea L., gelbe und blaue Schwertlilien, ähnliche Fälle unter den
Boragineen und der erwähnte umgekehrte bei den Cichoraceen ;
aber auch in den sonst rothblühenden Gattungen treten solche
einzelne gelbblühende. Arten auf, wenn auch weder absolut noch
weniger relativ so häufig, so Rosa Eglanteria L. und sulfurea
Ait., Saponaria lutea L., Euphrasia lutea L., Papaver nudicaule
L., die Opuntien unter den Cacteen, und umgekehrt Potentilla
formosa und atrosanguinea Don.
Fremdartige Seltenheiten sind eine von Lecoq erwähnte
himmelblaue Meconopsis aus dem Himalaya unter den Papaveraceen,
die neuholländische Trachymene cyanea Cunningham 20 e unter
den Umbelliferen.
Die meisten Arten der Gattung Ranunculus blühen lebhaft
gelb, die im Wasser und in der Alpenregion lebenden aber weiss,
unsere Nymphäaceen sind weiss oder gelb, die tropischen auch
roth und blau.
8) Verhältuiss der Farbe zum Geruch der Blumen.
Der Geruch der Blumen ist noch weit mehr als ihre Farbe
von der Temperatur abhängig, mit welcher, vorausgesetzt dass
es an Feuchtigkeit nicht fehlt, die Lebensthätigkeit der Pflanzen
steigt und fällt; die späten Herbstblumen der Monatrosen und
Reseda in unsern Gärten lassen den Wohlgeruch der sommer-
lichen kaum ahnen, dieselben Blumen riechen im südlichen Europa
viel stärker als im nördlichen, so konnte ich in Albano den
Wohlgeruch der Petunia violacea Hook., in Mira den der von
Sphinx Convolvuli umschwärmten Mirabilis Jalapa L. auf mehrere
Schritte Entfernung wahrnehmen, in Stuttgart kaum auf einige
Spannen; indessen besteht keine Grenze zwischen riechenden
und geruchlosen Blumen, eine Menge verbreitet unter günstigen
Umständen einen Geruch, hinreichend, um Insekten zur Förderung
ihrer Befruchtung anzulocken, aber zu schwach, um von dem
— 336 —
Menschen beachtet zu werden ; ich habe daher meine Unter-
suchungen auf die, wie die Farben, oft ganz vereinzelt mitten
in einer Familie oder Gattung geruchloser auftretenden stark-
riechenden Blumen beschränkt, besonders solche, welche vorzüg-
lich ihres Geruchs wegen in Gärten gezogen werden, wie die
Reseda, oder zu Markt gebracht, wie die Veilchen und Mai-
blumen, freilich sind mir viele starkriechende Blumen der Tro-
penländer der Farbe und dem Geruch nach unbekannt geblieben,
und selbstverständlich wurden alle diejenigen Pflanzen ausge-
schlossen, bei welchen nicht die Blumen, sondern die Blätter
und andere grüne Theile stark riechen, -^ie die Pelargonien,
Dictamnus, Calendula, Tagetes^ Balsamita und sehr viele Labiaten.
So habe ich ein Verzeichniss von hundert und elf Arten zusam-
mengebracht, von welchen 31 der Flora von Württemberg ange-
hören, die meisten einen angenehmen und nur zehen einen un-
angenehmen Geruch verbreiten.
Unter den weissen Blumen findet man die meisten wohl-
riechenden, 35, ein Drittheil der Gesammtzahl, darunter sehr
ausgezeichnete und beliebte, die schon von Salomo gerühmte
weisse Lilie, während ihre farbigen Schwestern geruchlos sind,
die Tuberose, die Pomeranze, die Myrte, drei echte und zwei
unechte Jasmine, die Gardenien, den Cereiis grandiflorus Mill.,
die weisse Narcisse, die ungemein lieblich riechende kleine Blüthe
des Oelbaums und unter unsern einheimischen den gefeierten
Waldmeister, die Maiblume, den Holder, die schattenliebenden
Pyrola uniflora L. und Piatanthera hifolia Rieh, und die Nacht-
blumen der Lychnis vespertina Sibth,, deren purpurrothe Schwes-
ter Lychnis sylvestris Scop. geruchlos ist.
Zu den übelriechenden weissen Blumen kann man die Schlehe,
die den Spaziergänger in 'Stuttgarts Schlossgarten belästigende
Traubenkirsche und den gern am Wege blühenden Attich
rechnen.
Den weissen Blumen kommen die rothen am nächsten,
mit 30 Arten, etwas über den vierten Theil der Gesammtzahl,
darunter die beliebte Gartennelke, die Federnelke und die Pfingst-
nelke, die Rosen, Sommer- und Winter-Levkojen, der Oleander
— 337 —
(Neriimi odorum Ait.), die orientalische Seidenrose (Bcacia Juli-
brissin Willd.) und der Gewürzstrauch {Calycanthus floridus L.),
unter den wildwachsenden der Seidelbast, zwei Nelken, Dianthus
superhus L. und caesius Smith, das Chocoladkraut {Plantago media
L.), die Weinrose {Rosa rubiginosa L.), die Mairose {Rosa
cinnamomea L.) , die nächtliche Silene rioctiflora L. und eine
Orchidee, Gymnadenia odoratissima Rieh. ; zwei andere Orchideen,
Nigritella angustifolia Rieh, und suaveolens Koch, berühmt in der
Schweiz als Brentle, im Zillerthal als Braunellen, zeichnen sich
unter den Alpenpflanzen durch ihren durchdringenden Vanillen-
geruch noch mehr aus, als durch ihre an schwarz grenzende
Pui*purfarbe.
Als übelriechende rothe Blume haben Römer und Schultes
eine Tulpe, TuUpa maleolens, bezeichnet, deren schwacher Mehl-
geruch diesen Namen nicht verdient.
Den dritten Rang unter den starkriechenden Blumen nehmen
die gelben ein, 21 Arten; hier finden wir den so allgemein ver-
breiteten Goldlack, die Oenothera suaveolens Desf., Jasminum
odoratlssbiium L., Ribes aureum L., die Theerose, das in w^eiss
und roth hinüberschwankende Geisblatt, Tidipa suaveolens Roth,
Narcissus Jonquilla, odorus und Tazzetta L., die grünliche Ptelea
trifoliata L. und den Mangel an Schönheit gleich der Reseda
reichlich durch herrlichen Geruch ersetzend die gelbgrüne Blüthe
der Rebe; unter den einheimischen gehören die Schlüsselblume,
die Linden und als einzige Wasserpflanze mit wohlriechenden
Blumen die gelbe Seerose hieher,
Uebelriechend kann man die gelben Blumentrauben des
Sauerdorns {Berberis vulgaris L.) nennen.
Violett fand ich nur 9 wohlriechende Blumen, das Vanillen-
kraut {Heliotropium peruviamnn L.) als die einzige starkriechende
Boraginee, die seltene Datura fastuosa L., Petunia violacea Hook.,
jetzt eine Modepflanze, Syringa chinensis Willd., die auch rosa
und weiss blühende spanische Wicke {Lathyrus odoratus L.), die
ebenfalls vielfarbige Hyacinthe, Hyptis suaveolens Poit. und unter
den einheimischen das Veilchen und die bleichere, aber ebenso
angenehm riechende Viola mirabilis L.
Württemb. natiirw. Jahreshefte. 1862. 3s Heft. 22
— 338 —
Auffallend wenig wohlriechende und keine übelriechende
Blume hat der vorwiegend blaue Theil der janthinischen Reihe;
ich fand nur 4 hieher gehörige Blumen, die Hyacinthe, die Trau-
benhyacinthe {Muscari racemosum Mill.), die Aprikosenblume
(Iris graminca L.) und den Flieder {Syringa vulgaris L.).
Orange fand ich nur eine in Deutschland fast unbekannte,
Meher gehörige Blume, welche, weil sie zuerst im Jahr 1611 in
dem farnesischen Garten in Rom gezogen wurde, den Namen
Acacia Farnesiana Willd. fiihrt , ihre sehr angenehm riechenden
Blumen werden zwischen die Wäsche gelegt und von den Spaniern
Aromo genannt.
Sechs Arten starkriechender Blumen haben ternäre, in der
Farbentafel nirgends hinpassende Blumen, zwei derselben, die
Nachtviole (Hesperis tristis L.) und das Nachtgeranium, Geranie
notturno der Italiener {Pelargonium triste Cav.), sind bei Tag
geruchlos und verbreiten bei Nacht wie die Belle de nuit einen
äusserst angenehmen, die Dämmerungsfalter anlockenden Geruch;
zwei andere haben einen widrigen, eckelhaften Geruch, die hohe
Ailanthus glandidosa Desf. und die Stapelia hirsuta L:, deren Farbe
und Aasgeruch die Fliegen verführt, ihre Eier darauf zu legen;
die übrigen sind Muscari moschatum Desf. mit Bisamgeruch und
Iris sambucina L. mit dem Geruch der Holderblumen.
Endlich gibt es noch vier sehr übelriechende Blumen ohne
Krone, die essbare Kastanie, die nur durch die Hoffnung auf
die süsse Frucht den widrigen Geruch, den sie w^eit herum ver-
breitet, erträglich macht, und der dieses Trostes mangelnde Stink-
baum (Sterculia foetida L.), dann Arum Dracunculus L. und
A. crinitum Alt., welche beide wie jene capische Stapelie durch
Farbe und Geruch verw^esenden Fleisches den zudringlichen Aas-
fliegen verderblich werden.
IX. Staubfäden, Staubbeutel, Blumenstaub.
Ist die Blumenkrone noch so lebhaft gefärbt, so bleibt doch
der unterste, nicht an das Licht gelangende Theil derselben im
Kelche farblos, glasartig oder kaum weisslich getrübt, Nelken,
— 339 —
Schlüsselblumen, Rochea; aus demselben Grunde sind die Staub-
fäden {füamenta) , welche einen oder mehrere Kreise innerhalb
der Krone bilden, farblos, so lange oder so weit sie durch ihre
Umhüllungen dem Lichte unzugänglich bleiben.
Treten aber die Staubfäden durch ungewöhnliche Verlänge-
rung über die ihre Basis verhüllende Krone heraus, so färben sie
sich bald gleich der Krone, wie bei Schotia latifolia Jacq., Vero-
nica Fortieri Hort., bald davon abweichend, wie bei Fuchsia coc-
cinea L., wo sie die Farbe des Kelchs wiederholen, bei Metrosi-
deros albiflora Gacrtn. und Echium vulgare L., bald harmonisch
mit dem gelben Blumenstaub , wie bei vielen Acacien, besonders
den neuholländischen 9 e, Thalictrum flavum L. 9 e, Nierembergia
gracilis Hook. 9 g, Echeveria secunda Bot. Reg. 9 g , Acacia
Farnesiana Willd. 8 d, Clematis integrifolia L. 7 g, Verbascum
floccosum Willd. 6 c, iMesembryanthemum aurcum L. fil. 5 f, bald
in der Ergänzungsfarbe zu demselben, wie bei dem nach seinen
schönen Staubfäden benannten Callistemon speciosum Dec. 24 b,
eben so schön karminroth bei den meisten Fuchsien, deren hän-
gende Blumen in ihrer regenreichen Heimath, den Cordilleren
von Mexiko bis zum Feuerlaud und den Falklandsinseln , die
Staubkolben vor Regen schützen, ohne ihnen die Sonne zu neh-
men, purpurroth bei Portulaca grandiflora Hook. 23 b, Hibiscus
Trionum L. 22 a, ^"erbascum phoeyiiceum L. 22 c, Plantago media
L. 22 e, Thalictrum atropurpureum Jacq. 22 h ; violett bei Vero-
nica Fortieri Hort. 21 b ist die äusserste Grenze gegen blau,
welche die Staubfäden erreichen, denn selbst bei unserem violett-
blauen Natterkopf {Echium vulgare L.) bleiben sie der Purpur-
farbe 23 e treu, welche die Krone vor dem Aufblühen zeigte.
Unter allen Theilen der Pflanze haben die Staubbeutel
(aniherae) das dringendste Bedürfniss nach Sonnenlicht, um ver-
trocknend aufzuspringen und den durch seine ölige Beschaffenheit
vor zu starker Vertrocknung geschützten Blumenstaub auszu-
streuen ; dieses Bedürfniss zu ])efriedigcn steigt die Blume auch
der entschiedensten Wasserpflanze über den Wasserspiegel empor,
wendet sich jede aufgehend der Sonne zu, schliesst sich oder senkt
sich bei Nebel. Thau oder Regen. Gentia?ia, Portulaca, Erythraea,
— 340 —
Ornithogalum, Tulipa; nur wenige machen eine Ausnahme, so die
Pflanzen ohne trockenen Blumenstaub, Asclepiadeen, Orchideen,
die nicht grünen Schmarotzer, Lathraea, Monotropa, Orohanche,
Cytinus^ Rafflefia, einige andere schattenliebende G-attungen,
Cyclamen^ Asarurn, Aristolochia, und die vor OeiFnung der Erone
sich im Verborgenen befruchtenden Campanulaceen.
Diese so nothwendige Erwärmung und Trocknung wird häufig
durch die dunkle Farbe der Staubbeutel im Gegensatze zu der
bleichen der sie tragenden Fäden befördert, und häufig ist daher
der Staubbeutel der am dunkelsten gefärbte Theil der Blume,
so vom tiefsten Purpurroth, beinahe schwarz, bei Arhutus Unedo
und Ut>a ursi L., Erica carnea L., multiflora L. und vielen andern
Heidekräutern, Borago qfficinalis L., Anchusa officinalis L., Papa-
ver Rhoeas L. , Veratrum nigrum L., etwas weniger dunkel bei
Astrantia major L. 23 c, dem Buchweizen, dessen weisser Blüthe
die purpurnen Staubbeutel einen rothen Schimmer verleihen,
dem Teufelsabbiss 23 e, der rothen Hyacinthe 22 b , Lychnis
grandiflora Jacq. 22 c und vielen Disteln 22 c bis e.
Dunkelviolett 21 a sind die Staubbeutel der Petunia violacea
Hook., des Augentrostes gleich der Linienzeichnung an der weissen
Blumenkrone, des Faulbaums, der Justicia paniculata Vahl, der
Bignonia capensis Thunb., des Muscari mosckatum Desf. und vieler
Tulpen, etwas heller 21 c die von Carduus nutans L., eine Stufe
weiter gegen blau, bis 20 b, gehen die Staubbeutel der blauen
Hyacinthen und der Nardosmia fragrans Rchb. ; bei der drei-
farbigen Winde entsprechen die Staubfäden der weissen Mitte
der Blume, die Staubbeutel 19 a dem Saume derselben, diejeni-
gen der Kugeldistel sind 18 c, rein blaue 17 Staubbeutel habe
ich aber nie gesehen, und die etwas unbestimmt als blau angege-
benen von Phacelia, Nemophila, Gilia und Hydrolea dürften kaum
violettblau überschreiten.
Verlassen wir die janthinische Reihe und schreiten in der
xanthischen von roth gegen gelb, so werden die in der Farbe
mit dem entgegenkommenden Blumenstaub übereinstimmenden
Staubbeutel immer häufiger und überwiegen weit diejenigen,
welche seiner Farbe als Ergänzungsfarben gegenüber stehen; die
— 341 —
Staubbeutel von Lilium chalcedonkum und pomponium L. haben
die Farbe der Blume 3 b, die der Reseda gehen eine Stufe wei-
ter 4 e ; die Staubbeutel von Galanthus nivalis L. fand ich 6 d,
von Solanum Pseudocapsicv.m L. und Amorpha fruticosa L. 7 d,
bei den meisten Pflanzen sind sie rein gelb, grüne und weisse
gibt es nicht.
Der Blumenstaub {pollen) ist der einzige Theil der Pflanze,
welcher beinahe bei allen Gewächsen gelb ist, in der ungeheuren
Mehrzahl rein gelb 9 d bis f oder eine Stufe gegen roth 8 d
bis f, grössere Entfernungen von diesen Farben sind seltene Aus-
nahmen, ich beobachtete in vielen Jahren nur folgende: heller
9 g bei Echeveria secunda Bot. Keg. und den Fuchsien, beinahe
weiss 9 h bei der Ulme, bei Gonvolvulus tricolor L, , Nardosmia
fragrans Rchb. , dem Majoran und Canna iridica L. ; orangegelb
ist der Bluntenstaub bei der Platterbse {Lathyrus sativus L.) 7 e,
ßine Stufe röther bei dem Türkenbund {Lilium Martagon L.) 6 b
und der Schafgarbe 6 c, ebenso bei mehreren Arten der Gat-
tung Verbascunu bei Colutea arborescens und orientalis L., Hibis-
cus Trionuni L., Anthericum Liliage und ramosum L. ; der Blumen-
staub von Lilium lancifolium Thunb., chalcedcmicum und pompo-
nium. L. ist völlig orange 5 b, bei der Rosskastanie 4 c, h^iAlo'e
barbadensis Miller 3 f, bei den Erythrinen 11 f, bei Malva mau-
ritiana L. 22 h; bei den Tulpen mit schwarzvioletten Staubbeu-
teln fand ich auch den Blumenstaub von gleicher Farbe, Petunia
violacea Hook, hat schön blauviolettblauen Blumenstaub 18 d.
X. Die Frucht.
1) Farbige Griffel und Narben.
Dtr Stempel (pistillum), durch seinen Namen an die Apo-
theker als Förderer der Pflanzenkunde erinnernd, ist der innerste
Kreis oder Wirtel, die letzte Metamorphose der Blätter, von allen
am meisten geschützt und verhüllt, daher am seltensten gefärbt;
indessen fehlt es nicht ganz an Beispielen farbiger Griffel und
Narben, das bekannteste ist der durch seinen arabischen Namen
an die Saracenen erinnernde Safran 6 c, die einzige Pflanze,
— 342 —
deren Griffel einen brauchbaren Farbestoff liefert, auch die Griffel
der andern Crocusarten haben bald wie er im Gegensatz zur
Krone, bald wie bei Crocus luteus Lam. in Uebereinstimmung
mit derselben eine rothgelbe Farbe.
Lebhaft orange 5 b fand ich den Griffel von Echinocactus
corynodes Hort, berol., scharlachroth 2 c den der Granatblüthe
und mehrerer Cannaarten, bei Fuchsia und Metrosideros hat der
Griffel genau die schöne Karminfarbe 24 b der Staubfäden, kar-
minroth sind auch die kleinen Narben der Haselstaude und die
grösseren des Wunderbaums als Ergüuzungsfarben zu den gelben
Staubbeuteln, bei Hibiscus Trionum L. sind Griffel und Narbe
dunkelviolett 22 a, bei Veronica Fortieri Hort, etwas lichter 22 b,
bei Bignonia capensis Thunb. 21 a, Petunia violacea Hook, hat
eine tiefgrüne Narbe 12 a.
Bei den so mannigfaltigen blauen, violetten und gelben, nie
rothen Schwertlilien hat der dreitheilige Griffel mit der Gestalt
auch die Farbe der Blumenblätter angenommen, den aufrechten
der Krone gleich oder doch nahe stehend; so fand ich ihn gelb
bei Iris sambucina L. 9 c, Pseudacorüs L. und variegata L. 9 e,
squalens L. 9 f, violett bei Iris spuria L. 21 d und sibirica L.
20 c, weiss bei Iris plicata Lam.
2) Der Fruchtknoten.
Zeigen auch zuweilen Griffel und Narben bunte schöne Far-
ben, so ist dieses doch nie bei dem Fruchtknoten {germen) der
Fall , dieser ist ohne Ausnahme bleich, wie die Blätter anfangs
gelblich, später durch Aufnahme von blau grün. Indessen zeigt
sich bei völliger Gleichheit der eine Sauerstoffaushauchung an-
zeigenden Farbe doch der merkwürdige Unterschied, dass die
unreifen Früchte das Licht eben so eifrig fliehen, als die Blät-
ter dasselbe suchen, wohl weil erstere zu ihrer Entwicklung das
Wasser dringender bedürfen ; nebenbei wird noch der weitere
Zweck erreicht, die künftige Brut durch Verborgenheit, wie durch
Farbe, Geruchlosigkeit und sauren, herben Geschmack den Nach-
stellungen der Thiere und Menschen möglichst zu entziehen.
— 343 —
Es ist bewunderungswürdig, durch wie mannigfaltige und
oft sinnreiche Mittel dieser Zweck, möglichst viel Licht für die
Blume, möglichst wenig Licht für die junge Frucht, erreicht wird.
Am einfachsten sehen wir bei den meisten unserer Wald-
und Obstbäume, den Buchen und Eichen, Weiden und Erlen,
wie bei den Ptirschen und Kirschen, Aepfel und Birnen, die
ßlüthe den Blättern zuvorkommen und die ganze Fülle der
Frühlingssonne geniessen; während dann die Blüthen ihr kurzes
Dasein beschliessen, treten die Blätter hervor und verdecken die
ihnen gleich gefärbten Früchte. Aehnliches geschieht bei niede-
ren Gewächsen, an welchen Blätter und Zweige sich verlängernd
die Frucht überwachsen, wie bei den Veilchen, dem Ehrenpreis,
den Schlüsselblumen.
Die Zeitlose schmückt noch im späten Herbst unsere feuchten
Wiesen mit ihren schönen nackten Blumen, die Frucht bleibt den
Winter über sicher verborgen tief im Boden zurück, aus welchem
sie erst im folgenden Sommer von den Blättern umhüllt hervor-
kommt.
Bei Stellaria und vielen andern Alsineen, bei Talinujn, Calan-
drlnia, Echeveria, Pachy^hytum bildet der Blumenstengel einen
Bogen, die Knospen befinden sich an demselben in einer Reih'e
über einander, die sich öffnende stets aufrecht im Scheitel des
Bogens die Sonne anschauend, ist sie verblüht, so senkt sich ihr
Stiel abwärts, so dass die Spitze der durch den Kelch bedeckten
Kapsel wieder nach unten steht, der Stengel richtet sich auf bis
zur nächsten der schlummernd herabhängenden Knospen, die nun
erwacht und sich aufrichtet, um nach kurzer Freude das Loos
der Vorgängerin zu theilen und ihre Stelle einer jüngeren Schwester
zu überlassen ; die Vergissmeinnichtarteu, Heliotropien und andere
Asperifolien gehen einen Schritt weiter und bilden statt des ein-
fachen Bogens eine in sich eingerollte Spirale.
Berühmt wie der ausgezeichnete Arzt, dessen Andenken sie
erhält, ist die Vallisneria durch die schraubenförmige Verkürzung
ihres schlanken Blumenstiels, wodurch die Blume von dem Was-
gerspiegel, wo sie an einem heitern Vormittag im Sonnenschein
Besuche empfieng, wieder in die dunkle Tiefe hinabgezogen und
— 344 —
unter den bandförmigen Blättern verborgen wird, aber dieses
Untersinken theilen die Früchte aller Wasserpflanzen mit ihr,
die einen zurückgedrängt von den fortwachsenden Zweigen, wie
bei Trapa natans L., Potamogeton^ Ranunculus aquatiUs L., an-
dere durch Entweichung der sie tragenden Luft , wie bei den
Ütricularien, und wieder andere durch Zunahme ihrer Schwere,
wie bei den Seerosen.
Die herabziehende Schraube der Vallisneria steht auch nicht
vereinzelt da , alle Arten der schönen Gattung Cydamen ziehen
so die heranwachsende Frucht dicht an die Erde herab.
Sonderbarer noch sind einige Pflanzen, welche, nachdem sie
im Sonnenschein geblüht haben, die Frucht in die Erde hinab-
bohren und begraben, so Trifolium subterraneum L., Morisia
hypogaea Gay und zwei in den Tropenländern sehr beliebte Hül-
senfrüchte, die Erdnuss, Pistache de terre {Arachis hypogaea L.)
und die Bohrblume, Haricot de terre (Glycine subterranea L.),
welche wie die Kartoffeln ausgegraben werden.
3) Saftige Früchte.
Die Frucht der Pflanze reift auf zweierlei Weise, entweder
wasserreicher, saftiger werdend, oder vertrocknend.
Früchte, welche reifend wasserreicher werden, sind dadurch
in den Stand gesetzt, auch nach dem Tode der Pflanze, welche
sie entwickelt hat, ja selbst getrennt von derselben ihr Leben
noch einige Zeit fortzusetzen, so am längsten die Aepfel, deren
Lebenszähigkeit ihren Hauptwerth als Winterobst bildet; ich habe
oft auf dem Markte neben neuen Aepfeln vorjährige gesehen, und
Sicklers zwei Jahre dauernde Reinette, welche erst gegen Pfing-
sten ihre völlige Reife erreicht, hält sich selbst länger als zwei
Yolle Jahre. Einige Monate lang halten sich auch mehrere Win-
terbirnen, die Trauben und die Wintermelone. So bieten diese
Früchte Menschen und Thieien eine willkommene gesunde Nah-
rung und diese dienen wieder der Pflanze, indem sie einen Theil
ihrer Samen unverdaut dem Boden zurückgeben.
Die reifen Früchte stimmen höchst selten in der Farbe mit
der vorangegangenen Blume überein ; kaum ist der Schnee ver-
345
schwunden, so bedecken sich in unserer gemässigten Zone Bäume
und Sträucher mit Millionen schneeweisser Blumen, im Walde
leuchten die Blüthen der Erdbeeren, Brombeeren und Maiblumen,
am Waldsaume schimmern die Schlehen und der Weissdorn, an
den Landstrassen und um die Dörfer die Kirschen-, Pflaumen-,
Birn- und Aepfelbäume, aber diese letzteren allein erinnern durch
einen leicliten rothen Anflug an eine der mannigfaltigen Farben,
welche im Herbst die nie weissen Kinder dieser immer weissen
Blumen sclimücken werden.
Eben so wenig stimmt die Farbe der Blüthen südlicherer Obst-
bäume mit der ihrer Früchte überein, der herrlichen Blüthe der
Mandelbäume folgen unscheinbare grüne Früchte und umgekehrt
auf die unansehnliche Blüthe der Rebe die prächtigen Trauben,
tiuf die weissen Blümchen der Oelbäume schwarze Oliven; bei den
berühmten Agrunii ist die Blüthe weiss, die Frucht orange oder
gelb, bei den beliebten Pomi d'oro die Blüthe gelb, die Frucht
scharlachroth: ähnlich verhält es sich bei dem spanischen Pfeffer,
den Naciitschatten, den Mispeln, Quitten, den Gattungen Soi^bus^
Lonicera, Bryonia und der ganzen Familie der Asparageen, nur
die Pfirschen, einige Kürbisse, Gurken, Melonen und Rosen zei-
gen in Blume und Frucht ähnliche Farben.
Ganz anders ist das Verhältniss der Farbe saftiger Früchte
zu derjenigen der Blätter, es theilen sich nehmlich die Früchte
in zwei Unterabtheilungen, je nachdem sich bei der Blume der
Fruchtknoten ausserhalb, unter derselben {ßores superi), oder
innerhalb, über derselben {flores inferi) befindet. D^r wesent-
liche Unterschied besteht darin, dass im ersteren Falle der den
Blättern nahe verwandte Kelch die Oberfläche der Frucht bildet,
in dem letzteren aber eine Schale oder Haut, welche einem noch
innerhalb der Blumenblätter und Staubfäden liegenden innersten
Kreise angehört.
1. Unterblumige Früchte.
Die unterblumigen saftigen Früchte entwickeln genau die
Farben, in welchen die Blätter zur Zeit der Herbsttracht glänzen,
Gelb und Roth mit allen Zwischenstufen zwischen diesen beiden
— 346 —
Gründfarben. Ich habe die Farben von 385 unterblumigen Früch-
ten theils nach dem Leben, theils nach guten Abbildungen ver-
glichen und an 96 ein reines Gelb gefunden, so an Crataegus
flava Ait, den Melonen, mehreren Kürbissen, an Sorbits domestica
L., den Quitten, 37 Birnen- und 53 Apfelsorten.
Wenige mehr, 99, waren grünlichgelb 10 bis 12, die blaue
Farbe hatte die Frucht nicht ganz verlassen, doch überwog die
gelbe entschieden, so bei der Schlangengurke 10 e, einem Kürbiss
10 f, den Bananen 10 d, Sicyos angulata L. 10 d, einer Feige
10 b, Adoxa Moschatell'ma L. 11 e, Stachelbeeren 11 c, der
Cantalupmelone 12 h mit 12 a gefleckt, dem Flaschenkürbisse
12 g h, den Bändern einiger Kürbisse 12 a b, der welschen Nuss
12 b, deren fleischige Hülle absterbend schwarz wird, wie das
abgefallene Laub der Birnbäume , endlich 55 Birnen und 27
Aepfel.
Eine rein grüne Farbe fand ich nur an 5 Cucurbitaceen und
4 Birnsorten, erstere sind Trichosanthes colubrina Jacq., der biruför-
mige Kürbiss weisslich grün mit dunkelgrünen Bändern, welche jedoch
zuletzt in röthlichgelb 8 e übergehen, Cucu7^hita variegata SteudellS
h mit 13 b gefleckt, Cucurbita Melopepo L. und die in Süd-Europa so
beliebte Wassermelone, eine wunderschöne, mehrere Pfund schwere
Frucht, die Schale dunkelgrün, nach Innen ein ungeniessbares
weisses Fleisch, dann aber ein wohlschmeckendes blutrothes 24 b,
um so saftiger und süsser, je näher an den schwarzen Samen.
Beinahe eben so oft, wie durch blau gedämpft, findet man
bei den unterblumigen Früchten die gelbe Farbe durch roth ge-
hoben, ich zählte 95 Früchte der Farbenstufen 6 bis 8, darunter
Cucumis pictus Jacq. 7 d mit dunklen Flecken, den Warzenkür-
bis 6 c bis 7 b, den Pomeranzenkürbis 6 c, den gemeinen Kür-
bis 6 c bis 8 e, den Sternkürbis 8 f und den Centnerkürbis
(Cucurbita ma^hna Duchesne)^ die grösste Frucht im ganzen Pflan-
zenreich, bis 120 Pfund schwer, 8 d, die Beeren des Loranthus
europacus L, 7 f, die bräunlichen Mispeln und Elsenbeeren (>S^c»r-
hus torminalis Gr.), 40 Birnen und -38 Aepfel.
Orange ist auch bei den Früchten eine gegen den Aequator
zunehmende Farbe, warm wie die Luft, wo ,,im dunkeln Laub
— 347 —
die Goldorangen glühen." Hieher gehören die berühmte Anannas-
frucht 0 I), die Zucca santa {Cucurbita urnigera Schrad.), die Gurke
und der Balsamapfel {Momordica Balsamina L.) sämmtlich 5 c,
ein nordamerikanischer Weissdorn (Crataegus parvifolia Ait.), 7
Birnen und 6 Aepfel, zusammen 19 Früchte.
Bei den Licht suchenden Blumen nimmt, wie wir gesehen
haben, gegen die Pole mit der Stärke des Lichtes auch die In-
tensität der rothen Farbe ab, bei den lichtscheuen Früchten
findet das Gegentheil statt, das Liclit färbt sie, wie die Blätter,
um so reiner und tiefer roth, je niedriger die Temperatur ist;
in Süd-Europa treten nicht rothe Südfrüchte an die Steile der
dort seltenen oder ganz fehlenden, meist rothen nordischen Bee-
ren, ich sah in ganz Italien nur einmal auf dem MarLte in Mo-
dena Stachelbeeren und zwar nur grüne, in Venedig sind die Jo-
hannisbeeren erst durch die Oesterreicher so bekannt geworden,
dass man sie seit einigen Jahren auch bei den Obstverkäufern
findet, Birnen und Aepfel sind in Italien viel häufiger einfarbig
gelb oder grünlich ohne rothe Backen, als in Deutschland, so der
Pero naranzin 9 f, der häufige Pero spada 11 e, die beliebten
Peri brutti e buoni, in Toscana Pera bugiarda, lügende Birnen,
genannt, weil sie noch unreif scheinen, wann sie schon völlig reif
sind, 12 d, ebenso der Pomo di San Piero, dall' oglio, di ferro
und manche andere.
Auch nördlich der Alpen sind die im Herbst reifenden Kern-
obstsorten häufiger und stärker geröthet, als die noch im vollen
Sommer, im Juli und anfangs August zur Reife gelangenden, wie
die Johannisbirnen 7 f. Margarethenbirnen 9 f, Schnabelbirnen
10 e, Wachsbirnen 11 d und Magdalenenbirnen 11 e, der Jo-
hannisapfel 12 g und der Jakobsapfel 10 e.
Von 130 unterblumigen gelblich rothen Früchten kann man
nur drei Kürbisse . welche 2 f , 3 d und 4 b gefärbt sind, uud
etwa noch den Azerolapfel 2 c zu den südlichen Früchten zählen,
die andern sind sämmtlich Mittel- oder Xordeuropäisch und Nord-
amerikanisch, so die rothen Stachelbeeren und die grosse Moos-
beere {Vaccinlum macrocarpum Ait.) 2 a, Cornus Suecica L. und
Crataegus coccinea L. 2 b, Cornus florida L., Rosa rubiginosa L.
— 348 —
und R. collina Jacq. 2 c, der Traubenhollunder und die Vogel-
beere 3 c, der Sanddorn {Hippophae rhamnoides L.) und der
feurige Busch {Crataegus pyracantlia L.) 4 c, endlich 58 Birnen
und 62 AepfeL
Unter den 71 rein rothen hieher gehörigen Früchten ist
die kirschenähnliche Frucht des Kaffees 1 b die einzige warmer
Himmelsstriche; zu den andern gehören Bryonia dioica Jacq.,
Cornus canadensis L., fünf Weissdorne, fünf Loniceren und fünf
Rosen, Johannisbeeren und Stachelbeeren , Ribes alpinum L^
Viburnum Opulus L., Sorhus domestica L. und 8, Aria Cr., Pyrus
arbutifolia und baccata L., Pyrus BoUwyleriana Dec, 22 Birnen
und 20 AepfeL
Roth mit einem kleineren Zusatz von blau fand ich 59
Früchte, die Dürrlitzen {Cornus mascula L.), die Preiselbeeren
und die Frucht der Rosa Eglanteria L. karminroth 24 a, die Moos-
beere {Vaccinium Oxycoccos L.), eine Feige, die indische Feige
{Opuntia minima Dec.) und die olivenförmigen Früchte der Tu-
pelobäume in Nordamerika {Nyssa integrifolia und denticulata Ait.)
.22 a, dann drei Birnen und 48 AepfeL
Violette und blaue unterblumige Früchte gibt es nicht, wie
es keine violette oder blaue Herbstblätter gibt, Lonicera coeridea
L., deren Frucht als violettblau abgebildet wird, dürfte diese
Farbe, wie die Heidelbeere und die Sumpfbeere {Vaccinium uli-
ginosum \j.) einem bläulich weissen, abstreif baren Anflug von Wachs
verdanken; die Sprützgurke (Momoi^dica Elaterium L.) 14 b und drei
Birnen 14 e gehen nur eine Stufe über grün gegen blau hinaus.
Zwar scheinen die vom Kelch bekleideten Früchte darin von
den Herbstblättern abzuweichen, dass sie zuweilen schwai'z sind,
dass aber diese schwarze Farbe nur ein sehr dunkles Purpurroth
sei, wie es auch an Herbstblättern vorkommt, dafür sprechen
manche Umstände, die schwarzen Früchte gehören oft zu Gat-
tungen, deren andere nahe verwandte Arten rothe Früchte haben,
so bei Junipeinis , Rosa , Vaccinium , Sambucus , Viburnum^
sie gehen stets reifend schrittweise von grün durch roth in schwarz
über, indem die rothe Farbe mit dem Verschwinden der blauen
zuerst in lichten Tönen auftritt und allmählig dunkler wird ; roth
— 349 —
bleibt auch das Innere, Fleisch und Saft der Frucht, und selbst
die Haut oder Schale erscheint abgezogen und gegen das Licht
gehalten purpurroth.
Ich zählte unter den beobachteten Früchten dieser Abthei-
lung 28 schwarze, die meisten der, gemässigten und. kalten Zone
angehörend, wie die Felsenbirnen {Aronia rotundlfoUa und Bo-
triapium P.J, Cotonea^er vulgaris Lindl., Bryonia alba L,, Gornus
sangubiea L., Juniperus communis L., nana Willd., vlrginiana und
Sabina L., Lonicera nigra L., Ribes nigrum und aureum L., Mosa
pimpinellifolia L., Sambucus nigra und Ebulus L., Viburnum Lan-
tana L., Vaccinium Myrtillus und uligiiiosum L.
Zu den schwarzen Früchten wärmerer Himmelsstriche gehören
die stille Myrte, die schwarzen Feigen, Vibumum Tinus L. und
Putoria calabrica P.
Während so die bei den Blumen beinahe unerhörte schwarze
Farbe bei den Früchten öfters auftritt, gehört die dort so häufige
weisse Farbe hier zu den grössten Seltenheiten, schneeweiss wie-
eine Lilie oder eine Alsinee ist keine Frucht. Die Mistelbeeren
sind gelblich weiss 9 h, Cornus alba L., Benincasa cerifera Savi
und Symphoricarpos vulgaris Mx. haben milchweisse Früchte 15 h
bis 17 h, eben so die weissen Spielarten der Heidelbeere und der
Myrte, während die in der Flora danica abgebildete weisse Spiel-
art der hochnordischen Preiselbeere röthlich -veiss 24 h ist.
2) U e b e r b 1 u m i g e Früchte.
Wie unter den im Bereiche meiner Beobachtung gelegenen
unterblumigen Früchten die Pomaceen, Birnen, Aepfel, Quitten,
Mispeln, Weissdorn, Sorbus, Aronia^ (Jotoneasier, Photinia, zu-
sammen von 383 Früchten 258, beinahe drei Viertheile, die Mehr-
zahl bilden, so unter den überblumigen die Amygdaleen, Mandeln,
Pfirschen, Aprikosen, Pflaumen, Kirschen, zusammen von 326
Früchten 191, mehr als die Hälfte, verschieden von jenen durch
dünnere, glattere Schale oder Haut (nur die Mandeln und Pfir-
schen machen in letzterer Beziehung eine Ausnahme), stets ein-
fächerig und meist auch durch Fehlschlagen eines Eychens ein-
samig, mit weicherem Fleische und härterer Samenhülle, daher
im Gegensätze zum Kernobst Steinobst genannt.
— 350 —
Statt des vertrockneten Theils des Kelches, welchen das
Steinobst schon in frühester Kindheit ganz abstreift, zeigt hier
die dem Stiel entgegengesetzte Stelle der meist runden Frucht
nur die kaum sichtbare Narbe des abgefallenen Griffels als kleinen
Punkt.
*
In den Farben zeigt sich gleich bei gelb die Unabhängigkeit
dieser in der Jugend bleicheren, weil melir geschützten Früchte
von den Farben der Blätter, nur 29 sind rein gelb und zwar
meist südliche, die berühmte Citrone, im Auslande mehr gesucht
und geschätzt als in der Heimath, wo sie fast nur zu Limonade und
Sorbetti verwendet und die bittere Schale weggeworfen wird,
drei holzige Nachtschatten {Solarium pyracanthos Jacq., margina-
tiim und sodomaeum L.), zwei Alraune {Mandragora vernalis und
autumnalis Bertoloni), die nordamerikanische Arbutus xanthocar-pa
Wangenheim, 10 Pfirschen, 7 Pflaumen und 5 Kirschen.
Noch schwächer tritt die grünlichgelbe Farbe auf, nur in
25 Obstarten, der weissen Monaterdbeere 10 g, fünf Ptirschen
und eben so vielen Pflaumen, darunter die beliebte Reine Claude,
so dass sie noch viel seltener wäre, hätte nicht die mehr noch
als wegen ihrer süssen nahrhaften Frucht, wegen des daraus be-
reiteten berauschenden Saftes berühmte und beliebte Rebe, bis
an die äussersten Grenzen der Möglichkeit ihres Anbaus ver-
pflanzt, in den kälteren Ländern nur nothdürftig reifend die
dunkle Purpurfarbe verloren und dafür in 14 Spielarten ein
bleiches grünlichgelb 10 b bis 12 f angenommen.
Noch seltener sind überblumige Früchte rein grün, ich fand
nur drei, ein Drittheil der unterblumigen, die unbenutzte Frucht
der Kartoffeln, die Mandel und die Zwergmandel.
Eben so kommen die bei den Herbstblättern so häufigen
röthlichgelben Farben 6 bis 8 bei den unterblumigen Früchten
drei Mal häufiger vor, als bei den überblumigen, wo ich 38 fand,
meist subtropische und tropische, wie die gelbe Spielart des
spanischen Pfeffers 8 c, Lycium afrum L. 8 c, Diospyros Lotus
und virglniana L. 6 d, den echten Lotus der Lotophagen {Zizy-
phus Lotvs y^iW^.) 6 c, Passiflora ciliata Ait. 6 c, der Papaya-
baum mit melonenförmigen und der mit birnförmigen Früchten
— 351 —
{Carica i apaya und Posoposa L.), 2 Erdbeeren, 2 Aprikosen, 4
Kirschen, 6 Pfirschen und 9 Pflaumen.
Was das Tempera turhedürfniss der Früchte hier schon an-
zeigte, bestätigt sich in den rein orangefarbigen, dass nehmlich
rothgelb bei den Früchten wie bei den Blumen eine gegen den
Aequator zunehmende Farbe sei ; wir tinden in dieser Farben-
stufe zuerst durch das üebergewicht des Wärmebedürfnisses über
die Verwandtschaft zu den Blättern mehr über blumige als unter-
blumige Früchte, 27 gegen 19, vor Allen die auch im Auslande
mehr als in der Heimath gerühmte Frucht, welche der Farbe
den Namen gibt, dann drei Passionsblumen {Passiflora coerulea
L., laurifolia L. und imhricaulis Jacq.), Capsicum frutescens Willd.,
Physalis viscosa L., Solanum Balbisii Dunal, die Frucht des Pa-
piermaulbeerbaums, die gelbe Himbeere, 3 Pfirschen, 2 Kirschen,
5 Aprikosen und 8 Pflaumen.
Gelblichroth 2 bis 4, meist lebhaft scharlachroth , fand ich
in dieser Abtheilung 82 Früchte, bedeutend weniger als in der
ersten, was blos von der grossen Zahl rothbackiger Birnen und
Aepfel herrührt, welche in den wenigen schwächer gerotteten
Pfirschen und Aprikosen kein hinreichendes Gegengewicht haben,
denn von andern Früchten, als Gartenobst, gehören 38 hieher,
doppelt so viel, als zu den unterblumigen, darunter 13 nordische,
wie die Bärentraube 2 c, der gemeine und der Alpen-Seidelbast
2 b, der Bittersüss 2 b, die Himbeere 2 b, die Multbeere {Ruhus
ChamaeTiiorus L.) 3 d, die Judenkirsche 3 b, die deutsche Arons-
wurzel 4 c, der Spargel, die Maiblume, das Zweiblatt {Majan-
themum bifolium Dec.) und der Drehfuss (Sfreptopus ampleTifo-
lius Dec.) sämmtlich 3 c.
Von den südlichen hieher gehörigen 25 Früchten sind viele
nahe Verwandte der nordischen, so der Erdbeerbaum 2 c, Daphne
Gnidium L. , collina Willd. und glandulosa Si)r., sämmtlich 2 b,
sechs Nachtschatten, darunter die Pomi d'oro 3 c und die Koral-
lenkirsche 2 d, Physalis flexuosa und sonmifera L. 4 c, die welsche
Aronswurzel, sehr häufig in den pontinischen Sümpfen, 4 c, Aspa-
ragus albus L.. scaber und tenuifolius R. et S. und der Mäusedorn,
352
welcher in Südeuropa die Maus von dem hängenden Brodkorb
abhält, sämmtlich 3 b.
Von andern Südgewächsen gehören hieher die Brustbeere
(Zizyphus vulgaris WiWd.J, Vielehe unreif lichtgrün 13 f, sich nicht
gleichförmig, sondern durch schärf begrenzte, allmählig zusammeu-
fliessende braunrothe Flecken färbt, bis sie endlich teig werdend
mit der Säure auch jede Spur von grün verliert und eine schöne
Scharlachfarbe 3 c annehmend abfällt, Lycium europaeum L. 2 b
und harbarum L. 3 b , die schönen, in Süditalien wohl gedeihen-
den peruanischen ^chinus Molle und Areira L. 3 c, die Fäclier-
palme 4 a und die tropische Carica citriformis Jacq. 3 d.
Die hieher zu rechnenden Obstsorten sind 2 Erdbeeren, 2
Trauben, 3 Pflaumen, 8 Pfirschen, 13 Aprikosen und 16 Kirschen.
Rein rothe überblumige Früchte zählte ich 57, den Sauerdorn
1 b c, die ihm verwandte schöne Nandina domestica Thunb. 1 b,
den Erdbeerspinat 1 a bis d, Hex Aquifolium und Cassine L.,
vomitoria Ait. und chinensis Sims, den hochnordischen Rubus arc-
ticus L., Rubus saxatilis L., Rhamnus Alaternus L. und persicifo-
lius Moris, Capsicum aiinuum L., chineyise Jacq., cerasi forme und
frutescens Willd., Passiflora edulis Sims und gracilit: Jacq. und
Ardisia crenulata Ventenat aus den Antillen, dann eine Pfirsche,
eine Aprikose, 2 Trauben, 5 Erdbeeren, 14 Pflaumen und 14
Kirschen.
Die Zahl der überblumigen zwischen roth und violett fallen-
den Früchte ist 76, sie übertrifft also die der unterblumigen
beinahe um ein Drittheil, es sind lauter essbare, Capsicum vio-
laceum H. et B., Empetrum rubrum Vahl, die canadische Himbeere
24 b, die rothe Maulbeere 23 a, die Mangostanen (Garcinia Man-
gostana und celebica L.) 22 a, die türkische Kirsche (Prunus cera-
sifera Ehrh.) 24 a b, eine Erdbeere, eine Aprikose, 6 Trauben,
20 Pfirschen, 20 Kirschen und 24 Pflaumen.
Die in der ersten Abtheilung völlig fehlende violette Farbe
tritt in der zweiten an sieben ebenfalls sämmtlich essbaren Früch-
ten auf, besonders schön und lebhaft an der in Südeuropa oft
zu Markt gebrachten Melanzane (Solanum Melongena L.), an
2 Trauben und an 4 Pflaumen.
— 353 —
Auf die drei Stufen zwischen blau und violett fallen nur zwei
unbedeutende ausländische Früchte, Passiflora suherosa L. und
die jetzt in unsern Gärten häutige nordamerikanische Mahonia
Aquifolium Nuttal, deren Frucht 20 b in den Ergänzungsfarben
zur gelben Blüthe reift.
Rein blaue und zwischen blau und grün fallende Früchte fand
ich auch unter den überblumigen nicht, dagegen tritt hier häufi-
ger und stärker, als bei den unterblumigen, der dort erwähnte
zarte, bei jeder Berührung verschwindende milchfarbige Duft auf,
ein lockerer Ueberzug von Wachs, welcher die Frucht wie die
Stengel vieler Pflanzen vor Nässe schützt, wie das Fett die Fe-
dern der Wasservögel. Dieser Duft verleiht der Frucht je nach
ihrer Grundfarbe einen hellen, aber glanzlosen Schimmer, so dass
schwarzrothe und dunkelviolette Früchte eine bläuliche Färbung
erhalten.
Wie dort die Aepfel und Kürbisse, so und noch viel ent-
schiedener zeigen hier Pflaumen und Trauben eine solche Bestau-
bung, während man dort an den Birnen, hier an den Pfirschen
und Kirschen keine Spur davon bemerkt.
Diese flüchtige, durch den Duft erzeugte Farbe fand ich bei
den sogenannten weissen Trauben 10 f und g, 13 g, 14 g, bei
den schwarzen 17 f und g, 18 e f g, 19 d und f, 20 c, 22 c und
g, bei hellen Pflaumen 8 h, 13 f, 14 f und h, bei den dunklen
16 c, 18 c d e und h, besonders häufig 19 c d und e, dann 20
e g und h, 21 f.
Schwarze Früchte sind unter den überblumigen beinahe vier
Mar häufiger als unter den unterblumigen, sind aber auch hier
nur über a noch hinaus gehende purpurne und häufig Gattungs-
genossen der rothen, wie bei Ruhus, Daphne, Asparagus und
Convallaria. Ich zählte 79 aus den verschiedensten Familien,
darunter giftige, wie die berüchtigte Atropa Belladonna L,, Actaea
spicata L. , Paris quadrifolia L. und die minder gefährlichen
Schwarzen Nachtschatten {Solanum nigrum L., bomhense und cestri-
folium Jacq.), ungeniessbare wie der Epheu, die Ampelopsis he-
deracea Dec, Ligustrum vulgareh,, Phytolacca decatidrah., Prunus
Padus und Mahaleh L., sechs Schwarzdornarten, vier südliche
Württemb. naturw. .Taliresliefbe. 1862. P.s Heft. op,
^-- 354 -
Spargeln und drei Convallarien, endlich viele essbare meist süsse^
Ärctostaphylos alpina Spr., drei Celtis, die schwarze Maulbeere,
die Olive, die verdächtige aber in Südeuropa häufig genossene
Kirschlorbeere, die Schlehen, Brombeeren, 9 Pflaumen, 11 Kir-
schen, 15 Trauben und die kaum hieher zu rechnenden schwar-
zen Pfirschen und Aprikosen.
Um so seltener sind auch in dieser Abtheilung weisse Früchte,
ich fand nur drei, sämmtlich essbar, die honigsüsse weisse Maul-
beere, die Eierpflanze, welche nur eine leichte Spielart der Me-
lanzane ist, und dieCamarinhas der Portugiesen (jE7?ipe^rw7?i albumL.).
Als allgemeines Resultat ergibt sich ein grösseres Wärmebe-
dürfniss für die tiberblumigen, als für die unterblumigen Früchte
oder vielmehr ein Ueberwiegen der ersteren in wärmeren, der
letzteren in kälteren Zonen, dann ein Ueberge'wicht der überblu-
migen in Orange, Purpur, Violett und Schwarz, während in den
andern Stufen die unterblumigen die Mehrzahl bilden.
Rechnet man die weissen Früchte zur xanthischen Reihe, die
schwarzen zur janthinischen, so ergeben sich für die erstere 469
unterblumige und 160 überblumige Früchte, für die letztere 207-
unterblumige und 221 überblumige; die vom Kelch bekleideten
Früchte schliessen sich durch ihr starkes üebergewicht in der
xanthischen Reihe an die Herbstblätter an, bei welchen ich auch
99 der xanthischen und nur 27 der janthinischen Farbenreihe
angehörende fand.
3, P a n a s c h i r t e Früchte.
Die Panaschirung kommt auch hei den Früchten, wie bei
den Blumen vor, doch weit seltener, übrigens ebenso immer als
Kunsterzeugniss an Culturgewächsen ; so sind einige Kürbisse, be-
sonders der kleine birnförmige der Länge nach grün 13 c und
grünlich weiss 13 h gestreift, die Melonenbirne oder Schweizer-
bergamotte gelb 9 f, roth 2 c und grün 12 c. Am häufigsten
kommen gestreifte Aepfel vor, so in Württemberg die beliebten
liUiken, die rothe 9 g mit 24 b und c gestreift, die weisse Luike
9 h mit Ö4 a bis 6-
Die sonderbare Erscheinung, dass eine Frucht der Farbe
nach aus zwei verschiedenen Hälften zusammengesetzt scheint,
— 355 —
beobachtete ich drei Mal, zwei Mal war es ein Apfel, dessen
eine Hälfte der Länge nach scharf begrenzt karminroth 24 a war,
die andere Hälfte lichtgelb 9 g mit 24 c gestreift, das dritte
Mal eine Weinbeere, an welcher eben so scharf begrenzt die eine
Hälfte den weissen Trauben, die andere den schwarzen angehörte,
natürlich sind es wie bei den Blumen ganz vereinzelte Fälle,
welche sich nicht vermehren lassen, da sie sich nicht an der
ganzen Pflanze wiederholen.
Noch zufälliger sind die scharfrandigen gelben Flecken;
welche dadurch entstehen, dass eine Spinne oder eine Raupe ein
Blatt an der Sonnenseite eines Apfels befestigt und dadurch auf
der zugedeckten Stelle die Röthung verhindert; man ist hiedurch
auf eine Spielerei geleitet worden, welche darin besteht, dass
man Silhouetten, Namenszüge oder andere Figuren aus Papier
ausschneidet und an der Sonnenseite der Borsdorfer oder ähn-
licher Aepfel aufklebt, ehe sie sich röthen.
4. F a r b e n V e r h ä 1 1 n i s s e der saftigen Früchte in
e i n i g e u F 1 0 r e n.
Eine Vergleichung der bei den Blumen untersuchten vier
Floren ergab wegen der geringen Zahl ihrer saftigen Früchte
ein sehr dürftiges Ergebniss.
Die Alpenflora hat unter 481 Pflanzen nur eine einzige
beerentragende, Arctostaphylos alpina Spr, und diese ist schwarz.
Mit der Flora von Spitzbergen verhält es sich eben so, ihre
einzige beerentragende unter 74 Pflanzen, die Rauschbeere, ist
ebenfalls schwarz.
Nur Grönland hat unter 329 Pflanzen doch elf, welche zum
Theil häufig gesammelte und genossene Beeren liefern. Von die-
sen ist eine rein roth, llubus saxatilis L. 1 b, fünf sind gelblich
roth, Rubus Chamaemoms L. 3 d, Sorbus americana Pursh 3 c,
Cornus suecica L. 2 b, Arctostaphylos Uva ürsi Spr. 2 c und
Streptopus amplexifolius Dec. 3 c, und zwei sind purpurroth, Vac-
cinhüu Vitis idaea L. 24 a und V, Ooci/coccos L. 22 a. Endlich
sind drei schwarz, Vaccinium idiginosum L, , Ennpetruin nigrum
L. und Juniperus nana Willd. Die Preiselbeere und die Rausch-
— 356 —
beere kommen auch zuweilen sehr bldch, doch nicht ganz
weiss vor.
Wie in diesen drei Floren die Kälte, so ist in der Strand-
flora die Trockenheit, der Mangel an süssem Wasser, den saftigen
Früchten ungünstig; sie enthält unter 217 Pflanzen nur vier,
welche kleine unbenutzte Beeren tragen, alle einer Gattung ange-
hörend, zwei gcharlachroth 3 b, Asparagus scaher R. et S. und
albus L. und ZAvei schwarz, Asparagus apliyllus und horridus L. ;
orange, gelbe, grüne und violette Früchte fehlen in allen diesen
Floren, sie umfassen nur 6 Farbenstufen zwischen 22 und 3 nebst
schwarz.
5) Trockene Früchte.
Den saftigen Früchten stehen die trockenen gegenüber, bei
welchen mit dem Entweichen der blauen Farbe auch das Wasser
entweicht ; die Frucht, welche die Samen ernährt und ausgebildet
hat, vertrocknet, sobald die Samen ihrer nicht mehr bedürfen,
und vertauscht sterbend die Sommertracht der Blätter mit der
braunen Winterfarbe des abgefallenen Laubes. Eine solche Lei-
chenfarbe tritt bei den Früchten der grossen Mehrzahl der Pflan-
zen ein, bei den grössten Familien, allen Cruciferen, Cyperaceen,
Gräsern, den meisten Umbellifereu , Compositen, und den schön-
sten Blumen der Malvaceen, Scytamineen, Amaryllideen, Irideen,
Liliaceen, unsern Camellieu, Azaleen, Rhododendron, Nelken.
Zuweilen geht die grüne Farbe der unreifen Frucht nicht
so schnell in die braune der vertrockneten über, es liegt zwischen
beiden ein der Herbsttracht der Blätter entsprechender Zwischen-
zustand, in welchem die Frucht, wie der Himmel an einem schönen
Abend, gelb und roth erscheint; so bei Ricinus africanus Mill.
rein roth 1 c, der aufgeblasene Kelch von Physalis Alkekengi L.
verändert das frühere Grün in Scharlachroth 3 c, der Kelch des
Spindelbaumes in licht Karminroth 24 c und der der Sanguisorba
officiiialis L. behält sein dunkles Schwarzroth 22 a; besonders
häutig tritt ein solcher Uebergang bei den Hülsenfrüchten ein, so
färben sich die Hülsen des Zuckerschotenbaums (G^/ec^iY^c/«« tria-
canthos L.) dunkelpurpurroth wie seine Stacheln, sehr schön die
— 357 —
Hülsen mancher Gartenbohnen, lichtgelb bei Phaseolus compressus
oca/ithocarpus 9 g, Ph. gonospemms purpureus 8 g, Ph. ellipticus
saccharatus 7 g, hellorange bei Ph. compressus candidus 6 e,
gelb mit rothen Flammen bei Ph. sphaericus purpureovariegatus
9 g mit 1 b, Ph. sphaericus haematocarpus 8 e mit 1 b, Ph, ob-
longus Sargentone 8 f mit 1 b, Ph. Pardus carneus 9 e mit 2 a,
die Hülsen einiger schwarzen Bohnen gehen durch purpurviolett
22 b bis d reifend völlig in schwarz über.
Diese farbenweehselnden Früchte bilden den üebergang von
den saftigen zu den trockenen.
Die vielsamigen trockenen Früchte leisten sterbend und selbst
nach dem Tode den Samen einten Dienst, indem sie sich mecha-
nisch öffnen und sie ausstreuen, letzteres zuweilen plötzlich mit
elastischer Gewalt, Avie Phaseolus., Viola .^ Euphorbia.^ vor allen
der westindische Streubüchsenbaum {Hura crepitans L.), dessen
Kapsel der Sonnenhitze ausgesetzt mit einem, einem Pistolenschuss
gleichenden Knall in zwölf Stücke zerplatzt.
Einige lösen sich jedoch vertrocknend in so viele Theile auf,
als sie Samen enthalten, und diese Theile fallen mit dem darin
eingeschlossenen Samen ab, so die Gliederhülsen {lomenta) von
Scorpiurus, Coronilla, Hippocrepis^ Hedysarum^ die Diachaenen
der Doldengewächse, die Flügelfrucht der Ahorne, sie bilden den
üebergang zu den einsamigen Früchten, welche jede ihren Samen
eng umfassend, ihn in's Grab als Sarg begleiten und erst bei
seiner Auferstehung verlassen.
Diese einsamigen Früchte wurden, wenn sie klein waren, bis
nach Linne's Zeiten für Samen gehalten und werden es noch von
der grossen Mehrzahl der Menschen, ja es kostete selbst unter
den Pflanzenforschern einen langen Kampf, heftige Angriffe auf den
Glauben an nackte Samen, bis sich die Ansicht geltend machte,
dass solche auf wenige Familien, Zamiae, Coniferae, beschränkt
seien. Man erfand nun für diese Nichtsamen, da die alten Frucht-
namen nicht auf sie passen wollten, mehrere Namen: Schliess-
frucht (Ache/iiwn) für Rosaceae^ Gompositae^ Labiatae, einen Theil
der Ranunculaceae^ Nüsschen {Niicula) für Asperifoliae^ Najadeae,
— 358 —
Schlauchfrucht (Utriculus) für Dtpsaceae^ Lemnaceae ^ Hautfrucht
{Caryopsis) für Glumaceae.
Indessen hindert dieses nicht, dass auch der gelehrteste Bo-
taniker mit dem LandAvirth und dem Gärtner von den Samen
des Lattichs, der Petersilie, des Majorans spricht, wie man vom
Aufgang und Untergang der Sonne spricht, ohne an die schwe-
ren Kämpfe zu denken, die es gekostet hat, bis man die Ach-
sendrehung der Erde zur allgemeinen Anerkennung brachte.
Die Farbe dieser trockenen Hülsen, Schoten, Capseln, Nüsse
u. s. w. ist bei der grossen Mehrzahl braun durch alle Töne, ein
verdunkeltes, durch schwarz und roth getrübtes gelb, so dunkel-
braun bei dem Johannisbrod , den meisten Compositen, ümbelli-
feren und Labiaten, schwarzbraun bei der Röhrencassie, dem Ma-
joran, dem Buchweizen und andern Polygonumarten.
Nach braun ist schwarz die häufigste Farbe dieser Früchte,
so bei dem Körbel, der Ferula, dem Basilicum, dem Salbei^ Mi-
rabilis Jalapa L., Andryala, Bidens^ Cineraria^ Tagetes; unter den
Boragineen zeichnen sich die Vergissmeinnichtarten durch leb-
haften Glanz bei vollkommener Schwärze aus, in der Gattung
Chenopodium fand ich alle Früchte schwarz, aber die von Ch.
albimi, maritimum^ Quinoa und urhicum L. glänzend, die von Ch.
glaucum und Scoparia L. und olidum Lam. ohne Glanz.
Weisse trockene Früchte fand ich bei Acroclinium roseum
Hort., Carthamus tmctorius L. Lieblingsfutter der Papageien, Li-
thospermmn officinale L., dem Reis und dem nordamerikanischen
Wasserhaber {Zizania palustris L:).
Die zweifarbigen trockenen Früchte zeigen meistens nur ver-
schiedene Töne der gleichen Stufe, so viele dunkelbraune Früchte
der ümbelliferen mit hellbraunen Rippen; die Birkenfrucht ist
7 a mit 5 f Flügel, die der Casuarinen schwarz mit 5 f Flügel,
bei der Cichorie ist die bleiche Frucht 5 h, schwärzlich gesprenkelt,
bei der Artischoke hellgrau und lebhaft schwarz gefleckt, bei
Mirahilis longißora L. 6 c mit schwarzen Flecken.
Zu den zweifarbigen Früchten kann man auch die mit einer
trockenen Krone (pappus) versehenen zählen. Diese Haarkrone
ist am häufigsten rein weiss, wie bei den Wollgräsern (Eriopko-
— 359 —
rum) , dem Federgras (Stipa pennata L.) , den Gattungen Chon-
drilla, Preyianthes , Lactuca, Ptcridium, Crepis, Senecio; bei den
Compositen, bei welchen die Haarkrone am häufigsten vorkommt,
ist sie auch häufig blass gefärbt, so unterscheidet sich die Gattung
Hieraciwn durch ihre gelblich graue Krone 7 g von Crepis;
Helichrysum fulgiclum Willd. hat bei goldgelber Blüthenhülle auch
eine gelbe Ilaarkrone S e, ist aber die Blüthenhülle weiss, so ist
es auch die Haarkrone. Die Haar kröne von Baccharis ivaefolia
L. fand ich 3 f, von Erigeron acris und alpinus L. 5 f, die
dunkelsten, jedoch vielleicht erst im Herbar so geworden, fand
ich bei drei von dem Vorgebirg der guten Hoffnung erhaltenen
Compositen, bei Jnida pinifolia L. und Pteronia memhranacea
Thunb. 4 e und bei Pteronia viö-com Thunb. 3 e; noch dunklere
Haare findet man wohl an andern Pflanzentheilen, z. B. an der
Blüthenhülle einiger Hieracien, an dem Stengel des Dictamnus,
aber nie an der Frucht.
Farbenspielarten kommen bei den trockenen Früchten im
wilden Zustande gar nicht, in Gärten selten vor, so hat die
Sonnenblume {Helianthus cDinuus L.) bald schwarze, bald graue,
bald grau und weiss gestreifte Achenien, bei dem Kopfsalat unter-
scheiden die Gärtner schwarz Korn, gelb Korn 7 a und weiss
Korn hellgrau.
Die Getreidearten sind jede in ihrer Farbe fest und einander
in der Farbe noch ähnlicher, als in der Gestalt, Weizen und
Dinkel 3 f bis 4 f, Einkorn 3 f, Gerste und Haber 4 g, Hirse
7 e, Kolbenhirse {Panicum italicum L.) 7 c; man spricht zwar
von schwarzer Gerste, weissem und schwarzem Haber, blassgelber,
blutrother, grauer und schwarzer Hirse, rother Kolbenhirse {Pa-
nicum erythrospermvm Hornemann), allein es sind allemal nicht
die Früchte selbst, sondern die solche verhüllende Spelzen, welche
diese Farben mehr oder weniger deutlich annehmen, wie bei
dem Reis, dessen rothgelbe Spelzen 4 f bei einer Spielart zie-
gelroth 3 e sind, ohne dass der Reis selbst darum weniger
weiss ist.
Fast eben so verhält es sich mit der in warmen Ländern
ihrer" Fruchtbarkeit und der Leichtigkeit ihres Anbaues wegen
— 360 —
trotz ihrer geringen Güte weit verbreiteten, nördlich der Alpen
aber nicht zu völliger Reife gelangenden Mohrhirse; ich fand
bei Sorghum vulgare Pers. das Korn 6 a, die Spelzen 6 c, bei
Ä saccharatum P., neuerlich mit Uebertreibung als Futterkraut und
Zuckerrohr empfohlen, das Korn ebenfalls 6 a, die Spelzen aber 1 a, bei
,S'. 7iigru7n Link das Korn wieder 6 a und nur die Spelzen glän-
zend schwarz; S. caffrorum Arduino, einst als Zuckerrohr em-
pfohlen, hat allein ein helleres Korn 5 d bei weissgelblichen
Spelzen 5 h.
Von dieser Einförmigkeit der Farbe bei den Halmfrüchten,
wie von der in denselben vorherrschenden Unscheinbarkeit macht
Eine Pflanze eine auffallende Ausnahme.
Der Mais ist die beste und reichste Gabe, welche die alte
Welt von der neuen empfangen hat, so allgemein als solche an-
erkannt, dass er jetzt in allen fünf Welttheilen überall gebaut
wird, wo ihm nicht das Klima eine Grenze setzt, vom Aequator
bis zum 44. bis 51. Grad der Breite, das heisst so weit gegen die
Pole, als die Rebe, gegen den Aequator weiter als diese.
Als uralte Culturpflanze mythischen Ursprungs hat der Mais
mancherlei Spielarten, man unterscheidet der Grösse nach den
tropischen {Zea Mays exaltata Kunth) bis achtzehn Fuss hoch,
stark behaart, dessen Anbau in Europa vergeblich versucht wor-
den ist; den gewöhnlichen (Zea Mays coramunis Kunth) in Süd-
europa bis zwölf, in Deutschland nicht über sechs Fuss hoch;
den Dreimonats Mais (Zea Mays praecox Pers.) in Italien Cin-
quantino genannt, weil er 50 Tage nach dem gewöhnlichen un-
mittelbar nach der Weizenernte gesäet wird, nicht leicht über
vier Fuss hoch; endlich den Zwergmais oder Hühnermais {Zea
Mays pumila Martens) nur einen bis zwei Fuss hoch mit sehr klei-
nen Körnern.
Nach der Zahl der Körnerreihen an einem Kolben gibt es
6, 8, 10, 12, 14, 16, 18, 20 und 22 zeiligen Mais, ungleiche
Zahlen kommen nicht vor, weil die Zeilen paarweise stehen,
so dass die Körner zweier Zeilen immer unter sich gleich, mit
den angrenzenden aber wechselständig laufen.
— 361 -
Von sechszeiligem Mais, ^velcl^ell man für die Urform zu hal-
ten geneigt wäre, sali ich nur ein Mal zwei Kolben, der achtzei-
lige ist bei weitem der häufigste, viel häutiger als alle andern
zusammengenommen, weil er der ergiebigste ist, mit den längsten
Kolben und grössten Körnern; so wie eine Maispflanze mehr
Zeilen hat, bleiben sowohl die Körner, als auch die Kolben, ja
alle übrigen Theile der Pflanze bis auf die Haare hinaus kleiner;
über 12 Zeilen, der Verdoppelung von 6, hinaus werden die
Zeilen weniger beständig, von den ausgesäeten Körnern eines
Kolbens kann man dann Kolben mit 14 bis 18 oder 18 bis 22
Zeilen erhalten.
Die Farbe betreffend, die uns hier zunächst angeht, so ist
die Normal- oder ursprüngliche Farbe der Maiskörner röthlich
gelb, bei dem tropischen Mais 7 g, bei dem gemeinen achtzeili-
gen (3 c, bei Uzeiligem fand ich sie 6 b und d, bei 22zeiligem 7 d.
Die durch Cultur entstandenen Farben sind:
1) Weisser Mais 7 h, im nördlichen Tirol häutig gebaut, in
Italien, wo man einen Werth auf die gelbe Farbe des Mehls legt,
beinahe unbekannt.
2) Dunkelroth 2 a und noch dunkler, beliebt, wo man die
Maiskolben an die äussere Wand der Häuser befestigt, um da-
mit auf dem hellen Grunde den Namenszug und andere Mosaik-
figuren zu bilden.
3) Bläulichgrau.
4) Bunter Mais, jedes einzelne Korn einfarbig, aber ganz
regellos einige Körner weisslich 7 h, andere gelb 8 e, violett 21
c, bläulich grau.
5) Geflammter oder panaschirter Mais, die Körner gelb G e
mit rothen 4 b Flammen oder Bändern, diese Bänder beginnen
alle an dem Punkte, wo der Griffel sass, und werden nach unten
keilförmig breiter, ohne Symmetrie ; einzelne Körner sind nur zur
Hälfte gestreift , zur Hälfte einfarbig gelb , keines ganz ohne
Streifen.
Kolben, welche zugleich ganz rothe, ganz graue und gestreifte
Körner gehabt hätten, habe ich nie gesehen, ich vermuthe daher,
dass die bunten ihre Entstehung der Befruchtung einzelner Kör-
— 362 —
ner durch den Samenstaub verschiedenfarbiger Nachbarn ver-
danken, so dass je die gelben, rothen, grauen Körner einen an-
dern Vater hätten, diese wären sonach von der Normalfarbe sich
entfernende, die geflammten dagegen zur Normalfarbe zurückkeh-
rende Kolben, wie die panaschirten Blumen.
XI. Der Samen.
"Weit mehr, als die Fortdauer des vergänglichen Einzelnen,
ist in der Natur die Fortdauer der Gattung gesichert, durch un-
ermessliche Verschwendung der Keime, durch die mannigfaltigsten
Mittel zu ihrer Verbreitung, Flügel, Federn, Fallschirme, Haken,
elastisch schnellende Früchte, anlockende nahrhafte Früchte mit
in harter Schale wohlgeschützten, schwer verdaulichen oder durch
Bitterkeit abstossenden Samen, durch vielfältige Verhüllungen.
Man sollte aus letzterem Grunde glauben, dass die Samen eben
so bleich und farblos sein müssten, wie die Wurzeln, sie sind es
auch im unreifen Zustande und bleiben es nicht nur in ihren
inneren Theilen, dem Keime mit seinen Cotyledonen, dem weissen
Stärkmehl, sondern auch in den übrigen Theilen, wo die Frucht
den einzelnen Samen fest umhüllt und sich erst bei der Keimung
von ihm trennt, aber für Samen, die bestimmt sind, nackt in den
Boden zu sinken, in welchem sie zu einem neuen Leben erwachen
sollen, wäre durch eine helle Farbe schlecht gesorgt, ihre Schale
(testa) hat in der Regel mehr oder minder die Farbe des Bodens,
der sie umgibt, vom dunkelsten Schwarzbraua der nassen Pflan-
zenerde, des eisenhaltigen Schlammes stehender Gewässer, durch
das Rothbraun des von Eisenoxyd durchdrungenen Lehms bis
zum Hellgrau des trockenen Sandbodens.
Ein ternäres Braun in allen Tönen ist daher, wie bei den
todten trockenen Früchten, so auch bei den schlafenden Samen
die häufigste Farbe. Sie fallen in die Stufen 1 bis 9, roth bis
gelb, immer durch einen Zusatz von schwarz getrübt und daher
nie mit einer dieser binären Farben genau übereinstimmend.
Ich habe die Samen von 689 Pflanzenarten und Spielarten
untersucht und darunter 153 gefunden, welche eine dunkelgelb-
363
braune Farbe 6 a bis 10 a und dunkler haben, beinahe ein Vier-
theil der ganzen Zahl.
Hieher gehören viele Papilionaceen, wie die Erdnuss (Arachis
hijpogaea L.) 6 a , die schöne Acacia Jidibrissin Scop. , Biserrula
Pelecinus L., Cytisus argenteus L., Phaca alpina Willd., Sparthnn
scoparium L., sämmtlich 7 a, Astragaliis gylcyphijlbi.s ^ hamnsns
und Onobryckis L. 8 a, sehr viele Cruciferen, die Mandel, Pfir-
schen-, Kirschen- und Pflaumenkerne sämmtlich 8 a, Annona mu-
ricata L. 9 a, die essbaren Samen der BerthoUetla excelsa H. et
B. 7 a, die dunkelbraunen Rosenkranzkugeln der Canna indica
L., die essbaren Kastanien 6 a, die Bucheckern, der Stern-Anis
6 a, die Samen des Lorbeerbaums, der Lecythis Ollaria L., der
Leinsamen 7 a, die Muskatnüsse, die gewürzhaften Kerne der
Ocotea Pichurim H. et B., der Tabaksamen 7 a ^Yie der Schnupf-
tabak, also Samen gleich dürrem Laub, die Apfel- und Quitten-
kerne 6 a bis 8 a, Traubenkerne bei völliger Reife 8 a, die ein
treffliches Oel liefernden Samen der Linden.
Weniger zahlreich sind die dunkelbraunen Samen, in welchen
die rothe Farbe die gelbe überwiegt, 1 a bis 5 a und dunkler,
ich fand deren 66, darunter die Rosskastanie 3 a, den Kohl, die
weissen Rüben, den Reps, die Samen des Johannisbrodes 4 a.
Ojcalis stricta L. 3 a, Hibiscus Trionum L., Lathyrus latifolius und
sylvestris L., mehrere Winden, Silenen, Birnkerne, sämmtlich 2 a.
Aehnlich verhält es sich mit den hellbraunen Samen in den
Tönen b bis d, ich fand 37 überwiegend gelbe und 21 überwie-
gend rothe Samen ; unter den ersteren die Coloquintenkerne und
die der Gleditschia triacanthos L. und sinensis Lam. 8 b, Wall-
nusskerne 7 c, Wachholderkerne, Dattelkerne, Pignolen, Zirbel-
nusskerne, sämmtlich 7 b, unter den letzteren mehrere Kleearten,
Trichosanthes colubrina Jacq. 4 c, Tulpensamen 4 d, Draba verna
L. 3 d, Erodium gruiyium Herit. 1 b.
So fand ich im Ganzen unter 689 Samenarten 277 braune,
nicht viel weniger als die Hälfte.
Nach den erdfarbigen Samen sind die schwarzen die häufig-
sten, ich fand 124 vollkommen schwarze und 48 graue, zusam-
men 172 oder den vierten Theil der Gesammtzahl,
— 364 —
Mit diesen scliwarzen Samen verhält es sich ziemlich wie
mit den schwarzen Blumen, sie sind halbreif sehr häufig roth,
purpurfarbig, bei den Gichtrosen so schön karminroth wie die
Blume , zuweilen, wie bei den Gartenbohnen, selbst violett und
greifen so in die janthinische Farbenreihe hinüber, ohne jedoch
je die Stufen zu erreichen, in welchen die blaue Farbe überwiegt,
erst trocken nehmen sie mit völliger Reife auch eine völlig
schwarze Farbe an.
Einige dieser schwarzen Samen sind ohne Glanz, matt glatt,
wie die Samen der Wassermelone, der Cucurbita variegata Steu-
del, der Lufa Jacquini Schrad. , die Tonkabohne {Baryosma
Tongo Gaertn.), welche wie der Bisamkäfer ( Ceramhyx moscha-
tus L.) in die Dosen gelegt wird, um dem Schnupftabak ihren Wohl-
geruch mitzutheilen , Acacia lophantha Willd. , alle Samen der
Gattungen ÄUiimi, Asphodelus, Anthericum, Cereus, Chlora, Gom-
melma, Datura, Delphinlum, Dianthus^ die Kicherlinge (Cicer
arietinumL.), die schwarzen Spielarten der Linsen, Ackerbohnen und
Dolichosbohnen, die Samen der Kaute, der Purpurwinde und des
Kuh Weizens, der seinen antiken Namen Melampyrum von ihrer
Farbe erhalten hat.
Andere Samen sind fein gekörnt oder chagrinirt, wodurch
sie, besonders wenn sie mehr in's Graue fallen , kleinen Erd-
klümpchen täuschend ähnlich sind, so bei Sileiie, Agrostemma,
Saponaria, Ccdandrima, Montia.
Endlich zeichnen sich die schwarzen glatten Samen häufiger
als andere durch einen lebhaften glasartigen Glanz aus, so die
der Gattungen Amarantusy Aqullegia^ Celosia, Dictanuuis, Paeonia,
bei Arenaria peploides und trinervia L., Moehringia muscosa L.,
während die grauen wie die braunen in der Regel ohne Glanz
sind; isolirte Erscheinungen sind Thlaspi arvense L., die einzige
mir vorgekommene Pflanze, deren Samen zugleich gekörnt sind
und glänzen , dann Euphorbia platyphyllos L. und Portulaca gran-
diflora Cambessedes , eine Zierde unserer Blumengärten, deren
Samen mit der Farbe des Bleis auch dessen lebhaften metalli-
schen Glanz erhalten.
Weiss habe ich nur die Samen von Cticiirbita Melopepo L.,
— 365 —
StÜlingia sehifera Mich., Symphoricarpos racemosa Mich, und meh-
rerer Bohnensorten gefunden, dagegen gibt es mehrere Samen,
deren Farben auf die drei hellsten Töne der xanthischen Reihe
fallen und die daher im gemeinen Leben weiss genannt werden,
in diesem Sinne ausgedehnt habe ich die Samen von 95 Pflanzen
weiss gefunden, darunter die Feigbohne (Licjnnus albus L.) 2 g,
die Erve und die Kneifelerbse 3 f, die Feld- und Brockelerbsen
3 g, die Samen der Adansonia^ von Cucumis prophetarum L.,
Opu7itia minima Dec. 4 f, Galanthus nivalis L. 4 g, Melonenkerne,
die häufig als Thee benützten Kerne der Rosa canina L. 5 f,
die Samen der Feigen und des weissen Mohns 5 g, die Kerne
der Citronen und Pomeranzen, der gemeinen und Flaschenkür-
bisse, der Gurken, der Goldäpfel und des spanischen Pfeffers.
Zu diesen helleren Samen gehören theilweise auch die Kaffee-
bohnen, welche ganz frisch bläulichgrün 14 g, mit dem A'erluste
der Keimkraft in's Bräunliche oder Graue übergehen. Ein alber-
nes Vorurtheil bestimmt viele Käufer, auf schöne Farbe einen
Werth zu legen und grünliche Bohnen den andern vorzuziehen,
während die Kaffeebohne um so besser ist, je älter sie ist. Die-
ses Vorurtheil hat noch die schlimme Folge, dass der Kaffee oft,
wie der grüne Thee, mit der Gesundheit keineswegs zuträglichen
Stoffen künstlich gefärbt wird, um Käufer anzulocken.
In Stuttgart hat man jetzt sechs Kaffeesorten, drei bräun-
liche und drei grünlichgraue, deren Farbenunterschied Folge der
Art, sie aut trockenem oder nassem Weg von ihrer Umhüllung
zu befreien , sein wird ; von den bräunlichen ist der berühmte
Stammvater aller übrigen, der Mocca-Kaffee mit den kleinsten
Bohnen der dunkelste, trüb 4 e, dann folgt brauner Java 4 g
und als der hellste gelber Java 6 g; zwischen den grünlichgrauen
ist der unterschied geringer, der dunkelste ist der Ceylon Kaffee
© d, dann folgt Surinam 0 e und als der hellste blauer Java
0 f, der den Beinamen blau so wenig verdient, als die blauen
Katzen.
Dem grossen Reichthum an Samen der xanthischen Reihe
steht eine grosse Armuth an Samen der janthinischen gegenüber;
hier, im Abschluss des alten und Anfang des neuen Pflanzenlebens
— 366 —
tritt die blaue Farbe am stärksten- zurück, ein blaues Samenkorn
ist mir nie vorgekommen, kaum dass sich an Euphorbia Pinea
und Peplis L. und drei Gartenbohnen, Phaseolus Pardus lacteus
Martens, Ph. ellipticus Bocconi M. und Ph.elHpticus fasciatus M.
17 h die weisse Farbe der blauen nähert; in welche Stufe die
Bohnen des Cyanospermum tomentosum Wight et Arnott gehören,
ist mir nicht bekannt, rein blau werden sie wohl nicht sein.
Grün sind wohl viele unreife Samen, äusserst wenige aber
bei vollendeter Reife, die rein grüne Stufe 13 fand ich nie, ein
trübes grtingrünblau 14 c ist die Farbe der Samen des in den
Tropenländern beliebten Gombo (Hibiscus esculentus L.), grün-
grüngelb fand ich nur drei gebaute Samen, die Knight Marron
Erbse 12 e, die Klunkererbse 12 f und die Laoner Dattel-
bohne 12 g, Phaseolus Mungo L., im innern Afrika häufig gebaut
und in Italien niclit unbekannt, ist dunkel gelbgrüngelb 10 a.
Lebhafte Farben sind an Samen noch seltener, als trübe an
Blumen, die Samenhaut (arillus) der Iris foetidissi?na L. ist koral-
lenroth 1 c, die des Spindelbaums lebhaft pomeranzengelb 5 c;
trüb purpurroth sind die Samen der Rauschbeere, del' Pistacie
und des Terpentinbaums.
Auch bunte Samen sind selten, die Samen der Levkojen
und des Lepigonum marginatum Koch 7 a mit hellem Rande, der
Myrte glänzend schwarzbraun, 5 h eingefasst, des Wunderbaums
{Ricinus) 2 g mit 2 a marmorirt, von Euphorbia dendroides L.
5 h, grau marmorirt, einer Spielart der Wassermelone {Cucurbita
CitruUus ß saccharina Martens) 4 f mit schwarzen Punkten; die
drei in einer dreifächerigen Blase eingeschlossenen kugelrunden
Samen des Cardiospermum Halicacabuia L. Pols de merveille,
Paternostri di San Domenico, und der 17 andern Arten dieser
Gattung sind kohlschwarz mit einem weissen Flecken von regel-
mässig herzförmiger Gestalt.
Die grosse Familie der Hülsenfrüchte, von Endlicher mit
Recht als die oberste des Plianzenreichs aufgeführt, mit vielen
Bäumen, windenden und rankenden Gattungen, gegliederten, ge-
dreiten oder gefiederten Blättern (man musste bis nach Neuhol-
land gehen, um einfachblättrige Leguminosen zu entdecken), mit
367
dem deutlichsten Schlaf, der berühmten Reizbarkeit der Sinn-
pflanzen, schönen bunten Blumen, hat wahrscheinlich auch mehr
lebhaft gefärbte und bunte Samen, als alle andern Familien mit
einander.
Dunkel bis lebhaft scharlachroth 2 a bis b sind die Samen
der ostindischen Adenatithera pavonbia L. , purpurroth die zu
Hals- und Armbändern verwendeten von Dolichos Faba nigrita
Forsk., hellroth 2 e die schmackhaften von Dolichos sinensis L.,
trüb violett 21 b die des Wiesenklees und der Anagyris
foetida L.
Bunte Samen haben Pflanzen dieser Familie schon in der
deutschen Flora, so Ervum hirsutum L. 10 e scliwarz punktirt,
Lathynis Aphaca L. 10 e schwarz punktirt mit lebhaftem Glänze,
die Felderbse 10 f dunkel punktirt, die Zuckererbsen und meh-
rere Wicken.
In Südeuropa kommen manche weitere hinzu, wie Bonjeanea
hirsuta Rchb. 9 b mit schwarzen Flecken, drei Platterbsen und
drei Wolfsbohnen , unter den Culturgewächsen zwei gefährliche
Platterbsen, Lathyrus Cicera L. aschgrau mit rostgelbeu Flecken
und L. sativus L. 8 f braun gefleckt, danrt die niedlichen, wohl-
schmeckenden Fasioletti dall' occhio (Dolichos melanophthalmos
Dec.) hell incarnat 3 g mit schwarzem Auge, und die verschie-
denen Spielarten der im Orient zu Lauben benützten egyp-
tischen Bohne (Lablab vulgaris Savi) schwarz, kaffeebraun
oder röthlichgelb 6 g, alle mit einem ^symmetrischen weissen
Halbmond,
Schönere bunte Leguminosensamen treten innerhalb der
Wendekreise auf, so Aeschinomene aspera L. braun mit schwarzen
Punkten, Glycine carihaea Jacq. lebhaft glänzend grau und schwarz
marmorirt, die Taubenerbse, Pois de Congo {Cytisus Cajan L.)
in Afrika von Kairo bis zum Cap, in Ost- und W^estindien häutig
gebaut, röthlichgelb (3 g mit dunkleren Flecken G c, die Bohnen
der Korallcnbäume (Erythrina) feuerroth 3 c mit symmetrischen,
fest begrenzten schwarzen Flecken und die eben so gefärbten
kleineren Rosenkranz-Erbsen (Abrus precatorius L.), welche beide
gegen die Sitte vieler Hülsenfrüchte alternd ihre Farbe nicht ver-
— 368 —
ändern, daher sie in Menge zu Hals- und Armbändern, Rosen-
kränzen und andern Schmuckarbeiten verwendet werden.
Im ganzen Pflanzenreich gibt es kein Gewächs, dessen Samen
die bunte Mannigfaltigkeit, den üppigen Farbenreichthum der weit
verbreiteten Gartenbohne erreichte, wir finden unter ihren hun-
dert und zwanzig Spielarten sieben schwarze, drei graue, zwölf
braune, drei hellbraune, neun und zwanzig helle oder ganz weisse,
neunzehn lebhaft gefärbte, darunter violette, purpurrothe, pome-
ranzengelbe, dottergelbe, goldgelbe, schwefelgelbe, endlich nicht
weniger als acht und sechszig bunte, darunter die gebänderten
Zebrabohnen, die gefleckten Pantherbohnen, die gezeichneten
Adlerbohnen, einige, die halb weiss, halb purpurroth oder dunkel-
gelb sind, helle mit dunklen Flecken und dunkle mit hellen
Flecken, endlich dreifarbige; da es sich aber nur von übergehen-
den Spielarten handelt, so hat keine dieser bunten Bohnen die
fest begrenzte unveränderliche Zeichnung des Labiah, des Abms
oder der Erythrina.
Der grösste Theil dieser Farben ist bei halbreifen Bohnen
noch viel schöner und lebhafter, geht aber leider absterbend, das
heisst wann die Bohne die Fähigkeit zu keimen verliert, in ein
dunkles trübes Braun über, was mich hauptsächlich zur Heraus-
gabe meines Bohnenbuchs bestimmte, um diese Farbenmannigfal-
tigkeit durch Abbildungen festzuhalten, da es nicht durch Samen-
sammlungen geschehen kann. Die Zahl der Farbenstufen belauft
sich bei den Gartenbohnen auf zwanzig, die der Farbentöne auf
acht und vierzig.
Auf ähnliche Weise, wenn auch in weit geringerem Grade,
wechseln die Farben der Feuerbohnen, des Phaseolus inamoenus
L., des Phaseolus lunatus L. und einiger andern in warmen Län-
dern der Samen wegen gebauten Bohnen.
— 369 -
Die Farben der Kryptog-amen.
I. Die Farne.
Bei allen von mir gesehenen Farnen (Filices) fand ich die
Wurzel dunkel , schwarz , grau oder schwärzlich braun, nur die
schwimmenden der Salvinia natans All. bilden als blass eine
Ausnahme.
Wurzelstock, Stamm, Schuppen, Haare und Frucht sind meist
gelbbraun 7 a, oft dunkler, selten heller, wie die Frucht von
Polypodium aureum L. 7 b, von Pteris crispa und cretica L. und
Lindsaya falcata Drj'ander 8 b. Zuweilen ist der Wurzelstock
dunkelrothbraun, so bei Acrostichum plumosum Fee 2 a.
Diese tief rothbraune Farbe zieht sich oft an den Stiel hin-
auf, welcher dann so schwarz wie Ebenholz ist, so bei Adiantum
Capillus Veneris L. , hienach benannt, da man billig der Venus
als Griechin glänzend schwarzes Haar zuschrieb , bei Gymnogramme
Calomelanos Kaulfuss, Lomaria Spicant Desv., Pteris atropurpurea
Lt., allosora Link und Calomelanos Sw., Asplenkmi mar'inum Dec,
monanthos, Trichomanes und Adiantum nigrum L., Asplenium ebe-
neum und melanocaulon Willd., Asph furcatum Thunb. und Aspl.
heterochroum Kunze.
Bei Asplenium viride L. beschränkt sich die rothbraune Fär-
bung auf den untersten Theil des Stiels und geht, ehe die Fie-
derblättchen beginnen, in hellgrün über, bei andern Farnen sind
nur der Wurzelstock und dessen Behaarung dunkelbraun, wie
bei dem Adlerfarn, dessen gegliederte Haare von Lyngbye und
Agardh als Mycinema pteridis zu den Algen gezogen wurden,
wie von andern die ähnliche Behaarung des einst berühmten
Polypodium Baromez L. und anderer Farne, in neuerer Zeit als
blutstillend empfohlen, als Conferva aureofulva Kg. 9 a bis
kaffeebraun.
Das Laub (Frons) der Farne mit Einschluss der Schachtel-
halme, Wasserfarne und Bärlappen ist ohne Ausnahme sehr ein-
förmig grwn, beschränkt auf die tiefsten Töne a bis c der Stufen
11 bis 13, Polystichum Filix mas Roth z. B. rollt sich IIb aus
der Knospe auf und verdunkelt im Sommer zu 12 a.
Württemb. oaturw. Jahreshefte. 1862. 3.s Heft. 24
— 370 —
Es beschränken sich demnach die Farben dieser blüthenlosen
Gewächse auf wenige Stufen der xanthischen Reihe, nur als sel-
tene Ausnahme tritt hie und da eine andere Farbe auf, so sind
die Stengel des schönen Equisetum Telmateja Ehrh. so weiss wie
Elfenbein, die Scheiden von Equisetum hyemale L. weiss mit
schwarzem Eande; mein Sohn Eduard sah im Innern von Su-
matra das jüngste Laub einiger Farne und Lycopodiaceen rosen-
roth mit Stich in Grün: bei Notochlaena nivea Desv. und N.
hypoleuca Kunze hat das Laub auf der untern Seite einen weis-
sen Ueberzug, hei Gymnogramme chrysophylla Kaulf. einen goldgel-
ben 8 e. Gelb sind auch die Früchte der Mondraute und schwe-
felgelb, beinahe weiss 9 g bis h, das Bärlappenmehl. Lycopodium
haematodes Kunze aus Südamerika erhielt seinen Xamen von der
blutrothen Farbe seines glatten Stengels und Lycopodium caesium
Hort. Bonn, von einem leichten bläulichen Schimmer seines grü-
nen 14 d Laubes, die schwarzen Früchte der Onoclea sensihilis L.
aben einen violetten Schimmer, die blaue Farbe fehlt gänzlich
in der ganzen Klasse.
51. Die Armleiichtepgewäeli?^e.
Die kleine Klasse der Armleuchtergewächse (Characece) ist
noch ärmer an Farben, als die der Farne, sie zeigt uns deren
nur drei, die Wurzeln sind farblos, Stengel und Laub grün, leb-
haft bei den glänzenden Nitellen, matt weil getrübt durch einen
Niederschlag von kohlensaurem Kalk bei den Charen ; die künst-
lich gebaute Frucht ist bei allen schwärzlich grau, die den An-
theridien der Moose analogen Kügelchen sind lebhaft cinnober-
roth 1 c.
III. Die Moose.
Die Moose (Musci) bilden die dritte Klasse der Kryptogamen,
deren Farben sich auf die xanthische Reihe, grün, gelb und braun
beschränken, doch hier mit etwas mehr Mannigfaltigkeit, als in
den beiden vorhergehenden.
Die ästigen gegliederten Fäden fCotyledonidiaJ, welche die
Stelle der Samenblätter vertreten und die Entwicklung keimen-
- 371 —
der Laubmoose beginnen, sind bald grasgrün, wie bei Phascum
und bei Polytrichum aloides L., bald olivenbraun wie bei Orthotri-
chwn, bald dunkelbraun wie bei Funaria.
Das Laub der Lebermoose wie das der Laubmoose spielt in
den unteren Tönen der Stufen 11 bis 13, selten heller, wohl aber
oft durch seidenartigen Glanz, wie bei Leskea sericea Hedw.,
Hypnum velutinum L. , splendens Hedw., nitens Schreb., bei Schi-
stostega osmundacea Weber, in lichtere Töne und gelbere Stufen
hinüberschimmernd und dadurch eine in Alpenlandschaften sehr
wirkungsvolle Mannigfaltigkeit der Farben bewirkend. Nur bei
wenigen Moosen nimmt das helle Laub, wenn durch Trockenheit
ein Stillstand in ihrem Wachsthum eintritt, eine blassere Farbe
an, S'o bei den darnach benannten Riccia glauca L., Bryum ar-
genteum L. , Trichostomum glaucescens Hedw. und Leucobryum
vulgare Hampe 14 f und bei der ganzen Gattung Sphag-
num 12 e.
Bei vielen Laubmoosen geht die Mittelrippe des Blattes über
dasselbe als weissliches oder silberfarbiges Haar hinaus, wodurch
der ganze Rasen hellgrau erscheint, so bei der häufigen Barhula
muralis Timm, bei Racomitrium canescens Bridel, Grimmia affinis
Horusch., leucophaea Grev., crinita Brid. und pulvinata Hooker
und bei manchen andern Laubmoosen.
Dunkler belaubte Moose werden dagegen durch Trockenheit
schwarzgrün, so besonders in den Gattungen Orthotrichum und
Polytrichum. Die dunkelsten Laubmoose findet man in den Alpen,
wo starkes Licht und niedere Temperatur auch andere Gewächse
und selbst Insekten schwärzen, hieher gehören Weissia crispula
var. atrata Nees, Racomitrium aciculare Brid., Grimmia atrata
Mielichhofer, Hypnum atrovirens Smith.
Ein in Süd-Europa in schnell fliessenden Bächen häufiges,
oft ihren Grund ganz überziehendes Laubmoos, Cinclidotus aqua-
ticus Br. et Seh., sieht untergetaucht völlig schwarz aus, ebenso
unsere Fontinalis antipygretica und squamosa L., das Laub der
an Baumstämmen in Wäldern häufigen FruUania dilatata und ta-
marisci Raddi ist jung dunkelgrün 13 a, alt schwarzbraun, das-
jenige der Jungermannia ruhella Nees rothbraun, bei Sphagnum
— 372 —
findet man oft das Laub durch Austrocknen des Torfmoors ge-
röthet 23 e.
Die Fruchtstiele und die Büchsen der Laubmoose sind in
der Jugend grün wie das Laub, nehmen aber bälder oder später
eine gelbe, gelbbraune oder rothbraune Farbe an, welche sich
an der Basis des Stiels am frühesten und dunkelsten zeigt und
fortschreitend zur Büchse hinaufrückt; so schimmert Barbula mu-
ralis Timm an feuchten Garten- und Weinbergsmauern zur Zeit
der Fruchtentwicklung in der Morgensonne mit dem schönsten
Goldglanz , Ceratodon purpureus Brid. an lichten Waldstellen
glänzend purpurroth 24 b. Hiebei ist immer die Büchse dunkler
als der Stiel, die abfallende Haube aber heller als beide, bleich
gelblich oder bräunlich; die Sporen sind endlich nach Gattung
und Art grünlich gelb, blass gelblich, gelb oder bräunlich.
Die meist Schatten und Feuchtigkeit liebenden Moose sind
vorzugsweise Bewohner kälterer Länder, in den Wäldern ersetzen
sie den Kompass, indem sie sich an der Nordseite der Baum-
stämme ansiedeln, nur wenn diese schief stehen, ziehen sie, wie an
den Aesten, ohne Rücksicht auf die Himmelsgegend die obere
dem Regen ausgesetzte Seite der trockeneren nach unten ge-
kehrten vor. Die zwei schönsten Moose sind hochnordisch, die
grosse Frucht von Splachnum rubrum L. ist prächtig karminroth
24 b, die von Splachnum luteum L. lebhaft citronengelb 9 f.
Die von mir an Moosen beobachteten Farben umfassen die
Stufen 1 bis 14, dann 23 und 24, die blauen und violetten 15
bis 22 fehlen gänzlich, ein Alpenmoos, Catoscopium nigritum Brid.,
erhielt seinen Namen von seiner glänzend schwarzen Büchse; zu
weiss lassen sich nur nothdürftig die Haarspitzen der Blätter
mehrerer Moose und die Zähne der Büchse von Leucodon sciu-
roides Schwaegr. ziehen.
Diesen drei an Farben armen Kryptogamen-Klassen, Farne,
Armleuchtergewächse und Moose, stehen drei farbenreiche gegen-
über, die Flechten, die Algen und die Pilze.
— 373 —
IV. Die Flechten.
Alle Pflanzen wachsen nur so lange, als sie Wasser haben,
fehlt solches, weil es sich zu Eis crystallisirt hat, so können sie*
nur durch den Winterschlaf dem Tode entgehen, ebenso durch
den Sommerschlaf, wenn das Wasser in Dampf verwandelt sie
verlässt.
Die Flechten (Lichenes) können unter allen Gewächsen die
Entziehung des Wassers auf beiderlei Art am besten ertragen,
so ist ihnen kein Ort zu kalt, Agassiz traf sie in den Alpen noch
auf dem Gipfel der Jungfrau, 12,860 p. F. über dem Meere an
und auch gegen die Pole gehen sie weiter, als jede andere Pflanze ;
ebenso findet ihre Fähigkeit, Trockenheit und Hitze zu ertragen,
gegen den Aequator keine Grenze und macht es ihnen möglich,
auf Baumrinde, Steinen, selbst Eisen, z. B. auf dem sonnigen Ge-
länder der Brücke von Canstatt, zu gedeihen, an Stellen, wo sie
nur so lange wachen und wachsen, als Regen, Nebel oder Thau
sie benetzt. Dass sie dennoch Standorte mit reichlicher Feuch-
tigkeit vorziehen, ist sehr natürlich, ins Wasser steigen sie zwar
nicht hinab, Endocarpon fluviat'de Dec. und CoUema fluviatile
Schaerer an Steinen in seichten Bächen können kaum als Aus-
nahme gelten, aber ihre Grösse, Häufigkeit und Fruchtbarkeit
steigt mit der Höhe des Standorts, mit der Rauheit des Klimas
und dürfte in der Alpenregion und der Nähe der Polarkreise
den höchsten Grad erreichen.
Das Laub {Thallus) der meisten Flechten hat, so lange es
nass ist, eine hellgrüne oder graulichgrüne , bei einigen, wie
Gyrophora^ CoUema , dunkel oder bouteillengrüne Farbe, weil
dann die obersten Zellenschichten das Chlorophyll der inneren
durchscheinen lassen, im trockenen Zustande werden aber helle
Flechten heller, oft ganz oder beinahe weiss, dunkle dunkler, oft
ganz oder beinahe schwarz, so sind bei Parme/ia jmriethia Ach.,
wenn sie nass ist, Laub und Frucht gelblichgrün 1 1 d, im trocke-
nen Zustande ersteres citronengelb 9 f bis gelbgrüulich 10 e,
letztere dunkelgelb 9 d, bei Parmelia stellaris Ach. nass das Laub
14 e, die Brutzellen (Soredia) 12 d. trocken ersteres wasserbläu-
— 374 —
lieh 16 g, letztere beryllgrün 14 f, bei Lecanora suhfusca Ach.
nass das Laub graugrünlich 15 f, die Frucht dunkel olivengrün
10 a, trocken ersteres hell wasserbläulich 16 h, letztere kaffee-
braun bis schwarzbraun, bei Peltigera das Laub nass schön gras-
grün, trocken heller oder dunkler grau.
Die untere Fläche des Laubes ist bald heller als die obere,
wie bei Peltigera venosa Hoffm,, Solorina crocea und saccata Ach.,
bald dunkler, wie bei Parmelia pertusa Seh., ceratophylla Wallr.,
sirmosa Ach., Cetraria glauca Ach., die Frucht ist in der Regel
dunkler, tiefer gefärbt als das Laub, selten von gleicher Farbe,
nie heller.
Ich habe, um eine üebersicht der Farbenmannigfaltigkeit
der Flechten zu erhalten, die Farben der Flechten zusammenge-
stellt, welche in der Flora danica abgebildet sind, diesem mit
seltener Beharrlichkeit durch beinahe hundert Jahre, von 1761
bis 1853, mit immer steigender Schönheit und Genauigkeit fort-
gesetzten Prachtwerke, einem Ehrendenkmal der Könige von
Dänemark; es sind 216 Arten, darunter viele norwegische, islän-
dische und grönländische.
Unter diesen 216 Flechten haben 7 schwarzes oder graues
Laub, 24 schwarze Früchte und bei 33 ist beides schwarz oder
grau, diese Farbe findet man also beinahe bei einem Drittheil
dieser Flechten , vorzugsweise bei hochnordisehen und alpinen,
wie Nephroma arcticum Fr., Lecidea arctica Sommerf. und geo-
graphica Seh., mehreren Gyrophoren, allen Calicien und Ope-
graphen, vielen Urceolarien und Collemen.
Xaeh der schwarzen Farbe ist braun, meist mit einem Zu-
satz von grau, die häufigste Farbe, sie kommt 61 mal vor, so bei
dem isländischen Moos, allen nicht ganz schwarzen Gyrophoren,
der Frucht vieler Parmelien und Gladonien und aller Peltigeren
und Cetrarien.
Die dritte Farbe ist grün 11 bis 15 am trockenen Laube
von 47 Flechten, vorzüglich den ästigen Baumflechten, Usneen,
Ramalinen , Physcien, Sticten, dann den meisten Gladonien, die
Frucht ist trocken nie grün; eine Untersuchung der Flechten
im nassen Zustande würde natürlich ein ganz anderes Ergebniss
— 375 —
liefern und die grüne Farbe zur vorherrschenden erheben, man
sieht und malt jedoch die Flechten bei weitem seltener in diesem
Zustande.
Die Grundfarbe des Pflanzenreichs, gelb 7 bis 10, zeigen 29
dieser Flechten, darunter die schöne in der Waldregion der
Alpen oft an den Lärchenstämmen wachsende Cornicularia vul-
pina Seh. 9 e, die Alpenflechten Cetraria juniperina Ach. 8 e,
C. cucullaia Ach. 9 g, C. nivalis x^ch. 10 g und Cornicularia
ochroleuca Ach. 10 g, die bis in die Schneeregion steigende Le-
cidea geographica Seh. , welche die dunklen nackten Felsen des
Gottharts schön citronengelb übertüncht, und zwei unserer häu-
figsten Flechten, Lecanora parietina Ach. an Bäumen und Bretter-
zäunen und Lecanora murorum Ach. an Mauern und Dächern,
beide im Schatten bleicher, an sonnigen Stellen lebhafter gelb;
die letztere, meist vermengt mit der milch weissen Lecanora mu-
ralis Seh. die Dachziegel bunt bemalend, ist ein sicherer Maas-
stab für die Regenmenge eines Ortes, ich vermisste sie auf den
Dächern von Modena und Ancona, fand dagegen die Dächer von
l'Ariccia im Albanergebirg so vollständig damit überzogen, dass
solche von ferne aus lauter gelben Ziegeln zu bestehen schienen,
und schloss daraus, dass es in TAriccia weit häufiger regnen
müsse, als in Modena und Ancona, w^as auch der Fall sein wird,
da l'Ariccia sich an der Westseite des Appennins in einer Höhe
von 1306 p. F. über dem Meere befindet, die beiden andern
Städte aber an dessen Nord- und Ostseite wenige Fuss über dem
Meere liegen.
Roth, L bis 4, zeigen 23 dänische Flechten, darunter bei 4
nur das Laub, Goniocarpon cinnaharinum Dec. 1 e, Lecidea deci-
piens Ach. 3 d, L. squalida Ach. 2 e und L. globifera Ach. 2 f,
diese drei mit schwarzen Schüsseln , bei drei Laub und Frucht,
bei der Stürme liebenden Lecanora ventosa Ach. Laub 3 g, Frucht
3 c, bei L. miniata Ach. beides 3 d und bei L. haematomma
Ach. Laub 4 h, Frucht 1 c ; bei allen andern ist nur die Frucht
roth, oft sehr lebhaft, wie bei Cladonia coccifera Baumg. und
einigen andern Becherflechten schön siegellackroth 4 c, bei Par-
melia ruhina Ach. rubinroth 3 c.
— 376 —
Die weisse Farbe kommt theils ganz rein, theils als hellster
Ton h anderer Farben auch bei 23 dieser Flechten vor, aber in
scharfem Gegensatze zur rothen nur am Laube, während die
Frucht oft kohlschwarz ist, so bei Lecidea alba Schi., Candida
Ach. und atroalha Ach., bei JJrceolaria calcarea und scruposa
Ach., bei Verrucaria glabrata Ach.
Unter den 14 orangefarbigen Flechten zeichnet sich die auf
Granit der Alpen und Pyrenäen, in Lappland und Grönland vor-
kommende Solorina crocea Ach. durch ihr Laub aus, dessen
obere Fläche dunkelgrün, die untere lebhaft orange 5 c ist, dann
das hochnordische Nephroma arcticum Seh. durch auffallend grosse
orangefarbige Früchte 5 c auf grünem Laube 13 b.
Rein blau ist keine Flechte, aber 8 der Flora danica sind
doch bläulich, so Cetraria glauca Ach. oben 18 g, unten seh v/arz,
Parmelia caesia und stellaris Ach. Laub 16 g, Früchte 18 a,
Lecidea alhocoeridescens Ach. Laub 18 f, Früchte schwarz. Schaerer
bildet zwar sein Collema atrocoeriäeum wasserblau 16 d ab, be-
schreibt es aber als plumbeo-rufescens, am blauesten fand ich
noch unter allen Flechten Collema azureum Ach. aus Südamerika,
welches nass wirklich wasserblau 16 c ist.
Zu den Purpurstufen 22 bis 24 kann man nur die Frucht
von vier der in der Flora danica abgebildeten Flechten zählen,
sämmtlich sehr licht auf weissem Laube, Baeomyces roseus Ach.
pfirschenblüthfarbig 23 e, Arthoyiia impolita Seh. und Lecanora
tartarea Ach. um einen Ton heller 23 f, endlich Lecanora rubra
Ach. hellamethystf arbig 22 g.
Violett fehlt gänzlich.
&"■
Y. Die Algen.
Die Algen (Älgae) sind in scharfem Gegensatze zu den an-
dern Kryptogamen weitaus zum grössten Theile Bewohner des
Meeres, weniger der süssen Gewässer, am wenigsten und nur
mit Arten der niedersten Gattungen des Landes, wie mehrere
Arten der Gattungen Protococcus^ Gloeocapsa, Palmogloea, Phor-
midiu?n, Chthonoblastus, Symploca,. Scytonema^ Sirosipho7i, Prasiola,
— 377 — ^
Vaucheria, die an der Nordseite der Bäume und Mauern häutige
Botrydina vulgaris Brebisson, Palmella cruenta Ag. am Fusse der
Mauern, das auf Sandwegen nach Längerem Regen erscheinende
Nostoc commune V., Botrydium argillaceum Wallr., Ulothrix radi-
cans Kg., alle nur an nassen oder wenigstens feuchten schattigen
Stellen, manche wohl nur gerade durch Mangel an Wasser in
ihrer Entwicklung gehemmte Anfänge anderer Algen oder andern
Klassen zuzuweisen, wie Stigonema und Lichina den Flechten,
Cryptococcus, Ulvina, Hygrocrocis, Chroolepus den Pilzen.
Die Farbe ist bei den Algen in ihrer Mannigfaltigkeit so
beständig, dass sie schon längst bei der Bildung der Gattungen
und Familien berücksichtigt wurde. William Harvey, einer unserer
berühmtesten und geistreichsten Algologen, welcher in allen fünf
Welttheilen Algen beobachtet und gesammelt hat, theilt nach der
Farbe die ganze Klasse in drei grosse Ordnungen: die Schwarz-
samigen {Melanospermeae)^ die Rothsamigen {Rhodos per meae) und
die Grünsamigen {Chlor ospermeae); zwar ist hiebei die Farbe
der Sporen zu Grunde gelegt, diese unterscheidet sich aber
von der Farbe der übrigen Theile der Alge nur durch einen
tieferen Ton der gleichen Stufe.
Die Schwarzsamigen sind die eigentlichen Tange, die
grössten und ausgebildetsten Formen der Klasse, merkwürdig da-
durch, dass sie vom Aequator gegen die Pole an Grösse, von
den Polen gegen den Aequator an Yollkommenheit der Bildung
durch Trennung von Stengel , Blatt und Frucht zunehmen, es
herrschen innerhalb der Wendekreise die Sargasseen vor, selten
über zwei Fuss lang, aber die einzigen Algen mit achselständigen
Zweigen und Früchten, wie bei den Phänogamen, in den ge-
mässigten Zonen die unvollkommeneren Cystosireen, deren grösste
Länge ich an Cystosira abrotanifolia Ag. von Neapel 2 Fuss
9 Zoll fand, im hohen Norden rohe Fucusarten, Desmarestien
und Chordarien, 12 Fuss lange Himanthalien, über 24 Fuss lange
Laminarien und die riesige, nach Heinrich Mertens bis über 300
Fuss lange Nereocystis; dieser entsprechend gegen den Südpol
die früher übertreibend bis zu 1500 Fuss und selbst noch von
Humboldt zu 800 Fuss lang angegebene Macrocystis, die Ecklonia
— 378 —
huccinalis Hörnern., deren Stamm Bory 45 Fuss Länge gibt, die
ästigen bis 30 Fuss langen Lessonien und Durvilleen.
Bei allen diesen Meertangen wird die grüne Farbe der
Chlorophyllkörner durch einen mehr oder weniger braunen Zel-
lensaft olivengrün 10 a und b getrübt, im Trocknen bleicht die
grüne Farbe aus und die braune dunkelt, so dass sie dunkel-
braun bis kohlschwarz werden, wie man sie in allen Herbarien
findet.
Von den kleineren Gattungen dieser Ordnung sind einige
grüner, so Desmarestia viridis Lx,, Chorda lomeiitaria Lgb., einige
Dictyoten und Punctarien, völlig grün 13 a und b nur mehrere
Arten der Gattung Ectocarpus^ kleine, zarte, fadendünne Ge-
wächse, welche in geringer Tiefe leben und sich bis in die Fluss-
mündungen ziehen, Ectocarpus fluviatilis nach Kützing in den Ti-
mavo, E. amphibius Harvey nach Hooper bei Xewyork in den
Hudson.
Die rothsam igen Algen sind eben so entschiedene Be-
w^ohner des salzigen Wassers , als die schwarzsamigen , die in
süssem fliessendem Wasser früher nur in der Nähe des Meeres,
nun aber von einem unserer trefflichsten Pflanzenforscher, Pfarrer
Kemmler zu Untersontheim , auch in Württemberg entdeckte
Hildenbrandtia rosea ß fluviatilis Breb. ist bis jetzt die einzige
sichere Ausnahme, da Leprieurs Angabe von Florideen in Brun-
nen Guiana's noch sehr zu bezweifeln ist.
Diese Algen zeichnen sich durch ihre Zartheit und Schönheit
aus, überschreiten nur selten in wenigen Arten, wie Sphaerococ-
cus co7ifervoides ß procerrimus Turner und Gelidium corneum ,3
sesquipedale Clemente, die Länge von zwölf Zoll und haben eine
hellere oder tiefere Purpurfarbe, welche im Leben durch einen
kleinen Zusatz von grün der Chlorophyllkörner getrübt ist, trocknet
man sie aber im Finstern, so verschwindet die grüne Trübung
und die rothe Farbe tritt lebhafter hervor, z. B. wunderschön
23 c bis 24 d bei Trichoihamnion coccineum Kg., Plocamium coc-
cineum Lgb., Delesseria sanguinea Lx. Die dunkelsten, tief vio-
letten oder schwarzrothen Rhodospermeen, wie Rhodomela, Ryti-
phlaea, Polysiphonia, Bostrychia, trocknen noch dunkler bis völlig
— 379 —
schwarz, wie die Melanospermeen; die kalkhaltigen Corallineen
sind dagegen hell rosenroth und behalten getrocknet diese Farbe,
auch zählt Harvey zu dieser Ordnung die bleichgrünen 13 g bis
h Liagoren, welche auf dem Meeresgrunde zwischen den dunkle-
ren anderen Seegewächsen silberweiss hervorschimmern.
Im Gegensatz gegen die schwarzsamigen sind die rothsami-
gen Algen gegen das Licht sehr empfindlich und bleichen unge-
mein leicht aus, sie sind daher lichtscheu, gehen im Wasser am
tiefsten hinab und lieben durch überhängende Felsen oder grössere
Meergewächse beschattete Stellen, in eigentliche Höhlen gehen sie
aber doch nicht hinein, ich fand in der blauen Grotte auf Capri
wohl Madreporen, aber keine Algen, und in der Donnergrotte
bei Pausilipo nur Gelid'mm corneum Lx. nahe an ihrer Mündung.
Laurencia ohtusa Lx., welche ich bei Venedig im Innern der
Pfahlgruppen des Hafens schön purpurroth gefunden hatte, fand
ich bei Neapel an untiefen offenen Stellen gelblich, daher Ber-
toloni sie Fucus luteus genannt hat, ebenso fand ich Hypnea mus-
ciformis Lx. und Ceramium rubrum Ag. als wohlgeschützte Pa-
rasiten anderer Algen purpurroth, an nackten, vom Meer nur
wenig bedeckten Felsen hellgrün, gelblich bis weiss, obschon noch
lebend und wachsend. Bekannt ist das ehemals häufiger vom
Kap der guten Hoffnung gebrachte und von Esper treu abgebil-
dete Gelidium cartilagineum Lx., an einem Exemplar sieht man
dunkclrothe Stellen, andere scharlachroth, orange, gelb, kupfer-
grün bis beinahe weiss; es sind am Strande im Auswurf des Mee-
res aufgelesene Exemplare, welche mit andern Sachen vermengt
und theilweise von ihnen bedeckt ungleich ausgebleicht sind, und
dunkelroth allein ist ihre ursprüngliche Farbe; man kann solche
bunte Rhodospermeen auch aus schon getrockneten Exemplaren
leicht künstlich darstellen, wenn man einzelne Stellen derselben
mittelst eines Pinsels mit einer bald stärkeren, bald schwächeren
Auflösung von Chlorkalk in destillirtem oder Regenwasser be-
streicht, im gesunden Zustande sind jedoch alle Algen einfarbig.
Nitophyllum versicolor Griffiths hat seinen Namen nur davon er-
halten, dass es in süsses Wasser gelegt seine Purpurfarbe in
Orange verändert, dieses geschieht aber, wie ich selbst in Neapel
— 380 —
an Aglaophyllum ocellatum Eudl., an Griffitbsien und Polysipho-
nien beobachtete , durch Endosmose , das eindringende süsse
Wasser sprengt die Zellen, welche platzend ihren purpurnen
Inhalt theilweise ausstossen, das Wasser färben, selber aber blas-
ser werden ; ungemein reich an solchem Purpursaft ist Rytiphlaea
tinctoria Ag., womit die Cretenser ihre Kleider färbten, die Rö-
merinnen sich schminkten.
Die dritte Ordnung der tilgen, die Grün sämigen, liebt
das Licht und geht daher im Meere am wenigsten tief hinab;
die meisten hieher gehörigen Algen sind schön grasgrün 12 b
bis e, so ülva^ Codium, Bri/opsis, Valonia, Udotea, Halimeda;
die als auf Sandboden lebend ganz einzig dastehenden Caulerpeen
haben bei lebhaft grünem Laube weisse Wurzeln, andere sind
hellgrtinlich, wie Äcetabularia, PeniciUiis, keine reine Meergattung
hat eine andere Farbe , denn die von Harvey bei den Ulven
gelassene Porphyra hat Kützing mit vollem Recht zu den Rho-
dospermeen versetzt, mit denen sie nicht nur die Farbe, sondern
auch das schnelle und vollständige scheinbare Wiederaufleben
im Wasser gemein hat, während alle Ulvaceen sich nur sehr un-
vollkommen und nicht viel besser, als trockene Salat- oder Spi-
natblätter, aufweichen lassen.
Am Strande bleichen die Chlorospermeen durch gelb in
weiss aus, doch nicht so bald, wie die Rhodospermeen, im Her-
bar erhalten sie sich fast unverändert.
Der Hauptunterschied zwischen dieser Ordnung und den bei-
den vorhergehenden besteht darin, dass die grünsamigen Algen
aus dem Meere durch Brackwasser in süsses Wasser übergehen,
so dass alle Süsswasseralgen mit höchst wenigen, kaum erwäh-
nungswerthen Ausnahmen ihr angehören, und mit diesem Ueber-
gang ist zugleich eine bedeutende Mannigfaltigkeit der Farben
verbunden.
Letzteres ist gleich bei der überwiegend marinen Gattung
Bangia der Fall, von dieser führt Kützing 18 Arten auf, darun-
ter 4 der Flüsse: Bangia coccinea, coccineo-purpurea, roseopur-
purea und atropurpurea, die andern 14 im Meere lebenden Arten
sind ebenfalls von dunkel- bis rosenroth mit wenigen Abweichungen,
— 381 —
welche Folge des Ausbleichens zu sein scheinen, wie bei Bangia
lutea J. Ag., aurantia Kg., pallida Kg. und versicolor Kg., welche
als braun, violett und purpur mit grün gefleckt beschrieben wird.
Das der Gattung Phormidium verwandte Trichodesmium ery-
ihraeum, von Ehrenberg im December 1823 im Hafen von el Tor
am Fusse des Sinai entdeckt, von Dupont auf einer Strecke von
256 Seemeilen von Kosseir bis el Tor beobachtet, färbt das Meer
so roth , dass Montagne den uralten Namen des rothen Meers
davon herleitet.
Stets grün, doch in verschiedenen Stufen und Tönen, sind
drei andere dem Meere und süssen Wasser gemeinschaftliche
grosse Grattungen: Enteromorpha, Cladophora und Vaucheria.
Unter den ausschliessend im süssen Wasser lebenden Fami-
lien sind die Hydrodyctien und Desmidieen schön grün, ebenso
die meisten Zygnemaceen, bei denen jedoch Staurospermum und
Zygogonium auch schwärzlich violette xlrten haben; diesen letz-
teren ähnliche Farben haben die Lemanien, Thorea ist lebend
dunkelgrün, geht aber trocknend in schwarzviolett bis in das
schönste Veilchenblau 21 b über, und Batrachospermum wechselt
vom schönsten Kupfergrün bis stahlblau und purpurroth; die.
Oscillarineen und Nostochineen sind ebenfalls bald licht blaugrün
14 f, bald olivengrün, bald stahlblau und scheinen oft völlig
schwarz, z. B. Oscillaria 7iigra V. ; von den 5 Arten der Gattung
Campsopogon ist C. aeruingosus Kg. kupfergrün, die andern sind
stahlblau 16 a und b, stahlblau ist auch die Mehrzahl der 12
Arten der Gattung Chantransia, aber Ch. violacea Kg. violett 21 a,
Ch.coccinea Kg. dunkelroth und Ch. investiensLenormanYOsenroth24:
f; stahlblau oder wasserblau 16 a bis eist auch die Farbe der Süss-
wasseralgen, welche man als blau bezeichnet hat, wie Nostoc coeru-
leum Lgb., Chroolepus coeruleum Naegeli, Sphaerozyga cyanea Kg.
Am mannigfaltigsten ist die Farbe der Landalgen, wenn
gleich auch hier die grüne vorherrscht, oft lebhaft und schön,
wie bei den 10. Ulothrixarten und 4 Schiiogonien, welche auf
dem Lande leben, und den 12 Prasiolen, von welchen Prasiola
crispa Ag. in Dänemark und Schweden selbst die Strohdächer
der Bauernhäuser besetzt; andere sind schwarzgrün, wie das be-
382
kannte Nostoc commune V., Symploca lucifuga Breb., Protococcus
atrovirens Kg., oder ganz schwarz wie Chroolepus eheneum Ag.,
Gloeocapsa coracina und atrata Kg., Polycoccus punctiformis Kg.
Stahlblau 16 a sind mehrere ausserhalb des Wassers wach-
sende Oscillarien und Phormidien, Symploca muralis Kg. und
cyanea Meneghini, Protococcus coeruleus Kg., violett 21 a bis c
Gloeocapsa violacea Kg. und janthina Naegeli.
Unter den jiurpurrothen Landalgen ist Palmella cruenta Ag.
die häufigste, man sieht sie fast das ganze Jahr in den Strassen
am Fusse der Mauern, vergossenem Blute ähnlich, meist in Ge-
sellschaft des schwärzlichen Phormidium, vulgare Kg. ; berühmt ist
der vielbesprochene rothe Schnee {Protococcus nivalis Ag.), durch
dessen Entdeckung der unergiebigen ersten Polarreise des Capi-
täns Ross ein höherer Werth beigelegt werden wollte, obgleich
Saussure schon lange vorher auf ihn aufmerksam gemacht hatte ;
hieher gehören ferner Protococcus pluvialis Flotow und roseus
Men., Gloeocapsa sanguinea^ sanguinolenta , hämatodes^ purpurea
und rosea. Kg.
Zwischen roth und gelb finden wir den Protococcus miniatus
und cinnamomeus Kg., Fr. Clementii Men., besonders aber eine
vielleicht besser mit andern Linneischen Byssusarten zu den Pilzen
zu stellende Gruppe von schimmelartigen Gewächsen, welche lebend
dunkelrothgelb 3 c, noch so sorgfältig und schnell getrocknet
doch nach dem Tode ihre Farbe in ein blasses Grünlichgrau ver-
ändern: hieher gehören der berühmte Veilchenstein {Chroolepus
JolitJius Ag.), von Haller zu den Flechten, von Nees zu den Pil-
zen gestellt, auf Granit wachsend, angefeuchtet einen Veilchenge-
ruch verbreitend, das viel häufigere, ebenso gefärbte Chroolepus
aureum Kg. an feuchten schattigen Felsen und Weinbergsmauern,
das zarte Chroolepus cohaltigineum Kg., welches auf unserer würt-
tembergischen Alp, z. B. in den Ruinen von Hohen-Gerhausen
und an der Uracher Steige, dem weissen Jurakalk eine flüchtige
Porphyrfarbe verleiht , und einige andere auf Baumrinde wach-
senden Chroolepus^ wahrscheinlich auch Bulbotrlchia peruana Kg.
Rein gelb 9 e ist keine Alge, das zweifelhafte Chroolepus
flavum Kg. an den Zweigen und Blättern der Bäume in Peru und
— 383 —
Chile so wenig als Palmella flava und Stypopodium flavum Kg.
dagegen haben mehrere Landalgen eine bald mehr bald weniger
derjenigen der Seetange sich nähernde braune Farbe, so Proto-
coccus Orsinü, 7nacrococcus, ci?i?ianiomeus, aureoviridis, aurantiofuscus
und fusco-ater Kg., Gloeocapsa mellea und fulva Kg ; gelbbraun
7 a ist auch lebend das Heer der kieselgepanzerten Diatomeen,
an der Grenze des Pflanzen- und Thierreichs, seit Anfang dieses
Jahrhunderts von einem halben Dutzend Arten auf mehr als
tausend gestiegen.
Endlich ist noch das Schillern einiger Algen zu erwähnen,
Bory hat eine Rhodospermeen-Gattung darnach Iridaea benannt,
von welcher einige Arten, wie I. Augustinae und I. micans Bory^
unter Wasser in den schönsten Regenbogenfarben schillern sollen;
nach Harvey schillert Haierica ericoides Kg. im Meere glänzend in
grün und blau, auch Chondrus crispus Lgb. irisire zuweilen, und
am Cap sah er an lebenden Champia compressa Harv. und Chy-
locladia iridescens Harv. lebhafte Regenbogenfarben, Miss Hutchins
sah Cladophora Hutchinsiae Kg. im Meer bläulich und weiss schim-
mern, und ich erkannte im Golf von Neapel Zonaria pavonia Ag.
noch in einer Tiefe von zwei Klaftern an einem milchweissen
Schimmer, welcher verschwand, so wie ich sie aus dem Wasser
an die Luft brachte.
Als Hauptergebniss der Untersuchung der Algenfarben dürfte
sich herausstellen:
1) Alle Algen sind im normalen gesunden Zustande einfarbig,
selbst die Bänder der Zonarien sind keine Farbenänderung des
Laubes, sondern Sporenreihen.
2) Die häufigsten Farben sind grün, olivenfarbig und pur-
purroth.
3) Violett, orange und schwarz kommen selten vor.
4) Die drei reinen Grundfarben, Stufe 1, 9 und 17, so wie
weiss fehlen gänzlich.
\f. Die Pilze.
Den vorstehenden Kryptogamen-Classen steht eine sechste
und letzte gegenüber, von allen die grösste; Rabenhorst führt in
— 384 —
seiner Kryptogamenflora Deutschlands 6742 Arten auf, und von
diesen stehen 4079 in der Classe der Pilze (Fimgi), 2663 in
den fünf andern zusammengenommen. Dagegen steht diese
letzte Classe an Grösse der einzelnen Arten allen andern nach,
von der einfachen mikroskopischen Zelle erhebt sich die Mehr-
zahl der Pilze nicht bis zu der Höhe eines Zolls, wenige zu der
einer Spanne, höchst selten einzelne Exemplare der allergrössten
Arten, wie eines Agaricus procerus Scopoli oder eines Polyporus
frondosus Fries, bis zu der eines Fusses; nur au Masse und Ge-
wicht übertreffen mehrere Pilze alle Moose und Flechten.
Den Algen am meisten, doch nur in den untersten Bildun-
gen, verwandt unterscheiden sich die Pilze darin wesentlich von
ihnen, dass sie nie im Wasser, selten auf Steinen wachsen; zu den
Pilzen gehört zwar die Mehi'zahl der von Kützing als Mycophy-
ceae unter die Algen versetzten Bildungen, allein diese schimmel-
artigen, meist farblosen, auf andern Organismen oder in künst-
lichen Flüssigkeiten , wie in ßiasolettos Apotheke auftretenden
Wesen sind meist nur unvollkommeue Anfänge von Pilzen, Reihen
oder Netze von Zellen (Hyphasma^ Mycelium)^ welche den Coty-
ledonidien der Moose {Protonemd) entsprechend die Stelle der
Samenblätter einnehmen und untergetaucht gar nicht zur Ent-
wicklung gelangen, wenige schwimmend, die meisten^ erst bei Ver-
dunstung der zu reichlichen Flüssigkeit, denn bei aller Wasser-
scheu lieben die Pilze die Feuchtigkeit, welche kaum die hol-
zigen Polyporen auf einige Zeit entbehren können.
Ebenso sind die Pilze lichtscheu, ohne das Licht ganz ent-
behren zu können, in ganz finstern Kellern und an den Stütz-
balken in Bergwerken findet man da, wo das Licht ganz fehlt,
wie im Wasser, nur meist farblose, nicht zur Entwicklung gelan-
gende Vorbildungen, wovon die Wetterzotten (Byssus suhterranea
Scopoli) das schönste Beispiel sind, grosse an dem Holze in den
Stollen hängende, baumwollenähnliche Flocken, welche zu Wasser
zerfliessen, wenn man sie pflücken will ; nur wenige, wie die Trüf-
fel, gedeihen in völliger Finsterniss.
Fast durchgehends Parasiten auf kranken, sterbenden oder
verwesenden Pflanzen, selbst Laubmoosen und andern Pilzen,
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iiianclie sogar auf thieiischcn Sloffoii, erscheinen die Pilze an
dumpfen t'euchlen Orten, am häutigsten im Herbste bei abneh-
mender Wärme und zunehmender Feuchtigkeit in Wäldern, ge-
speusterartig itber Nacht aufsteigend und eben so schnell wieder
verschwindend , von echt germanischen Völkerstämmen wie die
Würmer und Schlangen ohne T/ntorscliied als eckelhaft und giftig
gehasst und gemieden, von vieleii andern thoilweisse als unschul-
dig und nahrhaft begierig aufgesucht und genossen.
Den Pilzen fehlt, wie den untersten Algen, das Cldoropliyll
der andern (Gewächse, der berühmte i^otaniker Reichenbach be-
zeichnete sie daher als grttnlose Pflanzen {Achloroplnjta)^ indessen
fehlt ihnen bei der grossen Mannigfaltigkeit ihrer Fai'ben auch
die grüne nicht ganz.
Wie ])ei den Flechten, habe ich auch bei den Pilzen die
Farben ^der in der Flora danica abgebildeten 753 Pilze zusam-
mengestellt, im Ganzen auch nach Abzug einiger Wiederholungen
und unklarer ternärer Farben, da viele davon zwei Farben zeigen,
also doppelt zählen^ 793.
Die bei diesen Pilzen am liäufigsten auftretende Farbe ist
die ihrer Standorte, der Baumrinde, des abgefallenen Laubes und
der Walderde, IHS Arten sind braun in allen Tönen, von dem
dunklen Kastanienbraun der jMorcbeln. des Hydnum iinbricatum
L. und des Boletus castcmeKs ßuHiard bis zu dem lichten Hell-
liraun des Agaricus dypeolariia: Bull. , des ikwdharcllus lutescens
Fr. und des Polypoms frondosus Y\\ : diese Zahl wäre noch
grösser, wenn man die Gattungen Tapliruta, Erincian und Phylle-
r'wm liinzufügte, diese gehören aber, wie Fee nachgewiesen hat.
nicht zu den Pilzen , es sind durch Insekten veranlasste Aus-
wüchse, wie die Galläpfel, der Bedeguar und die Weidenrose.
Auch schwarz -ind viele Pilze, so der Brand im Getreide,
die Bulgar'ai inqainanti Fr., lidvella atru Koenig, (deoglosdimi
glahiu.ia P. , llypojylon polymorphiuu Link, viele Sphärien un<l
Hysterien, bis hellgrau wie ArcyrUi cinerea P., Pclyporua caesivs
Fr., Ibd'tridar'ia pluinhta Fr., im Ganzen 12(1 Arten.
Von sclnvarz gelangen wir durch die grauen Töne zur weissen
Farbe, welche wir l)ei 112 dieser 793 Pilze antreffen, Beispiele
Württeml). natiirw. Jahresliefto. 1802. :;.s Ilefr. ' 25
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sind der echte Champignon (Agaricu^ camjjesfris L.), der Pfeffer-
fchwamm {A. j^iiperatus L.), der kolbenförmige^. co??irt^?<5 Müller,
der schöne A. churneus Buil., Sphaerla nivea Hoffm., Peziza alba
Fr., riwea Fr. und vtrginea Batsch.
Gelb fand ich 101 Pilze, darunter mehrere schön und leb-
haft, so eine Spielart des A^garicus conicus Scov». 9 f, A. luteoni-
tens Fr. 7 f, A, cltrinellus P. 9 f, ^. aureus Bull. 7 c, Boletus
luteus L. 8 a, Stiel und Löcher 8 d, Polyporus sidfureus Fr. 8 f,
Peziza sulfurata Fr. 9 f, citr'ma Batsch 8 e, chrgsocoma Bull. 8 d.
Orange sind 90 dieser Pilze, besonders schön Agaricus j^uni-
ceus Fr. 5 b , ^. tonninosus Schaeffer 5 c, A. deliciosus L. mit
einer der von Chelidonmm majus L. gleichenden Milch, Hydnum
aurantiacum Hörn, , Thelephora pruni Schum. , Clavaria ahietina
P., Crihraria aiirantiacaSchväd. und Ozo?iium aiiricomum hk. ssunmt-
lich 5 c, Peziza lutea Schum. 5 d und der häufige Cantharelliis
ciharius Fr. 5 f, Unterseite 5 e.
Roth fand ich in der Flora danica 99 Pilze, darunter Arcy-
ria punicea P. 1 b, Peziza scuteUata L. und rutilans Fr. 1 c,
Tuhercularia imlgaris Tode 1 e, Agaricus cocciiieus Wulf. 2 b,
Blätter 2 e, Peziza hiimosa Fr. und Sphaerla coccinea P. 2 c,
Fistulina hepatlca Bull. 3 b, Agaricus miniatus Fr. und Peziza
aurantla P. beide 3 c, Agaricus magnlficus Fr. 4 a, Blätter 2 g.
Polyporus lucldus Fr. 4 c, der berüchtigte Fliegenschwamm 4 c
mit weissen Flecken und Blättern und Agaricus crocatus Schrad.
4 d. Südlichere rothe Pilze sind der schöne Polyporus clnnaha-
rinus Fr. 4 d mit helleren Zonen 4 g, Löcher 3 c, den ich auch
aus Brasilien sah und von Sidney in Neuholland erhielt, dann
der berühmte Kaiserling {Agaricus caesareus Scopoli), im südli-
chen Europa sehr beliebt, dem Fliegenschwamm nahe verwandt,
er gleicht in der Kindheit in der weissen Hülle ganz eingeschlos-
sen einem Hühnerei, sprengt dann diese Hülle mit dem glühend-
rothen Hut, breitet solchen schirmförmig aus und entwickelt die
citronengelben Blätter der Unterseite. Er ist der Boletus, mit
welchem Kaiser Klaudius vergiftet wurde, ob absichtlich, ob durch
Verwechslung mit dem Fliegenschwammm oder weil er zu alt
war, ist ungewiss, er wird nehmlieli, wie es bei allen Pilzen sehr
— , 887 —
rathsam ist, nur ganz jung gegessen, ehe er dem Ei ganz cnt-
sclilüpft, so habe icli selbst ihn in Venedig oline Nachtheil ge-
nossen. Der sonderbare flüchtige &itterscll^Yamm (Ckithrus can-
ceUatics L.) ist wie der Kaiserliug in der Kindheit ein weisses Ei,
aus welchem ein scharlachrothes Gitterwerk hervorbricht, in Würt-
temberg wurde dieser merkwürdige Pilz nur einmal aber in Mehr-
zahl gefunden, im September 1851 in der Willielma bei Canstatt
auf Grasboden im Freien unter ^Mimosen, vrelclie mit den Kübeln
eingegraben worden w'aren.
Blau oder nahezu blau 16 bis 19 fand ich 23 Pilze, aber
nur einen davon, Ili/du/ua suaveolens -j coeruleum Fr. 18 c, leb-
haft gefärbt, alle andern kommen in die drei hellsten Töne, wie
Agaricus pratoisis coeruleacenn Fr. und Peziza Schumacheri coe-
rulescens Fr. 19 f, Agaricus stylohates P. und der gemeine Schimmel
(Peni'Hlliiim glaucum Lk.) 19 g, Cunüiarellus retinigus Fr. 18 g.
Physarum hyalinum P. und iitriculare Fr, 17 g, Coremium glau-
cum Fr, 19 h, Physarinn caeshan Fr. 1!^' h Aind Botrytis cinerea
P. 17 h.
Mehr dunkelgefärbte haben die 21 grünen Pilze, nehmlich
12, darunter Phallus impudicus L. w'eiss mit dunkelgrünem Hut
13 a. Trichoderma viride P. 13 b, Geoglossum vlride P. 13 d,
Botrytis aeruginosa '^ohwm, 14 d, Agaricus aerugi?iosus Ciwüs und
Peziza aeruginosa P. 14 e.
Purpurroth sind 22 der dänischen Pilze, darunter Peziza
purpurea Fr. 24 a, die häufige Russula emetica Fr. 24 b, Stiel
und Blätter weiss, Agaricus roseUus Fr. 24 e, yl laccatus Scop.
bald nur die Blätter, bald ganz 22 c, Thelephora purpurea Schum.
Unterseite 22 c und Ciavaria purpu7'ea Mülle]' 22 f.
' Die seltenste Farbe der Pilze ist violett, nur bei 11, wie
Ilydnum Aariscalpium L. 21 a, die Blätter von Agaricus nudus
Bull, und Candollianus Fr. 21 d, A. Schwnacheri Fr. ganz 21 d.
A. violaceus Scholl 20 c.
Nach dieser üebersicht, von vv-elcher auf andere Zählungen
gegründete w^ahrscheinlich niclit erheblich a])weichen werden,
kommt schwarz mit seinen Tönen bis weiss bei 238 der 793 Fälle
vor, roth und gelb ohne blau bei 478, blau allein oder mit roth
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oder mit gelb nur bei 77, äbnlicb wie bei den Flechten, bei
welchen schwarz und weiss in 87, roth und gelb ohne blau in
127 und blau mit andern Farben nur in 59 Fällen vorkommt,
letzteres wegen des noch vorhandenen Chlorophylls etwas häufi-
ger als bei den Pilzen, bei denen die blaue Farbe im ganzen
Pflanzenreich die kleinste Rolle spielt.
Die Pilze bleichen nicht aus, sondern werden alternd dunk-
ler, so ist bei den höheren der Anfang, das Hyphasma, weiss,
der Stiel gewöhnlich schon weniger, der Hut noch dunkler, di<^
Sporen am dunkelsten, die auf Dung wachsenden Pilze mögen
jung noch so hellfarbig sein, so werden sie im Alter schwarz,
Ägaricus comains Müller steigt blendend weiss aus dem Graso
auf, wird bald rosenfarbig und zerfliesst endlich zu einer Dinten-
ähnlichen Flüssigkeit, Lycogala Epidendron Fr. ist jung hellroth
2 f, älter dunkelroth 2 d, zuletzt grauviolett. Noch so sorgfällig
getrocknet trüben und verdunkeln sich immer die Farben dieses
vergänglichen, lebend und todt mehr als jedes andere Gewächs
der Zerstörung durch Insektenlarven ausgesetzten Geschlechts,
Date Due
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